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Nr. 39 39.Jahrgang

Jm

Beilage des Vorwärts

Im Hauptquartier der Krankenkasse.

Der Einfluß der Grippeerkrankungen.

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Die Flut der Umregistrierungen.

In der Klosterstraße ragt zwischen der alten Klosterkirche und und Meldestellen erledigt, die in den verschiedenen Stadtteilen unter der Parochialkirche ein im gotischen Stil gehaltener Backsteinbau auf. gebracht sind. Auch dort ist das gleiche Bild festzustellen wie in der Ständig strömen hier Menschen hinein und heraus. Die beiden Bentrale. Lange nach 1 Uhr stehen noch die Nichtabgefertigten wie Flügeltürenpaare fichen besonders um die Mittagszeit herum nicht eine Mauer, und die Angestellten haben mit aller Anspannung zu fchaffen, ohne es den Bartenden, denen selbstverständlich die Zeit still. Hier hat die Allgemeine Berliner Ortskrantentaffe ihr Haupt- viel zu lang wird, recht machen zu können. Trogdem immer wieder quartier aufgeschlagen. In drei Stockwerfen arbeiten die Angestellten darauf hingewiesen wird, daß bei Sendungen mit der Post Vor- und ber Raffe hinter hohen Holzwänden, die in gewissen Abständen von Zuname und die genaue Adresse des Absenders in leferlicher Schrift Schaltern unterbrochen sind, an denen sich die leidende Menschheit sowie die Mitgliedsnummer oder das Attenzeichen der Kasse ange drängt, um ihre Krankenscheine oder das Krankengeld in Empfang geben werden müssen, wird das täglich in Hunderten von Fällen zu nehmen, An- und Abmeldungen zu erledigen oder Beschwerden unterlassen und durch Suchen und Nachschlagen eine nicht zu unter­anzubringen und außerdem auf taufend verschiedene Fragen Aus. fchäßende, aber völlig überflüssige Mehrarbeit verursacht. tunft zu geben. Um 1 Uhr soll die. Kasse für das Publikum ge­schlossen werden. Aber der Uhrzeiger hat die erste Nachmittagsstunde längst überschritten, und immer noch drängen sich vor einzelnen Schaltern die Leute, die auf ihre Abfertigung warten.

Vor den Schaltern.

Mer zum erstenmal diese weißgetünchten Räume betritt, in deren Mitte eine Normaluhr das Borrücken der Stunden anzeigt, wird ihm zunächst unverständlich erscheinende Schilder bemerken, deren Auf fchrift fremd und geheimnisvoll anmutet. Zum Beispiel: Jan- Jz, Ka- Kla oder Henk- Hz- Ja- Jend. Eine Frau fonnte sich bei der Menge von Schaltern nicht zurechtfinden. Sie fragte endlich ganz verfchüchtert, an wen sie fich dann wenden soll. Was wollen Gie?" Ich möchte' nen Krantenschein haben.: " Für wen denn?"

" Für meinen Sohn.

Wie heißt er denn?"

Mar.

Ich meine mit Familiennamen." Ach so Jahnte."

Na lesen Se mal da oben, da steht: Jan- Jz, d. h. daß sich da die Kranken zu melden haben, deren Namen mit Jan anfängt, und alle die, deren Namen im Alphabet hinter Jan fommen, also mit J anfangen und mit z aufhören."

Na, das soll einer wissen. Dank auch schön." tén mit mehr oder weniger Intereffe die an den Wänden aufgehäng­Auf den Bänken fizzen geduldige Seelen. Andere wieder betrach ten Tafeln, die die Folgen des Atoholmißbrauches aufzeigen oder den Nährwert der einzelnen Nahrungsmittel angeben u. a. m. Wenn man durch die schmalen Schalter blickt, sieht man an zahlreichen Lischen die Angestellten bei der Arbeit. Die umfangreichen Karto­thefen enthalten Tausende von Karten, auf denen jedes Mitglied genau verzeichnet ist. Es erfordert sicher ein hohes Maß von Auf merksamkeit und Pflichttreue, diese Karten auf dem laufenden zu halten. Hin und wieder schleichen sich aber doch Fehler ein. enn diese Mängel dann zu Beschwerden Beranlassung geben, tritt die Beschwerdestelle in Tätigkeit, die im 2. Stodmert eingerichtet ist und deren Schalter ebenso wie die der Auskunft ständig belagert sind. Die Beamten müssen gute Nerven haben, um diesen Sturm von Fragen, die durchaus nicht immer in ruhiger, fachlicher Weise vorgebracht werden, ertragen zu fönnen. Auch hier erlebt man noch zuweilen das fattfam bekannte Schauspiel, daß das Publikum, besonders das meibliche, bei erregtem Wortwechsel, ohne den Sachverhalt zu kennen, gegen die Beamten Stellung nimmt. Es fehlt immer noch sehr an der nötigen Objektivität, trotzdem gegen die früheren Jahre schon eine gewiffe Besserung zu verzeichnen ist.

