!Tc. ZZ�ZY. Jahrgang
Seilage öes Vorwärts
Freitag, 20. Januar 1022
Die Gelönot öer Krankenhäuser. Der Magistrat fordert neue Erhöhung des Pflegegeldes.
In der gestrigen Stadtverordnete nsitzung' wurde über die vom Magistrat beantragte neue Erhöhung des Pfleg e�geldes der Krankenhäuser beraten. Sie ist, wie Stadtrat R a b n o w betonte, eine bittere Not- wendigkeit, die sich nicht umgehen läßt. Ohne diese für die Zahlungspflichtigen ganz gewiß unerfreuliche Maßregel wäre es der Stadt nicht möglich, die Krankenhauspflege auf der- jenigen Höhe zu halten, die man um der Bolksgefundheit willen wünschen muß. Die Deutschnationalen machten den Persuch, die Steigerung der Krankenhausausgaben zum Teil dem städtischen A n s ch a f s u n g s a m t zur Last zu legen, das die Bedarfsgegenstände angeblich zu teuer beschafft. Diesen Angriffen trat Stadtrat Kohl scharf entgegen. Die Hetze gegen das Anschaffungsamt erklärt sich aus der Ab- neigung bürgerlicher Kreise gegen alle Einrichtungen, die der Stadt einige Unabhängigkeit gegenüber privaten Unterneh- mern ermöglichen. Eine Entscheidung über die Pflegegeld- erhöhung erfolgte noch nicht. Sitzungsbericht. Die Sitzung wird um S Uhr 1» Minuten vom Vorsteher Dr. Caspar« eröffnet. Ein Dringlichkcitsanirag betreffend die Unter- stützung der Privatlyzeen gelangt ohne Erörterung einstimmig zur Annabme. Die Wahl von 90 ehrenamtlichen Mitgliedern und Vertretern des Finanzgerichts im Bezirke des Landesfinanzamts Groß- Berlin wird gemäß den von den Fraktionen gemachten Vorschlägen vollzogen. Den Verkauf des„Wi r t f ch o f t s a m t s" Reinickendorf und einiger Parzellen vom städtischen Siedlungsgelände Eichkainp genehmigt die Mehrheit der Versammlung gegen U. Soz. und Kommunisten. Der Einrichtung einer Entbindungsstation im bisherigen Kost- gängerpaoillon<Patienten l. und II. Klasse) des Schäneberger Krankenhauses wird zugestimmt. Mit sofortiger Wirkung sollen die zuletzt am 1. Oktober vorigen Jahres erhöhten Kur- und Derpflegungskostensähe in den städtischen Krankenhäusern weiter gesteigert werden und zwar auf je 40, 90, 160 M. in der III., II. und I. Klasse-, Auswärtige sollen durchweg das Doppelte, Ausländer je 120, 250, 400 M. zahlen. Sslbstzahler in III. Klasse sollen nur den halben Satz entrichten, falls das Einkommen der Ehegatten 2S 000 M. nicht übersteigt: die Durchführung der von der Vorsammlung verlangten sozialen Staffelung soll weller zurückgestellt werden. Stadtmedizinalrat R a b n o w verwendet sich lebhaft für die Annahme der Magistratsvorschläge, ebenso Kirchner Dnat.).— Dr. Falken borg(D. Vp.) polemisiert in scharfen Ausdrücken gegen einen von den Kommunisten eingebrachten Antrag, die Vor- läge abzulehnen, von der Erhebung von Kurkostcn für Berliner Abstand zu nehmen und von den Auswärtigen die Selbstkosten zu erheben: er bemängelt die ungerechte Bevorzugung der Kranken- kassen, die doch endlich der Stadt ihre tatsächliche Leistung zu ver- guten sich bequemen sollten, während jetzt die Stadt eventuell jähr- lich 107 Millionen aufzubringen hätte, die eigentlich zu Lasten der Krankenkassen gingen.— Stadtrat Kohl tritt Herrn Kirchner cnt- gegen, der sich die falsche Behauptung der Presie, das städlische Anschaffungsamt wirk« für den Betrieb der Krankenhäuser verteuernd, zu eigen gemacht habe; das Anschaffungsamt sei übrigens zu einer Zeit entstanden, wo der Magistrat noch bür- gerlich zusanimengesetzt war.— Thurm<U. Soz.) protestiert gegen die Ablehnung der� sozialen Staffelung und verlangt Aus- schußberatung.— Der Stadtmedizinalrat betont wieder- holt, daß der Selbsikosteusah für einen kranken pro Tag auf 80 M. angewachsen ist— Frau Dr. Wygodzinski tSoz.): Der Satz von 40 M. ist das Dreizehnfache des Borkriegsfatzes: die Verteue- rung der Existenz und der meisten Bedarfsartikel ist viel bsträcht-
