den Ideen Cellis über die Friedigurtg Europas anschließen, wo sie noch in diesen Tagen eine Verstärkung des stehenden Heeres gefordert haben, eine Vermehrung der Marine, wo sie— und wieder im wahren und materiellen Sinne des Wortes— von der Schwerindustrie leben, wie die Fascisten von der Gewalt? Schließlich spottet die Fraktion Salandra ihrer selbst,' wenn sie sich mit der Teilnahme der Arbeiterschaft an der Verwal- tung der Betriebe einverstanden erklärt. Und zu dieser Nicht- achtung ihrer eigenen Programme, zu dieser Preisgabe ihrer politischen Wesenheit hat sich die Rechte bloß deshalb ent- schlössen, weil sie im Trüben der Krise hofft, ein Ministerporte- feuille mit allem, was drum und dran hängt, fischen zu können. Wohl selten hat eine herrschende Klasse ein wider- wärtigeres Bild politischer Charakterlosigkeit geboten, vis dies heute die italienische Bourgeoisie tut. Es fehlt ihr wirklich jede Hingabe an das nationale Ganze: sie zeigt den chpifchen Egoismus und die Kurzsichtigkeit einer in Auflösung befindlichen Klasse. Außer dem Springen und Schnappen nach einem Ministerportefeuille ist unter der Mehrheit ihrer parlamentarischen Vertreter kein Kraftaufwand zu bemerken. Bonomi war wahrhaftig kein großer Mann und gibt die von ihm beim Regierungsantritt übernommene Arbeit fast unbe- wältigt dem Nachfolger weiter: aber moralisch steht er dock meterhoch über der Sippe, die ihn niedergestimmt hat, um sicy in sein Erbe zu teilen. Wer die Bemerkungen der Presse über das Votum liest, dem wird geradezu schwindelig zu Mut, mit einem Anflug von Seekrankheit. Die„Tribuna schreibt:„Wahrlich muß man Mussolini für die logische Lauterkeit loben, mit der er die Kammer zum Bewußtsein der Wirklichkeit der Situation brachte!" Für das Giornale d'Italia hat Mussolini einen An- schlag der Sozialisten und Rittis vereitelt! Wenn man das Zeug liest, fragt man sich wirklich, ob ein Teil der Krankheit des Landes nicht an dem Fehlen einer von Finanzcliquen un- abhängigen Presse liegt. Aus dem Dunkel der Situation liest nun jeder heraus, was ihm paßt. Die einen sehen einen Hinweis auf ein„konstitutionelles Ministerium", worunter sie eine Koa- lition von Demokraten und der Rechten verstehen, bei der den reaktionären Elementen das Uebergewicht zufiele; die anderen. und unter ihnen der„Avanti", deuten das Votum der Kammer als eine Indikation einer Konzentration der Linken, von den Reformisten bis zu den Klerikalen, unter Ausschluß der Rechten, welcher Konzentration unser Zentralorgan die sozia- .listische Stimmenthaltung in Aussicht stellt, was natürlich ihre Lebenschancen vermehren würde. Uns will es scheinen, daß die Charakter» und Würdelostg- feit der Kammer nach dem Diktator schreit,' also nach G i o» litti. Dieser allein versteht es, diese Schar zu Paaren zu treiben. Er ist konstitutionell und Demokrat, reaktionär und liberal, für den Aufstieg der Arbeiterklasse und für den Faszismus. Für ihn sind all diese Worte Schall und Rauch: er hat die Routine der Regierung. Er wird auch mit dieser Kammer regieren können, weil er die Kammer regieren wird. Die Klerikalen wollen ihn nicht, die Sozialisten wollen ihn nicht, aber wir glauben nicht, daß es heute, mit dieser Kammer, ein lebensfähiges Ministerium geben kann, ohne Giolitti. Italien braucht eine Regierung, nicht eine Kette von Mi» nisterien, die wie Tote auf Urlaub, ein paar Monate schüchtern berumspuken, bis irgendeine unnatürliche Koalition von Par- teien wie eine Mausefalle über ihnen zusammenklappt. Was die heutige Kammer taugt, hat man beim gestrigen Votum gesehen: sie muß entweder weg oder unter Giolittische Fuchtel. Heute haben auch die Sozialisten nicht mehr die Möglichkeit, die Kammer und das Land vor dieser Allernative zu retten.
