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Nr. 73? Jahrgang
Seilage öes vorwärts
Sonnabenö, 7S. März 7922
Das Preisfieber auf öem kleiöermarkt. Die Ursachen der ungeheuren Steigerung.
Wmn wir davon absehen, für Textilien Preise anzugeben, so geschieht dies, weil alle Angaben darüber doch mit dem Augenblick überholt sein würden, in dem das Blatt den Lesern zu Gesicht kommt. Rur   so viel kann festgestellt werden, daß Preis st eigerungen mn das ZOfachedi« geringsten sind und daß die 100- fachen Preiserhöhungen durchaus nicht zu den Selten- Helten gehören, von den bisherigen Hochkonjunkturen am Waren- markt unterscheidet stch die jetzige ganz merklich dadurch, daß bei den früheren zwischen den Preissteigerungen eine mindestens nach Tagen zu berechnende Frist lag und daß zum mindesten die produzieren- den und worenverteilenden Unternehmer in der Lage waren, sich dem anzuposien. Heute geht die Entwicklung mit Siebenmeilen- stiefeln vor sich. Jeder Preis, den man erfährt, ist schon gewöhnlich nicht einfach, sondern mehrfach überholt. Di« Lohn- und Gehalts- empfänger sind nicht in der Lag«, mit ihren Ansprüchen einem der- artig forcierten Tempo zu folgen. Sie hinten ständig hinter den Preisen her. Hochkonfu«ktur in öen Vetailgeschäfien. Ist es nicht wunderbar, daß trotz dieser Entwicklung die Einzel- Handelsgeschäfte nicht Hände genug haben, um den Ansturm der Kundschaft befriedigen zu können? Gekauft wird von allen Schichten der Bevölkerung gleichmäßig. Die Neureichen kaufen, was sie kaufen können. Preis Nebensache. Der Mittelstand, die Lohn- und Gehaltsempsänaer wenden ihre letzten Ersvarnisie an, um sich jetzt noch einigermaßenwohlfeil"(?) mit Kleidern zu versehen. Viele von ihnen sind gezwungen, mit hungrigem Magen, aber mit dem Anzug nach neuester Mode einherzustolzieren. Der Ches, die Kund- schoft verlangt es. Also werden die letzten Sparpfennige abgehoben. Es ist fa alles bitter teuer, aber wer weiß, ob nicht in kurzer Zeit die Preise«in« solch« Höhe erreicht haben, daß sie für alle Waren unerschwinglich sind. Ferner erscheinen auch die AnslSnder wieder zahlreich in den Geschäften und kaufen große Mengen Waren. Aller- dings die Hamsterei zu gewerblichen Zwecken hat aufgehört. Die Preise haben in Deutschland   eine Höhe erreicht, daß für die Aus- länder, die mit den deutschen   Waren Geschäfte machen wollen, der Einkauf nicht mehr lohnend ist. Außerdem haben auf sie die Er- schwerungen in der Ausfuhr abschreckend gewirkt. Dagegen be- nutzen die Angehörigen von Ländern mit hoher Valuta die Ge- legenheit, so viel wie möglich zu ihrem Privatbedarf an sich zu bringen. Denn sie taufen trotz der gestiegenen Preise immer noch billiger ein als in den Geschäften ihres Landes. Erste Anzeichen öes Mstiegs. Trotzdem also auch im Tertilgewerbe eine außergewöhnsiche Be- tpiebfamteit herrscht, machen sich schon die ersten Anzeichen der Heber- sättigung des kaufkrästigen Publikum, und das Nachlassen der Kauf­kraft der übrigbleibenden Schichten bemerkbar, vorerst allerdings kaum merklich. Hier und da nehmen Kunden, die eine bestimmte Summe für einen Bekleidungsgegenstand ausgesetzt hatten, von Käufen Abstand, weil sie die geforderten Preise nicht ausgeben «ollen oder können oder weil ihnen die Qualität der Ware, die sie für da» anzulegende Geld erhalten, nicht ergiebig genug