Volkswirts Dr. Thomas Lulek:„Die Hauptproblems der Han- delspolitik in Polen ". Nach Lulek wird Rußland auch in Zu- kunft das wichtigste Absatzgebiet für Polen bleiben. Polen muß sich den Export seiner Industrieprodukte sichern, während Rußland an dem Absatz seiner landwirtschaftlichen Produkte Interesse hat. Der polnisch-russische Handelsvertrag sollte also besondere Zollermäßigungen für die polnische Industrie vor- sehen, als Gegenleistung für analoge Zollermäßigungen, die den russischen Bodenprodukten zuzubilligen sind. So würde zwischen Polen und Rußland beinahe eine Zollunion zustande kommen. Dr. Lulek schlägt ein Drei-Tarif-System vor. Die günstigsten Bedingungen würden Polen. und Rußland ein- ander gegenseitig zugestehen. Die zweitgünstigsten jenen Staa- ten, mit denen eines dieser Länder Handelsverträge auf Grund einer allgemeinen Bevorzugungsklausel abschließen würde Mit den mindestgünstigen Tarifen müßten sich solche Länder begnügen, welche mit Polen und Rußland in keinem Vertrags- nerbältnis stehen würden.
polnische Polizeipraxis. Die sozialdemokrotilche Bromberger„Volkszeitung" berichtet in .yrer Nummer vom 21. v. M., die sofort nach Erscheinen von der Polizei beschlagnahmt wurde, über geradezu grauenhafte Mißhand- lungen der wehrlosen Polizeigefangenen in der Bromberger („Bydgoszczer") Grünstraße, die verübt werden, um die Verhafteten, ob schuldig oder nicht, zu Geständnissen zu zwingen, damit die Polizei Erfolge aufzuweisen hat. Kirschstöcke, Vollgummiknüppel, Bastonnade, gemeinsame Einsperrung ehrsamer Frauen mit Dirnen, Mangel jeglicher Hygiene— da? sind so die Methoden: in den von der „Bolksztg." berichteten Fällen richteten sie sich gar noch gegen Polen . die an der Besetzung Posens teilgenommen, gegen den deutschen Grenzschutz, wie gegen die sowjetrusstsche Arwee gekämpft und am oberschlesischen Aufstand teilgenommen hatten.... ♦» Das Schöffengericht in Posen verhandelte gegen de» verant- wortlichen Schriftleiter des„Posener Tageblatts" Dr. Löwenthal wegen des Abdrucks eines Artikels aus der Krakauer Wochen- schrift„T r i b u n a", in dem die geplanten Ausnahmegesetze des Ministers Downarowicz in scharfen Ausdrücken gegeißelt wurden und der genannte Minister mit dem ehemaligen, wegen seiner großen Grausamkeit bekannten Minister Stolypin verglichen wurde. Obwohl es sich lediglich um einen Abdruck handelte und die„Tribun a" wegen desselben Artikels nicht zur Verantwortung gezogen worden ist, fand man den Angeklagten trotz der in Polen herrschenden Pressefreiheit für schuldig. Das Gericht sah in dem Abdruck des Artikels die Betätigung einer dem polnischen Staat feindlichen Ge- finnung und erkannt« auf die höchste zulässige Geldstrafe von loovov Mark. Sozialüemokratistber Parteiausschuß. Der Parteivorstand hat den P a r t e i a u s s ch u ß zum 8. Marz zu einer Sitzung einberufen, der sich am 9. eine ge- meinsame Aussprache mit den Vertretern der Parteipresse an- schließen soll. Als Tagesordnung ist vorgesehen: 1. Politische Situation. 2. Internationale. 3. Organisationsfragcn(Mai- seier). öreitscheiü unö Raüe?. Di« auch in den Verhandlungen des Preußischen Landtags er- wähnte Unterredung B r e i t s ch e ich S mit K. R a d e k wird jetzt von dem ersteren in der„Freiheit" ausführlicher dargestellt. Breit- scheid schreibt: In der„Leipziger volkszcitung" befinden sich einige Mitteilun- gen über ein Gespräch, das ich am lZ. Februar im ch a u s des Ehefs der Ostabteilung des Auswärtigen Amtes mit Radck über die innerpolitische Krisis in Deutschland gehabt habe. Ich habe von dieser Unterredung bisher nur einjge Partei- genossen, die übrigens zum Teil vorher durch einen Zeugen des Ge- sprächcs unterrichtet worden waren, in Kenntnis gesetzt. Nachdem die Angelegenheit aber in die Presse gekommen ist, halte ich mich für verpflichtet, auch in der Ocffentlichkcit eine genauere Darstellung zu geben.