Arbeitsüberlastung durch die Grippe.

Die Arbeit, die die Kasse in den letzten Monaten zu bewältigen hatte, ist außerordentlich umfangreich. Zunächst hatte die Grippe­epidemie eine ftacte Belastung hervorgerufen. Aus der Statistit der Allgemeinen Oristrantentasse ist zu erschen, daß die schlimmsten vorangegangenen Jahre übertroffen wurden. So betrug z. B. die Bahl der arbeitsunfähig frant Geschriebenen am 5. Januar v. 3. 26 397, am 9. Januar d. 3. waren nicht weniger als 40 194 Ertran­fungen zu verzeichnen. Nicht eingerechnet in diese Zahl find die arbeitsfähigen Kranken, denen u. a. nur Medikamente oder Bäder heute Schreibarbeit im Gefolge, die nur mit Aufbietung aller Kräfte bewältigt werden tonnte, was um so schwieriger war, als auch ein Teil der Kaffenangestellten ebenfalls von der Grippe befallen war. Ein großer Teil dieser Meldearbeiten wird auch in den dreizehn Zahl­

Ständige Aenderungen.

Außer dieser durch die Erkrankungen hervorgerufenen Belastung müssen mehr als eine halbe Million Mitglieder in andere Beitrags stufen eingereiht werden, da infolge der Geldentwertung die frühere Stufeneinteilung nicht aufrechterhalten werden konnte. So sind alle, die unter 40 000 M. Jahreseinkommen haben, vom Arbeitgeber als Pflichtmitglieder anzumelden, und sie selbst müffen fich, falls fie frei willige Mitglieder waren, abmelden. Alle diese Meldungen werden in der Klosterstraße gesammelt und auf die Mitgliedstarten ver­acichnet. Dann gehen fie nach der Zentrale für das Rechnungswesen in der Köpenider Straße und werden dort in, die Heberegister ein getragen. Besondere Mühe verursacht die Regiffrierung der Haus­angestellten, die Roft und Logis bekommen, da sich hier das wirt liche Einkommen schwer schäßen läßt. Wenn diese umfangreiche Arbeit erletigt ist, wird vielleicht schon wieder eine neue Renderung in der Festsetzung der Beiträge usw. durchgeführt werden müssen. So zeigen fich die Folgen der unftabilen Währung auch in den Ar beitsräumen der Allgemeinen Berliner Ortskrantenfasse.

Wenig Verstöße gegen die Kaffenordnung. Berstöße gegen die Vorschriften der Raffe werden verhältnis. mäßig wenig gemeldet. Es tommt aber doch vor, daß dieser oder jener arbeitet, während er frant geschrieben ist und dann neben feinem Cohn auch Krankengeld bezieht oder aber die vom Arzt ver­cronete Ausgehezeit nicht einhält. Beim ersten vom Krantenbesucher Geldstrafen in Straft. Uebrigens wird bezüglich der Krankenbesucher gemeldeten Berstoß gibt es eine Bermahnung, und dann treten die besonders darauf hingewiesen, daß in neuerer Beit in verschiedenen Stadtteilen unbefugte Personen sich als krantenbesucher oder Ober­tontrolleure der Allgemeinen Ortsfrankentasse ausgeben. Man hat Grund zu der Annahme, daß das in betrügerischer Absicht geschieht. Es liegt daher durchaus im Interesse der Kranten, wenn sie sich von jedem Krantenbesucher den von der Direktion der Kasse gestempelten und unterfchriebenen Ausweis zeigen lassen, dem auch das Lichtbild des Betreffenden beigefügt fein muß, und die Verhaftung desjenigen herbeiführen, der ohne solchen Ausweis sich als Krantenbesucher ausgibt.

Wieder Kartoffelnot.

