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Nr.lH�ZH.Iahrgang
Heilage öes Vorwärts
Sonnabenö, 4. Närz 7422
wie Groß'Serlin geboren wurde. Die Etappen auf dem Weg zur Grotzgemeiude.
Wenn man heute das wilde Getue der Gegner eines ein- heillichen Grotz-Bcrlins hört, so könnte man, wenn man unbefangen abseits steht, zu der Ansicht kommen, der Vorgang der Eingemeindung an sich sei ein so ungewöhnlicher, noch nie dagewesener, daß er ein- .fach nicht zu verantworten ist. Und tatsächlich wollen die Gegner Groß-Berlins bei den politisch Unerfahrenen auch diesen Eindruck erwecken. Es ist deshalb recht angebracht, einmal den Weg zu ver- folgen, den die Fragen der Eingemeindung in Berlin seit bald einem Jahrhundert gegangen sind. Drei Eingemeindungen von �841—785?. Seit dem Jahre 1841 bis zum Jahre 1881 haben dreimal Ein- aemeindungen stattgefunden. 1841 hatte die Stadt Berlin einen Flächeninhalt von nur Söll chektar. 3m 3ahre 1861 wurden die Ortsteile Moabit , Wedding , Gesundbrunnen , ein Teil von Schönebcrg, einschließlich des Botanischen Gartens, und ein Teil von Tempelhos zwischen dem Halleschen Tor und dem Kreuzberg , einschließlich diesem, der nördliche Teil der Hasenheide und«in Sluck von Rixdorf ein- gemeindet. Wie gewaltig dieser Zuwachs war, erhellt aus der Tat- fache, daß sie dem alten Berlin mit seinen 3511 Hektar Umfang einen Zuwachs von 2412 Hektar brachte, so daß die Stadt 1881 insgesamt 5323 Hektar Flächeninhalt aufwies. Im Jahre 1878 kam der Haupt- teil des Tiergartens mit 132 Hektar hinzu, und das Jahr 1831 brachte das Eingemeindungswerk zum vorläufigen Abschluß, indem es noch den übrigen Tiergarten, den Zoologischen Garten und den Bellevue- park mit zusammen 255 Hektar hinzufügte, so daß Berlin über einen Gesamtflächeninhalt von 631V Hektar oder 63,10 Quadratkilometern verfügte. Zu einem Zeitpunkte also, an dem die Entwicklung zur Großgemeinde und zur Weltstadt mit aller Kraft einsetzte, fand die Eingemeindungstätigkeit ihr Ende. Die Sozialdemokratie schon 7883 für Groß-Serlin. Im Jahre 1883 zogen die ersten Sozialdemokraten: Singer, Tutzauer, Herold, Ewald und Goerki in das Berliner Stadtparlament ein, und die sozialdemokratische Fraktion hat sich, wie Paul Hirsch in seinem Werk:„25 Jahre sozialdemokratische Arbeit in der Gemeinde" ausführt, im Gegensatz zu den bürgerlichen Parteien immer von dem großen Gesichtspunkt leiten lassen, das einheilliche Wirtschaftsgebilde Groß-Berlin auch zu einem einheitlichen kommunalen Gebilde zu- sommenzufasien. Da die Stadtgemeinde nicht daran dachte, von sich aus an Eingemeindungen heranzutreten, ergriff die Staatsregierung die Initiative, und unter dem 9. September 1891 erging von dem Oberpräsidenten Staatsminister von Achenbach an den Berliner Magistrat ein Erlaß, in dem der Magistrat ergebenst ersucht wird, sich innerhalb zweier Monate darüber zu äußern, welche von den in der Bähe von Berlin liegenden Orten bei der Einverleibung in Frage kommen würden. In einer gemischten Deputation wurde die Sache zwei Jahre lang vertrödelt und endlich der Regierung eine Antwort erteilt, die sie nicht befriedigte. Die Regierung wollte nämlich ganz bedeutend eingemeinden, und zwar ganz Charlottenburg , große Teile von Wilmersdorf , Schöneberg , Tempelhof , Rixdorf, die gesamten Bezirke von Treptow, Stralau, Boxhogen, Rummelsburg , Lichten- berg, Plötzensee und eventuell auch noch Weißensee , Neu-Weißensee und Reinickendorf . Als dann endlich mit Ach und Krach Berlin so weit war, einen Teil des Regierungsprogramms anzunehmen, fand dann plötzlich