Oberst v. lylander verurteilt. Das Münchener Amtsgericht hat gestern den Oberst v. Tylander, einen bekannten rechtsradikalen Agi- tator, wegen eines Verstoßes gegen die Verordnung des Reichsprä- sidenten vom ZV. August 1921, laut der ehemalige Angehörige der bewaffneten Macht, denen die Berechtigung zum Tragen von Uni- formen verliehen worden ist, hiervon nur bei besonder» jetzt vom Reichskanzler bestimmten Anlässen Gebrauch machen dürfen, zu einer Geldstrafe von SlXI M. verurteilt.
Aphorismen von Zrieörich Kapßler. Menfchenantlitz.— Das Menschenantlitz als solches hat in seiner Unergründlichkeit für den wahrhaft ernsten Beschauer etwas Grauenerregendes, das ihn zurückweichen' läßt. Nur wenn eine der beiden Hüterinnen des Inneren, Güte oder Liebe, an den Pforten des Auges erscheint, wagt er, sich zu nähern. Worte lesen.— Worte haben Duft, der über ihnen schwebt; viele, die Worte lesen, nehmen sich nur diesen Dust hinweg. Oder Worte haben etwas Festes, Körpervolles, das man fühlen kann wie die volle Blüte einer Blume; viele, wenn sie ein Buch in die Hand nehmen, gehen gerade auf den Leib der Worte los, zerpflücken chn und wollen sehen, was darin steckt. Und Worte haben einen Duft, der aus der Ferne hinter ihnen kommt, einen Lichtduft, der von der fernen Lichtquelle herrührt, welche die Worte zu Formen aufblühen lieh, sowie es einen Sonnen- duft gibt, von einer Sonne her, die Blumenformen hervorlockt; manche, die Worte lesen, achten nicht auf den Duft über den Worten, sehen den Körper der Worte kaum— aber sie atmen den Lichtduft. nur um seinetwillen lesen sie. Die Kunst vergessen.— Laßt uns die Kunst nicht über- schätzen oder besser gesagt: falsch schätzen; vergessen wir niemals, daß das Leben das Nächste und Beste und Wunderreichst« ist, mit dem wir uns zu beschäftigen haben, und daß unsere Tage der Kunst nur Tage in diesem Leben sein sollen, wohl hohe Festtage, aber immer- hin Tage— im Leben. Wenn wir Fachleute der Kunst gezwungen sind, im Beruf alltäglich Kunst zu üben, so tut uns diese Erkenntnis bitter not. Verwechseln wir diese tägliche Kunstübung nicht mit der Kunst selbst. Die Kunst selber hat nichts mtt Beruf und dergleichen Dinge zu tun. Sie ist nichts mehr und nichts weniger als eine außer- ordentlich wohlgebildete, duftende und wunderkräftige Frucht, die zu ungewissen Zeiten unter ungewissen Bedingungen irgendwann hie und da einmal am Baum« menschlicher Persönlichkeit zur Reife kommt. Tausend andere Frücht « wachsen und fallen ab, sie sind gut und brauchbar, aber diese eine ist das Kunstwerk unter ihnen. Sie kommt immer überraschend, keine noch so fein ersonnen« Kultur und Pflege könnte sie mit Absicht hervorlocken, sie ist da. Dies ist ein Grund, sie über alles zu verehren und zu ersehnen, aber auch ein Grund, sie nicht mit alltäglichen Wünschen und Fleißübungen herbei- zerren zu sollen. Wenn man sie am wenigsten erwartet, so ist sie da. Wenn sie vergessen wird, kommt sie am liebsten. Bewahrte Tränen. — Jede Träne, die du Kraft genug hast, in dein Inneres zurückzubannen, rinnt einwärts in deines Wesens Kern und hilft dort an einem Kristall bilden, dessen Rein- heit und Klarheit da» Dunkel deines Inneren allmählich erhellt und eine» Tages dich ganz durchleuchten wird.
