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!Tt. S02 3S. Jahrgang
2. Heilage öes vorwärts
Sonntag, 25. Dezember 1921
Wie Zrleörich Hebbel Weihnachten feierte. Don Ernst Edgor Reimerde s. Das poesieumwobene Weihnachtsssst ist von jeher nicht nur Gegenstand dichterischer Darstellung gewesen, die Dichter selbst haben es immer gern gefeiert und sich von seinem seltsamen Zauber um- spinnen lassen. Bor allem Hebbel  . In die freudlose Jugend des Maurersohnes aus Wesselburen   leuchtete das Weihnachtssest wie ein Heller Stern hinein, es war nach, den Aeußerungen des Dichters in seinen Briefen und Tagebuchblättern der einzige Lichtblick in der düsteren Armut des Elternhauses:Dann ging's auch bei uns hoch her. Es gab etwas Besseres zu essen, Hader und Zank der Eltern ruhten und mein kindliches Herz taute auf." So schreibt H. an seine Freundin Elise Leasing, die Helferin in seinen schweren Jugendsahren.Dann wurde von den blauen Hirschtcllern gegessen, so genannt, weil in ihker Mitte ein Hirsch gemalt war, den mein Bater gewöhnlich mit Kreide auf dem Tisch nachzuziehen pflegte; es gab' einen Mehlbeutel, zuweilen wohl gar mit Rosinen und Pflaumen gefüllt; später ward ein guter Tee getrunken, hauptsäch- lich der lieben Mutter wegen, die ohne Tee nur halb vergnügt sein konnte. Bevor das Essen kam, sang der Bater in Gemeinschaft mit mir und dem Bruder ein geistliches Lied, nachher muhte ich aus der ehrwürdigen, dickbäuchigen Postille mit den vielen 5)olzschnitten das Evangelium und eine Predigt vorlesen. Die Eltern waren heiter, auch der Bater, den wir Kinder fast das ganze Jahr nicht heiter sahen, die dumpfen, erstickenden Gespräche über die Schwierigkeiten, Brot herbeizuschaffen, unterblieben lagen doch meistens zwei oder drei kostliche breite Wecken im Schrank Scherz und Lachen waren erlaubt und wir Kinder dünkten uns im Himmel. Dazu am Weih- nachtsabend der schöne Gedanke: diese Herrlichkeit dauert zwei volle Tage!" Sein erstes Weihnachtsfest, fern von der Heimat, verlebte H. 1835 bei Elise Leasing in ihrem Stübchen in Hamburg  , beglückt durch die Liebe dieses opferwilligen Mädchens. Mit Wehmut er- innert er sich dieses schönen Weihnachtsfestes, wenn er in seiner ärmlichen Studentenbude in Heidelberg   und München   bei Kaffee, Lebkuchen und Nüssen den Heiligen Abend einsam begeht. In seinen Briefen vertröstet er die Geliebte auf die Zukunft:Wir wollen uns diese Weihnacht dadurch versüßen, dah P,ir mit aller Inbrunst und Glut des Herzens an das Künftige denken und uns ausmalen, uns in den Glanz versenken, mit dem es uns überziehen wird!" 1839, 1840 und 1841 feierte H. Weihnachten wieder in Hamburg  mit seiner Freundin zusammen. 1841 machte er folgende Aufzeich. nung:Die Weihnochtstage habe ich bei ihr, die ich nicht mehr zu nennen brauche, wieder schön verlebt. Sie hat mir einen prächtigen Schal geschenkt, außerdem noch gestickte Schuhe, eine feine Geld- börse und was mich immer tief in meine Kindheit zurückversetzt nicht weil ich es hatte, sondern weil es mir fehlte Nüsse, Kuchen und Aepfel." Den Weihnachtsabend 1842 verlebte H. einsam in einem öden, kalten Hotelzimmer in Kopenhagen   in Erwartung der Antwort auf sein Gesuch an Christian VIII. um Bewilligung eines Neisestipendiums. 1843 feierte er in Paris   ein trauriges Weih- nachtsfest, denn kurz vorher war sein und Elise Lensings Söhnchen gestorben, überdies lastete die Not des Lebens schwer auf ihm. Das Jahr 1845 brachte den großen Umschwung in Hebbels Leben und eine Besserung leiner Berhällnisse. In Wien  , wohin er um die Weihnachtszeit kam, fand seine Kunst die verdiente Anerkennung und er selbst in Christine Enghaus   eine kongeniale Lebensgefährtin. Bon nun an konnte der Dichter im eigenen Heim/ frei von allen Sorgen, fo recht von Herzen Weihnachten feiern, wie es stets sein Wunsch gewesen. Mit welch tiefer Freude schmückte er den Tannenbaum für sein 1847 geborenes Töchterchen, wie eifrig bemüht« er sich, die Seinen zum Fest zu überraschen. Hebbels Biograph Emil Kuh  berichtet eingehend über die Weihnachtsabende im Dichterheim:Der Dichter freute sich auf das Christfest kaum weniger als sein Kind,