erscheint. vorerst handelt es sich um vereinzelte Kunden, aber ihre Zahl wächst ständig und wenn die Käufer ausbleiben, werden in erster Reihe die Kleinhandelsgeschäfte geschädigt, für die der täglich« Umsatz ein min- destens ebenso wichtiger Faktor ist als der übergroße Verdienst an dem einzelnen Stück, viele von ihnen gehen infolgedessen mit dem Gedanken um, wieder mit billigeren waren aus den Nlarkl zu kam- men und hier bahnbrechend zu wirken, besonders Waren- und Kauf- bäuser arbeiten in dieser Richtung. Ihnen sind, da sie ja in der Preisgestaltung von ihren Lieferanten abhängig sind, die Hände ge- bunden, die Fabrikanten und Grossisten ober sind zum größten Teil auf Monate hinaus ausverkauft, so daß naturgemäß es sehr schwierig sein wird, Ware zu bekommen: ja es gibt Pessimisten, die der Ansicht sind, daß mit der Aufarbeitung der jetzt vorhandenen Rohstoffe die Fabrikation von Textilwaren in Deutfchland ganz aushören wird. Die Erfahrung der letzten Jahre hat allerdings gezeigt, daß gerade dies ein beliebter Bluff ist. um das an sich schon kauflustige Publikum zu wetteren Käufen zu veranlassen, und daß dieser Bluff dazu her-
I halten muß, der Oeffentlichkeit gegenüber ein Lorwand für die Er- höhung der Preise abzugeben. Ursachen öer Teuerung. Wenn wir die Ursachen der Teuerung erforschen, so ist selbstoer- ständlich der Hauptgrund die durch unsere Reparationsverpstichtun- gen und außenpolitisch« Lage bedingte Entwertung unseres Geldes. Aber auch hier wirken spekulative Momente mit, um das Ausmaß dieser Entwertung weit über dos hinausgehen zu lasten, was durch die politisch« und tatsächliche Entwicklung geboten ist. Hiermit hängt es Zusammen, daß der Hauplrohstosf für Textilwaren, die Baum­wolle. eine Preissteigerung erfahren hat, daß sie für uns kaum noch zu bezahlen ist. Auch hier haben spekulative Einflüsse ihre Hand im Spiel, um das Maß und das Tempo der Aufwärtsbewegung zu vergrößern. Wenn nun auch die Geldentwertung der Hauptgrund der Verteuerung der Waren ist, der alleinige Grund ist es keinesfalls. Es ist nicht Zufall, daß vor einigen Wochen derManufakturist  ", dem wohl niemand Dertxetung der Konfumenteninteresten wird beschuldigen können, seine warnende Stimme erhoben bat gegen die Prosttgier der Produzenten und Händler. Wenn das Publikum seine Einkäufe aus dag allernolwendigste beschränken würde, so daß die Geschäfte mehr ihre Waren anbieten müßten, dann hätte der Händler Interesse daran, seine Preise auf das Mindestmaß einzuschränken. Dann würde auch die Konkurrenz, das Hauptcharakteristikum jeder freien Wirtschaft, preisregulierend wirken. * Wie die Dinge sich jetzt entwickeln, muh eines Tages der Zeit- punkt kommen und er scheint gar nicht mehr zu fern, wo die Kaufkraft immer weiterer Schichten der Bevölkerung erlahmt. Die Preise für Nahrung und Wohnung fordern bei den Lohn- und Ge- Haltsempfängern einen immer größer werdenden Anteil ihres Ein- kommens. Der Teil, der für andere Zwecke übrig bleibt, vermindert sich zusehends. Wenn dieser Teil auf nichts zusammengeschmolzen ist, wenn das ganze Einkommen weiterer Schichten für Nahrung und Wohnung draufgeht, ja kaum noch reicht, wenn die großen Masten als Käufer vom Markt verschwinden, dann ist die Krisis da. Und man wird sich schon heute überlegen müssen, was zu ihrer Beseitigung zu unternehmen wäre.
