fr. 145 39. Jahrgang
Wie man mich begraben wollte.
Bon Tobias Pemberlein.
3. Beilage des Vorwärts
Man weiß ja, wie das fommt. Meine Frau sagte ,, Duffel" zu mir und mittags tochte sie gelbe Erbsen mit Cornedbeef. Da soll man nicht lebensmüde werden, besonders ich, der ich die typische Empfindlichkeit großer Männer an mir habe.
Also starb ich. Das geschah auf dem Ranafofapee, dauerte drei Minuten und vollzog sich ohne jedes Geräusch, wie eben vornehme Leute zu sterben pflegen, bei denen es noch nicht zur üblen Gewohnheit geworden ist.
Nach zwanzig Minuten tam meine Frau ins Zimmer. Jetzt schläft er schon wieder," sagte sie und ging wieder hinaus. Du wirst dich wundern, dachte ich und schickte mich an, zu verwesen. Nach einer Stunde stand die ganze Familie wehtlagend um mich herum. Meine Frau warf sich mit herzzerreißendem Schluchzen auf meinen Leichnam. Dann sprang fie auf und schrie: O Gott, die Milch!" und rannte nach der Küche. Der älteste Schwager meinte, ich sei ein guter Kerl gewesen und ihm paßten meine gelben Stiefel. Die Schwiegermutter sagte zu der frischgebackenen Witwe:„ Er ist hinter deinem Rücken gestorben, das würde ich ihm nie verzeihen." Meine Frau antwortete mild: Laß ihn doch, du weißt doch, wie er
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Schließlich hatte sich meine Frau soweit gefaßt, daß sie die Redaktion des„ Borwärts" anrufen konnte. Der Redakteur war sehr aufgebracht. Wann ist er denn gestorben?"
,, Es tann eine reichliche Stunde her sein..."
,, Es ist eine Rüdsichtslosigkeit, furz nach Redaktionsschluß zu sterben; für einen Journalisten geradezu unverzeihlich. Hat er denn wenigstens den Nachruf geschrieben? Auch nicht? Ich werde ihn unter ,, Lofales" verarbeiten lassen; wenn ihm das nicht paßt, soll er sich an die Preßkommission wenden. Mein herzlichstes Beileid!" Noch am selben Tage wurde ich in die Leichenhalle gebracht, wo schon fünf andere frisch Gestorbene lagen, alles anständige und zuvorkommende Leute. Wir wählten einen Betriebsrat und gründeten einen Geselligkeitsverein Jenseits 1922", der sich hauptsächlich die Berbreitung aufklärender Literatur auf fatholischen Friedhöfen zum Ziel fejzte.
In den Morgenblättern fand ich folgendes Inferat:
Heute mittag hauchte unvorbereitet unser vielverkannter, und rgeßlicher Mann, Bater, Sohn. Bruder, Mitarbeiter, Genoffe, Gläubiger und Schuldner,
Schriftstellereibesitzer
Tobias Pemberlein
Inhaber der Berliner Mietseinigungs- Medaille
im Alter von 25 Jahren, 10 Tagen und 7 Stunden seinen schwergeprüften, reinen Atem aus.
Ein treuer Mensch hat aufgehört zu schlagen! Wir werden ihn nicht so leicht vergessen!
Baula Bmberlein usw. Redaktion des„ Borwärts. Gläubiger Kartell.
Chr ftl. Verein junger Männer. Berbb.prolet Kanarienzüchter.
Boale Zion.
Reichsausschuß f.Liebesübungen Kamerabeuverein ehemal. 51er. Pazifistisch. Balalaita Orchester. Rabindranath Tagore
Das Inferat gefiel mir und ich sah erwartungsvoll dem Tag meiner Beerdigung entgegen. In der Nacht, die diesem weihevollen Tage voranging, spaltete sich unser Verein Jenseits 1922" in drei Hälften, beren erste auf dem Boden der gegebenen Tatsachen, bie zweite auf kultureller Grundlage im Sinne Pestalozzis stand, wäh rend die dritte als Prinzip hochhielt, was wir immer schon gesagt hatten. Ich selbst stand einem Untersuchungsausschuß zur Vorbereitung der Wiedervereinigung vor.