Sondervorstellung der Voltsbühne. „Das letzte Gericht" von Julius Maria Becker . Was diese jungen Dichter des Schwulstes zum Preise der Wen- schenversöhnung, der christlichen Friedensbotschaft und der mystischen Selbstaufopferung vorbringen, ist gedanklich schwach, oder nur ein Widerhall von tausendmal gesagten Lehren. Es ist im Formalen nicht minder flach und entliehen von Whitman, Romain Rolland und den Kameraden Iouve Martinet oder Leonhard Frank . Dazu ging diesen Dichtern jede sinnliche Safiigkeit verloren. Der Dickster muß all sein Blut, all seine ins Geistige übersetzte Körperlichkeit einsetzen, um das Leben gestaltend zu bewältigen. Was aber tut auch Becker, wie alle anderen dieser Schule? Er begnügt sich mit dem morali- schen Willen, er kennt kaum die süße und zugleich niederschmetternde Arbeit des Dichters am Worts. Er drückt sich flach, gewöhnlich und woschlappig aus. Entschuldigt wird Becker nicht mit dem Hinweis darauf, daß fein Stück durch den Zeitgeist überholt sei. Dichtung, die sich so schnell abnutzt, kann begraben bleiben. Dabei ist die psychologische Einstellung Beckers zu dem sittlichen und sozialen Problem in allem Gedanklichen recht unerheblich. Wie quetscht sich der Mensch zum wahren Wert seiner Persönlichkeit empor, wenn er der Gewalt irgendeines einzelnen Tyrannen nicht weichen, aber auch srcibleibcn will von der Versklavung durch die Pöbelmassc. Zunächst beant- wartet Becker die Frage, indem er sie zweiseitig bespiegelt. Die russischen Zwillingsbrüder, die auf der Bühne erscheinen, sind eigent- lich nur Widerspiele des gleichen Wesens, das bald durch die all- tägliche Freude verführt und bald durch die unterwürfigste Askese und christireinste Liebe gelockt wird. Ueber diesen Zwiespalt ist ein großes Zetern während des ganzen Stückes. Wenn schließlich der gläubige Menschenfreund alle Dosallen seines Glaubens über die Ienscitsbrücke ins Himmelreich hinaufführt, so geschieht nach krausem Hin und Her, was sich in allen diesen Stücken begibt: der Jüngling schreit gegen di- Tollheit de; Krieges, er will Revolution. Aber kaum ist der Ausstand da. als der Empörer vor den gewalttätigen Trieben der Masse zurückschreckt: bei Toller ist es ebenso, aber Becker hatte diesen kleinen Gedanken unabhängig von„Masse Mensch". Der Revolutionär beschließt, alle Marterung, die menschenmöglich ist, aus sich zu nehmen. Ins Gefängnis wird er gesperrt, da er sich des Raubmords schuldig bekannte, den er gar nicht verübt. Aus dem Kerker befreit ih» der Bruder, der in dem Stücke bis Spiegelung des erdenwirklichen Menschen bedeutet. In einem eingebildeten Ruß- land spielt übrigens alles, und der Befreier trägt das Kleid des Popen: das ist ein reizvoller Einfall. Zu allen ist der Menschen- erlöser milde, nur die eigene Gattin quält er noch gründlich, indem er sie zu einer Trägerin seiner Opfermoral machen.nöchte. Kurz: Das Dogma der Dichtung ist krumm, die vierzehn Verwandlungen sind eine bösartige»erkrüpvelung des Dramas. Die Regie, die Paul V i l d t nach de« Gedanken des Mann- heimer Intendanten Locher im„Neuen Aolkstheater" vcr» wirtlicht hatte, gut. Das Bildliche des Theatermalers Frey half
