flr. 15 ♦ ZH.Johrglwg Dienstag, IS. Januar 1?22
Die Herrfthast des Aberglaubens. Oecultismus, Spiritismus, Mystizismus in Berlin . Va- tragisch, Ends der Hedwig Müller-Hchling, bei dem war ein« Zeillang Schlagwort in Berlin und ihre Kartenbilder der.Professor" Weber-Rcbine, Präsident der„Okkultistischen Volks- fanden reißenden Absatz. Kompromittierende Vorfälle, wie das er- Hochschule", eine höchst bedenkliche Rolle gespielt zu haben scheint, bauliche Ende des Meisters des spiritistischen Vereins„Neue Mensch- macht uns unwillkürlich wieder auf dos Treiben von Kreisen aus- i heit". Karl Wald, schadeten der Bewegung wenig. merksam. die angeben,„mit dem.Ilebersinnlichen" Be- Die Eulhüllvugen über den JürstenPhilipp Eulenburg, die 's n£ nnl.«n%v?- anders steht als m,t höchst" kreise von myslischeu Dingen beeinflußt sind. In ihrem anderen Orten, ist bekannt. So ,ft der aus dem altgermanischen Sinne wirkten zahlreiche Dcrcinlgunaen. so die Logen„E o? zur Heidentum stammende Glaube an die„Weiße Frau " hier von jeher Erkenntnis� und„I u st i n u s Kerner zur E i n i g k e i t". besonders lebendig gewesen, und noch heute gibt es namenllich in die„Deutsche Gesellschaft für� Seelen forsch ung", den Kreisen des Adels und der bisherigen Hofgesellschaft viele, die chie an ihm festhalten. Die weiße Irau öer tzshenzollern._ Daß gerade Berlin hauptsiß dieses Spuks wurde, führte sicher ein ernster Vorfall beim Tode Friedrichs I. im Jahre 1713 herbei, der auf seinem letzten Krankenlager beim plötzlichen Ein-s treten seiner in Irrsinn verfallenen dritten Ge- m a h l i n die weiße Frau zu sehen glaubte. Sein rauher, derber Sohn, der„Soldatenkönig " Friedrich Wilhelm I. , schritt energisch gegen allen Schwindel ein und ließ ertappte Betrüger, die sich als „weiße Frau" vermummt hatten, öffentlich bloßstellen. Auch unter der Herrschaft des„aufgeklärten Despoten" Friedrich II. , der ja nicht nur den Freigeist, sondern auch den Reli- gionsspötter spielte, kam die„Spukcrei" nicht recht zur Gel- tung. Reich entschädigt wurde sie dafür unter der Mißwirtschaft seines schwachen, liederlichen, dem Mystizismus ergebenen Neffen Friedrich Wilhelm II. Er war dem Wunderschwlndel jener Tage hochAadig zugetan, ließ sich von seinen Günstlingen B i s ch o f f- « e r d e r und M ö l l n e r in die Geheimnisse der Rosenkreuzer , Llluminaten und ähnlicher Orden einweihen und schaute mit gläubiger Begier die Geister des Großen Kurfürsten und anderer, die ihm mittels künstlicher Maschinerie vorgeführt wurden. Borübergehende Zlusklärung. Freidenker, wie der Buchhändler Nicolai in Berlin und der Pastor Wagener in Rathenow , Verfasier der einst sehr beliebten „Gespenster ", kämpften mit Recht gegen solchen Schwindel an, und im neunzehnten Lahrhundert mußte wie überall so auch m Berlin der Aberglaube der zunehmenden Ausklärung weichen. Doch behielt er noch immer große Macht, das beweisen neben dem alltäg- lichen Treiben von„klugen Frauen". Kartenlegerinnen u. dgl. Vor- tölle wie das Austreten des Wundermädchens aus der Schiffer- .raße . Und als vollends von Amerika aus der Spirilismus noch Europa kam und immer weitere Kreise ergriff, blieb auch Berlin nicht zurück. Namenllich im letzten Viertel des Jahrhunderts, wo eben die richtig« Fin-de-siecIe-Stimtnung herrschte und die Extreme
Sphinx", der„Bund für N a t u r e r k e n n e n auf christlicher Grundlage", die„Gemeinde Aus zur Sonne", ebenso Zeitschriften wie die„U e b e r s i n n l i ch e Welt". Don dichterischen Größen ließ namentlich Frau Klara E y s e ll- K illb u r g er, Gattin Viktor Blüthgens, mediale Klänge ertönen. Malmedien wie Wilhelmine Aßmann und Frida Gentes zeigten vor der Oeffentlichkeit ihre Kunststücke unter gewaltigem Zulaufe. Wenn polizeiliche Schritte so gegen das Medium Frau Abend resultatlos blieben, war dies Wasier auf die Mühle der Spiritisten. Für das Jahr 1914 wurde ein Jnternatio- naler Okkultistenkongreß in Berlin geplant und schon große Vor- bereitungen getroffen, das Zustandekommen aber durch Zwistig- leiten unter den Komiteemitgliedern und den Ausbruch des Welt- krieges verhindert. Der Krieg als Möerung Ses Uebersinnlichen. Daß dieser Krieg einen großen Einfluß auf das religiöse Cmp- finden der Mafien haben mußte, ist klar. Auf der einen Seite wur- den