die Regierung ein Haar in der Sache; sie fürchtete in einem derart vergrößerten Verlin verstärkten Einfluß der Sozialdemokratie, und die Eingemeindung unterblieb. kommunale Zerrissenheit. In der Folgezeit hat die Sozialdemokratie unermüdlich die Not- wendigkeit und die vcrwaltungstechnische und finanzpolitische, die wirtschaftskultur-, sozial- und verkehrspolitische Bedeutung eines Groß-Berlins betont. Wie recht sie mit ihren Mahnungen behielt, bewiesen die von Jahr zu Jahr unhaltbarer werdenden Zustände, die leider nicht mehr so klar, wie sie sollten, in der Erinnerung sind. Da war z. B. das üble Verbot des Wohnens von Lehrern und Be- amten in den Vororten, das völlige Durch- und Gegeneinander der Vcrkehrseinrichtungen, die fortgesetzten Kämpfe gegen die Doppel- besteuerungen, die rücksichtslose Interessenpolitik der Hausagrarier und als deren Folge das unaufhaltsame Vordringen der in der ganzen Welt übel bekannten Berliner Mietkasernen auch in die Außen- rorort«, die grotesken Zustände der verschieden gearteten polizeilichen
Ladenschlußverordnungen usw usw. Dazu nicht weniger als 75 ver- schiedene Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke. Als Folge der uner- müdlichen Werbetätigkeit für den Gedanken eines einheitlichen Groß- Berlins konnte man das Zweckverbandsgcsetz für Groß-Berlin vom 11. 3uli 1911 ansehen, das bescheiden genug, sich die Regelung der Straßenbahnen, die Schaffung von Straßenfluchten und von Freiflächen zum Ziel setzte. Als dann endlich mit dem 27. April 132V das Gesetz über die Bildung einer neuen Stadt- gemeinde Berlin erschien, da bedeutete das den Anfang zu einer ent- schiedenen Regelung der kommunalen Verhältnisse Groß-Berlins, wie er schon vor mindestens 2V Jahren hätte gemacht werden müssen. Die neue HroZgemeinöe Derlm umfaßt nach diesem Gesetz 7 Stadtgcmeinden, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke. Die Stadtgemeinden sind: Berlin , Charlottenburg , Cöpenick, Lichtenberg , Neukölln, Spandau , Schöneberg und Wilmers- darf. Von der Größe und Ausdehnung dieses neuen Berlins kann man sich eine Vorstellung machen, wenn man überlegt, daß sie über einen Flächeninhalt von 87 856 Hektar verfügt, während das alte Berlin nur einen solchen von 631v Hektar hatte. Das Weichbild (Grenze) hat heute eine Gesamtlänge von etwa 225 Kilometern, was der Entfernung von Berlin nach Dresden entsprechen würde. Dos alte Berlin hatte einen Umfang von etwa 42 Kilometern, das ehe. mals selbständige Friedenau einen solchen von 4% Kilometern. An seiner breitesten Stelle, nämlich zwischen der Försterei Spring am Flakensee(gegenüber Woltersdorfer Schleuse) und der westlichsten Ecke an der Glienicker Brücke in Potsdam betrögt die Entfernung in Luftlinie zirka 46 Kilometer. Die größte Länge in der Nord— Süd- Richtung(zwischen der Südgrenze an der Lichtenrader Chaussee und der Nordecke südlich des bekannten Gorinsees) hat ein Ausmaß von zirka 35 Kilometern. * In diesem Riesenbezirk wohnen rund 4 Millionen Menschen. Was aber wissen diese 4 Millionen„Berliner " voneinander? Im Grunde genommen sehr wenig. Den meisten geht ihr Leben zwischen Wohnung und Arbeitsstätte dahin, ohne daß sie zum Bewußtsein dessen kommen, was Groß-Berlin eigentlich für ein Gebilde ist. In einer Reihe zwanglos zur Veröffentlichung gelangender Beiträge wollen wir nun versuchen, die politischen und wirtschaftlichen, sozialen, verkehrspolitischen und kulturellen Merkmalen der einzelnen Bc- zirke darzustellen und so einem weiteren Verständnis für das neue Groß-Berlin den Weg zu bahnen.
