Beamte sich nicht offiziell mit Spionen und Spionage ab-geben, das versteht sich ebenso von selbst, wie daß dieGesandtschaften in den Ländern, wo sie sind, nicht Spionen-dienste— Pfui! das häßliche Wort!— aber Beobachter-dienste, namentlich aus militärischem Gebiet verrichten. Dasist sogar ihre Hauptaufgabe, denn alles was sie sonst zuthun haben, könnte auch brieflich besorgt werden. Wirhaben nicht den leisesten Zweifel, daß die deutsche Gesandt-schaft korrekt verfahren ist. Und wir wollen auch nicht insittliche Entrüstung ausbrechen über niederträchtige Praktiken,welche sich mit Nothwendigkeit ans dem herrschenden poli-tischen System ergeben. So lange die Völker es noch dulden,daß der Militarismus mit seinem„bewaffneten Frieden"ihnen das Mark aussaugt, werden diese Praktikenvon allen Regierungen ohne Ausnahme gut bezahlt undin jedem Falle, wo Entdeckung eintritt, emphatisch abgeleugnetwerden. Energisch müssen wir aber Verwahrung dagegeneinlegen, daß in deutschen Zeitungen der Ausschluß derOeffentlichkeit in dem Dreyfus- Prozeß als Beweis ehauvi-nistischer Parteilichkeit hingestellt wird. Der Ausschluß derOeffentlichkeit war jedenfalls nicht im Interesse desChauvinismus; im Gegentheil er war unzweifelhaft ge-eignet und wohl auch darauf berechnet, Ausbrüchen desChauvinismus, welche die guten Beziehungen Frankreichszum Auslande hätten stören können, vorzubeugen.Während die Chauvinisten in ihren Hoffnungen be-trogen sind, hat dieser Prozeß den sranzÄischen A» t i-s e m i t e n desto mehr Wasser auf die Mühle geführt.Dreyfus ist Jude— und daß der erste Verräther im großenStil, den die französische Armee aufzuweisen hat, ein Judeist, wird von den Dumont und Konsorten nach allenRichtungen hin für die„Vaterlandslosigkeit' der Judenausgenutzt, denen das Ausland mehr am Herzen liege, alsdie Heimath. Daß den Juden im„Auslande', also indiesem Falle in Deutschland, genau dieselben Vor-würfe gemacht werden, genirt die Herren Antisemitennicht— es kommt ihnen nur auf den Augenblicks-erfolg an.—Monstre Meeting i« Ronbair. Wie uns aus Paris ge-schrieben wird, findet am nächsten Sonntag, 30. Dezember, imHippodrom zu Roubaix, der nahezu 7000 Personen faßt, einMeeting statt, das zu dem Zweck einberufen wurde, um gegendas Verbot der Regierung, betreffend die Errichtung einerGemeinde-Apotheke sowie Durchführung mehrerer anderer imInteresse der Arbeiterschaft vom Roubaiser Gemeinderath be-schlossener Reformen, energisch Protest zu erheben. Das Vor-gehen der Regierung und deren Helfershelfer ist ein zu durch-sichtiges: sie wollen den Arbeitern jede Lnst an sozialistischenGemeinderäthen benehmen. Darum werden dem Gemeinde-rath von Roubaix selbst die kleinlichsten Reformen versagt, sogarsolche, deren Durchführung dem opportunistischen Gemeinderath desangrenzenden Tourcoing gestattet wurden. Dies will sich aberdie Roubaiser Arbeiterschaft nicht ruhig gefallen lassen. Unddarum dieses Meeting, das sich um so glänzender gestalten undum so wirkungsvoller sein wird, als die Genoffen Jules Guesde,Abgeordneter von Roubaix, Chauvin, Abgeordneter des Seine-Departements, Labusstäre, Abgeordneter der Obervienne, Com-payre, Abgeordneter des Tarn-Departements, sowie Duc-Quereyund Paul Lafargue als Redner vorgemerkt sind. Dieses Protest-Meeting dürfte sich auch gleichzeitig zu einer großen öffentlichenKundgebung gestalten, da dre Roubaiser Arbeiterdeoölkerungwillens ist, die obenbezeichneten Genossen auf dem Bahnhof zuempfangen und von dort zum Meeting zu geleite». Bei dieserGelegenheit fei gleichzeitig bemerkt, daß am Vorabend einArbeiter-Meeting im Hyppodrom zu Lille stattfindet, anwelchem sich die obigen Genossen ebenfalls als Redner betheiligenwerden.—Die privaten Eisenvahn-Gesellschaften in Frank-reich haben die ihnen von der Regierung in Aussicht ge-stellten großen Geldsubventionen trotz des Einspruches derSozialisten, so vor allem Jaurös', vom Parlamente be-willigt erhalten.