Bormittag kam der Sarg. Er sah ziemlich schofel aus und war an den Innenwänden mit Rüchenfpigen ausgefleidet. Im Dedel ftand, mit Zimmermannsbleistift geschrieben, die rätselhafte Inschrift: ,, Im Wald und auf der Heide, da such ich meine Freude. Inklusive Teuerungszuschlag 168 M. Lühow 1380."
Um elf Uhr tamen die ersten Leidtragenden. Es waren die nächsten Angehörigen. Meine dicke Schwägerin Hilde hatte ihr Schwarzseidenes angezogen und lispelte, unter Tränen lächelnd: ,, Bie reizend ist er gestorben, und wie niedlich wird er begraben!" Dann gingen alle hinaus ins Freie; denn schon wurde in der Ferne der Massenschritt der anmarschierenden Kondolenzbataillone vernehm. bar. Zwei Friedhofsarbeiter erschienen und einer von ihnen meinte: ,, Donnawetta, jet ham wa de Sargnägel in de Safristei liejen je. laffenhol se ma, id jeh inzwischen uff de Retirade..."
Jezt pacte mich die Angst. Noch war es Zeit; biißschnell faßte ich einen Entschluß. Ich sprang aus dem Kasten, langte mir einen Zugang von gestern, einen an Unterernährung eingegangenen Hausbefizer, facte ihn in meine Lade und legte den Deckel drüber. Raum
die Welt erobert
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Sonntag, 26. März 1922
hatte ich noch Zeit, im Dunkel der Halle auf der Bahre meines Stell- Ein neuer Schwedenfilm läuft seit Freitag im UT. Nollendo: fplak. vertreters vorschriftsmäßige Haltung einzunehmen, da tamen schon es ist ein filmichauspiel in fünf Alten von Selma Lagerlöfund nennt fich, Rosen im erbst". Die Sandlung ist einfach und ohne die beiden Friedhofsbrüder mit den Sargnägeln zurück und veräußere Spannungen, aber finniällig, erwärmend und voll des Vorzuges nagelten den Hausbesizer. Nunmehr erschienen sechs handfefte der schwedischen Filme, reif und ohne Manier gespielt, auber und sicher Männer, alte Freunde vom Wedding , die ,, mich" hinaustrugen. Ich gearbeitet zu sein. Freilich an die Regie Maurig Stillers reicht die von van Sedquist nicht heran, die Renée Björling fann ging vorsichtig hinter ihnen her und sah, wie draußen die Menschen- fich mit star in molander nicht messen und auch der männliche Hauptmenge das Gehüte abnahm und sich in Biererreihen hinter meinem darsteller dieses Filmes bält feinen Bergleich mit dem einzigen ars Sarg anschloß. Weil ich einfah, wie störend meine Anwesenheit auf anfon aus, mit dem sich die Svenska Biografentheatern doch das Spiel ist gut und auch die Aufnahme läßt die Feierlichkeit der Handlung wirken fönnte, folgte ich den Leßten feinen Zadel zu. Neben diefem Neben diesem Schauspiel ist auch Charlie Chaplin des Zuges in einem Abstand von hundert Metern. Am äußersten als Auswanderer vertreten, fein grotester Humor entfesselt Lachstürme wie Ende des Friedhofes war ein Grab für mich ausgeworfen, ich sah immer, obwohl er immer der Gleiche iit, fieht man sich an seiner Stomit Ferner ist ein naturwissenschaftlicher Film der Ufa Kultura von weitem, wie ,, ich" langsam in der Grube verschwand. Erheben nicht fatt. abteilung Insekten die ins Wafier gingen" megen feiner ausgezeichnet gelungen Aufnahmen von Wasserfäfern nicht genug zu der Gesang des Liedes ,, Wenn wir schreiten Seit' an Seit'... A. Z flang zweiftimmig herüber, und jeßt padte mich selbst die Rührung loben. so start, daß ich weinen mußte. Als der Gesang verflungen war, ergriff mein Freund Chamembert das Wort zu einer letzten An Sprache an den für immer scheidenden Tobias Pemberlein. Der Wind trug mir abgeriffene Säße herüber.
