Nr. 169 39. Jahrgang Ausgabe Anr. 85
Bezugspreis:
Bierteljährl. 90,-, monatl. 30,-. trei ins Haus, voraus zahlbar. Postbezug: Monatlich 30,- M., einschl. Su frellungsgebühr. Unter Kreuzband für Deutschland , Danzig , Saar - u. Memel gebiet, sowie Bestpolen, Defterreich it. Luxemburg 61, M., für das übrige Musland 82,- M. Boftbestellungen nehmen an Belgien , Dänemart, Eng land, Efthland, Finnland , Frankreich , Holland . Lettland , Luxemburg . Defter reich, Schweden , Schweiz , Tschecho
Glomatei und Ungarn . Der„ Borwärts" mit der Sonntags beilage Bolt und Zeit", der Unter haltungsbeilage Heimwelt" und der Beilage Siedlung und Kleingarten" erscheint wochentäglich zweimal, Gonn tags und Montags einmal
Sonntags- Ausgabe
Vorwärts
Berliner Volksblatt
1,50 Mark
Anzeigeupreis:
Die einspaltige Stonpareillezeile toftet 12,-. Aleine Anzeigen" bas fettgedruckte Wort 3,-.( läffig zwei fettgedruckte Borte), fedes weitere Wort 2,- 2. Cteffengefuche und Schlafstellenanzeigen das erste Wort 2- M., jedes weitere Wort 1,50 M. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Familien- An zeigen für Abonnenten Zeile 6,- M. Die Preise verstehen sich einschließlich Teuerungszuschlag.
Anzeigen für die nächste Rummer müssen bis 42 Uhr nachmittags im Hauptgeschäft, Berlin GW 68, Linden ftraße 3, abgegeben werden. Geöffnet von 9 Uhr früh bis 5 Uhr nachmittags.
Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands
Redaktion und Expedition: SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Redaktion Morinplak 15195-97
Expedition Morisplay 11753-54
Die deutsche Delegation ist geffern 2 Uhr nachmittags vom An halter Bahnhof im Sonderzug nach Genua abgefahren. Zur Verabfchiedung waren u. a. erschienen der italienische Botschafter Fraffati Während die Poincaré - Blätter von einem vollen Einverständnis und Staatssekretär v. Haniel. Reichsminister des Auswärtigen Dr. der beiden Ministerpräsidenten bei ihrer Besprechung im Eisenbahn Rathenau hatte mit dem italienischen Botschafter auf dem Bahnsteig 3ug berichten, ist nach dem„ Deuvre" die noch eine längere Besprechung.
Die sozialdemokratische Bresse vertreten die Genossen Victor Schiff ( Borwärts) und Alfringhaus( Sozialdemokratischer Barlamentsdienst).
Genua ist reich beflaggt. Die deutsche Abordnung wird in den Hotels Eden und Bavaria wohnen, die deutschen Pressevertreter in zwei Häusern am Strande. 1400 verdächtige Personen find angeblich bisher in Genua ver
haftet worden.
Die deutschen Sachverständigen.
Die deutsche Delegation für Genua wird zunächst von folgenden wirtschaftlichen Sachverständigen begleitet: Friedrich Baltrusch , M. d. vorl. Reichswirtschaftsrats, Geschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes; Staatssekretär a. D. Bergmann, Direktor der Deutschen
Bant;
Unterredung delikat geworden,
Vorwärts- Verlag 6.m.b.H., GSW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Berlag, Expedition und Inseraten. Abteilung Morigplay 11753-54
Vor der Konferenz.