Dienstag, 24. Januar 1922

hätte man sich aber vorher einrichten müssen, und es scheinen hier von verschiedenen Seiten schwere Fehler gemacht worden zu sein. Der Landwirtschaft wird von vielen Seiten der Vorwurf ge macht, daß sie die Kartoffeln in der Hoffnung auf eine neue Preis­fteigerung zurückhält. Darin dürfte sie sich täuschen, denn bei Ein tritt wärmeren Wetters werden wir bald wieber ein Ueberangebot haben, außerdem verhandelt man auch mit einigen Nachbar. ländern wegen der Einfuhr von Kartoffeln. Wäre man an zuständiger Stelle im Reichsernährungsministerium früher auf diesen vernünftigen Gedanken gekommen, so hätte eine neue schwere Gorge der Bevölkerung erspart werden können.

Auf der Tempelhofer Brandstätte.

als eine

Die Brandstätte der Sarotti- Fabrit in Tempelhof wurde gestern Don Bertretern mehrerer Behörden unter Führung des Branddirektors Reichel und anderer Feuerwehringenieure nochmals sehr eingehend besichtigt. Dabei wurden bemerkenswerte Fest. stellungen gemacht. Es liegen zweifellos Unterlassungen vor, die zur Ausdehnung des Brandes wesentlich beigetragen haben. Um diese Tatsachen fommt man nicht herum. Dabei muß aber besonders erwähnt werden, daß das Verhalten der Freiwilligen Feuerwehr von Tempelhof über alles Lob erhaben war; die Berliner Wehr hat wie immer ihre Pflicht voll getan und ist auf dem Bosten gewesen. Wie uns von einem Angehörigen der Belegschaft des Sarotti- Wertes mitgeteilt wird, werden sich in der Praxis der Mithilfe der gesamten männlichen Belegschaft bei den Aufräumungs. arbeiten infofern gewisse Echwierigkeiten einstellen, nicht geringe Anzahl von Arbeitern in bezug auf Kleidung und Be­schuhung für diese Arbeiten gar nicht eingerichtet ist. Mit ganz geringen Ausnahmen ist allen Arbeitern ihre Garderobe verbrannt. Außer dem dünnen, nur für Innenarbeit geeigneten Arbeitszeug haben sehr viele nur noch ihren guten Anzug. In welcher Bekleidung follen die Leute nun arbeiten? Vielleicht ergibt sich eine Möglichkeit, diesen Beuten mit Arbeitskleidung beizuspringen, Ferner werden wir darauf hingewiesen, daß es sich herausge ftellt haben soll, daß die Motsirene wegen des herrschenden Maschinenlärms teineswegs in allen Arbeitsräumen zu hören ge wesen sein soll. Infolgedessen hat sich die Entleerung der Räume Einrichtung, daß sich außer der Hauptfirene noch in sehr verzögert. Auch besteht in anderen Fabriten die leder tage eine befendere Alarmfirene befindet. erst von diesem ging es durch eine einzige Ausfahrt in den Außen Ein weiterer Nachteil in der Sarotti- Fabril war der Umstand, daß sämtliche vier Ausgänge auf einen Innenlichthof münden und hof. Der Innenhof aber war in ganz furzer Zeit vollkommen ver. qualmt und bedeutete zum mindesten eine Erschwerung des Rettungs­

mertes.

Der Aufsichtsrat der Sarotfi- Affiengesellschaft hat in seiner geftrigen Sitzung beschlossen, die durch Feuer schwer beschädigte Fabrit so schnell ats irgend möglich wieder herstel. Ien zu lassen. Es sind erfolgversprechende Bemühungen im Gange, die Fabritation alsbald an anderen Betriebs. stätten fortzuführen. Es kommt der Gesellschaft zugute, daß der vor einigen Monaten in Angriff genommene Erweiterungs bau unbeschädigt ist und die für diesen bestellte mashineile Die Kartoffelnot nimmt wieder einen beängstigenden Umfang Einrichtung binnen turzem anzuliefern ist. Die umfangreichen en. Nicht nur, daß die Preise in die Höhe gehen wer ist nicht kraftanlagen wie der Autofuhrpart somie das schon daran gewöhnt, die Kosten der Lebenshaltung von Woche zu Bureaugebäude find nicht in Mitleidenschaft gezogen. Die Boche steigen zu sehen, es tommt selbst in dieser Seit des ge- Fabrit, die Maschinen und Warenvorräte sind mit zirka 90 mil fegneten freien Handels mit seiner unglaublichen schöpferischen lionen Mart bei ungefähr 39 Gefellschaften Dera Leistungsfähigkeit der Unternehmerinitiative laum Bare auf den sichert. Rohwaren, die an anderer Stelle lagerten, sind für Martt! Für 1,50 mt nicht einmal ein Pfund Kartoffeln taufen zu zirka 36 Millionen Mart. vorhanden. Weitere Beschlüsse wurden fönnen, obwohl man früher einmal die Kartoffeln das Brot der heute angesichts der kurzen Zeit nach dem Brande noch nicht gefaßt. Armen nannte, ist wirklich feine erfreuliche Sache, und man follte nach Abschluß aller Ermittlungen follen fernere Maßnahmen ge fich nicht wundern, wenn die Erbitterung breiter Massen, wenn nicht troffen werden. bald Abhilfe femmt, an Boder gewinnt.