viele gläubige Christen an einem Gotte, der solche Greuel ge- schehen ließ und auch gegen die flehentlichsten Friedensgebete taub blieb, irre. Auf der anderen Seite aber suchten auch viel« in so schwerer Zeit Trost im llebersinnlichen. und so haben denn okkultistische. spiritistische, theosophische und ähnliche Bestrebungen in den letzten Jahren auch in Berlin einen starken Aufschwung genommen. Die Tatsache, daß die allermeisten okkulten Kriegsprophezeiungen total fehlschlugen, ändert daran nichts. Prozefie, wie die gegen die Gesundbeter, deren wirken die Schauspielerinnen Buscha Buhe und Alice v. Arnauid zum Opfer gefallen ivaren, sprachen von der wach- senden Illach! des Wunderglaubens. Wir wollen nicht bestreiten, daß in den Dereinsfitzungen oft auch lehrreiche und interefiante Borträge gehalten werden, die keineswegs immer vom Standpunkt des Spukglaubens ausgehen. Im ganzen aber überwiegt der Hang zu mystischen Darbietungen aus dem Jenseits, und Redner wie Brandler-Pracht und Pergt-Shou kommen ihm eil- fertig entgegen. Die altbeliebten Zirkelsihungen mit Tischrücken, Trancereden. Geisterschrift n. dgl. sind noch sehr im Schwünge. Wer ihnen als kühl-besonnener Beobachter beiwohnt, gewahrt nicht viel Wunderbares oder Unerklärliches, während die anwesenden Spiri-
sich berührten, sehen wir auch wieder den Aberglauben üppig ge- Wunderbares oder Unertlarliches. wahrend die anwesenden C-piri- beihen, Vorgänge, wie der.Spuk von Resau", wo der siebzehn- tisten meist schon von den unbedeutendsten Phänomenen entzuckt
werden. Geistermaterialisalionen, mit denen früher viel Aufhebens gemocht wurde, scheinen jetzt fast nur noch im engeren Kreise, zum mindesten unter Fernhaltung von Antispiritisten stattzufinden, während man doch annehmen sollte, die Geister müßten sich mit Vorliebe gerade an ihre Leugner wenden, um sie durch ihr persön- liches Erscheinen zu bekehren. Welch gefährliche Früchte der Aber- glauben zeitigen kann, hat nun wieder der Fall der Hedwig Müller- Heßling bewiesen. Wir wollen hoffen, daß die Untersuchung bald
deihen. Borgänge,.>> jährige Bauernbursche Karl Wolter Herren und Damen der sogen. besseren Gejellschaft mittels zum Teil recht plumper Manipula- tionen zu düpieren wußte, und der Prozeß des Mediums Daleska Töpffer, für dos namentlich Dr. Egbert Müller mit Begeisterung eintrat, zeugten von der wachsenden Macht des Spiritismus in Berlin und Umgegend. wie der Spiritismus wirkte. Daß die Sache auch sehr ernste Seiten hatte, bewies u. a. der' Licht in die Sache bringt und daß dem schädlichen Treiben der Ge- Mord am Teufelssee. wo die Arbeiterin Luise B e r g« r durch den schäftsokkultipen energisch entgegengearbeitet wird. Töpfergesellen Eugen I ä n i k« unter Zuhilfenahme angeblicher Zauberei vergiftet und beraubt wurde. Einen tiefen Einblick in das Treiben spiri lislifcher Zirkel gewährte 1993 der Prozeß des„Blumen- mediuws" Anna Rothe, die nach längerer Verhandlung von der ersten Strafkammer des Landgerichts II wegen Betruges zu achtzehn Monaten Gefängnis verurteilt wurde. In seinem Plädoyer äußerte der Verteidiger Dr. Thiele: Das Verfahren sollte ein großer Schlag gegen den Spirilismus fem. es ist zu einem Schlag.ins Wafier geworden. E? sei die größte Reklame ssir den Spirilismus. Er irrt« nicht. Die gläubigen Spiritisten ließen sich durch die Ver- urteilung der Rothe in keiner Weise von ihrer Sache abbringen.> Versammlungen, wie die der Loge„Psyche für Wahrheit
Mißbrauchte Gastfreunüfthast. Raubmordversuch an einem einarmigen Invaliden. Wegen versuchten Mordes und schweren Raubes stand gestern ein gewisser Karl Schoel vor dem Schwurgericht des Land- gerichts I. welches unter dem Vorsitz des Landgerichtsdirektors R e h n eine neue Tagung begann. Der schon mehrfach vorbestraft Angeklagte war längere Zeit __________________.___ in denen j bei der Vrennstofs-A.-G. tätig gewesen und kannte die Verhältnisse JacouesGr o l l und andere bekannte Redner aufs leidenschaftlichste auf dem Holzplatz der Gesellschaft in der Landwehrstraße sehr genau, "r sie eintraten, waren überfüllt und führten dem Spiritismus wußte auch, daß dort als Wächter der einarmige Invalide mer neue Scharen von Anhängern zu. Der Name Anna RotheiSünder während der Nacht in seiner Wächterbude sich aufhielt.