Der Ronferenz, die morgen in Genua beginnt, hätte mart einen Tagungsort gewünscht, der ihrer Aufgabe angemessenen ist. Statt in Palästen am blauen Meer hätten wir sie lieber unter unserem grauen Aprilhimmel in einem Saal von Berlin N. gefeben, umgeben von Arbeiterquartieren und rauchenden Effen, und die Delegierten hätten dann an den Breistafeln der Lebensmittelgeschäfte und an den vergrämten als die Frage der Leitung der Konferenz angeschnitten wurde dieren können, den ein tapferes Bolt gegen die Not kämpft. Gesichtern der Arbeiterfrauen den heldenmütigen Kampf stu und als der englische Premierminister seinen Blan entwickelte, einen Sie hätten dann vielleicht beffer begriffen, daß Gefahr im ständigen Rat der Großmächte einschließlich Deutschlands Verzuge ist, und daß während ihrer Verhandlungen die einzusetzen. Poincaré habe erklärt, es scheine ihm unmöglich, die Stunde vielleicht vorübergeht, in der eine entschloffene Tat Boincaré habe erklärt, es scheine ihm unmöglich, die Delegierten der alliierten Staaten auf dem Fuße der Gleichheit die Weltwirtschaft vor den Folgen des deutschen Niederbruchs mit Bertretern eines Landes verhandeln zu lassen, gegenüber dem die Entente vielleicht Zwangsmaßnahmen ergreifen müßte. Blond noch retten tönnte. George habe die Abgabe irgendwelchen Versprechens in dieser An gelegenheit vermieden, und zwar in so offenkundiger Art, daß darauf eine gewisse Berlegenheit entstanden sei. Eine zweite Schwierigkeit habe sich bei der Einschränkung der Rüftungen ergeben. Der englische Premier habe erklärt, er wolle vor allen Dingen die Abrüstung des Sowjetheeres verlangen. Aber als man ihn gebeten habe, feine Gedanken weiter zu entwideln, habe er aus weichend geantwortet und mehrmals wiederholt: Man muß in Genua zu einem Ergebnis gelangen. Wir gehen nicht nach Genua , um nichts zu erzielen. Schließlich sei man auf die dritte mei nungsverschiedenheit gestoßen, als man das Problem der interalliierten Schulden angeschnitten habe. Lloyd George habe es der Passiva gelange. Poincaré habe darauf erwidert:„ Man wird ja sehen, man wird prüfen." Bis zu diesem Augenblick habe
Dr. Bücher, Geschäftsführer des Reichsverbandes der für unerläßlich erklärt, daß man zu einer allgemeinen Erörterung deutschen Industrie;
Cuno, Generaldirektor der Hamburg - Amerita- Linie; Prof. Dr. Duisberg, Leverkusen ; Reichstagsabg. Anton Ertelenz;
Dr. Hagen, Borsitzender der Handelskammer Köln Dr. Hilferding, M. d. vl. RWR.;
Otto Hue , M. d. R. und d. vl. RWR.; Ronful Dr. Rozenberg, Frankfurt a. M.; Fabrikdirektor Hans Kraemer, M. d. vl. RMR.; Geh. Reg.- Rat Kreuter, M. d. vl. RWR.; Lübsen, Direktor des Rohlensyndifats Essen; Dr. Karl Melchior, Banfier, Hamburg ; Franz v. Mendelssohn, Präsident der Handelstammer Berlin ;
v. Raumer, M. d. R.;
Rudolf Wiffell, M. d. R. und d. vl. RWR.
Wirtschaftsdokumente der Delegation. Bon gutunterrichteter Seite erfährt die„ Dena": Bon dem sehr umfangreichen Material, das die deutsche Delegation mitnimmt, um faßt der erite Teil 396 Drudfeiten, der zweite Teil ist ungefähr des gleichen Umfangs. Beide enthalten überaus reichhaltiges Material nicht nur über die Lage Deutschlands , sondern auch über die ruffische Frage. Bor allem sind in dem Material sehr genaue statistische Darlegungen enthalten, wobei die neuen Steuergeseze fájon mitgerechnet sind. Dann beschäftigt sich der erste Teil eingehend mit der Frage der deutschen Währung, mit den Problemen der Stabilisierung der Mark und der Anleihe. Dabei werden auch die Erfahrungen der deutschen Regierung mit Anleiheverhandlungen in neutralen Finanztreifen behandelt. Zur Währungsfrage weist das Dokument u. a. auf die fürzlich in Indien durchgeführte Wäh rungsreform hin, die ein sehr gutes Ergebnis gehabt haben soll. Was
die ruffische Frage
Die Unterredung
viel mehr zu widersprüchen
als zu Einverständnissen geführt. Sie habe erst einen glüdlicheren Beriauf genommen, als man von Rußland gesprochen habe. Lloyd George habe sich viel weniger nachgiebig gezeigt als in Boulogne . Zum ersten Male habe auch Lloyd George von Polen, und zwar in einem der Warschauer Regierung günstigem Sinne gesprochen. Kurz und gut, fo bemertte schließlich auch dieses Blatt, die Unter rebung der beiden Bremierminister hat zu einem bedeutenden Ein perständnis geführt.
Die„ Ere Nouvelle" glaubt, daß über verschiedene Punkte ein Einverständnis erzielt worden sei, jedoch nicht in der Frage der Abrüftung. Hinsichtlich der Anerkennung der Sowjets jei eine Art Rompromiß zustande gekommen, und zwar zwischen der russischen Forderung nach Reparation und der Frage der Uebernahme der Schulden der ehemaligen Regierung durch die Sowjets. Der allge meine Gindrud ſei. geweſen, daß England und Frankreich ihr Aeußerstes tun würden, um sich in Genua zu verständigen, und daß es auf jeden Fall nicht zu einer ernften Meinungsverschiedenheit fommen werde. Man eriläre auch, daß Blond George dem fran3öfifchen Standpunkte viele Zugeständnisse gemacht habe.