licher. Wieviel die Krankenkassen der Stadt von ihren Aufwendun- gen zu ersetzen hoben wird, im Wege der Bereinbarung festzustellen sein. Die Vorlage ist dringlich und ihre Begründung schlüssig: die Versammlung sollte sie ohne Verzögerung annehmen,— Der kommunistische Redner R i n t o r f führt für den Antrag seiner Fraktion ins Feld, daß er früher von der gesamten sozialdemokratischen Fraktion vertreten worden sei und legt gegen die stärkere Belastung der Krankenkassen Verwahrung ein.— Kirchner bleibt bei seinen Behauptungen bezüglich des Anschaffungsamts stehen; durch dessen Vorhandensein hätten sich Verzögerungen in der Beschaffung er- geben, es Hab« sich aber auch herausgestellt, daß die Lieferanten 10 Prcz. billiger lieferten als das Amt.— Stadtrat Kohl: Der Vorredner meinte, ich hätte seine Stellungnahme darauf zurückge- führt, das er deutschnational sei. Das habe ich auch nicht mit einer Silbe� getan. Während meiner Amtstätigkeit hat das Zl n- f ch a f f u n g s a m l den Krankenhäusern Vorteile zu- gewendet, die in die Millionen gehen.(Widerspruch und Unruhe rechts.)— Krüge(Soz.): Der kommunistische Antrag wünscht zum Schluffe auch eine Vereinheitlichung der sozialen Gesetzgebung und will den Magistrat ersuchen, dein« Reich in dieser Richtung vorstellig zu werden. Eine Frage von solcher Bedeutung kann doch unmöglich so nebenher bei einer Materie erledigt werden, die damit nur in entferntem Zusammen- hange steht. Wir lehnen daher hier diesen Antrag ab, aber wir erklären uns damit nicht gegen die Vereinheitlichung der sozialen Gesetzgebung. Die Angriffe Kirchners auf das Aiischaffungsamt sind völlig haltlos: Herr Kirchner hat lediglich Altweibcrklatsch ver- breitet.(Beifall.)— D e g n e r(Komm.): Es reicht doch zuin Fach- mann nicht aus, wenn man irgendwo einen K ä s e l a d e n hat (Große Heiterkeit): von der fachmännischen Autorität des Herrn Linke hat man in der Deputation verflucht wenig gemerkt.— Zur Frage des Anschaffungsamtes sprechen nochmals Stadtrat'-Kohl und Stadto. R o s e n t h a l(Dem.), der die Betricbswerkstätte als «ine jetzt mustergültige Anlage bezeichnet. Der Antrag der U.Soz. auf Ausschußberatung wird gegen U.Soz. und Komm, abgelehnt. Der Dornahme der zweiten Lesung wider- sprechen die Kommunisten: der Widerspruch verhindert für heute die Verabschiedung der Vorlage. Der Entwurf einer neuen einheitlichen Gebührenord- n u ng für die Berliner G e in e i n d e f r ie d h ö f e, Urnenhaine und Krematorien geht an einen Ausschuß. Der Berkauf eines Geländes von 1,6990 Hektar in Spandau an die Baugenossenschaft„Eigenheim" wird genehmigt. Der Verkauf des an der Ecke der Hoffmannstraße und Straßeil in Treptow belegenen, zurzeit an den Verein„Naturfreund" für Klcingartenzwccke verpachteten städtischen Grundstücks von 3680 Quadratmetern zum Preis« von 55 M. pro Quadratmeter an den Allgemeinen Deuischen Gelverkschaftsbund zur Errichtung eines Bureauhauses wird in erster Lesung genehmigt, nachdem Haß(Soz.) darauf hingewiesen hat, daß alle zuständigen Instanzen sich für den Verkauf ausgesprochen haben, daß die Spitzen- organisation des ADGB . 8 Millionen Mitglieder umfaßt und daß nur wenige Kleinsiedler Einspruch erhoben haben, daß aber alle Klcinsiedler anderweit entschädigt werden würden.— Die- endgültig c Verabschiedung der Vorlage scheiterte an dem Widerspruch der Rechten gegen die soforliae Bornahme der zweiten Lesung. Nachdem noch weitere 1 200 000 M. zur V e r b i l l i g u n g v o n Milch für Unbemittelte bewilligt und zahlreiche Magistrats- vorlagen ohne Erörterung angenommen sind, geht die Versammlung gegen 9 Uhr zu einer geheimen Sitzung über.