Ein vorbeigelungenes„GefthäfT. Deutschnationale Hetze gegen sozialistische Städträte. In der Stadtverordnetenversammlung holten sich die Deutsch nationalen, wie unsere Leser aus dem Sitzung?- bericht wissen, mit ihrer auf einen Zeitungsartikel sich stützenden Anfrage wegen des Lehmbergs an der Bad st ratze ein« verdiente Abfuhr. Wir kommen heute aus die Angelegenheit noch einmal zurück, weil wir eine die Kampsesweise der Deutschnatio- nalen kennzeichnend« Tatsache festnageln möchten. Die in der Sitzung von dem Kämmerer Karding im Auftroge des Magistrats gegebene Antwort, daß in der Lehmbergafsäre das Bezirksamt W e d d i n g keineswegs die Stadt geschä- oi gt hat, und daß der Bezirks st abtrat Pfeiffer mit der Sache überhaupt nichts zu tun gehabt hat, sagte den Deutschnationalen nicht mal etwas Neues. Mehrere von ihnen waren bereits vorher durch den Bezirksbürgermeister Leid davon unterrichtet worden,'baß nach den Ermittlungen des Bezirksamtes an den Behauptungen des Zeitungsartikels kein wahres Wort ist, und daß vom Bezirksamt gegen den verantwortlichen Redakteur des betreffenden Blättchsns schon am 27. Januar ein E t r a s a n- trag eingereicht wurde. Wir hören, daß Mitglieder der Deutsch - nationalen Volkspartei mehreren Stadträten des Bezirksamts Wedding, im besonderen der Deutschnationale Stadtrat 2B«ge unserem Genossen Stadtrat Pfeisfer selber, gesagt haben, man werde die Anfrage bis zur Erledigung des Prozesses zurückstellen. Daß trotz Kennwis der Erklärungen des Bezirks- amtes die Deutschnationalen in der Stadtverordnetenversammlung ihre Anfrage aufrecht erhielten, kennzeichnet diese Partei in
ihrem Kampf gegen die sozialistischen Mitglieder des Magistrats und der Bezirksämter. Aber in Anbetracht der Wirkung war es doch gut so; denn auf diese Weise konnten die ausgestreuten Verl « um- düngen schon jetzt durch den Magistrat aufs entschiedenste zurück- gewiesen und den Deutschnationalen von den Rednern der drei Linksparteien schonungslos die gebührenden Stäupungen ver- abreicht werden. Die Lehmbergaffäre hat auch gezeigt, was für„Geschäfte" betriebsame Unternehmer mit der Stadt zu machen versuchen. Aktenmößig ist festzustellen, daß der Fuhr- Herr Böhm am 31. Dezember 1920 im Bureau der Grundeigen- tumsdeputation mündlich eine Jahrespacht von ivv M.(hundert Mark!) bot, falls er den Lehmberg an der Badstraße abfahren und selbstverständlich nach seinem Belieben verwerten dürfe. Da- für wollte er dann auch den Platz einebnen, so daß die Deutschnatio- nalen, wenn das„Geschäft" zustande gekommen wäre, ihn wahr- scheinlich noch als einen„Wohltäter" der Stadt gepriesen hätten. Daß der Grundstücksausschuß das Angebot des Herrn Böhm ab». lehnte und nun die Stadt selber für Abfuhr von 2YVV Kubikmeter der Lehmmeng« 170 00V M.(nicht, wie die Deutschnationalen be- haupteten, 30V VVV M.) aufwenden muß, soll eine„Schädigung" des Stadtsäckels fein. Der Lehm wird in der Siedlung Iungfernheide zur Bodenbefestigung gebraucht, wofür bei leichtfertiger Weggabe des wertvollen Lehmberges die Beschaffung anderen Materials notwendig geworden wäre, die der Stadt sehr viel höhere Ausgaben verursacht hätte. Genosse Pfeiffer hat, wie schon gesagt, an der Verhinderung des von Herrn Böhm vorgeschlagenen„Geschäftes" nicht im ge- ringsten mitgewirkt. Träfe dieser„Vorwurf" zu, so könnte der „Schuldige" nur Genugtuung darüber empfinden, die Stadt vor Geldschaden bewahrt zu haben.