*
Eine Depesche aus Tofio meldet, Japan sei bereit, Sowjet. rußland anzuerkennen, es werde jedoch darauf bestehen, daß die Republik Tschita ( Oftfibirien) den Gegenstand eines besonderen Studiums bilde. Aus Befing wird berichtet, daß China sich anschide, das Sowjetregime anzuerkennen.
Dagegen wird von angeblich autorisierter Seite mitgeteilt, daß, obwohl die Regierung der Vereinigten Staaten die Anerkennung der ruffischen Regierung nicht ins Auge fasse, werde die Haltung der europäischen Staaten in dieser Frage doch aufmerksam verfolgt. Pazifistische Kundgebung.
anbetrifft, so beruhen die Borschläge darauf, daß nach Auf faffung der deutschen Regierung der Wiederaufbau Rußlands einzig und allein im Einvernehmen mit der Sowjetregierung durch geführt werden könne. Der Plan des internationalen Wiederaufbaufyndifats wird von den deutschen Sachverständigen als ungeeige Das deutsche Friedenstartell, dem 15 pazifistische Organisationen net bezeichnet. Es wird u. a. der Vorschlag erwähnt, eine Reihe angehören, versendet eine Rundgebung, in der die Einberufung fleinerer Wirtschaftsgruppen zu bilden, von denen jeder ein ganz der Konferenz von Genua , einerlei, welche Enttäuschungen fie für bestimmtes Arbeitsfeld zugewiesen werden soll. Die deutschen Sach- hochgespannte Erwartungen bringen mag, als ein gewaltiger Fortverständigen bezeichnen als erste Borausseßung einer Wieder schritt bezeichnet wird. Man verhandle wieder mit den Bertretern herstellung des russischen Wirtschaftslebens den Wiederaufbau des Deutschlands und Rußlands auf dem Fuße der Gleichberechtigung, russischen Verkehrs- und Transportwesens. Insbesondere wird auf statt rüdsichtslos zu diftieren und Diftate mit Drohungen durchzu bauen, da diese unter den herrschenden wirtschaftlichen Berhält. lezen. Auch Rückfälle in die Gewaltmethode könnten diesen Fortnissen viel billiger benutzbar find als der Bahntransport. Das schritt nicht dauernd aufhalten. Die wirtschaftliche Erneuerung der Material, bas eine Reihe von Gutachten deutscher Sachverständiger Welt durchführen fönne nur eine ständige Organisation, wie enthält, macht über die Wiederherstellung des russischen Berkehrs- fie der Bölferbund sein wird, sobald er univerfalen Charakter er wesens genaue Borschläge.
Das Material macht nicht Borschläge in der Reparationsfrage, fondern gibt eine rein fachliche und zahlenmäßige Darstellung der wirtschaftlichen und finanziellen 2age Deutschlands .
Neutrale Vorkonferenz.
langt. Die allgemeine Beschräntung der Rüstungen müsse rasch und gründlich ins Wert gesetzt werden. Genua und Washington bewiesen die Notwendigkeit, alle Bölfer einzugliedern in den lebendi gen Organismus einer univerfalen Rechts, Wirtschafts, Arbeits. und Kulturgemeinschaft. Zur Berwirklichung dieser Forderung werden die Regierungen und die Bölfer aufgerufen.
Calonders letzter Versuch.
eine Anerkennung der Tatsache, daß sich die Welt im dritten Indes, schon in der Einberufung der Konferenz selbst liegt Jahr nach der Unterzeichnungszeremonie von Versailles ar schwerer Not befindet. Die Konferenz darf nach französischem Gebot nicht das aussprechen, wofür ihre Eristenz allein schon lebendiges Zeugnis ablegt, daß alle Berheizungen der Sieger an ihre Völfer getrogen haben, daß der Bertrag von Verfailles ihnen nur bittere Früchte gebracht und daß der Völkerbund versagt hat. Sie bedeutet eine Revision des Friedensvertrages, nicht der Form, aber der Sache nach, menigstens insofern, als der Grundsay, der die Ordnung aller Dinge der Welt dem Völkerbund der Sieger allein zuspricht, durchbrochen wurde, und Deutschland sowie Ruß land als gleichberechtigte Teilnehmer zu einer Beratung über den Wiederaufbau der Weltwirtschaft herangezogen wurden. Bielleicht fann die Konferenz einen positiven Erfolg infofern haben, als sie helfen wird, die politischen Hindernisse lichen Beziehungen zu Rußland im Wege wegzuräumen, die der Wiederaufnahme der wirtschaftstehen. Niemand würde das lebhafter begrüßen als wir. Denn so entschieden auch die Parteien der 2. Internationale die Uebertragung bolschewiftischer Methoden auf die nichtrussische Welt betämpfen, so entschieden sind sie auch stets für die tatsächliche Anerkennung der Somjetmacht und gegen die Politik der Intervention und der wirtschaftlichen Abschnürung mehr tun, als Dämme niederreißen, die den freien Wirtschaftseingetreten. Allerdings kann eine solche Konferenz faum verfehr hemmen, schwerlich wird es ihr gelingen, Brücken zu bauen, denn so leichtbeschwingt ihre Theorie sein wird, so schwer belastet wird ihre Braris mit Kompromiffen sein. Schon das in London geplante Konsortium mit England, Deutschland und Frankreich als Hauptbeteiligten stellt einen überaus komplizierten Apparat dar, der sich durch Vermehrung der Teilnehmer und Mitredenden nur noch mehr komplizieren müßte. Das Beste, was Deutschland zum Biederaufbau müßte. Das Beste, was Deutschland zum Rußlands tun fann, wird es nicht auf der Konferenz tun.