Im Kampf um öas Zleisth. Gewaltiger Andran«) zur Freibank. Das bei der Fleischbeschau als ininderwertig befundene Fleisch wird, soweit es noch tzu menschlicher Nahrung geeignet ist, durch die sogenannte Freibank verkauft. Der Preis dieses Fleisches ist nie- drigcr als der des vollwertigen, darum war st eis in Zeiten der Fleischteuerung der Zudrang zur Freibank sehr stark. Auch jetzt zeigt sich wieder eine außerordentliche Nachfrage
nach Freibankfleisch— und genau so, wie wir es in der Kriegszsst sahen, stellen Kauflustige sich schon am Abend vor» her bei der Freibankverkaufs st elle auf und hocken die Nacht hindurch auf mitgebrachten Fekdstühlen u n d F u ß b ä n k e n, um am anderen Morgen als die ersten herein- zukommen und sich ihr Fleisch zu sichern. Daß sogar in diesen bitterkalten Januarnächten die„Fleischpolonäscn" vor der Freibantverkaufsstelle in der Thaerstraße zu beobachten sind, kann als ein Zeichen dafür gelten, wie stark das Verlangen ist, mal ein bißchen Fleisch im Topf zu haben, und welche Opfer gebracht werden, um es sich zu einem etwas billigeren Preise zu verschaffen. Die„Morgenpost" nimmt diese traurigen Zustände zum Anlaß heftiger Vorwürfe, die sie gegen den M a g i st r a t e r h e b t. Sie behauptet, die Verkaufsstelle der Freibank in der Thaerstraße sei eine städtische Verkaufsstelle, und versichert,„jeder private Geschästs- «nann würde innerhalb 48 Stunden einen solchen Fleischverkauf organisieren können". Das Blatt richtet diese Angriffe an eine falsche Adresse. Die Freibank ist städtisch, aber der Betrieb ist an einen..privaten Geschäfts in an n" verpachtet. Pächter des Betriebes ist die Schlachtviehversicherring vereinigter Viehkommissionäre, die ihn nicht erst unter dem„roten" Magistra «, sondern in den Zeiten der Blüte des Berliner Kominunalfreisinns über- nommen hat. Der Betrieb wird geführt nach den Vorschriften des Fleischbeschaugesetzes und nach den Bestimmungen einer besonderen Freibankordnung, die für die Vieh- und Schlachthofoerwaltung auch ein Aussichtsrccht ausbedunqen hat. Die angeblich in 48 Stunden zu schaffende Einrichtung, daß Karten an die Kauflustigen ausgegeben werden, ist von der Vieh- und Schlachthofverwal- tunq bereits vor drei Monaten beantragt worden. Die Schlachi- oiehverficherung überläßt die Entscheidung der Polizei, und das Po- lizeipräsidium zögert, weil es gesetzliche Schwierigkeiten sieht. Karten wurden früher schon mal ausgegeben, aber das war in der K r i e g s z e i t, wo das allmächtige Oberkommando in den Marken tun durfte, was es wollte. Es ordnete damals die Ein- führung von Korten an, dainit auf den Straßen die durch Schuld der Kriegshetzer herbeigeführte Not des Volkes nicht zu auffällig in den„Fleischpolonäsen" bemerkbar wurde. Schon vorher hatte die Polizei sich genötigt gesehen, durch amtlichen Aus- hang an der Freibankvcrkaufsstslle anzuordnen, daß wenigstens schulpflichtige Kinder in der Zeit zwischen 8 Uhr abends und 8 Uhr morgens sich nicht niehr unter den hier Wartenden befinden durften. Vis ftäütifche Untergrundbahn fl.-G. Die Ferligstellunsi der Nordsüdbahn gesichert.