Nr. 106+39. Jahrgang Ausgabe B Nr. 53

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Freitag, den 3. März 1922

Der agrarische Vorstoß abgewehrt.

Die englische Krise.

Der Steuerausschuß des Reichstages beschäftigte fich heute vor­wiffag bei der zweifen Lesung des Um abfteuergesetes mit dem Eufrag Herold, der bezwedt, nur die landwirtschaftlichen Condon, 3. März.( TB.) In ten politischen Kreisen herrschte Genollensaften, die die von den einzelnen Genoffen ge- den gaitzen Tag über rege Tätigkeit. 3mischen einflußreichen Mit wonnenen Urproduffe umjeßen, von der Steuer zu befrelen, ble gliedern der verschiedenen Gruppen fanden wichtige Besprechungen onfumvereine der Arbeiter und Angestellten aber weiter ftatt, doch ist der Ernst der Lage in feiner Weise ge zu belasten. Mit der Annahme diefes Anfrages wäre auch für mindert. Lloyd George erschien nur furze Zeit im Untergause. andere Betriebe die Möglichkeit gegeben, fich zu Genossenschaften zu Bon zuständiger Stelle wird erklärt, daß die unionistischen Minister fammenzuschließen, um die von ihnen gewonnenen Urprodufte weifer­juverarbeiten und fich so von der Umjahsteuer zu befreien. Die geffrige sowohl vom internationalen wie vom nationalen Standpuntt cus Erklärung des Abg. Dr. Scholz( D. Bp.), daß das Steuertom- die Aufrechterhaltung der Koalition für eine unbedingte Notwendig promit für feine Partei feine Bedeutung mehr feit halten, babe, veranlaßte unfere Fraffion, dem Antrag Herold eine erhöhte Die führenden Politiker haben ihre Berabredungen für das politische Bedeutung beizumeffen. Here Scholz erklärte heute, er fei Wochenende rückgängig gemacht und bleiben in London . Das Inter­immer fördernd für das Steuerfompromis tätig gewesen und vertrete effe richtet sich jetzt auf die Rede, die Chamberlain heute abend den Standpunkt feines Freundes Beder. Unsere Fraffion erklärte, daß fle, wenn die Bolfspartei für den Antrag Herold stimme, die in Oxford halten wird und in der er, wie man erwartet, die Lage Konfequenzen ziehen und für die Befreiung aller Ge- der Koalition vom Koalitionsstandpunkt aus beleuchten wird. Daily nossenschaften eintreten werde. Sollte das Kompromis Chronicle" fagt, viel hänge von dieser Rede ab, der es vielleicht ge­fcheitern, dann würde sie bei etwaigen neuen Kompromifberatungen lingen werde, die Reihen der Koalition wieder zu schließen und die unter feinen Umständen im Plenum einen anderen Standpunkt ein- gegenwärtige Krisis zu beseitigen. nehmen können als den, den sie im Ausschuß vertrat. Gegen die fünf Sammen der Deutschnationalen und die des Abg. Hepp( D. Bp.), der ben Untrag mit unterzeichnet hatte, wurde daraufhin der Antrag Herold abgelehnt.

Paris , 3. März.( EP.) Der Korrespondent des Matin" in London schreibt: Man zweifelt im allgemeinen an der Möglichkeit, die Koalition in der gegenwärtigen Form aufrechtzuerhalten, obwohl große Anstrengungen gemacht werden, um sie wenigftens bis zu den Wahlen andauern zu lassen. Für länger als amei bis drei Monate aber scheint dies nicht möglich zu sein, da man mit Recht darauf hinweist, taß Sir George Younger, der den Kampf angefagt hat, die große Mehrheit der Konservativen des Landes hinter sich hat. Zwischen Chamberlain, Balfour und younger fand gestern eine Besprechung ftatt, über die aber größtes Stillschweigen gewahrt wird. Das Rabinett hielt gestern eine Nachtfig ung ab, in der bie gegenwärtige Lage besprochen wurde.

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Ministerium Facta.