Unabhängige Reickskonferenz. USP. und Vertrauensvotum— Aufnahme der KAG. Die Reichskonferenz der USP. hat am Mittwoch im Reichstagsgebäude stattgefunden. Der Hauptpunkt der Tages- ordnung war die Situation, die für die USP. durch das Ver- halten der Reichstagsfraktion geschaffen worden ist, deren Mehrheit bei der jüngsten Krise gegen das Ka- binett Wirth stimmte, während die Minderheit sich der Stimme enthielt. Daneben wurde die Frage der Auf- nähme der„Kommunistischen Arbeitsgemeinschaft" behandelt. Was den ersten Punkt anbetrifft, so ist die Differenz zwischen Fraktioncmehrheit und Fraktionsminderheit— soweit wenigstens der kurze Bericht der„Freiheit" erkennen läßt— auf diplomatischem Wege beigelegt worden. Die Konferenz nahm gegen wenige Stimmen folgende Resolution an: Die Konferenz billigt die Gründe, die die Mehrheit der Reichstagsfraktton zu ihrer Abstimmung am IS. Februar bewogen haben. Das Charakteristische dieser Resolution besteht darin, daß sie zwar die Billigung für die Mehrheit, aber keine Miß- billigung für das Verhalten der Minderheit ausspricht. Diese Form ist offensichtlich gewählt worden, um keine der beiden Richtungen vor den Kopf zu stoßen. Nach der vorliegenden Formulierung können die Anhänger der Mehrheit sich damit trösten, daß die Billigung ihres Verhol- tens eine„stillschweigende" Mißbilligung des Verhaltens der Minderheit bedeutet, während die Minderheit mit ebensoviel Recht sagen kann, daß noch ollgemeinem Brauch ausdrück- liche Mißbilligung nicht stillschweigend, sondern mit beut- lichen Worten ausgesprochen wird. Offenbar um der Situation den Stachel zu nehmen, hatte die Minderheit vor- her durch D r e i t s ch e i d erklären lassen, daß sie keine Gruppenbildung beabsichtigt oder vorgenommen habe, sondern daß die dreizehn dissentierenden Reichstagsabgeordneten sich lediglich individuell eines alten parlamentarischen Rechts bedient hätten. So wurde der Zwiespalt diplomatisch über- brückt, wobei man natürlich nicht verkennen darf, daß die sachlichen Differenzen zwischen den beiden Richtun- gen nicht überwunden sind, wie die Debatte deutlich er- kennen ließ. Zur Frage der KAG., die sich bereit erklärt hat, der USPD . unter Anerkennung ihres Programms und Statuts beitreten zu wollen, wurde beschlossen, daß der Aufnahme ihrer Mitglieder danach keine grundsätzlichen Hindernisse entgegen- ständen, daß diese aber nach Z 2 des Organisationsstatuts zu erfolgen hätte, der lautete: „Heber die Aufnahme als Mitglied entscheidet zunächst der Bor- stand de» Ortsvereins. Das Recht des Einspruchs hat jede Organi- fationsleitung im Reiche. Ueber die Einsprüche gegen die Auf- nähme entscheiden nacheinander Bezirksleitung und Zentralleitung. Wird innerhalb Jahresfrist kein Einspruch erhoben, so gilt die Aufnahme als endgültig." Praktisch bedeutet dieser Beschluß, daß die USP. nicht gewillt ist, die KAG korporativ aufzunehmen, sondern daß sie sich injedemEinzelfalldieEntscheidung vorbehalten will. Man kann verstehen, daß die USP. die Wiederkehr manches„alten Freundes", der in Halle die USP. hat sprengen helfen, mit sehr gemischten Gefühlen an- ieht, und keineswegs einem jeden die Tür öffnen will. Ob reilich die KAG. sich einer solchen Aussiebung ihrer Anhänger- chaft unterwerfen wird, muß abgewartet werden. Die Konferenz nahm schließlich noch eine Protesterklärung gegen die Auslieferung des Ehepaares F o r t an die spanische Regierung au._ veusschenpogromhehe treibt jetzt die„nationakvmobrattsche" tchechisch« Presse, wobei ihr der Sttntbombenwurf de» deutschnatio- nalen Abgeordneten Baeran als ein Agitationsmittel dient. Das sozialdemokratische„Pravo lidu" bekämpft diese Hetze und appelliert auch an die Deutschen , mit der Zurücknahme des alten Lcmdestheaters in Prag so lange zu warten, bis die neue tchechische Schauspielbühne fertig ist.