Die teuere kteine Stadt. Man sprach von den Reizen des ländlichen Lebens. Die jungen etwas bleichsüchtigen Mädchen schwelgten in der Erinnerung an früher genossene Milch- und Eierspeisen, und die poetischen Naturen i sangen«in Loblied auf das teure kleine Städtchen mit alten Giebel- Häusern und Linden auf dem Marktplatz. Ein Graubart mischte sich jetzt in das Gespräch ein: Teuer hat bei uns eine doppelte Bedeutung: teuer unserem Herzen und teuer für unseren Geldbeutel. Nun ist es eine eigentüm- liche, ein« auch für den tiefer Blickenden leicht erklärliche Erscheinung. daß die kleinen Orte in dem Bereich um die Großstadt die Tendenz haben, das Wort teuer in beiderlei Hinsicht zu Ehren zu bringen. Manchmal sogar noch ein weiteres Schlagwort: teuer und schlecht. Nehmen wir Berlin  , so erstreckt sich dessen preisbilbender Einfluß, bedingt durch Markthalle und Warenhaus, nur auf die nächsten Dororte, wo männiglich sich die Bewegung nach dem Zentrum der Arbeit und des Vergnügens befindet Hört dieses bequeme und häufig« Fahren auf, so tritt der Erwerbssinn des Kleinstädters genau so in Erscheinung, wie der des Großstädters. Er rechnet mit der Bequemlichkeit der Leute. Wenn auch der Mann sich morgens regel- mäßig zu seinem Bureau begibt, so pflegt er nicht geneigt zu sein, nach Arbeitsschluß sich mit Paketen zu beladen, umeinige Pfennige" zu ersparen. Also: die Hausfrau kauft am Ort und die wenigen Geschäftsleute halten den gleichen Preis Macht man ihnen Bor  » ! Haltungen, daß die Großstadt billiger liefert, so rechnen sie die ! Transportkosten vor. Ob dies« so groß sind, daß sie Preiserhöhungen 1 von 50 Pf. und 1 M. bei der Wareneinheit rechtfertigen, ist fraglich,
zumal selbst ländliche Erzeugniste, die geringe oder gar keine Trans- portkosten erfordern, die gleiche Tendenz nach oben haben." Und wissen Sie eine Abhilf« für diesen Zustand?" Abhilfe sicher gibt's die geht hin und gründet Konsum» vereine die sind gewissermaßen die Vorschulen des Sozialismus. Und bedenken Sie auch: Die Liebe geht durch den Magen... Man» cher Bourgeois wird anders denken lern«n, wenn er greifbare Vor- teile hat." Dann wird uns das Städtchen im doppelten Sinne teuer sein" setzte das junge Mädchen hinzu,aber diesmal im Sinne der Liebe..."_ 150 Prozent Mietszuschlag! Tie bürgerliche Rechte für die Ausbeutung der Mieter. 150 Proz. Mietszuschlag zur Friedensmiete für Wohnräume aller Art, das ist der gestrige Mehrheitsbeschluß des Ausschusses für das Groh-Berliner   Wohnungswesen. Für ge- werblich« Räume mit über 2000 M. Iahressriedensmiete sollen 105 Proz., mit über 5000 M. Iahresmiete 180 Proz. erhoben wer- den. Die bürgerlichen Vertreter im Ausschuß glaubten unter all«n Umständen diesen hohen Satz verlangen zu müssen Herr Ladendorf   hatte sogar 200 Proz. beantragt da nach ihrer Meinung die Hausbesitzer sonst unter keinen Umständen weiter existieren könnten. Alle Bemühungen unserer Vertreter im Ausschuß, den Höchstmietenzuschlag auf 100 Proz. festzusetzen, blie- ben ergebnislos. Die heutige Magistratssitzüng wird sich als weitere Instanz mit der Frage zu beschäftigen haben und hoffentlich etwas mehr soziales Verständnis für die Nöte der Gefamtmieterschaft be- w«is«n. Jetzt zeigen sich die Früchte der letzten Stadtverordnetenwahlen, und es liegt an uns, darüber Aufklärung in alle Mieterkreise zu tragen, wie ihre vermeintlichen Freunde im Stadtparlament aussehen und wer in Wahrheit die Interessen der Mieter vertritt.