stiller und sanfter Mensch... Vorfämpfer alles Guten und die Welt ist ihm viel schuldig geblieben( hier machte sich Schönen... vereinzelter Widerspruch aus dem Kreise der Andächtigen deutlich bemerkbar)... ragender Geist... bitte ich Sie zum Schluß, einzustimmen in den Ruf: Unser unvergeßlicher Pemberlein, er ruhe fanft fanft- fanft!"
Nachdem die brausenden Sanftrufe verhallt waren, traten alle ans Grab und warfen Dred nach ,, mir", darunter manche, die das schon bei Lebzeiten an mir geübt hatten. Doch Tote sollen nicht nachtragend sein, ich verzeihe ihnen.
Bald lehrten alle um und die Verwandtschaft sowie der engere Freundeskreis sockten in eine Gastwirtschaft, um eine kleine Nach trauer zu genehmigen. Der Wirt jener Kneipe, die den Namen Bur legten Zähre" führte, rieb sich gerade vergnügt die Hände, als ich die Gaftstube betrat. Meine Hinterbliebenen waren in anregende So Gespräche und Getränke versunken und beachteten mich nicht. gelangte ich ungefehen ans Buket, ließ mir einen doppelten Steinhäger eingießen, hob das Glas und brüllte der fröhlich gastierenden Gesellschaft entgegen:
Prost Mahlzeit!"
Was nun folgte, läßt sich nicht beschreiben. Nur soviel fei gesagt: wenn ich einmal endgültig sterbe, glaubt es mir kein Mensch.
Frühlingsanfang.
Bon Hans Klabautermann. Nach dem mießen
Winter prießen
Knospen im Lenz.
Bögel piepen, Triebe ziepen am Stenz.
Man tennt's.
' s Blau verpolfen
feine Wolfen,
fein Nori wind zischt. Sonnengluten follen fluten? Ich merke nischt.
Jm Betriebe
wär' die Liebe,
wär's nicht so falt
abends im Wald
oder im Part.
So'n Lenz ist mir schnuppe, Pardong, füße Puppe.
Ein Zentner Kots fost sechzig Mart.
Filmschau.
,, Verfilmter ,, Tasso".
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3m Marmorhaus zeigte man einen italienischen Bruntfilm„ Der erfte Kreuzzug". Tassos Befreites Jerufalem" und die Rinaldo" Dichtung geben den Hintergrund. Bei allen Filmsünden, die je an Werken der Weltliteratur begangen wurden diese Sünde wider den heiligen Geist einer Dichtung war eine Todsünde. Wer sich von dem Aufgebot einer viel, tausendföpfigen Maffe nicht blenden ließ, der mußte verärgert dieser faden Beroper una folgen. Wie bier Romantit zur Zauberpoffe degradiert wurde, das ist nicht mehr Stitich, das ist läppiich. Gin Brater Spaß in phantasie. berlassener Ohnmacht. Kommt dazu, daß die Staliener im Film nicht die geringste schauspielerische Disziplin zeigen und mit ungeheuer fomischer Batbetik in den Aufnahmeapparat hinein geftitulieren. Die Schlachtenizene, die Stämpfe um Jerufalem, zeigen ein immerhin beachtenswertes Geschid des römischen Regiffeurs Guazzoni und einen sicheren Blick für Lichteffetle. Wo der Film nur prunten win, wird er töricht und ungenießbar. Man atmete auf, als man von diesem Befreiten Film Jerusalem befreit war.
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P- s.