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In fast allen größeren Städten herrscht augenblicklich eine außer Beim Schliffschuhlaufen ertrunken. Am Sonntag nachmittag ordentliche Knappheit an Startoffeln, die sich schon in den nächsten lief der 18jährige Magistratsgehilfe Kurt Sommer aus Schöne Tagen zu einer diretten Notlage auswachsen dürfte. So hat 3. 23. berg mit mehreren Freunden auf dem Wannsee Schlittschuh . die Stadt Berlin augenblicklich nur noch einen so geringen Borrat, offene Stelle, die fich etwa 100 Meter unterhalb des Freibades be Infolge der bereits eingetretenen Dunkelheit bemerfte er eine daß fie damit gerade ihre eigenen Anstalten verforgen, aber nichts fand, nicht und lief mit voller Geschwindigkeit hinein. Bevor ihm an die Bevölkerung abgeben fann. Bei dem jetzt herrschenden noch feine Begleiter zu Hilfe eilen fonnten, war er untergegangen Frostwetter ist es in der Tat sehr schwierig, Kartoffeln zu trans- und fam nit wieder zum Vorschein. Die Leiche fonnte portieren, und die Mieten tönnen nicht geöffnet werden. Darauf bisher nicht geborgen werden. wie Ihnen. Alles wurde feltsam unwirklich. Bäume und Häuser verloren ihre Form und nahmen eine andere Gestalt mit mir litten ach, als ob fie mich verständen mich zurüdriefen. Obgleich ich zum Bahnhof ging, fühlte Roman in vier Stunden von Laurids Bruun ich die sonderbare Gewißheit, daß ich den Zug nicht erreichen würde; und doch war es Reit genug. Das Märchen, Helwig, Werner ging auf sie zu. das mich das erstemal zu Ihnen geführt hatte ich fühlte es, Und weshalb nicht?" fragte er hart. Gie blieb stehen und wandte ihm ihr Gesicht zu, ohne ihn würde mich zu Ihnen zurückführen. Das, was man den Instinkt nennt, war in der stillen, hellen Nacht zu Wort ge­anzusehen. fommen."

20]

Eine seltsame Nacht.

Hörten Sie nicht, daß ich glücklich fei?" Ich hörte es wohl, Frau Hjarmer, aber ich wollte es auch sehen!" sagte er fest und entschlossen.

Wieder waren es die Stimme und der Blid, mehr als die Worte, die ihr Herz stärker schlagen machten. Sie stand einen Augenblic und suchte nach einer Ant­wort. Dann fagte sie unsicher:

SP

Welches Recht haben Sie, meine Worte zu bezweifeln?" Sie merkte unter den halbgeschlossenen, zitternden Lidern, wie er fie lange und zärtlich ansah.

Meshalb zittern Ihre Hände?" fragte er wieder und versuchte vergeblich, sie zu ergreifen. Weshalb zittern Ihre Lider, während Ihre Augen fo groß und tief werden?"

Frau Helwig rang nach Luft, als wäre sie am Erstiden, und ihre Hände griffen in ihr Haar, als würde es ihr plöglich zu fdywer.

an

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Und dann kehrten Sie zu mir zurüd?" fragte Frau Helwig, von der Stimmung in feinen Borten ergriffen. Onfels hörte ein menn erzählte dem Stationsvorsteher von Als ich zum Bahnhof fem und den Namen meines dem Mord da mußte ich es gleich: das ist das Märchen! Ich begriff, daß der Mord midy zurüdführen sollte. Du mußt ihn dem Amtsvorsteher melden, war mein erster Gedante. und mehr als das. Gleichzeitig flüfterte etwas in mir: jetzt wirst du wieder reich und glücklich werden!"

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Helwig hatte ihre Hand zurückgezogen; aber feine starte, ruhige Stimme hatte sie gegen ihren Willen mitgeriffen. Sie fah mit der dunklen Glut in ihren großen, tiefen Augen zu ihm auf und fragte atemlos:

,, Und mun was wollen Sie nun?"