— Eröffnung in diesem oder im nächsten Jahre. Der Berliner Stadtverordnetenversammlung ist jetzt die Vor- läge über die Gründung einer Aktiengesellschaft zur Fertigstellung der Nordsüduntergrundbahn zugegangen. Nach dem Entwurf des Gesellschaftsvertrages bleiben die Aktien zum größten Teile im Eigentum der Stadtgemeinde Berlin , die auch das Recht zum Erwerb der übrigen Aktien erhält. Eine Beteiligung des ! Reiches und des preußischen Staates am Aktienkapital komint nach ! dem Scheitern der hierüber geführten Verhandlungen nicht mehr in ! Frage. Das zur Entstehung gelangende Unternehmen ist kein geinischt- � wirtschaftliches im üblichen Sinne, sondern ein städtisches ! U n t e r n e h m e n mit eigener Rechtspersönlichkeit, getrennt von den übrigen städtischen Vermögen und von der eigentlichen städtischen Verwaltung. Der Betrieb der Rordsüdbahn wird, ähnlich wie dies � früher in Schöneberg und Wilmersdorf geschehen ist, auf die Dauer von 12 Jahren nach Maßgabe eines besonderen Betriebsvertrages ; von der Hochbnhngescllfchaft übernommen werden, welche den ge- samten Wagenpark für die Nordsüdbahn zu stellen hat. Die Rechts- beziehungen zwischen der Nordsüdbahngesellschaft und der Stadt- gemeinde werden nach dem Vorbilde der in früheren Zeiten mit der Straßenbahn und der Hochbahn geschlossenen Abkommen durch einen besonderen Vertrag geregelt werden, welcher sich im wesentlichen auf die Benutzung des Straßengelündes durch die Nord- südbahn bezieht. Die wichtigste Frage, die Beschaffung der B a u g e l d e r. findet dadurch ihre Lösung, daß zwei Gruppen von Geldgebern sich bereit erklärt haben, der Nordsüdbahngesellschaft gegen Verpfändung der Vahneinheit insgesamt 3 5 0 Millionen Mark Darlehen zu gewähren. Hiervon entfallen 200 Millionen Mark auf die Gemeinschaftsgruppe deutscher Hypothekenbanken, an der vier namhafte Hypothekenbanken beteiligt sind. Für dieses Dar- lehn und für das seitens der anderen Geldgeber zu gewährende Darlchn von 150 Millionen Mark werden im Bahngrundbuche im
Eine seltsame Nacht. Roman in vier Stunden von Laurids Bruun . „Der Sohn ist wohl im Ausland?" „Ja, er soll drüben in Amerika sein. Aber Herr Hilsöe sprach nicht gern von ihm—) und ich glaube, er hat ihn enterbt." „Was Sie sagen!" Hjanner legte seine weiße Hand auf Mamsell Bergs Knöchelhände, die sie im Schoß gefaltet hielt, und sagte mit einschmeichelnder Freundlichkeit: „Aber dann sind Sie ja eigentlich die nächste Erbin. Mamsell Berg— Sie, die Sie ihn so treu gepflegt haben." „Ja— a!— Ach so!" Sie blickte ihm hastig in die Augen, als sie aber keine Spur von Hinterlist in seinem Blick sand, fügte sie hinzu: „Ja, er hat manchmal gesagt, daß er mich in seinem Testament bedenken wolle." Dann zuckte es wieder in ihrem Gesicht. Sie begann zu schluchzen, während es um ihren strammen Mund bebte: „Aber wenn man nur wüßte, wo er das Testament auf- bewahrt hat!" „Es lag also nicht in seiner Schublade?" fragte Hjarmer ganz unschuldig und blickte auf seine Hände herab. „New— denn der Schlüssel steckte noch ebenso wie damals, als er das Zimmer verließ— ach Gott, ja— und ich sah ja gleich nach, ob der böse Mensch noch mehr als die Brief- tasche geräubert hatte." „So. das taten Sie!"— Der Amtsvorsteher merkte es sich wohl.—„Und dos Testament lag nicht da?" „Nein— aber die Obligationen— oder wie man es j�nt— und das andere— das lag alles unberührt an seinem Platz." „Sie wissen mit diesen Sachen Bescheid, Mamsell Berg?" „Ja. ich mußte ihm ja immer mit den Schlüsseln und so was behilflich sein— wenn er einen Anfall seines alten Leber- leidens bekam und zu Bett lag." So so!" Der Amtsvorsteher erhob sich und veränderte seinen Ton. „Ja. sehen Sie, Mamsell Berg— ich sage es nicht, um einen Verdacht auszusprechen. Was Sie taten, taten Sie natürsich in bester Absicht. Aber das Eigentum eines Er-