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Am Abend des 39. Juli v. I. besuchte er diesen, plauderte mit ihm bis nach 19 Uhr und bat ihn dann um die Erlaubnis, sich während der Nacht in der Bude aufzuhalten unter dem Vorgeben, er Hab« die Stelle eines Portiers in einer in der Näh« befindlichen Fabrik angenommen, die er in der Frühe des nächsten Tages antreten solle. Das Nachtquartier wurde ihm gewährt. Während der weiteren Unterhaltung war der Zeuge Sünder so unvorsichtig, dem Angeklagten zu verraten, daß er Lohn- und Teuerungszulage ausgezahlt erholten habe und das Geld bei sich trage. Dies erregte die Geldgier des Nachtgastes. Als der Zeuge eingenickt war und mit dem Kopfe auf dem Arm ruhte, schlich sich der Angeklagte hinaus, holte sich einen schweren Schmiedehammer und versetzte dem Zeugen einen heftigen Schlag aus den Hinterkopf, der zweifellos tödlich gewesen wäre, wenn er nicht abgerutscht wäre. Der Getroffene sank sofort'aullos zusammen und hatte die Besinnung verloren. Der Angeklagte raubte ihm darauf seine Barschaft im Betrage von 499 M. und stürmte dann hinaus. Passanten hörten das Stöhnen des Zeugen, drangen in die Bude ein und fanden den Ueberfallenen in einer großen Blutlach« liegend. Er wurde in das Krankenhaus überführt, hat dort lang« Zeit zubringen müssen und noch heute unter den Folgen der schweren Verletzung zu leiden. Während der Staatsanwalt auf versuchten Mord und schweren Raub plädierte, beantragte Rechtsanwalt Schroeder das Schuldig nur wegen versuchten Totschlages. In diesem Sinne gaben die Geschworenen ihren Wahrspruch ab. Der Staatsanwalt beantragte 19 Jahre Zuchthaus, dos Gericht erkannte auf S Jahre Zuchthaus nebst den Ehrenstrafen. Urkundenfälschung auS Unkenntnis. Mit welchen Lappalien ssch mitunter der sehr kostspielige Apparat eines Schwurgerichts beschäftigen muß, zeigte ein Fall, mit dem gestern das Schwurgericht des Landgerichts I feine erste diesjährige Tagung begann. Wegen Betruges und Fälschung ein-er öffentlichen Urkunde, einer Wochenkarte im Werte von 13 M., war die Handlungsgehilfin G. angeklagt.— Die bisher unbescholtene Angeklagte war bei einer Elektrizitätsgesellschaft in einem Vororte Berlins tntig gewesen. Als sse eine Gehaltsaufbesserung erhielt, geschah dieses gleichzeitig mit einer Umwandlung des bisherigen Wochenlohnes in ein Monatsgehalt. Da sich eine Bitte um Dar- fchußzahlung nicht so schnell erledigte, war die G. zu Anfang der zweiten Woche ohne Geld. In dieser Situation ließ sie sich ver- leiten, aus der abgelaufenen Wochenkarte der 31. Woche durch Ra- dierung eine solche für die 34. Woche zu machen. Als sie die Karte benutzte, wurde sie festgenommen. Vor Gericht machte Rechtsanwalt Dr. Fagg geltend, daß unter mehreren tausend Men-. schen vielleicht einer sei, der wisse, daß eine ge» Iwöhnliche Fahrkarte eine öffentliche Urkunde sei, deren Fälschung ein schweres, mit Zuchthaus bedrohtes Verbrechen fei, für das nur das Schwurgericht | zuständig fei. Die Geschworenen folgten auch dem Verteidiger, nahmen nur einfache Urkundenfälschung an und baten außerdem für die Angeklagte um Begnadigung. Das Gericht erkannte auf 3 Monate Gefängnis und bewilligte der Angeklagten die bedingt« Begnadigung. Der Morü in StichKolz. Die Tochter als Mörderin überführt. Es ist nunmehr gelungen, den an dem Maler Bathauer in Vuchholz verübten Mordoufzuklären..Di« unter dem Verdacht der