Künstler. — Künstler sein heißt den Mut haben, sich selbst zu bekennen— und Demut genug, um zu wissen, daß«in Haar vom Leben gebleicht oder ein« Träne, ein Kinderlachen, eine Blume oder ein Baum Dinge sind, vor denen die tiefste Kunst in den Schatten geht und schweigt. Neue Kunst.— Neue Kunst soll neue Kunst sein und nicht eine Fratze, die da» neue Zeitalter dem alten schneidet. (Aus„Besinnungen aus der äußeren und inneren Welt".— Verlag: Erich Reiß , Berlin .)
„Natur und Kultur der Mark Brandenburg" ist der Titel des Vortrags von Franz G o e r k e, der in das Programm der Urania aufgenommen wurde. Die' Einleitung ist ganz in Moll gehalten, es wird von der verlorenen Macht, der verlorenen Ehre und dem verlorenen Volkswohlstand geredet, um so die Grundlage zu schassen, später oft auf den früheren Glanz hinzuweisen. Dabei wird sogar, natürlich sein verbrämt, ein Angriff auf die neuen Geschichtsbücher unternommen. Der all« Fritz wird sehr gefeiert und desgleichen sein Ausbau des Staates durch den Krieg. Di« bildlich erscheinenden Ruinen, oft entstanden im Dreißigjährigen Krieg, wurden aber doch wohl zum gewaltigen Prediger gegen den Krieg. Die Bilder und deren Erklärungen wurden zur reinen Freude. Die märkische Landschaft will oerstanden sein, sie hat ihre Größe in sich und ist ganz auf Stimmung eingestellt. Pralle Sonne steht ihr nicht gut, aber der Sonnenuntergang, das ist die Zeit für sie. Diese eigenartige Verbindung Wald und Wasser ist stets von stärkster Wir- kung. Der Kiefernwald hat eine Schlichtheit, die entzückt, die mär- tischen Seen treten untereinander in eine ungewollte Schönheits- konturrenz, und die Kanäle und Fließe bringen durch ihr« Trägheit einen eigenen Ton in die Landschaft. Man erlebt die Poesie des deutschen Waldes, hört von dunklen Sagen und siebert, die Geschichte der Gegend kennen zu lernen. Man sieht alte Bauernhäuser, wieder- holt niederlächsische, die so streng die Harmonie zwischen Hof und Landschaft wahren. Dann wieder trisft man während dieser Wander- tage auf der Leinwand Städte und fteut sich ihrer kräftigen Silhouette. Von malerischer Wertung aber ssnd die Gärten. In nord- deutschen Ländern haben sie immer etwas Rührendes an sich, wie so fleißig und freudig knospen und blühen doch all die bescheidenen Blumen, um ein paar karge Sonnentage auszunutzen. e. d. Und wieder:„Drelmäderlhaus". Der Jimmy und die Elowne- rien der neuzeitlichen Operette scheinen in der Chausseestraße kein Publikum mehr zu finden. Das Friedrich. Wilhelm st Sdti- s ch e Theater hat sich reumütig zu seinem altbewährten Drei- mäderlhaus zurückgefunden, und eine Neueinstudierung der Berte- schen Zusammenstellung von'Schubertliedern und Stimmungsszenen herausgebracht. Der freundliche Zauber dieser gemütvollen Weisen bewähtt sich von neuem, das von den Trotts aller exotischen Rassen übersättigte Publikum findet sich wieder gern in dem seinem Wesen noch nicht entftemdeten Milieu zurecht und läßt sich bei Mondschein und Liebe von neuem herzlich wohl sein. In die Rolle Schuberts schmiegt sich Hans Göll« taktvoll hinein; er vermeidet das nahe- liegende Täppische oder allzu Sentimentale und genügt, wenn man