Bald nachdem Radek und ich uns begrüßt hatten, kamen wir in eine Unterhaltung über die Regierungskrise. Radek fragte, ob w i r es für zweckmäßig hielten, in diesem Augenblick aus prinzipiellen Gründen Wirth zu stürzen. Auf meine Entgegnung, daß ich persönlich Bedenken trage, obwohl die Fassung des Vertrauensvotums es der Fraktion schwer mache, anders als mit Nein zu stimmen, meinte er, man dürfte einen solchen Schritt nur .tun, wenn man zu der Hoffnung berechtigt sei, damit seinen eigenen Zielen näherzukommen. Es sei ihm sehr zweifelhaft, ob das der Fall sein würde, da sich im gegenwärkigen Moment eine Arbciterregierung kaum denken lasse. Die Möglichkeit einer Rechtsregierung fei sehr nahe gerückt, und das bedeute auch außenpolitisch eine große Gefahr. Ich stimmte dem zu und legte Radek nahe, er möge seine Ansicht doch seinen kommunistischen Parteifreunden übermitteln. Er er- klärte, er könne deshalb keinen Einfluß auf die Kommunisten aus- üben, weil er in amtlicher Eigenschaft in Berlin sei und nicht den Eindruck erwecken wolle, als ob er aus irgendwelchen russischen Interessen heraus irgendwie für die Erhaltung des Kabinetts Wirth eintrete. Wäre er Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei, so würde er dafür stimmen, daß bei der entscheidenden Abstimmung die Fraktion nur einen Horchposten im Ssale lasse und im übrigen nicht an der Abstimmung teilnehme. Da ich wußte, daß Radek mit der Unabhängigen Zentralleitung wegen internationaler Angelegenheiten Besprechungen hatte, fragte ich ihn, ob er nicht auch den Genossen Ledebour und Rosenfeld seine Meinung über die Rcgierungskrisis gesagt habe oder sagen wolle. Seine Antwort war, daß er mitLedebour gesprochen habe, sich des weiteren aber aus den angegebenen Gründen nicht zu enga- gieren beabsichtige. Wir kamen im weiteren Verlauf des Abends noch einmal auf den Gegenstand zurück, und Radek sagte mir:„Ich reise am Donnerstag ab. Und ich hoffe, daß bis dahin nicht„aus prinziepiellen Gründen" dos Kabinett Wirth gestürzt ist." Soweit ich unterrichtet bin, hat Radek ähnliche Ausführungen gegenüber einem spiner Parteifreunde gemocht. Diese Mitteilungen sind wert, der Mitwelt erhalten zu werden. Die Kommunisten und die Mehrheit der Unabhängigen suchten unter großem Gepolter die Regierung zu stürzen und damit den Scharf- machern von Rechts in die Hände zu arbeiten. Radek, auf dessen Rot die Kommunisten sonst prompt einschwenken, hat ihnen seine Mei, nung sagen lassen. Aber sie sind trotzdem dabei geblieben, den Stier im Porzellanladen zu spielen. Die Rechtspresse sucht aus den Mitteilungen Vreitscheids jetzt den Unabhängigen und der Regierung einen Strick zu drehen, indem sie es so darstellt, als ob das Kabinett Wirth nur mit Rädels Hilfe gerettet sei, dessen Bemerkung sie als ein unzulässiges Eingreifen in deutsche Verhältnisse behandelt. Der Scherz ist so abgeschmackt, daß man nicht weiter darüber zu reden braucht.