und die Düchergeschenke, welche er von seiner Frau und den intimsten Freunden empfing, trug er samt dem Päckchen feiner Pfeffernüsse so befriedigt aus dem Gesellschaftszimmer in sein Arbeitsgemach hinüber, wie Christinchen(Hebbels Töchterchen) ihre Spielsachen in die Kinderstube. Dieses Arbeitsgemach war am Christabend hell er- leuchtet und dieses strahlende Licht alsdann das einzig Glänzende in dem sehr bescheidenen Raum." Eine besonders hübsche Ueber- raschung bereitete Christine. Hebbel   ihrem Gatten Weihnachten 1849. Als dieser in das Zimmer zu dem brennenden Tannenbaum gerufen wurde, lief ihm sein zwei Jahre altes Töchterchen in der Tracht eines braunschweigischen Bauernmädchens entgegen.(Hebbels Gottin stammte aus Braunschwcig.)Schwarzes Hütchen, nur den 5)inter- köpf deckend, mit langen roten Bändern, rotes Kleid, kurz geschürzt, Zwickelstrümpfe nebst Lederschuhen, eine geflochtene Kiepe auf dem Rücken, angefüllt mit Rüsten und Kuchen für mich. Das alles hatte meine liebe Frau an den Abenden gemacht, wenn ich nicht zu Hause und sie nicht auf der Bühne beschäftigt war; ich hatte nicht das ge- ringste davon gemerkt. Das närrische kleine Ding wollte die Kiepe den ganzen Abend nicht wieder ablegen, es saß damit auf dem Stuhl und und trank." Der Dichter hatte an dieser Verkleidung so"viel Vergnügen gefunden, daß sie auf seinen Wunsch an den Weihnacht?- abenden der nächsten Jahre wiederholt wurde.
psefferkuchenmann unö homgkuchenpserö Eine Weihnachlsgeschichte für Kinder von Carl vantz. In der himmlischen Backstube war Kehraus. Eben rollte der Backengel noch das letzte Klümpchen vom weißen und braunen Teig aus; aber die Reste waren so knapp, daß die beiden Figuren nicht fertig wurden, und so mußte das Pfefferkuchenmännlein ohne Kopf und das Honigkuchenpferd ohne Schwanz in den Backofen wandern. Sie hatten denn auch Spott genug zu erdulden, als sie endlich gar waren und mit den fertigen Kringeln und Herzen die Reise nach der Mondwiese antraten, wo alle Himmelsleute heute Weih- nachtsmarkt feierten. Hei, was war das für ein Geschrei und Gesuch, ein Blasen und Trompeten auf der dichtgedrängten Sternenstrahe. Denn auch aus den übrigen Himmelswerkstätten kam ein lustiges Boll hervor, und Hampelmänner, Puppen und Schaukelpferde marschierten, hampelten und strampelten in fröhlichem Durcheinander dem gleichen Ziele zu. Da wieherte das Pferd für das Männlein, das ja keinen Kopf hatte, und das Mannlein schwenkte die Arme in der Luft herum für das Pferd, well es ja nicht mit dem Schwänze wedeln konnte. Und sie wurden beide so ausgelassen, daß alle sich nach ihnen umsahen und sich anstießen, und einer sagte: Nun hört doch mal, wie das Honigkuchenpferd lacht! Zwei himmelhohe Weihnachtsbäume mit Sternen in den Zwei- gen brannten am Eingangstor der Mondwiese. Ein grimmiger Nußknacker mit Zähnen wie. Mester im Maul stand davor und gab jedem, der hinein wollte, ein Rätsel auf. Wie heißt der wunderbarste Baum? schnarrte er dem Hampel- mann entgegen, der die Bleisoldaten führte. Pah! lachte der. Das ist der Tannenbaum! Denn er brennt stundenlang und verbrennt doch nicht. Stolz marschierte er hinein und nahm die ganzen Soldaten mit. So was können wir auch wohl, meinte das Honigkuchenpferd; aber setze dich auf, dann kriegen wir vielleicht bloß e i n Rätsel i-uf. Nußknacker klappte sein Gebiß auf und zu wie eine Brotschneide- Maschine, als er das seltsame Paar erblickt«. Es sollte Lachen sein» aber die beiden zitterten doch vor Furcht. Wie heißt der lustigste Mann im Himmel? fragte Nußknacker. Das Pferd antwortete für den Mann mit einem lustigen Ge- wieher, das sollte bedeuten: Das ist der Pfefferkuchenmannl Denn wenn man ihm auch den Kopf abbeißt, so lacht er doch wie ein Honigkuchenpferd.