Begünstigung der Tat verhaftet« Tochter des Er» mordeten hat eingestanden, daß sie selbst die Täterin ist. Wie wir berichteten, war das Mädchen unter dem Verdacht der Begünstigung oerhaftet worden. Die Tat stellt sich dar als die Verzweiflungstat eines in völlig zerrütteten Familienver» Hältnissen aufgewackifenen Mädchens. Der Vater arbeitete leiten, vertrank aber den Verdienst der Frau sowie der in der AEG. be» schäitigten Tochter. Auf Anraten der E'tern ihres Verlobten wollt« die Tochter mit der Mutter eine kleine Wobnung in Niederschönhausen beziehen, um sich so von dem Vater zu trennen. Es galt nun die Möbel ohne Wissen'des Ermordeten nach der neuen Wobnung zu schaffen, denp er hätte niemals zu diesem Umzug seine Zustimmung gegeben, da er es für angebracht gehalten hatte, den Hausrot nach und nach zu verkaufen, um den Erlös zu ver- trinken. Am Mordtage sollte die Ueberführung der Möbel vor- genommen werden und das Mädchen wußte keinen anderen Ausweg als den Vater zu töten. Als der Vater sich ins Bett gelegt hatte, trat sie herzu und schlug mit einem Beil aus ihn ein. Als er trotz
« Eine seltsame Aachk. Roman in vier Stunden von Lanirids Bruun. „Ja!" antwortete sie und preßte die Handflächen gegen die Hüften. „Und Kammerherr Lönfeldts Tochter wollte nicht arm 'ein— wollte nichts fürs Leben und für die Liebe kämpfen: 'ie wollte eine sichere Zukunft und die Achtung aller Men- 'chen." „Ja!" antwortete sie noch einmal. Jetzt endlich löste der Trotz in ihren Augen die Buterkett rnd den Hohn in seinem Gemüt. Seine Brust wogte schwer, und sein« Stimme wurde zurch die Erregung, die er niederzwingen wollte, heiser. „Ich aber liebte siel" sagte er und ballte unwillkürlich eine Hände. �. Sie sah ihm gerade ins Gesicht. Jetzt wich der Trotz in Augen einer tiefen Glut, von der sie plötzlich verdunkelt vurdrn. „Das tat Hjarmer auch!" sagte sie. Er sah die dunkle Glut, die sein Gemüt so oft zum Beben zebracht hatte: und er durcklebte in diesem Augenblick die litterste Enttäuschung seines Lebens. „Hätte ich sein Geld gehabt." flüsterte er,„und sein An- ehen, dann hätten Sie mich genommen." Frau Helwig schlug hastig die Augen nieder und schwieg. „Aber der junge,, reich« Erbe," fuhr er in steigender Er- equng fort, die er nicht länger zu bekämpfen versuchte—„war >lötzlich verarmt und verstoßen: und darum nahmen Sie den lngesehenen Mann mit dem angesehenen Namen und der ingelehenen Stellung." Frau Helwig trat vom Stuhl zurück in die Mitte des Zimmers. Ihr Gemüt war in heftiger Bewegung. Sie hob den köpf und schob die Brust vor, während ihre Hände um ibre kaille griffen, wie«» ihr» Gewohnheit war, wenn etwas sie srregte. „Er hatte etwas vor Ahnen voraus." begann sie wle zur velbfwerteidigung,„etwas, was nicht mit dem Namen und ntt Geld gemacht ist*.,
„Und was war das?" „Daß man Vertrauen zu ihm haben konnte— das Vertrauen, das eine Frau an dem Mann am höchsten schätzt, der Vater ihrer Kinder werden soll." „Was ist das für ein Vertrauen?" „Das Vertrauen, daß er fähig wäre, seiner Liebe ein jedes Opfer zu bringen." „Und das Vertrauen hatten Sie nicht zu mir?" „Wäre ich Ihnen gewesen, was ich ihm war, dann hätten Sie nicht— nicht den Namen Ihres Onkels auf dem Wechsel gefälscht." Jetzt war es endlich gesagt— dennoch. „Hai— Der alte Geizhals, den ich beerben sollte, und der mich so knapp hielt, daß meine Studiengefährten mir helfen mußten! Fanden