Kleinrentnerfürsorge in Preußen. Wie wir bereits meldeten, hat der preußische Minister für Volks- wohlfahrt im Einvernehmen mit dem Finanzminister aus den im Nachtrag zum außerordentlichen Haushalt des Reiches 1S21 bewilligten Zuschüssen in Höhe von 100 Millionen Mark, die Länder und Gemeinden notleidenden Kleinrentnern gewähren sollen, öl, 8 Millio- nen Mark für Preußen zur Verfügung gestellt. Zur Durchführung von Fürsorgemaßnahmen in dem erwähnten Sinne entfallen, wie die„Dena" von zuständiger Seite erfährt, auf die einzelnen Provinzen bzw. Verwaltungsbezirke folgende Beträge: Ost- preußen 3 200 000 M.: Brandenburg 3 500 000 M.: Berlin 7 400 000 Mark: Pommern 2 300 000 M.: Nieder- und Oberschlcsien 8 300 000 Mark: Sachsen 5 000 000 M.: Schleswig -Holstem 2 400 000 M.; Hannover 4 500 000 M.; Westfalen 8 000000 331.; Hessen-Nassau 3 700 000 M.: Rheinprovinz 12 600 000 M.i Grenzmark 800 000 M.i Hohenzollern 100 000 M. Dem betreffenden Erlaß des Nolkswohlfahrtsminiftcrs vom 21. Januar 1022 sind Richtlinien für die Verwendung der Reichs- Zuschüsse in der vom Reichsrot angenommenen Fassung beigegeben worden. Diese Richtlinien besagen unter III; Als Kleinrentner g elt«n bedürftige im Inland« wohnende Deutsche , die selbst oder deren Ehegatten durch Arbeit ihren Lebensunterhalt erworben haben, sich vor dem 1. Januar 1920 für dos Alter oder die Erwerbsunfähigkeit ein Vermögen(auch Rente) mit einem Jahreseinkommen von wenigstens 600 M. sichergestellt haben und jetzt wegen Alters oder Erwerbsunmöglichkeit im
sehr schön mit. B i l d t selber, Herr A ch a z und Fräulein E h m spielten mit lobenswerter Innigkeit. Herr Ihl« fiel als Phrasen- drescher aus dem Volksrednerpult durch eine bizarre Grellheit auf. Er sollte dieses Talent pflegen und sich nicht zum Liebhaber nötigen lassen.____ Max H o ch d o r f. Das Problem der künstlichen Ernöbruno. In der Miwlisder- Versammlung der Bereinigung Deutscher Sä)wein«züchtcr, die in Berlin tagte, hielt Protz Dr. Abderhalden(Halle ) einen Vor- trag über das Thema„Bisher unbekannte Rahrungsstofje und deren Bedeutung für die Ernährung". Das Problem der Ernährung— führt« er aus— hat von jeher besonderes Jnieresie gehabt. Die Wissenschaft untersuchte, wie der Organismus die Nahrungsstoffe abbaut, welche Nahrungsstoffe und welche Mengen davon er verbraucht. Es ist bekanntlich ein Traum der Menschheit, die Otohrungsstosfe wie Eiweiß, Störk-e und Fett künstlich in der Fabrik aufzubauen. Von der Erfüllung dies«? Traumes sind wir ober, trotzdem es gelungen ist. die lltahrungsstoffe in ihre Baustein« zu zerlegen, noch weit entfernt. Wir wissen jetzt, daß alle diese ZZausteine einen spezifischen Charakter haben, und daß man nicht einfach solche verwenden kann, bie nicht in unseren Orga- nlsmus passen, sondern ander« Funktionen hoben. Der Vortragende erwähnte, daß es ihm kürzlich gelungen sei. eine Ratte mit synthetisch gewonnener Nahrung zu ernähren. Dieser Versuch dürfte ober wohl zugleich der letzte sein, denn ein«'inzige Mahlzeit für die Ratte kostete 10 000 M., eine einzige Mahlzeit für eine» Menschen würde sich auf eine Million stellen.'Man sieht also, daß