verstänöigvng über üie Magistratsgehälter. Die entschiedene Stellungnahme unserer Fraktion im BesoldungsaussÄutz gegen die gestrigen Anträge der bürgerlichen Parteien ist nicht erfolglos geblieben. Sie haben namentlich ihren gestern hier charalterisierten tendenziösen Antrag fallen gelassen, für den nach dem erfreulichen Abrücken der Zentrums- f r a k t i o n eine Mehrheit kaum noch zu erwarten war, und haben auch in ihren übrigen Forderungen der finanziellen Notlage der Stadt mehr als bisher Rechnung getragen. Nach langwierigen Ver« Handlungen kam ein Kompromiß zustande, daß sich in seinen sinan- ziellen AnSwirkungen und in seiner Gesamttendenz nicht mehr wesentlich von unseren Anträgen unterscheidet. Nachdem diese abgelehnt waren, konnten unsere Vertreter im Aus schuß daher dem modifizierten Antrage zustimmen, und es ist somit zu erwarten, daß es auch im Plenum zu keiner»Kraftprobe' bei dieser Frage kommen wird._ Die Dahnhöfe der Hord— 0üöbahn. Kein Litxus, bescheidenste Ausstattung. Nachdem der Rohbau der Nordstrecke der städtischen Unter. grundbahn Nord— Süd in den wesentlichsten Teilen, bis auf eine kurze Strecke zwischen dem Weddingplatz und der Pante fertig- gestellt ist, ist jetzt der Innenausbau der sechs Bahnhöfe' der Nordstrecke in vollem Umfange aufgenommen worden. Der zweite der Bahnhöfe vom nördlichen Ende der Bahnstrecke aus gerechnet, der Untergrundbahnhof Leopoldplatz, macht in feiner Jnnenausstottung, die zum großen Teil während des Krieges hergestellt wurde, den weitaus vorteilhaftesten Eindruck. Dieser Bahnhof hat die Ausstattung bekommen, wie sie vor dem Kriegs für sämtliche Untergrundbahnhöse der neuen Bahn geplant war. Die Wände der Zugangstreppen mit Kacheln einer neutralen Farbe, während- die Wände des Bahnhofsraumes mit farbigen Kacheln, in diesem Falle mit einer freundlichen hellroten Farbe ausgekleidet find. Alle anderen Bahnhöfe müssen der zu hohen Kosten wegen wesentlich einfacher ausgestattet werden. Die einfach ver- putzten Wände werden mit einer gewöhnlichen Steinfarbe gestrichen, während die Eisenkonstruktion einen Anstrich von Oelfarbe etwas dunkler Schattierung erhalten soll. Die Ausgänge erhalten schmiedeeiserne Umfassungen, Träger mit Transparenten und Tore, die zum Verschließen der Bahnhöfe während der Betriebspausen bestimmt sind. Der Bahnsteigbelag besteht ebenfalls aus dem ein. fochften Material, Teerasphalt an Stelle der ursprünglich geplanten ! Fließen. Jeder Bahnhof erhält einen besonderen Umformer für die j Umwandlung des Bahnstromes mit 6000 Volt Spannung in solchen, ! von 220 Volt für Beleuchtungszwecke. Besondere Sorgfalt wird der