0. L. Rom , 27. Februar 1922. Wir verzichten darauf, zu begreifen, aus welchen Grün­ben Facta zum Lenter der Geschicke Italiens berufen worden ist," schreibt der„ Avanti" vom 28. Februar. Auf das Be greifen verzichten viele, wir glauben, daß sich unter diesen Berzichtenden auch der Ministerpräsident felbft befindet. Größe geworfen und hatte sogar ein Kabinett Giolitti ins Man hat während der Krise die Augen auf Sterne erster Auge gefaßt, dem der frühere Ministerpräsident Orlando und der bisherige Kammerpräsident De Nicola angehören follten. Dieser Blan ist angeblich an der Weigerung der De­mofraten gescheitert, die erklärt haben, es sei unzweckmäßig. drei politische Persönlichkeiten so großen Kalibers gleichzeitig abzunügen. Ein echtes Kabinett Giolitti hat der Borstand der flerifalen Partei nicht gewollt; zu Anfang hatte man so­gar von einem Beto des Staatsjefretariats des Batitans gegen Giolitti gesprochen, aber der„ Osservatore Romano " hat diese Nachricht mit großer Energie dementiert. Daß aber der Plan eines Rabinetts Giolitti, außer bei den Sozialisten, auch bei den Klerifalen auf recht starten Wider stand stieß, ist nicht in Abrede zu stellen. So hat man sich also, nach langem vergeblichen Herumprobieren, für ein giolittianisches Kabinett ohne Giolitti entschloffen, wobei menigstens die Gefahr vermieden wird, politische Größen" abzunüßen, da das ganze Kabinett im Liliputfor mat gehalten ist. Und dieser feiner Eigenschaft, durch seine Persönlichkeit niemand in Schatten zu stellen, dürfte Facta seine Berufung verdanken. Diefe Tatsache allein fennzeichnet das neue Ministerium als ein Provisorium.

Neuer Marksturz an der Börse. Die Hausse am Dollarmartt setzte sich heute in ftürmischer Weise fort. Um die Mittagsstunde hatte der Kurs bereits eine Höhe von 2461 erreicht. Die Umfäße find bedeutend. Industrie und Großhandel decken fich Giolittis genannt, aber Facta ist es in weit höherem Man hat auch seinerzeit Bonomi Len Statthalter mit Devisen für den bevorstehenden Quartalstermin ein. Diese Maße. Er ist, wie der Avanti" jagt, von der Saugflasche Devisenhamsterei und die gleichzeitige sprunghafte Steigerung bis zum Ministertisch von ihm großgezogen worden, ist Bie­aller Warenpreise hat einen fühlbaren Mangel an papierenen montefer wie er und hat nicht weniger als drei Ministerien Zahlungsmitteln zur Folge. Die Banten sehen sich deshalb genötigt, den Spetulanten die Krebite etwas zu beschneiden. Grafschaftswahlen in London . Biolitti angehört, als Unterstaatssekretär des Innern und aweimal als Finanzminister. Rechtsanwalt von vorwiegend Infolgedeffen geht die Rursbewegung am Effettenmarkt nicht im gleichen Tempo weiter wie bei den Devisen. Immerhin Ergebnissen der Londoner Grafschaftswahlen erhielten Gewiegtheit und Erfahrung im Berwaltungs- und vor allem London , 3. März.( WTB.) Nach den bisher eingegangenen lokalem Ruf, hat er, wie alle Schüßlinge Giolittis, politische war die Tendenz der Effektenbörse auch heute sehr feft. die Reformer 67, die Fortschrittler 17 und tie Arbei- im Finanzwesen. Er gehört feit 30 Jahren der italienischen An der Berliner Börse wurde während des offiziellen Ber. Gige und verloren feinen, die Fortschrittler gewannen einen und nachgesagt. Somit scheint gerade Facta befähigt ,,, im Auf­An der Berliner Börse wurde während des offiziellen Ber.terpartei 10 Size. Die Reformer gewannen gegen früher zehn Stammer an, und man hat ihm nie einen eigenen Gedanken tehrs befannt, daß ber in ber legten Seit viel genannte Banfier verloren 11 und die Arbeiterparteifer gewannen 5 und verloren trag" zu regieren. Banfierige Sugn E. Serafeld gestorben ist. Die Nachricht rief bei der 5 Sige. Bei der Wahl handelte es sich vor allen Dingen um die Spefulation große Bestürzung hervor. Die unmittelbare Folge brennende Frage der Ersparnisse im Hinblick auf eine Steuer­waren starte Rurstädgänge aller derjenigen Papiere, in benen fich Herzfeld hauptsächlich betätigt hat. So gingen z. B. ermäßigung. Die Reformer widerfesten fich energisch manchen weit Mansfelber Rure in wenigen Minuten von 32 000 auf 27 000 m. reichenden Plänen, tie von den Fortschrittlern und Arbeiterparteilern Mansfelber Rure in wenigen Minuten von 32 000 auf 27 000 2. befürwortet wurden und erhebliche Eteuererhöhungen mit fidh bringen würden.

zurüd.