die Nahrungsmittelfobrik mit ihren Pillen eine Utopie ist, denn selbst von diesen Pillen, die übrigens gar keinen Geschmack besitzen, müßten täglich 7 Gramm geschluckt werden. Redner führte dann im Lichtbild eigene Versuche vor, die Haupt- sächlich an Tauben mit einseitiger Ernährung gemocht wurden und zeigte, wie die dädurch verursachten Krankheitserscheinungen durch Einspritzung von Hefeextrakt rückgängig gemacht wurden. Daraus ergibt sich, daß in unserer Nahrung bisher unbekannt« Stöfs» enthalten sind, die wir nicht kennen und die schon in geringer Menge einen äußerst wirksamen Anreiz auf das Wachstum der Zellen und die Entwicklung der Organismen ausüben. Diese Stoffe stammen zweifellos aus der Pflanzenwelt. Wenn man Erdöoden sterilisim und dann mit Notrantouge auszieht, dann verkümmern auf solchem Boden auch die Pflanzen, und es erscheint deshalb doch fraglich, ob die künstliche Düngung unter allen Umständen das richtige ist. Die verfassungskämpfe in der Sludentenschest der Universität Berlin. Dazu wird uns mitgeteilt, daß die auch vom Rektor vor- geschlagenen Einigungsverhondlungen, zu denen die von der jetzigen Studentenoertretung abgesonderten Gruppen eingeladen hatten, von den Hochschulringsfrattionen abgelehnt worden sind. Das ge- schah mit der Begründung, daß diele Gruppen sich auf irgendein« Diskussion der Beschränkung de, Aufgabengebiete» nicht einlassen wollten. Durch dies« Weigerung ist«i»« ruhige Klärung unmöglich gemacht worden. Es ist selbstverständlich, daß die zur Einigung bereiten Gr"»p«n die Verantwortung für die sicher nicht leicht zu nehmenden Folgen des sabotierenden Verhaltens der Hochschulrings- fraktionen ablehnen.
wesentlichen auf dieses Jahreseinkommen angewiesen sind. Ihnen können bedürftige Personen gleichgestellt wcrden, die wegen geistiger oder körperlicher Gebrechen keine Arbeit finden konnten, denen aber aus Vorsorge ihrer Angehörigen ein ent- sprechendes Einkommen gesichert ist. Arbeit im Sinne dieser Be- stimmungen ist auch eine Tätigkeit in häuslicher Gemeinschaft, die üblicherweise ohne Entgelt erfolgt, aber im Falle der Einstellung fremder Kräfte vergütet werden müßte. Ihr steht eine Wissenschaft- liche oder ehrenamtliche Tätigkeit im Dienste der Allgemeinheit gleich, wenn sie Jahre hindurch die Arbeitskraft wesentlich in An- sgxuch genommen hat. Aus den zur Verfügung gestellten Mitteln dürfen Kleinrentner nur im Falle der Bedürftigkeit und nur nach Prü- fung im einzelnen Falle unterstützt werden. Erläuternd fügt das Wohlfahrtsministerium hinzu, daß bei Prüfung der Bcdürftigkeits- frage der Gesundheitszustand, das Alter, die Erwerbsmöglichkeit und die Zahl der zu unterhaltenden Familienangehörigen zu berück- sichtigen ist. A r m e n r e ch t l i ch e Hilfsbedürftigkeit ist selbstvcr- ständlich nicht Voraussetzung. Der Reichshaushalt für 1322 wird, soweit es sich zurzeit übersehen läßt, einen Reichszuschuß in Höhe von 200 Millionen Mark zur Unterstützung notleidender Kleinrentner bereitstellen. Inwieweit Hilfsmaßnahmen für Kleinrentner im Saargebiet durchgeführt werden können, bleibt Verhandlungen mit der Saarregierung vorbehalten.