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Er wollte sich einreden, daß es eine andere war. Aber mit einem Male sprang er auf und griff nach Hut und Stock und eilte in den Wald hinein, seinen Weg weiter, indem er seinen Ranzen an dem Riemen mit sich schleppte. Nach einigen langen Schritten ging er langsam und trat mit den Zehen auf, um das Holz unter seinen Schuhen nicht zum Verräter werden zu lasten. Er bückte sich und schlich sich von Baum zu Baum. Aber sie sah ihn, sie kam hinter ihm her. Er hörte sie eilen. Jetzt nützte ihm das Berstecken nichts mehr, er setzte feinen Hut auf und ging mit gleichgültigen, gesetzten Schritten weiter. Er schlug mit dem Stock in die Zweige und pfiff ein Lied dazu, als ob er so ganz voll Waldluft und Waldsinnen stecke. Aber das Lied kam zitternd heraus, und seine Beine liefen ihm davon. Aengstlich und aufjubelnd rief es hinter ihm her. Er schritt weiter, schneller, und sein Lied stockte einen Augenblick. Er fiel über einen Eichenstumpf, an dem noch die Blätter wucher- ten. Er sprang wieder auf die Füße, schon hörte er ihren Atem hinter sich. Sein Pfeifen verstummte, er kämpfte mit seinem Stolz, als Zwanzigjähriger lief er nicht gern davon. Aber dann fing er an zu eilen. Sie blieb zurück, er hörte sie nicht mehr und eilte weiter. Er hielt den Arm vors Gesicht, um sich vor dem Schlag der Zweige zu schützen. Jetzt kam er in den Tannenwald. Der Pfad wurde steiler, das Moos und die Nadeln, auf die er trat, waren schlüpfrig und gaben seinen Sohlen wenig Halt. Aber vor ihm flimmerte das Licht. Und dann stand er oben und schöpfte Atem. Er chielt sich mit der Hand an den Drahtzaun, der neben ihm von Pfahl zu Pfahl gezogen war. Und er sah in den Steinbruck hinab, der dahinter mit gelben, in der Sonne brennenden Wänden tiefer und tiefer hinunter- stürzte. Er lauschte da hinein. Nur das Geröll der Steine klang aus der sonnendunstigen Tiefe herauf und die Stimmen der Arbeiter. Er zauderte, sah noch einmal hinab. Dann schwang er sich über den Draht und trat mit dem Fuß auf den ersten vorspringenden Stein unter ihm, trat weiter, mit dem Drang
zu eilen, und doch langsam und mit prüfenden Augen. Er nahm den Stock zwischen die Zähne und drehte sich gegen die Wand hin, er kniete nieder und suchte mit den Fingern einen Halt, er ließ seine Beine hinab und tastete unter sich. Aber es brach ab unter ihm und polterte in die Tiefe. Er konnte nicht weiter hinunter. Da! Er hörte Gretes Schritte, er hörte sie oben stehen und fühlte ihre Augen wie ein greisbares Gewicht auf sich ruhen. Er sah hinauf und sah gerade hinein. Sie stand über den Draht gebeugt. Ihre Brust war vom Lauf erregt.„Hein." sagte sie bittend. Er suchte von neuem mit Händen und Füßen nach einem Halt unter sich— da schlug sein Stock hinab. Beide sahen ihm nach, wie er mit der Krücke nach unten aufschlug, die Spitze nach vornen drehte und wieder aufschlug. Sie sahen ihn noch fallen, als sie ihn nicht mehr härten. Die Arbeiter, die tief unten schwarz an dem gelben Stein hingen, wie Fliegen auf einem hellen Brot, riefen Flüche her- auf und lachten. Es klang wie Mäusewispern. Hin und wieder blitzte etwas in der Sonne, das waren ihre Hacken. Und einer hatte etwas Rotes an. Endlich sprach Hein.