y\üf einer Sank am Neckar  . Die Geschichte eines Bankdiebsiahls. Aktiendieb st ähle bei einer hiesigen Großbank in Höhe von 700 000 M. lagen einer Anklage zugrunde, die gestern die 11. Strafkammer des Landgerichts I   beschäftigte. Angeklagt wegen Unterschlagung, Beihilfe dazu und versuchten Vergehens gegen das Kapitalfluchtgesetz waren der Bankangestellte Artur B r ü h e i m. der Kaufmann Max Abel und der Vermittler Gustav W u n t k e. Der Angeklagte Brüheim   war als sogenannter Nummernbuch- Halter in der Effektenkasse einer hiesigen Bank tätig. Als er eines Tages im Laufe der Unterhaltung dem Mitangeklagten Abel erzählte, ihm würde es ein leichtes sein, Papiere von hohem Werte verschwinden zu lassen, kamen Beide auf den Gedanl-v von Brüheim   gestohlene Effekten nach der Schweiz   zu ver- schieben Brüheim   entwendete Aktien der Elberfclder Farbwerke und der Deutsch  -Luxemburgischen Bergwerke in Höhe von 300 000 M.. die Abel einem gewissen Eglofs   übergab, der sie nach der Schweiz  bringen sollte. Unterwegs verlor E. jedoch den Mut, er legte das Paket mit den Aktien in Heidelberg   auf«iner Dank am Ufer des Neckar   nieder, wo es am nächsten Morgen von Studenten gefunden und der Polizei übergeben wurde. Kurze Zeit darauf entwendete Brüheim   7 Sarotti-Aktien im Werte von zirka 4 00 000 M., die er dem Mitangeklagten Wuntke aushändigte. Dies«? lombardierte erst auf eigene Faust zwei Aktien und gab von dem Erlös von 20 000 Mk. dem B S500 M. ab, während er den R«st für sich behielt. Da inzwischen die Dank die Sperrung der Aktien bekanntgemocht hatte, hielten es die Täter für ratsam, ihr j die übrigen fünf Akten wieder anonym zuzusenden. Staatsanwalt- , schaftsrat Dr. Berliner beantragte mit Rücksicht auf den schweren i Vertrouensbruch, den Brüheim   begangen habe, gegen ihn 1 Vi Jahrs I Gefängnis und gegen Abel und Wuntke je 9 Monate Gefängnis. R.-A. Dr. Karl Loewenthal machte für Brüheim qeltcnd, tioy dieser 18 Jahre einwandfrei als Morinezahlmeister , tätig gewesen sei und offenbar nur unter den Folgtwirtungen 'einer Malariaerkrankung zu den Verfehlungen g-kom. i men sei. Das Gericht erkannte gegen D r ü h e i m auf 1 I a h r Gefängnis, gegen die Mitangeklagten auf je S Monate Gefängnis. Da die Angeklagten in Not gehandelt hatten, wurde ihnen vom Gericht für die restlichen Zweidrittel der Straf« eine Be­währungsfrist bewilligt.
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Die Macht der Lüge.
Roman von Johann Dojer. Ein paar Sekunden verstrichen, und er merkte, wie seine Spannung wuchs. Endlich hob sie die Hand und streckte si« ihm entgegen. Er nahm sie. Sie war so dünn und hilflos und warm. Damit gab sie ihm nun all ihr Vertrauen. Gewiß, sie halle ihm in den letzten Tagen viel Vorwürfe gemacht und unbarmherzig gefordert, er solle ihr ihr Geld wieder schaffen. Aber nun? Nun war etwas ganz anderes geschehen, da- gegen wurde alles übrige so klein, und so klammerte si« sich voller Zutrauen an ihn. Dann zeigte sie auf den gedeckten Tisch und flüsterte: Willst du nichts essen?" Und sie stand etwas mühselig auf und holte die Teekanne vom Ofen. Soll ich die große Lampe anzünden?" fragte sie still. Nein. Liebling..." Er setzte sich zu Tisch, mehr, um den Schnapsgeruch zu vertreiben, als etwa um seinen Hunger zu stillen. Und da bemerkte er eine halbe Flasche Vier auf dem Tisch, das regte ihn förmlich auf. Sie konnten sich Bier nicht m«hr leisten, aber diese letzte Flasche hatte sie vielleicht Noch irgendwo im Keller gefunden, und trotz all des Unglücks um sie her hatt« sie daran gedacht und si« geholt, als sie ihn jetzt erwartete. Hast du denn schon gegessen?" fragte er, als sie sich nicht mit an den Tisch setzte...., Danke!" sagte si«,aber ich glaube nicht, daß ich etwas herunterbekomme." Doch, Karen, setz dich nur und. Der kleine Toren will doch sein Abendessen haben." Dieser Scherz nabm sich so wunderllch aus in der düsteren Stimmung. Denn der kleine Soren das war ihr heimlicher Kosenamen für das Kleine, das si« noch in ihrem Schoß« trug. Und doch wie der Vater dies sagte, war es, als bilde sich eine kleine goldene Brücke zwischen ihnen, und sie konnte nicht anders, si« mußt« ihn strahlend ansehen und lächelte. Und dies Lächeln erhellt« das Zimmer, es»rleichterle sie beide, so daß si« nun ruhig miteinander Ober dies« Geschichte mit Norby reden konnten.