Die üeutschen Juöen km Weltkrieg. Eine interessante Statistik. Unter der Ueberschrift„Die deutschen Juden als Sol- baten im Kriege 1914/18" ist soeben eine sehr sorgfälttg durch- geführte statistische Arbeit von Dr. oec. publ. Jacob Se gall im Philo-Verlag (Berlin SW. 68) erschienen. Aus Grund eines ausgedehnten tabellarischen Materials gelangt der Verfasser zu folgenden Ergebnissen: 1. Zirka 100 000 deutsche Juden haben am Feldzuge teil» genommen, d. h., die jüdische Bevölkerung in Deutschland hat restlos den auf sie entfallenden Anteil an Kriegsteilnehmern gestellt (etwa Ib. Prozent). 2. Zirka 80 000 jüdische Kriegsteilnehmer sind an der Front gewesen, d. h. vier Fünftel aller jüdischen Feldzugsteilnehmer, und zwar nahezu gleichmäßig in allen Provinzen und Staaten, haben vor dem Feind gestanden. 3. Zirka 12 000 jüdische Kriegsteilnehmer haben die Heimat nicht wiedergesehen, d. h. die deutschen Juden haben Blut- opfer gebracht, die nach Lage der Dinge durchaus entsprechend sind. 4. Zirka 35 000 sind k r i e g s d e k o r i er t. 23 000 b e f ö r de rt worden, darunter mehr als 2000 zu Offizieren. D. h. die jüdischen Kriegsteilnehmer haben an den Erfolgen kriegerischer Leistungen in einer dem Durchschnitt mindestens entsprechenden Weise teilgenommen. Durch diese Statistik werden die von antisemitischer Seite ausgestreuten Hetzlügen, daß die Juden sich vom Kriegsdienst gedrückt hätten, restlos widerlegt, ebenso die kind- lichen Fabeleien des Herrn L u d e n d o r f f, daß eine„jüdische Weltoberleitung" sich mit England und Frankreich gegen Deutschland verschworen habe.
Taten üerer von Kaehne. Obwohl an dieser Stelle schon mindestens ein halbes Dutzend Fälle mitgeteilt wurden, in denen Mitglieder der Familie v. Kaehne rechtswidrig von der Schußwaffe Gebrauch gemacht haben, ist die Liste bei weitem noch nicht vollständig. Namentlich in der Zeit de» alten Systems scheint die Bevölkerung der umliegenden Dörfer di« Schießwut derer v. Kaehne für etwas so Selbstverständliches und — bei dem Versagen jeder staatlichen Hilfe— so Unabänderliches betrachtet zu haben, daß die Einzelfälle kaum noch registriert wurden. Außerdem hatten die Kaehnes ihr eigenes Bertuschungs- system, in leichteren Fällen ließen sie ihre wirtschaftliche Macht über die eingeschüchterte Bevölkerung spielen, in schwereren Fällen deckten sie den Schaden mit einer Abfindungssumme zu. So Ist es erklärlich, daß sich noch fortwährend bei uns Personen melden, di« in der Nähe von Petzow ansässig waren und über Schieß- taten zu berichten wissen, die niemals an die Oeffentlichkeit gedrungen wären. Z. B. wird uns mitgeteilt, daß schon vor einer Reihe von Jahren der Schneidermeister Ellert aus Neue Scheune durch Herrn o. Kaehne angeschossen worden ist; er erhielt damals eine Ab- standsfumme und schwieg. Eine Frau aus Mittelbusch und deren Töchter hat o. Kaehne jr. beim Eichelsuchen betroffen und mit Erstechen bzw. Erschießen bedroht. Die Frau hat geschwiegen, weil ihr Mann von Kaehne wirtschaftlich abhängig ist. Besonders charakteristisch ist auch, daß die v. Kaehne ihr Gewalt- regiment auf Grundstücken, Wegen usw. ausüben, an denen ihnen das Eigentumsrei�t gar nicht zusteht, sondern wo sie nur einen Rechtsanspruch für sich behaupten. In dem Fall des Autos, da» durch v. Kachne jr. beschossen wurde, wird uns z. B. mitgeteilt, daß das Auto nicht auf dem Grund und Boden der Familie v. Kaehne, sondern auf öffentlichem Wege gefahren ist, den die Kaehnes fälschlich als ihren Privotweg in Anspruch nehmen. Indem sie andere von dem Wege vertreiben, wollen sie offenbar ein Gewohn» heitsrecht oder eine Ersitzung konstruieren. Ein Zeuge, der sich bei uns gemeldet hat, ist an einer Stelle, wo sich zwei öffentliche Wege mit einem Privatweg der Kaehnes kreuzen, durch v. Kaehne sen. angehalten und grob beschimpft worden. Sein„Verbrechen" bestand darin, daß er das Dreieck zwischen den drei Wegen, einen wenige Meter breiten Platz, der als Müllplatz benutzt wird, überschritten hat. Dieses Eckchen gehört angeblich zum geheiligten Eigentum der Schießhelden von Petzow .