mordeten darf nicht berührt werden, bevor das Gericht da- gewesen ist und seine Erlaubnis dazu gegeben hat." Sie fuhr vor Schreck zusammen und sah scheu zu ihm auf, während ihre groben Hände über die strammsitzende Taille strichen: „Gott im Himmel— nein!— Es war ja bloß—" „Schon gut— schon gut!" sagte der Amtsvorsteher ab- schließend. Im selben Augenblick wurde an die Kontortür geklopft, die nur angelehnt stand. Hjarmer wandte sich überrascht um. Dann ging er hastig, um zu öffnen. ö. In der offenen Tür stand Werner Hilsöe. „Entschuldigen Sie, bitte!" sagte er und grüßte.„Die Haustür stand offen." Frau Helwig fuhr in die Höhe und griff sich ans Herz, während ihre großen Augen der hohen, breitschultrigen Ge- stalt in ängstlicher Erwartung entgegenstarrten. Hjarmer betrachtete den Fremden voller Erstaunen. Dann beugte er den Kopf zum Gruß und lud ihn mit einer Höf- lichen Handbewegung zum Nähertreten ein. „Bitte!— Mit wem habe ich—?" Werner Hilsöe maß die schmächtige, nervöse Gestalt, die vor ihm stand, mit einem lange«, festen Blick. Und indem er ins Zimmer trat) sah Helwig, die ehn unverwandt betrachtete, den Schatten, eines höhnischen Lächelns um seine vollen, fest- geschlossenen Lippen. „Mein Name ist Ingenieur Werner Hilsöe!" sagte er schließlich. „Hilsöe?" wiederholte der Amtsvorsteher und trat er- staunt einen Schritt zurück, während Mamsell Berg sich um- wandte und das fremde Gesicht mit ihrem scharfen, forschenden Vogelblick musterte. Als Hjarmer nicht zu verstehen schien, erklärte der Fremde: „Ich bin ein Adoptivsohn des alten Hilsöe auf dem Ziegelhof." „Ich bin erfreut. Ihre Bekanntsckaft zu machen!" sagte Hjarmer zurückkommend und wandte sich vorstellend zu Frau Helwia. die den Kopf neigte, ebne den Fremden anzusehen. „Meine Frau!— Herr Hilsöe!" Dann wies er mit der Hand auf die Haushälterin des alten Hilsöe und fügte hinzu: .Das ist just Mamsell Berg vom Ziegelhof!"
„Ja, wir beide kennen einander von früher her!" sagte Hilsöe und betrachtete sie mit einem eigenen Lächeln. „Bitte— wollen Sie nicht Platz nehmen?" Der Amtvorsteher wies auf den Lehnstuhl hinter Mamsell Berg und nahm selbst auf dem Puff Platz. „Ich kann wir denken, Herr Hilsöe, daß Ihr Kommen mit dein traurigen Ereignis in Verbindung steht, das Mamsell Berg eben..." „Ich hörte auf dem Bahnhof, daß mein Onkel ermordet sei. Als ich deshalb im Vorbeigehen beim Amtsvorsteher noch Licht sah, erlaubte ich mir näherzutreten, um den Mord zu melden." Frau Helwig sah von ih�er Arbeit auf. „Dann sind Sie wohl mit dem Nachtzug gekommen, Herr Hilsöe?" fragte sie. „Was meinen Sie, gnädige Frau?" Werner sah vor- sichtig zu ihr hin. Hjarmer erklärte: „Mit dein Zug, der um neun Uhr sieben von der Stadt geht, meint meine Frau— der, der eben gekommen ist." Jetzt verstand Werner, was sie befürchtete. „Ja, ja!" beeilte er sich zu sagen.„Mit dem Nachtzug." Hjarmer beugte sich zuvorkommend zu ihm: „Sie koinmen vom Ausland, wie ich annehme?" „Ja— vom Ausland." Frau Helwig sah wieder von ihrer Stickerei auf. Sie war jetzt ganz Herr der Situation und � fiel in einem leichten Konversationston ein: „Sie kamen wohl her, um Ihren Onkel zu besuchen— und das erste, was Sie hören, ist die Nachricht von seiner Er- mordung. Wie entsetzlich!" „Ja. nicht wahr?" Hjarmer beugte sich zu Hilsöe und sagte in einem feierlichen Ton: „Gestatten Sie mir, Ihnen meine herzlichste Teilnahme auszusprechen!" Frau Hjarmer blickte.verstohlen über ihre Stickerei zu Werner hinüber. Und wieder sah sie den Schatten eines höhnischen Lächelns auf seinen festen Lippen, als er ant- wartete: „Danke!— Es bestand kein herzliches Verhältnis zwischen Herrn 5iilsöe und mir." „Ach so!" Hjarmer betrachtete diskret seine weißen Hände, und die Unterhaltung geriet ins Stocken. tFortsetzung folgt.)