Der Nußknacker verstand das auch ganz gut und nickte mit dem Kopfe. Als die beiden nun aber hineinreiten wollten, schrie er nochmal: Halt! Welches ist das schnellste Pferd? Statt des Pferdes antwortete nun aber das Männlein. Erst zeigte es mit beiden Händen auf sein Rößlein, dann aber tippte es mit der einen Hand auf Nußknackers Mund und mit der anderen auf Nußknackers Leib. Das sollte bedeuten: Das ist das 5)onigkuchenpferd. Denn es reitet so geschwind, daß es in fünf Minuten von München   nach Leipzig   kommt! Alle Leute auf der Straße hatten es gleich verstanden; bloß Nußknacker stand noch immer mit dem einen Finger an seinem Riesenmaul und dem anderen an seinem dicken Bauch und schüttelte den Kopf. Dein zierliches Mündchen ist München  , und dein schlanker Leib ist Leipzig  ! schrie ihm endlich eine Trompete ins Ohr. Da hatte auch er begriffen, und diese Lösung stimmte ihn so vergnügt, daß ihm vor Lachen der Bauch wackelte. Nun durften die beiden hineinreiten. Himmel, was gab es» doch für wunderbare Dinge auf der Mond  - wiese! Zelt stand neben Zelt, alle aus dem feinen, seidenen Woltentuch gemacht, und aus jedem Zell   lachte ein putziges, pausbackiges Engelchen, das seine Herrlichkeiten mit drolligen Versen anpries. Ganze Scharen von kleinen Engelchen aber bewegten sich, halb trippelnd, halb flatternd, zwischen den Zeltreihen, kauften hier, guckten da, und dann setzten sie sich wohl, an einer Zuckerstange oder einem Kuchenherz knabbernd, in ein Karussell oder in eine Luft- schaukcl. Am liebsten aber fuhren sie doch auf der Rutschbahn; denn dann konnten sie ihre Flügel gebrauchen, wenn sie unten angekommen waren und die lange Wendeltreppe wieder hinauf mußten. Hastdunichtgesehen! galoppierte nun auch das Honigkuchenpferd die steile Treppe nach oben, und hui! sausten Roß und Reiter die Rutschbahn hinunter. Und dann nochmal und nochmal! Die Engel krähten fast vor Vergnügen und sagten, so einen lustigen Jahrmarkt hätten sie noch nicht erlebt. Roß und Reiter kamen aus dem Staunen gar nicht heraus. Und was wird aus all den Kuchen und Spielsachen, wenn das Fest vorbei ist? fragte Pfeffertuchenmännlein schließlich. Die ganze Herrlichkeit packen wir in den großen Sack, den Knecht Ruprecht mit auf die Erde nimmt. Uns auch? Auch euch, sagte ein größerer Engel, der sinnend und ernst j dabeigestanden hatte und mir hin und wieder einmal lächelte, wenn die Kleinen es gar zu toll trieben. Aber wir sind doch gar nicht heil! erwiderte das Männlein. Auch aus euch strahll die himmlische Freude, die ihr hier ge- nassen, sagte der ernste Engel. Geht nun, und schenkt euch denen, die keine Freude haben. Hört ihr die Glocke läuten? Das Fest | ist zu Ende. Mir hat etwas Seltsames geträumt, sagte das kleine Peterle und rieb sich die Augen. Es war noch dunkel in der engen Kammer, ! und der Junge konnte das Bett nicht sehen, In welchem sein Schwester- ' chen schlief. Mir auch, sagte da das Mariele, das eben wach wurde. Mir ist, als hört« ich noch eine Glocke läuten, und ganz schwindlig ist mir/ als ob ich vom Himmel gefallen wäre. Da merkte Peterle, baß sie wohl dasselbe geträumt habe, und er sagte schelmisch: Ich glaube, Mariele, du bist gar zu oft die Rutschbahn hinunter- gesaust! Da mußten beide doch aus vollem Halse lachen, so daß die Mutter, die in der Wohnstube beschäftigt schien, den Kopf in die Tür steckte und Pst! rief.