Kannst du begreifen, wie er auf so etwas verfallen konnte?" sagte sie und schenkte sich eine Tasse Tee ein. Er fühlte ihre Augen auf sich ruhen. Diesmal konnte er den Kopf heben und ihrem Blick begegnen. Ja, das muß sich ja noch zeigen. Entweder ist das ein Mißverständnis, oder..." Oder...7" wiederholte sie. Während er so nach einer Erklärung suchte, hatte er zu- gleich eine heimliche Angst davor, es könne doch nur ein Miß- Verständnis sein. Irgendwo in seinem Bewußtsein war es nämlich wie ein Hoffnungsstern aufgegangen:Verhör, Frei- sprechung, Genugtuung." Und halb unbewußt empfand er das wie eine kommende Befreiung, nicht bloß von dieser An- klage, sondern auch von oll dem andern. Und er antwortete:Norby ist einer von den Menschen, aus denen man nie klug wird. Es kann ja sein, daß die paar Tausende, um die es sich hierbei handelt, ihm rein den Verstand genommen haben." Sie blickte auf, und ihre Augen sagten:Tausende? der auch!" und fast unmerklich schüttelte sie den Kopf. In einer unwillkürlichen Angst, sie könne an dieser Seite der Geschichte hasten bleiben, fügte er hinzu:Er ist aber ein großer Dummkopf, weißt du. Denn er muß doch begreifen. daß auch noch ein Zeuge dafür da ist, es kann ihm also gar nichts nützen, sich drücken zu wollen." Wie sie so sprachen und er sich mit seiner Unschuld in dieser Sache beschäftigen konnte, wurde er innerlich immer ruhiger, und alles sah leichter und freundlicher aus. Und feine Stimmung übertrug sie auch auf sie. Sie hatt« bis jetzt ganz vergessen, zu fragen, wie es ihm in der Stadt gegangen sei, und ob er ihr Geld habe retten können. Hier war ein Er» eignis eingetreten, das alles andere in den Hintergrund drängte. Wie ging's denn in der Stadt?" fragte sie endlich. Und jetzt konnte er ganz frei heraus antworten:Meine liebe Karen... cim schlimmsten sieht es mit deinem Erbteil aus..." Weiter konnte er nicht, die Stimme versagte ihm. Nach der ersten Angst und Derzweiflunq war er jetzt der ver- zeihung so sicher, daß er ruhig traurig sein konnte. Und ganz richtig: sie fuhr nicht aus. Sie forderte keine Rechenschaft für alle seine unwahren Versprechungen. Sie beugt« den Kopf, sie dachte immer noch nur an den Besuch des Amtmanns und
l antwortete seufzend:Ja, ja wer,« du nur unschuldig bist, dann..." Sprich nicht so, Kare»,' sagte er mit Tränen in den Augen.Ich habe doch für dich und mich eine so große Der- antwortung, und..." Ob. das kann ja alles noch wieder gut werden," sagte sie und schaute in die Lampe.Wenn nur die Ehre nicht ver- loren ist." Nun war's also getan. Jetzt brauchte ihm nicht mehr vor diesem Geständnis zu grauen, aber wahrhaftig, er hätte sich nicht träumen lasten, daß das so leicht gehen würde. Was ist eigenllich los?" dachte er, während er vom Tisch aufstand. Er glaubte eine gewisse Verpflichtung zu haben, sich unglücklich zu fühlen, und konnte das gar nicht. Er starrt« die ganze Zeit auf sein« Schuldlosigkeit in diesem einen Punkt, und dieses Gefühl der Unschuld war wie eine Lampe, die plötzlich in seiner Finsternis angezündet war und olles beleuchtete, alles milderte, so daß die Reue und Ver- zweiflung in der Eisenbahn, all der Kummer, der ihm vorher beute das Herz zerrissen hatte daß all dies in ferne, unbe- stimmte Wolken zerfloß. Er mußte ins Schlafzimmer und die Kinder sehen. Er setzte sich auf den Rand des Bettes, in dem die beiden kleinen Mädchen zusammen schliefen. In der Eisenbahn hatte er sich nicht wert gefühlt, Kinder in die Welt zu setzen. Aver jetzt war er wieder ganz glücklich, Vater zu sein. Wie lange denkst du, können wir noch hier bleiben?" fragte sie. als er wieder hereinkam.Glaubst du, wir müssen noch vor meiner Niederkunft ausziehen?" Das klang so ungewöhnlich resigniert. Nein." antwortete er,davon kann gar keine Rede sein." Sie wanderten durch ihre Zimmer, wobei er die Lampe  trug. Sie hatten wohl gemeinsam das Gefühl, dies alles würde ihnen nun bald genommen sein und sie dann ohne Heim und mit leeren Händen dastehen. Vor einem Spiegel blieben sie stehen, an einem Teppich, einem Bilde, und sahen es an, während er si« mit der freien Hand umfaßt hielt, als wollte er sie stützen. Weißt du was?" sagte sie mit einem leichten Seufzer wenn das Wochenbett erst vorbei ist, will ich versuchen, ohne Mädchen auszukommen." Nein." widersprach erdas geht doch nicht." (Fortsetzung folgt.)