Großer Metallarbeiterstreik in Magdeburg .

Magdeburg . 3. März.( Eigener Drahtbericht.) Am Freitag, vormittags 11 Uhr, legten in Magdeburg 20 bis 25 000 me tallarbeiter bie Arbeit nieder. Der Streit richtet sich gegen einen Schiedspruch, der für den Monat März eine Stunden zulage von 75 Bf. vorjah. Die Metallarbeiter forderten eine Zu­Tage von 2,50 M. Bezeichnend ist, daß in fleineren Orten in der Nähe Magdeburgs , wie Halberstadt , Thale und Wernigerode , höhere Löhne bewilligt worden find. Die Bersuche Magde­ burger Großindustrieller, höhere Sugeständniffe zu hintertreiben, haben zu dem Austritt einzelner Firmen aus dem Berbande der Metallindustriellen geführt. Ein Bermittlungsverfuch des Reichs arbeitsministeriums scheiterte an dem Widerspruch der Unternehmer, die alle Verhandlungen ablehnten.

Erhöhung der Grundgehälter.

Kannibalismus in Rußland .

Giolittianer von den Kinderschuhen an find weiter die Minister Beane( Schab), Schanger( Auswärtiges Amt ) und der Senator Teofile Roffi( 3Industrie und Handel). Dem Parteistempel nach besteht das Kabinett aus 6 Demo­traten, aus 3 Kleritalen, die fich Unterricht, Finanz und Land­wirtschaft gesichert haben, einem Agrarier, dem Kriegsminister Lanza di Scalea, einem Konservativen( öffentliche Arbeiten), einem Reformisten( Arbeit und Wohlfahrtswesen) und zwei eine breitere Basis, da es zwei Vertreter der Rechten zählt, eben den Agrarier und den Konservativen; die Klerifalen, Senatoren. Es hat also, im Bergleich zum Kabinett Bonomi, mit 3 Portefeuilles, mie im vorigen Ministerium, haben das Justizministerium mit dem des Unterrichts, an dem ihnen befonders viel gelegen ist, vertauscht.

Die grauenerregende Tatsache, daß in den russischen Hunger gebieten Menschenfleisch gegessen wird, findet jetzt durch Berichte hier angelangter bolfchewiftischer Blätter ihre Bestätigung. Zunächst ge­langten, wie diefer Quelle zu entnehmen ist, nur vereinzelte Fälle folcher Art zur Kenntnis der Deffentlichkeit. Im Bezirk Buzulut erklärte der Bauer Muchin zu Protokoll:„ Die Leichen der vor Hunger sterbenden Personen werden in einer Scheune geborgen. Man fann beim besten Willen nicht behaupten, daß uns Des Abends entnahm ich aus der Scheune die Leiche eines fieben- die mühselige Fastnachtfrise ein Ministerium, neuer Männer" jährigen Stnaben, brachte sie auf einem Schlitten nach Hause, hadte beschert hätte. Es sind alles alte Bekannte, die sich seit langem sie in Stücke und tochte dieselbe. Im Laufe einer Woche hatten wir in der Politit herumbrücken, ohne bisher etwas geleistet. alles aufgegessen. In unserem Dorf gibt es viele, die irgendwo den Stempel ihrer Bersönlichkeit aufgedrückt zu menschenfleisch effen."(„ Bramba", Nr. 21.) Weiter wird haben. Und eine allgemeine müde Erwartungslosigkeit steht gemeldet: In den einst so wohlhabenden Bezirken des Gouverne an der Wiege des neuen Rabinetts. ments Samara geschehen schreckliche Dinge: Man beobachtet bie unerhörte Erscheinung einer Maffen Menschenfresserei."( Pramba", Nr. 20.)

3m Reichsfinanzminifterium fand gestern die in Aussicht ge So hat ein falsches System, stott die soziale Entwicíung zu be­nommene Besprechung mit den Finanzministern der Bänder statt. Es herrschte Uebereinstimmung barüber, daß die Grundgebälter schleunigen, einen Teil ber von ihm betroffenen Menschheit unter die tiefste Stufe der Zivilisation hinabgeschleudert.

ber Beamten, insbesondere in ben unteren Gruppen, eine angemeffene Erhöhung erfahren sollen. Entsprechend werden auch die Bezüge der Angestellten und Arbeiter zu erhöhen sein. Ueber Einzelheiten sind Beschlüsse noch nicht gefaßt.