nicht allzu anspruchsvoll ist, den musikalischen Anforderungen. Da» Hannerl spielte das noch etwas unfertige Fräulein Kitty Marion mit einer nicht ganz zeitgemäßen Drolerie. was ihr aber nicht sonder- lich übel genommen wurde, da sie tapfer drauflos sang. Die Herr- schaften aus dem Kreis von Schubert sind oorttefflich. Der Dirigent Ewald H u t h hielt das Ganze musikalisch nach Möglichkeit zu- stimmen, was ihm meist, wenn auch nicht immer, gelang. Die Inszenierung zeigte nichts Nene«. Das Publikum war. wie nicht anders zu erwarten, mit aller Freundlichkeit ganz bei der Sache. k. „Orpheus" im Großen Schauspielhaus. Di« vor«inigen Wochen erfolgt« Ankündigung, der„Orpheus könne demnächst nicht weiter gespielt werden, hat sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Halb Berlin wäre sonst darüber unglücklich geworden. Run übt dieser Rottenfänger von Paris wieder feine lockenden Künste aus, und die große Opernausmochung Reinhardts, mit ihren Farbenorgien, verführerischen Bühnenbildern und den vielen alten und neuen Kalauern entwickelt ihre Reize aufs neue. Der Stimmungscharakter des zweiten Kaiserreiches ist im wesentlichen beibehalten. Wie wör», wenn der„Orpheus" einmal expressionistisch(vor allem ohne die Ballettröckchen) probiert würde? Di« Neubesetzungen fügen sich dem alten Gesamteindruck gut ein: Waßmann spielt seinen angestammelten Trottel als Jupiter, Dorothea M a n s k i ist Curydice, vorzüalich in der Stimm«, aber nicht gerade ein« Götlerverführerin. Joh. Müller singt und spielt den Pluto mit Kraft und Perve. Wer nennt die andern Namen all«, neu oder alt; sie setzten ihr bestes ein und halten alle mit zum Erfolge. 6. David und Goliath Im Film. Zwanzig Star» einer englischen Kinogejellschost sind in Jerusalem eingetroffen, um dort für einen großen Film zu proben, der Szenen aus der Bibel darstellen soll. Die Hauptattraktion wird der Zweikampf zwischen David und Goliath bilden; dafür werden di« Ausnahmen in der Nähe der großen Straße, die von Jerusalem nach Ramallah führt, gemacht werden. Die groteske Albernheit des heutigen Films konnte wirklich nicht weiter getreten werten. In seiner Sucht, alles„echt" zu in- s.zenieren, wird ein« Sage„nach der Natur" photographiert. Räch» stens werden diese phantasielosen Dummköpfe wohl auch den bren- nenten Busch Moses oder den Durchgang durchs Rote Meer an Ort und Stelle suchen._
TaS«rite Volkössnfsnickonzert im Große« Schavssiielba«» findet Sonntag vo> mittag» l1>/, Uhr statt. Piogramm: Bcetboven, Egmont-Ouvertnre und Violinkonzert, Schubert, O-äar-Siilsoiiie. Dirigent: Klau» Pring»heim. Tviolvlanänderung. Die aus Frei ta g angesetzte Erfiaufflibrung von Nehsilch»„Erztebung durch Kolibri" in den Kammer« spielen findet Sonnabend statt. Freitag:.Anatol". Gstrnng etneö deutschen Gelehrten. Die Akademie der Wissenschaften in Stockholm bat den Plosefior der Pbhfik an der Berliner Universität, Dr. Planck, zum auswärtigen Mitglied ernannt. Das Petersburger WinterpalaiS lolk zu einem kunsthifiorische» Museum umgestaltet werden Mit der Aufstellung der Kunstgegenfiänd« ist bereit» bechmnen worden. DI« Zbunft der Ukraine und Sibirien » wird in besonderen Ableilungen untergebracht, die noch in diesem Frühjahr er» össnet werde».