„Grete, was tust du denn? Du wirft wieder krank." .„Komm herauf," sagte sie. „Was willst du denn nun?" „Ich bin so dahergegangen— da habe ich dich mit einem- mal gesehen." Er schwieg eine Weile.„Wo hast du Georg gelassen?" „Weshalb willst du nicht heraufkommen?" fragte sie, ohne ihm zu antworten. Er wendete sich und setzte sich. Seine Beine hingen herab, aber um nicht zu fallen, mußte er den Rücken dicht an die Wand hinter sich legen und die Hände neben sich auf- stützen. „Weshalb bist du vor mir weggelaufen?" ftagte sie. „Was willst du von mir?" fragte er wieder. Sie riß Gräser und Blumen aus und warf sie auf ihn hinab. Sie fielen auf seinen Kopf und seinen Leib und fielen an ihm vorbei die Steinwand hinab. Sie hüllten ihn in Duft und Farbenschein ein. „Ich komme zu dir," sagte sie mit einem Male. „Tu's nur," sagte er und lachte spöttisch.
Aber wirklich— sie kroch auf Händen und Füßen unter dem Draht her. Ihr Fuß streckte sich weit aus dem Rock her- aus und tastete. Die bröckelnde Erde fiel ihm in die Augen. Wie ein Kind, das die Gefahr im Blumenspiel nicht sieht. wollte sie weiter hinab. „Bleib oben, ich komme," rief er. Sie richtete sich auf und war voll Freude. Erst innen, dann ging's in ihre Glieder über. Wie der Hund an der Kette war sie, der seinen Herrn kommen sieht und ihm mit Bellen und Wedeln entgegenstrebt. Sie suchte nach etwas, was sie ihm hinhalten und woran sie ihn hochziehen konnte. Sie streckte ihm ihre Hand entgegen. während sie sich mit der anderen an einem Pfahl hielt. Aber er kam ohne ihre Hilfe hinauf, stand da und be» festigte seinen Ranzen auf dem Rücken. Dann wendete er sich dem Berg zu und wollte gehen. „Warte, du bist voll Schmutz,"" sagte sie, fuhr ihm mit der flachen Hand über den Rücken und pflückte ihm das Gras� von den Schultern. Er schritt aus, aber sie hielt ihn hinten an seiner Jacke. „Laß mich ein Stück mit dir gehen." „Rein, ich habe keine Zeit mehr, du weißt es doch." Sie kam hinter ihm her.„Laß uns doch ein wenig im Gras sitzen." Sie war immer dicht an seinen Fersen, und er schritt immer schneller aus. Plötzlich stieß sie einen leisen Schrei aus.„Ich kann nicht mehr gehen," sagte sie. Er hielt nicht ein. Sie hinkte hinter ihm her.„Ich kann nicht auftreten, sieh doch nur." Er drehte den Kopf.„Ist es wahr?" „Rein. Es ist nicht wahr," sagte sie, sah an ihm vorbei und sah ihn dann an. Ohne ein Wort machte er längere Schritte. Da war sie plötzlich wie der Wind lfinter ihm und neben ihm und stand vor ihm und sperrte ihm den Weg.„Laß mich doch nicht wie ein Hund hinter dir herlaufen," sagte sie und senkte den Kopf.. Er sah flüchtig auf ihr Gesicht und wollte an ihr vorüber. aber sie stand entschlossen vor ihm. (Fortsetzung folgt.)