Oeutstb-feanzößsche KriegsscKulöpolemik. Paris , 20. Februar.(MTB.) In einem Briefe an den„Temps" äntwortet Pros. A u l a r d von der Sourbonne aus die Aufforderung Hans Delbrücks zu einer öffentlichen Debatte über die K r i: g?- Ursachen unier dem Vorsitz eines Neutralen. D:« Debatte könne nicht in einer öifeMlichen Aussprache erfolgen, sondern nur in der Presse. Prof. Delbrück möge seine Absichten darlegen, und er, Aulard, würde alsdann entscheiden, ob er darauf antworten wolle. Vorder aber stellt Aulard zwei Fragen, auf die er von Pro-. Delbrück im voraus Ainwort erwartet: 1. Als Deutschland den Krx'g erklärt habe, habe es als Ursache das Bombardement beut- schen Gebietes durch französische Flugzeug« angesührt Dos iei eine Lüge gewesen. Wenn d'« deutsche Regierung das Ge:ühl gehabt hätte, daß Frankreich zum Kriege dränge, hätte sie eins wirk- liche Handlung der französischen Politik angeführt: di« deutsche Re- gierung habe, nur eine Lüge gefunden. Was denke Prof. De.bruck darüber? 2. Was denke er ferner darüber, daß die Neutralität Frankreichs im Kriege dadurch habe sich-raestellt werden sollen, daß die Festungen V e r d u n und T o>i l Deutschland ausgeliefert wurden. Dadurch habe Frankreich auf alle Fälle orzwungen werden sollen, den Krieg zu erlläxen.
Paris hofft auf Lenin . Paris . 20. Februar.(MTB.) Nach einer Radiomeldung aus Moskau , die der„Petit Paristen" wiedergibt, feien mit geringer Ausnahme die führenden Sowjetkreise versöhnlich gestimmt. Die Frage der Wiederaufnahme der Beziehungen zu Europa im allgemeinen und zu Frankreich im besonderen stelle sich wie solgr: Lenin sei offener Anhänger einer Politik weitestgehenden Eni- gegenkommens, einer Politik der Abkommen, ja selbst einer Politik der Evolution im Innern, damit Rußland im Konzert der Groß- mächte wieder seine führende Stellung einnehmen könne. Der Ein- fluß Lenins fei vorherrschend, das sei ein tzutes Vorzeichen, da Lenin unzweiselhast einen weiteren Blick habe als alle anderen bolschewistr- schen Führer. Mit Bezug aus Frankreich sei Lenin der erste ge- wesen, der die Frage der Annäherung aufgerollt habe. Lenin sei kein großer Bewunderer Frankreichs , er ziehe die deutsche Kultur vor. Aber schon 1920 und 1021 habe er mit Tschitscherin Be- sprechungen gehabt, in deren Verlauf er die Bedeutung einer Ver- söhnung mit Frankreich hervorgehoben habe. Seit dieser Zeit habe sich die Lage wesentlich geändert. Es fehle augenblicklich wenig, daß die offiziellen Sowjetblätter die Notwendigkeit betonten, die fron- zösisch-russische Allianz selbst um den Preis w e i t e stg e h e n- der Konzessionen wieder aufzunehmen. Der Schlüssel für die Wiedererhebung Rußlands befinde sich in Paris und nicht in Lon- don, Rom oder Berlin . Davon lege man sich im Kreml immer mehr Rechenschaft ab.