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Er fing ihren Blid auf und hielt ihn mit dem seinen fest, " Ich weiß es nicht!" antwortete sie und blidte fich im so daß fie nicht entfchlüpfen fonnte. Wissen, ob Sie glütlich sind, Helwig Lönfeldt!" fagte Mondenschein um. Es ist so schwer und drückend hier! Und dann all das Sonderbare, das plöglich in diefer stillen Nacht er und trat ganz nah an sie heran. Ob Ihr Heim bei mir in mein Zimmer eingedrungen ist. Hier, wo sonst nichts vor ist oder bei ihm." fällt wo der eine Tag dem anderen folgt wie ein Tropfen dem anderen hier ist plöglich alles mie vermandelt. Sogar die Möbel scheinen mir fremd ich fenne fie foum mehr!" Diefes Mal glüdte es ihm. ihre Sord zu faffen. Es ist ein Märchen," flüsterte er, das zu Ihnen in Thr Rimmer nefommen ist. Wie es zu mir fem bort brouken cuf der Lendstreke in der stillen echt, als ich das altbe­fannte Pied spielen hörte und Sie leibhaftig vor mir stehen fah!"

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Frau Helwig neigte ihren Ropf laufchend feinen Borten. Weshalb reiften Sie nicht, wie Sie wollten?" fagte fie fill und flagend.

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Helmig mich flopfenden Herzens zurüd, aber ihren Blid fonnte fie nicht losreißen. ,, lind menn ich nicht glücklich bin," sprach sie bebend, ,, was bann?" Donn mill ich Sie mit mir nehmen. Helwig Lönfeldt!" Shre grohen, grauen Augen makten mit einem einzigen lid die hohe, breitfchuftrige Cefalt, die vor ihr ftond die nie rige Stirn, die ichorfoezeichne'en Branen, die feften Augen und die geschloffenen, vollen Lioven als wolle fie prüfen. Da wurde sie von einem tältefchauer durchrüttelt. Bon Mann und Rind?" fragte sie. ,, Bon Mann und Kind!"

,, Weil das Märchen mich in der stillen Nacht überwältigte. Bährend ich langsam zum Bahnhof Schlenderte, erging es mir fie

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Einen Augenblid standen sie Auge in Auge. Dann rih mit einer gewaltigen Anstrengung ihren Blid los, griff

sich mit beiden Händen an den Kopf- und sagte halb lachend, halb meinend: ,, Das wird nie und nimmer geschehen!"

8.

Im selben Augenblic ging die Eßzimmertür. Hjarmer trat herein und hinter ihm Stine mit dem Abendessen auf einem Servierbrett.

Frau Helwig ging mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu, als wolle sie Schutz bei ihm fuchen vor dem Märchen, das sich in ihr Bimmer geschlichen hatte und jetzt den Weg zu ihrem Herzen suchte.

Aber im selben Augenblick, als sie sein bleiches, nervöses Gesicht fah, mit dem blonden Bollbart, ging es wie eine plöt liche Veränderung über ihr Antlig, und sie blieb stehen, talt und beschämt, mit herabhängenden Armen.

Hjarmer, der ihre Bewegung mißverstand, sagte mit einem beruhigenden Lächeln:

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,, Liebste ich glaube nicht, daß wir uns zu ängstigen brauchen. Sie hat etwas Fieber. Aber wir haben ihr von den Tropfen gegeben, und Fräulein Sindal bleibt bei ihr, bis Sie schläft."

hingestellt hatte. Dann fegte er sich an den Tisch, wo Stine das Abendbrot ,, Entschuldigen Sie, Herr Hilföe!" sagte er und band sich die Serviette vor. Es ist unsere Einzige, müssen Sie wissen." Frau Helwig firich sich über die Stirn, als wolle sie alle törichten Gedanten fortwifchen.

..Die Familie it nur flein!" sagte sie mit einer Hindeu­hug, die Hilfe nicht mißverstehen fonnte. Aber desto fester hält sie zusammen."

Ja nicht mahr?"

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Kiarmer fah liebevoll zu ihr hin.

Dann trat fie in plöblicher Tätigkeit an den Tisch und stellte die Teller und Schüffeln vom Serviert rett vor ihren Mann bin.

JB, mein Freund!" fagte sie liebevoll. Du mußt ja furchthar hungrig sein."

Aber Liebste!" Hjarmer sah hastig und vorwurfsvoll zu ihr auf. Es fehlt ja ein Ruvert für Herrn Hilföe." ( Fortseßung folgt.)