Sie wirklich, daß meine Schuld so groß war, daß Sie danach kein Vertrauen mehr zu mir haben konnten?" „Es war genug, um Ihre Zukunft zu ruinieren— und die Zukunft derjenigen, die Sie an sich knüpfen wollten." Sie hielt inne und wandte sich ihm plötzlich voll zu. „Sehen Sie, Werner Hilsöe, der angesehene Mann, wie Sie ihn nennen— er hätte so etwas allein seiner Liebe wegen nicht getan. Bei ihm ist es umgekehrt. Nur eines könnte ihn dazu bringen, Recht und Gesetz zu verletzen— die Liebe zu mir. Wenn mein Glück auf dem Spiele stünde— ja, dann könnte er ins Zuchthaus gehen, � wenn es sein müßte— sehen Sie. dies Vertrauen meine ich!" Werner stützte sich auf den Rücken des Lehnstuhls, wo Helwig kürzlich gestanden hatte. Seine Augen waren ihr während ihrer langen Rede und während ihrer starken Wan- derung auf dem Tevpich unverwandt gefolgt. Jetzt war es mit feiner Kraft zu Ende. Er sah sie schwer mit dem treuen Blick eines Hundes an. der ungerecht bestraft wird und sich nicht zu verteidigen vermag. Schließlich sag'e er leise und still:„Sie sind also glücklich?" Das hatte sie nicht erwartet: solch entschlossenes und konsequentes Wort.batte sie als Frau nicht erwartet. Der tiefe Kummer, der durch die leise gesprochenen Worte klang. ängstigte und betrübte sie. Aber der Schritt war fetzt getan. Der Pflicht war jetzt Genüge geschehen. Es schwebte Ihr ein Satz vor, den sie kürzlich irgendwo gelesen hatte:„Glücklich ist, wer vergißt, was nicht mehr zu ändern ist." Sie raffte sich wie zu einem letzten Schlage zusammen.
„Ja, ich bin glücklich!" sagte sie und hob den Kopf, ohne ihn anzusehen, indem sie sich dazu zwang, die Wahrheit ihrer eigenen Worte zu glauben, und damit kein Zweifel in seinem Herzen zurückbliebe, fügte sie hinzu: „Und ich will ihm eine gute und treue Frau bis an mein Ende bleiben!" Werner stand noch zögernd da und stützte sich auf den Stuhl. Dann richtete er sich langsam auf, ging auf sie zu und streckte ihr die Hand entgegen. „Dann leben Sie wohl, Frau Hjarmre!" sagt er. Wieder wunderte sie sich, ohne zu wissen worüber. Ein eigenes Angstgefühl griff ihr ans Herz, indem sie feine Hand nahm und fragte:„Reisen Sie gleich wieder fort? .La!" antwortete er. „Wann sind Sie denn gekommen?" fragte sie und zog ihre Hand zurück. „Heute abend!" Nein! Er durste nicht gehen— noch nicht. „Weshalb sind Sie gekommen?" fragte sie, ohne ihn an» zusehen. „Ich hatte zweierlei Anliegen hier in der Gegend; und jetzt sind beide erledigt." „Sagen Sie mir, welche es waren!" bat sie. „Das erste wird Sie kaum interessieren!" sagte er und wandte sich zum Gehen. „Doch, doch— erzählen Sie mir etwas von sich!" bat sie wieder. Er sah hastig zu ihr auf, sein Blick begegnete aber nicht dem ihren. Dann begann er zu erzählen. „Ich traf in Köln einen deutschen Zementfabrikanten. Wir reisten eine Zeitlang zusammen; und als er hörte, daß ich mit der Lehm- und Steinindustrie vertraut sei— es war ja beabsichtigt, daß ich einst die Werke auf dem Ziegelbof über- nehmen sollte— da bot er mir eine Stellung als Reisender an. Er verlangte nur. daß ich eine Kaution von fünftausend Mark für die großen Reisespe'en stellen und mir-eine erst- klassige Ausstattung anschaffen sollte." „Konnten Sie das nicht?" fragte Frau Helwig interessiert. „Ich dachte, daß der Alte mir helfen würde." „Und jetzt sind Sie bei ihm gewesen?" „Ja. das war mein erstes Anliegen." <Forts«tzung folgt.)