Eine Film-Kammerspielwockie. In der Filmpresse wird nach wie vor die Frage aufgerollt: Gibt es eine Film-Kammerkunst? Eine Lichtbildkunst, die sich über das Aeußerliche erhebt und den Vorwurf künstlerisch zu verdichten imstande ist? Die Frage gehört zu den ungeklärten, ungelösten. Weil nämlich in der ungeheuren Fülle der oberflächlichen, nur aus Prunk und Sensation eingestellten Erzeugnisse der Filmindustrie die wenigen wahrhaft künstlerisch abgetönten Filme so sehr verblassen und so schnell vergessen wcrden, daß man vor dem— das Wort sei gestattet— Lärm der Leinwand ihre Stimme vergißt. Und doch haben wir bereits eine ganz be- trächtliche Anzahl deutscher Filmkamm-rspiele. Paul W egeners Film„Der Student von Prag ", dann der„Golem", auch der„Rübe- zahl" gehören dazu, und Carl Mayers„Caligcri": desselben Autors „Hintertreppe" in der Iyszenierung durch den Intendanten des Ver- liner Staatstheaters Leopold I e ß n e r: nicht minder einige Filme des auf künstlerische Linie bedachten Richard Oswald . Es ist da- ber von höchstem Interesse, daß am 23. Februar in den Richard- Oswald -Lichtspielen in Berlin eine deutsche Kamlncrsilmwoche beginnt, in der alle Filmkammerspicle in der Reihenfolge ihrer Ent- stehnng und soweit sie mit gutem Gemissen als Kommerfilme be- zeichnet wcrden können, gezeigt werden.. Man wird aus dieser Woche ersehen, wie weit die reine, von Zugeständnissen unabhängige Filmkunst gediehen ist und wird ersehen, daß eine ganze Reihe von Firmen im Film mehr als das Geschäft, daß sie in ihm einen neuen Weg zur Kunst gesucht hat. Europas Schiedsrichter— geographische Richtswiffer. Professor Wilde Hart hielt vor kurzem in London einen Vortrag über die Neugestaltung der Landkarte Europas . Dabei nahm er Gelegen- heit, einig» ergötzliche Anekdoten zum besten zu g':ben, di« von der schier unglaublichen Unkenntnis der Sachverständigen, di: sich bei den Ententeberatungcn in der Rolle dilcttierender Diplomaten gefielen, beredte Kunde gebend So erzählte er. daß beispielsweise eine englische P-rsönlichleit vcn hohem Rang im Lause einer Konferenz der Alliierten den italienischen Delegierten allen Ernstes geraten hatte, in großem Maßstäbe Bananen nach England zu exportieren, um dadurch den Stand des Wechselkurses zu heben. Ein anderer dieser Weisen ließ sich nicht ausreden, daß Danzrs am Mittelländi» schen Meer liege. Eins der Mitglieder der englischen Kommission in Obcrschlesicn mar, wie Lrofessör Hort rcrsichert, zu diesem Amt auf Grund seiner guten Kenntnis der türkischen und griechischen Sprache ernannt worden.„Man nahm wohl an." erklärte der Vortragende,„daß Oberschlesien in Kleinosien lieze."
Der Vurgtheaterdiretror Wildgan«, dessen tlmtSwüidigkilt sich schon öfter zeiche, hat jetzt sein definitives NücktriltSgesuch eingereicht. Die Hoffnungen die an feine Berufung vor einem Fahr gctnüpfr wurden, haben sich nicht erfüllt. Der inneren und äußeren Schwierigleiten vermochte er nicht Herr zu«erden. Vorlekuiige». Aay V re l» llefi»m S4. Februar,« Uhr. im Saal der Sezeiiion nuier Miiw'rhm,»on Fräaze K» l ö f! uud Ernst? r» r e kl au« eigenen Eeiten.~ E r n il£ i s l» u e r liest<m S4. Februar, 7 Uhr, (ein Drama.Sdermaim» im tlitlagebäude der Uniucisilät in einer Veranstaltung der.Eoithc-Delcllschajt vor.