Das entwertete E. K.

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Obwohl dieses sicher fein ,, fluges Kind" ist, muß man ihm doch schon heute prophezeihen, daß es nicht alt merben wird. Es ist als Lückenbüßer und Interim- Kabinett geboren worden. Nicht, daß die Mittelmäßigkeit als solche mit langem Leben eines Kabineits unvereinbar märe: gewiß nicht; aber in Zeiten wie den unsern wird die Mittelmäßigkeit allzuleicht von den Ereignissen überwältigt. Außerdem und das ist für die Lebensdauer eines Kabinetts noch mehr entscheidend Der Hauptausschuß des Reichstages Jette am Freitag die Etats- bringt der Mangel an einer überragenden Persönlichkeit es beratungen des Reichswehrministeriums fort mit fich, daß sich die Gier der Aspiranten ungezügelt austoben Abg. Schöpflin( S03.) sprach im Anschluß an eine Anfrage des tann, so daß das Kabinett immer und beständig unter der Abg. Brüninghaus( D. Bp.), ob noch eine Möglichtett bestände, ehe Drohung lebt, dem Angriff derer, die sich zur Nachfolge te­maligen Kriegsgefangenen, die sich vor dem Feinde ausgezeichnet rufen fühlen, zum Opfer zu fallen. Und wer fühlte sich nicht haben, bas Ciferne Streus als Auszeichnung zu erteilen, über die berechtigt und imstande, einem Facta, Schanzer, Beano Entwertung des Effernen Kreuzes, die durch die über­aus zahlreiche und nicht immer gerechte Berteilung dieser im Kriege nachzufolgen? Was die können," sagt sich mit Recht ein 1870/71 sehr geschätzten Auszeichnung eingetreten ist. Abg. Stücklen jeder, fönnen wir auch". ( Sp3.) will vor allem verhüten, daß die weitere Berteilung der Und so ist Facta Ministerpräfident geworden, weil seine Eifernen Kreuze den Abmidlungsstellen Gelegenheit und Borwand Persönlichkeit niemand in den Schatten stellt, und wird sich zum weiteren Bestehen gewährt und damit ble Grundlage für ihre furzfristig durchwurstein, weil er fich einer Ueberzahl gleich an fich mußlose Eriftens gegeben ist. Abg. Dr. Haas( Dem.) äußerte falibriger Bolitiker gegenübersieht. Alle, die als Minister fich ebenfalls über die mißbräuchliche Verteilung des Eisernen präsidenten in Betracht kommen, haben bei dieser Krise bas Kreuzes. Der Ausschuß nahin hierauf eine Entschließung des bg. eine Siel verfolgt:„ menn nicht ich, so doch fein anderer, der möge, bas Angehörige der früheren Wehrmacht, die durch ihr Ber wirklich regiert"; und Facta ist wohl allen als der Mann er Brüninghaus( D. Bp.) an, wonach die Reichsregierung dahin wirten halten in der kämpfenden Truppe ben Anspruch auf die Ber- fchienen, ben man am liebsten aufkommen ließ. Nun steht leihung des Eisernen Kreuzes erworben haben, es auch jetzt noch freilich Giolitti hinter ihm, gründlich erfahren in allen Schlichen, mit denen man ein Barlament bändigt und im

Frankreichs Deutschenangst. Paris , 3. März.( WEB.) In der heutigen Sigung der Kammer erinnerte Ben a 3 et( rabitale Binte) baran, baß Fabry gesagt habe, daß troß der Abrüstung, die Deutschland auferlegt wurde, es durch den Geist seiner Organisatoren die Mittel finden tönnte, sehr schnell ein furchtbares heer auf die Beine zu bringen. Er verliest ein Schriftftüd, bas Einzelheiten über die Einrichtung des zufünftigen deutschen Heeres bringt und angeblich zeigt, daß Deutsch land mit seinen hunderttausend Mann troß des Bertrages dazu ge tommen ist, als mächtigen Schuß eine Selbstschußorgani­jation auf die Beine zu bringen. Man müffe deshalb etwas anderes finden. ẞas nötig fet, fei eine Einrichtung, die Frankreich in die Lage verseze, die Unverleglichkeit des Baterlandes ficherzu stellen. In der nächsten Sigung werde er die Wichtigkeit des Funk tionierens der Berbindungs- und Verpflegungsmittel barlegen, erhalten tönnen

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