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„ Das Diadem der Zarin" im Tauentienpalaft ist vom die geschickte Regie R. 2oewensteins verftanden, den reichlich ausge Titel bis zur lekten Szene berfilmter Hintertreppenroman, jedoch hat es schöpften Stoff des Kriminalfilms anschaulich und genießbar zu gestalten. Kern der Handlung: ein verschuldeter russischer Fürst bringt einem Juwelier ein foftbares Diadem zur Reparatur, läßt sich bescheinigen, daß es mit einer angemessenen Summe versichert ist, um es dann stehlen zu lassen. Die bildmäßige Wirkung ist im allgemeinen gut, doch wirken bie auf Bilder fiberfopterten Titel recht störend. Karl Auen, Rudolph Kleinboden. Harry Lambert- Baulsen und Allwin Neu is sowie Lililo br pielten flott und trugen wesentlich dazu bei, daß das Publitum Beifall
zollte.
Borber lief der ganz auf die Befriedigung der Schaulust eingestellte Film Amerikanische Aristokratie", in dem die Schiebermoral luftig Beigen seines fabelhaften artistischen Könnens gibt. verspottet wird und der Douglas Fairbanes Gelegenheit zum
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ms.
Die Dame in Grau" zeigte sich in der Saalburg . Die gehört zu jener Filmserie, in der Sylbeiter Schäfter fich als Nobody produziert. Es wurde ein echter, rechter Detektivfilm, vollgepfropft mit Handlungen und Ueberraschungen und einer Spannung, die ftets mit Aftschluß dem Bublifum nene Rätsel aufgibt. Mit Morden wird nicht gegeizt, ein Selbstmord tommt auch vor, daneben sieht man flott galoppierende Indianer und Goldgräber in Salifornien. Mithin feiert die ganze Abenteuerromantik, die früher in Fünfpfennighesten mit grellfarbigem Ünschlag verzapft wurde, ihre Auferstehung. Benn man Sylvester Schäffer in anderen Rollen gesehen hat, findet man ihn diesmal belanglos. Lili Dominici spielt mit Buppengesicht und schönen Kleidern eine himmlisch füße" Gattin, während Walter Doerry mit zwingender Dämonie den Budligen zu gestalten
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weig. Mit größter Anteilnahme, erfüllt von der Sucht, dabei gewesen zu sein, berfolgten die Zuschauer Programmnummer 2, die Radrennen auf der Bühne, und überschütteten die strampelnden, wadenkräftigen„ Helden von der Pedale" mit Beifall.
Sport.
e. b.
Die Direktion der Radrenne
Ausfall der Treptower Nadrennen. bahn Treptow hat infolge der falten Witterung die für heute angesezten Rennen abgesagt. Die Rennen sind ganz aufgehoben; für den nächsten Renntag am 9. April wird ein neues Programm aufgestellt.
Arbeitersport.
Arbeiter- Athleten- Bund, 4. Kreis. Montag abend 7 Uhr bei Behrend, Manteuffelstr. 95, Vorständekonferenz, zu der jeder Verein einen Vertreter zu entfenden hat.
Jugendveranstaltungen.
Bezein Arbeiter- Jugend Groß- Berlin, SB. 68, Lindenste. 3, 2. Sot, 2 Trp. Telephon Morigplag 121 08--121 10.
Heute, Sonntag, den 26. März:
Südwesten. Frühlingsfeier im Jugendheim Lindenstr. 3, 2. Sof, 3 Treppen. Bestehend aus: Rezitationen, Ansprache, Liebern zur Baute, Sans- Sachs- Schwant nub Boltstänzen. Gintritt 1,50 M. Anfang 6 Uhr.
Morgen, Montag, den 27. März:
Baumschulenweg : Jugendheim Crnftstr. 16, Vortrag: Schund in Kunft und Biteratur". Sermsdorf: Jugendheim Gemeindeschule Roonftraße, Mitgliederver Jammlung. Steglis- Friedenau : Jugendheim Offenbacher Str. 5a, Portrag: Barum milffen wir uns freigewertschaftlich organisieren?"
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