V
Das Dödeli. Von Jakob Boßhart  .
Es war an einem Samstagnachmittag im November. Der Winter warj den ersten fetten Schnee übers Land. Im Löwen   zu Illingen   versammelten sich die Armenpfleger des Dorfes. Sie stampften im Gang g. räuschvoll den Schnee von den Sohlen und traten in kurzen Zwischenräumen gemächlich in die Gaststube, wo sie von der Wirtin, einer rundlichen Frau im stillstehenden. Alter, freundlich empfangen wurden: Guten Abend, Armenpflegerl Kalt Wetter heut! Was darf ich nachher bringen? Denk', einen halben Liter neuen Roten?" Wie alleweil. Susann," erwiderten alle wie auf Verab- redung und stelzten aus ihren steifen Beinen durch ein Tür» chen in die Hinterstube, die im Löwen   eine Art Allerheiligstes vorstellte. Zuletzt erschien der Präsident Schnurrenberger in Beglei- tung eines blutjungen, städtisch gekleideten Menschen, der ein schweres Buch unter dem Arme trug. Es war der Lehrer des Dorfes. Er amtete erst seit ein paar Wochen in Illingen  und war, wie alle seine Vorgänger, gleich mit allen Schrei- bereien der Gemeinde betraut worden; denn den Fingern der Bauern widerstrebte ein so leichtes Werkzeug, wie eine Feder es ist. « Der Präsident gab dem Lehrer einen Wink, in die Hinter- stube zu treten, und näherte sich dann der Wirtin:Kommt der Schuppli  , so stell ihm einen halben Liter auf, von dem, den wir trinken, oder auch zwei. Ich bezahl's." Dann kniff er sie im Vorbeigehen, ohne eine Miene zu verziehen, leicht in die Backe, wie man manchmal auf einem Spaziergang fast gedankenlos die Hand nach einer Blume ausstreckt.Immer der Alte!" machte die Wirtin freundlich und gelassen. Sie verlor bei der Antastung chrer rundlichen Person kein Quentchen ihrer Gemütsruhe. Es geschah ja nicht zum erstenmal. Der Präsident hatte im Laufe der Zeit fast ein Recht auf die kleine Freiheit erworben, und sie ließ ihn gewähren: denn solange sie ihm eine Gerechtsame auf ihre Backe �zugestand, verlegte er die Sitzungen der Armenpflege und des Gemeinderates, dessen Präsident er auch war, nicht in den Freihof. So rechnete sie. . Der. Präsident war ein hagerer, etwa fünfzig Jahre alter Mann mit langen dünnen Beinen, und kurzem, nach vorn geneigtem Oberkörper. Im Kpof saßen ihm unruhige graue Augen, die sich hinter schweren, geschwollenen Augenlidern versteckten und sich von fremden Blicken nur selten fangen ließen.
In der Hinterstube setzte er sich oben an den Tisch; die Wirtin stellte geräuschlos vor jeden Flasche und Glas, schenkte selber ein und verschwand wie ein Schatten. Dann nahmen die Verhandlungen ihren sachlichen, trockenen Verlauf. Nach einer Stunde, als die Annenpfleger schon glaubten, die Ge- schäfte erschöpft zu haben, und sich auf die zweite Flasche freuten, von der sie sich größeren Genuß versprachen als von der ersten, zog Schnurrenberger ein zerknittertes Blättlein hervor und gab dessen Inhalt bekannt. Der Sigrist*)- gerlin stellte darin das Begehren, die Gemeinde möchte ihm für seine Pflegebefohlene Dorothea Schudel, die er bis jetzt um Gotteslohn gehalten habe, wie er sich ausdrückte, ein Kost» geld zahlen; denn mit dem bißchen Arbeit, das sie leiste, ver- diene sie nicht einmal das kalte Wasser. Er.meine, wegen zweihundert Franken würde die Gemeinde nicht verlumpen;! ihm aber könne man ein Opfer, das er sechs Jahre lang für das Geschöpf gebracht habe, nicht bis zum jüngsten Tage zu- muten. Das Hinterstübchen wurde still. Die Armenpfleger schauten in ihre Gläser, die einen verschmitzt lächelnd, die an- deren ernst, und dachten alle das nämliche:Da will einer die Gemeinde melken." Dorothea Schudel war eine Schwachsinnige und wurde im Dorf, wenn man es freundlich meinte, das Dödeli, meist aber das Trötteli genannt. Die Mutter, eine leichtlebige Magd, hatte sie vor Jahren