Darüber hinaus sucht selbst der stärkste Optimismus ver geblich nach der Möglichkeit fruchtbringender Ergebnisse. Denn alle Debatten über die Währungsfrage, das Kreditproblem und die internationale Warenzirkulation bleiben zur Unfruchtbarkeit verurteilt, wenn die Kernfrage nicht berührt werden darf.
Mit dem Temperament eines Magenkranken verficht Frankreich sein vertragsmäßiges Recht, sich selber und alle anderen nach Belieben zugrunde richten zu dürfen. Und doch weiß alle Welt, daß mehr nwch als die Wirtschaftslähmung Rußlands und die Berreißung des einheitlichen altöſterreichischen Wirtschaftsgebiets in zahlreiche durch Zoll- und Paßfchikanen voneinander getrennte Teile der Zustand auf die Weltwirtschaft drückt, in den Deutschland durch den Frieden von Versailles und das Finanzdiktat von London verfeht worden ist.
allem finanzpolitische Ratlosigkeit war, die Wir wissen heute, daß es nicht bloß Bosheit, daß es vor Deutschland den phantastischen Schuldenbetrag von 139 Milliarden Goldmark aufbürdete. Die europäischen Siegerstaaten fahen sich nach dem Sieg am Rand des finanziellen Abgrunds, sie wußten nicht, wie sie die ungeheuren Kriegspensionen bezahlen, ihre gewaltigen Kriegsschulden abtragen sollten. Ihre Schulben an Amerila beliefen sich am 1. Juni v. 3. auf rund 40 Milliarden Goldmart, hinzu treten die Summen, die fie gegenseitig einander schulden, und die inneren Anleihen. Frankreich schuldet England und Amerika 27,8 Milliarden Goldmart, für die es Annuitäten von 1,8 Milliarden Goldmart aufbringen soll. Die Schulden des fleinen Belgien an Frankreich und England betragen 7 milliarden Goldmark, man hat sie, um sie irgendwie unterzubringen, zu den 132 Milliarden des Londoner Finanzdiktats hinzugelegt. Die gesamten Auslandsschulden Italiens find fürzlich von Nitti auf 71 Milliarden Golblire angegeben worden.
Bern , 8. April. ( MTB.) Heute traten die Genua - Delegierten und Sachverständigen von Dänemart, den Niederlanden , Norwegen , Schweden , Spanien und ber Schweiz zufammen. Der Bundes präsident entbot ihnen den Gruß und Willkomm des Bundesrats. Den Herren Schiffer, Lewald und Schlegelberger( Deutschland ), Er erklärte, daß die Neutralen in Bern zu einem Meinungsaustausch Olszowski und Pradzinski( Polen ) hat Präsident Calonder gestern aufammengetreten feien, nicht um andere Bestrebungen zu verwirt nachmittag In Genf feinen letzten Einigungsvorschlag in der Ent- land ihre Gläubigeransprüche dringlich gemacht. England Am Vorabend der Konferenz haben Amerika und Englichen oder in der Absicht, sich gegen irgend jemand zusammenzutun, eignungsfrage überreicht. Erhält er die Unterschriften nicht bis hat, wie der„ Temps " ausrechnet, 800 Millionen Goldmark fondern um mitzuarbeiten mit allen, bie guten Willens find. Er Dienstag 6 Uhr ,. fo wird er am Mittwoch den Schiedsspruch fällen. 3injen jährlich an Amerita zu bezahlen, es hat 870 Millionen fchloß mit dem Wunsche, daß die Bemühungen von dem Erfolge gefront feien, ben fie verdienten Schiffer und Olszowifi begannen bald darauf, mifeinander zu Goldmart Zinsen jährlich von seinen alliierten Schulbnern verhandeln zu befommen