ihrem Meister, dem Sigristen. und sich selbst überlassen und war in die Stadt gelaufen, wo sie bald zugrunde ging. Bom LZater wußte man nichts Ge- wisies; aber man munkelte:Er ist nicht weit her und hat nicht weit heim" und meinte damit den Wirt zumFreihof". Wie wollen wir den Sigristen bescheiden, ihr Mannen?" fragte der Präsident nach einer Weile, ohne seine schweren Augenlider zu heben. Es entstand ein Hüsteln und Räuspern um den Tisch und ein Scharren darunter, als hätten die Worte aus dem Bretterboden gekratzt werden müssen. Endlich entschloß sich einer zur Rede:Die Magd ist gesund und stark, man muß ihr nur den Stiel in die Hand geben." Alle nickten, und ein zweiter warf die unwilligen Worte über den Tisch:So etwas habe ich noch nie gehört! Die Gemeinde gibt dem Sigristen zwei gute Hände und er meint, sie solle ihm auf jede noch eine Banknote legen!" Ein Dritter hatte inzwischen einen Ueberschlag gemacht und brachte das Ergebnis stockend hervor:.Zweihundert Franken im Jahr, das macht in der Woche, schätz, vier Fran- ken. Soviel muß ich meinem Knecht zahlen; der Mägerli aber will von seiner Magd soviel einstecken, wie ich abgeben muß." Sprach's und spuckte geräuschvoll auf den Boden. ) Küster.
Das Rechenexempel wirkte abklärend.Eine solche Magd wäre auch mir anständig, meinte der Vierte gezwungen lachend und spuckte zum Zeichen des Einverständnisses eben- falls aus. Der Präsident faßte zusammen:Es ist also eure Mei- nunsj, daß man das Begehren abweise?" Eine Weile hörte man die Stube atmen; dann regte sich wieder einer der Armenpflegcr und brummte eine längere Wortreihe in seinen Bart, aus der man mit Raten und einiger Menschenkenntnis heraushören konnte, er sei der Nachbar des Gesuchstellers, wie man wisse, und möchte sich mit ihm nicht verfeinden: ein böser Nachbar sei schlimmer als eine große Schuld auf dem Heimwesen, das sei bekannt. Der Sigrist würde natürlich ohne weiteres annehmen, er habe ihm zuleid geredet; gb man nicht etwas zwifchenhindurch beschließen könnte? Am besten wäre es wohl, den Mägerli kommen zu lasten; er wohne ja nur über der Straße, mündlich verhandeln spare Papier und Tinte. Der Präsident rutschte auf seinem Stuhl hin und her, hob seine Augenlider ein wenig und musterte die anderen. Die Anregung schien ihm nicht sehr glücklich zu sein; da aber alle schweigend ihr Einverständnis bekundeten, sagte er trocken: Je nun, so wollen wir ihn kommen lassen." Er stand auf, öffnete die Türe und rief in die Gaststube hinaus:Susann, laß dem Sigristen sagen, er soll ins Ge- meinderatsstübchen kommen... und das Dödeli mitbringen," fügte er nach einigem Besinnen hinzu. Bald darauf stieß Mägerli das Trötteli durch die Türe herein und stolperte dann selber über die Schwelle, sichtlich aufgebracht, was man von ihm begehre? Ob er etwa gestoblen habe, etwa den Rock, den er trage, oder die Hose? Er wies dabei auf seine Kleider, die manelze alte Narbe und dazu einige neue Schäden aufwiesen und auch einem Lumpensammler wenig Achtung eingeflößt hätten. Der Präsident holte seine Würde hervor:Es ist wegen der Magd Dödeli Schudel, hier zugegen. Die Pfleger finden deine Forderungen zu hoch in Ansehen der Gesundheit und Rüstigkeit des Dienstboten." Der Sigrist wurde noch aufgeregter und unterbrach den Sprecher:Dienstboten! Herrgott und's Gegenteil! Ich bin kein Fürsprecher, ich bin nur der Sigrist und habe nichts aufs Wort studiert: aber das muß ich sagen, Dienstbote! Das ist starker Tobak!" Er schwieg, wies mit der Hand auf- die Magd und suchte seinen Gedankengang. Dabei fielen seine Blicke auf die Flaschen der anderen. Der Wein erschien ihm plötzlich als Retter in der Bedrängnis, und er rief, auf den wohlbe- stellten Tisch deutend:Kann ich auch einen Halben haben?" (Fortsetzung folgt.)