—Die Lage in Italien. Einem Briefe unseres italienischenKorrespondenten entnehmen wir das Folgende: Crispi setzt seineRacheversuche gegen alle Personen, die zu seiner Entlarvung bei-getragen haben, mit heißem Bemühen fort. Jetzt hat er auchsein eigenes Werkzeug, den Präfekten von Mailand, Whinspeare,seines Amtes entsetzt, weil Giolitti durch ihn Weil-Schotl'sDepesche erhielt, die von dem schmachvollen Ordensschacher Crispi'smit Cornelius Herz Kunde gab.— Der Hof bleibt in»nglaub-licher Verblendung über die wahre Stimmung im Lande schwankendund unschlüssig wie zuvor. Obwohl der König gestern Rudini zulängerer Audienz empfing, haben heute die auS der BaneaRomana gefütterten römischen Organe Crispi's— Sie höre»deren Wiederhall im„Berliner Tageblatt'— wieder Oberwasserund posaunen mit vollen Backen, Crispi habe das Auflösnngs-dekret der Kammer schon in der Tasche und bei den Neuwahlenwerde er, Crispi, in allen Wahlkonimizien von Neapel— derpolitisch korruptesten Stadt in Italien nächst Rom— als Volks-kandidat ausgestellt und gewählt werden, also ein richtigesPlesbiszit, ganz wie einst beim edlen Bruder Boulanger.Zanardelli wird in diesen Tage in Brescia vor seinenWählern über die politische Lage sein Urtheil sprechen. In-zwischen hat Colajanni, der Abgeordnete von Castrogiovannt inSizilien, seine Ansprache an die Wähler veröffentlicht, die heutedie Runde durch die Zeitungen macht. Es heißt in dieser An-spräche:„Ist— Beschämung Italiens vor der ganzen Welt—eine größere Ironie der politischen Lage denkbar, alssie der gegenwärtige Augenblick darbietet? DerselbeMensch Crispi erklärt als Ministerpräsident in dem Vertagungs-anirag an den König,„er wolle das Volk zur Freiheit erziehen",derselbe Mensch, der soeben mit dem blutgierigen Belagerungs-zustand, mit den Kriegsgerichten, mit de» Verurtheilungen zu4000 Jahren Gefängnißelend, mit der gewaltsamen Unterdrückungaller freiheitlich gesinnten Vereinigungen, mit der Verfolgungihrer Mitglieder bis aus den heutigen Tag. mit der unerhörtenKnebelung der Presse gewirthschaftet und abgewirthschaftet hat?,Was giebt es denn noch Feststehendes im Lande, was dieser„Erzieber des Volkes" nicht erschüttert oder zu Grunde gerichtetbat? Die Volksvertretung selbst hat er erst mitkorrumpirt, dannverhöhnt und ihr Ansehen durch die Vertagung bei Beginn derSession mitten in einer Anklage der Kammer gegen ihn schmälichherabgesetzt. Fast alle Gesetze, die zum Schutze der Freiheitdienen, werden tagtäglich im Lande brutal verletzt, und die Kroneselbst umgiebt Herr Crispi mit einer Atmosphäre, die in denBankskandalen zur Offenbarung kam. Als in dem Nachbar-lande Frankreich der Ordensfkandal Wilson und der Panama-skandal zum Ausbruch kani. da wurde vom entrüsteten Volke derPräsident Grevy gestürzt und ihm folgten mit Verachtung be-Inden die Minister Freycinet, Loubet, Rvnvier, und hier inunserem Lande sehen wir den durch die Skandale am meistenAngeschuldigten und am ärgsten Befleckten noch heute die Ge-schicke einer Nation von 30 Millionen Menschen leiten!"—Die Preßknebelung, von der Colajanni in seinem Briefespricht, erscheint hier in Mailand, auf welche Stadt sichCrispi's Wuth stets von neuem entladet, in ihrer abscheulichen,seit der österreichischen Herrschaft nicht mehr erlebten, Gestalt.An einem einzigen Tage, vorgestern, Sonnabend, wurden kon-fiszirt:„La Baiaglia"(sozialistisch).„L'Jlalia del popolo"(bürger-Itch-republikanisch), ein Blatt, das durch seine radikale Prinzipien-treue immer größere Verbreitung gewinnt und eine Macht imLande geworden ist, und der„Sevolo", das bekannte demokratischeBlatt, das die größte Auflage in Jtalten besitzt. Außerdem fielals Opfer der Reakionswuth, die als Vorbereitung für Crispi'sWahlagitation angesehen wird, am gleichen Tage das wöchent-lich erscheinende Witzblatt Mailands, der„Guerin-Meschino", undzwar wegen eines Artikels, der den jüngsten Empfang der nunweltberühmt gewordenen Donna Lina Crispi illustrirt und mitHinweis auf die Giolitti'schen Dokumente besingt.Der Exkönig von Neapel ist gestorben. WennCrispi es noch, veiter so treibt, so wird man in Italienbald nach den verjagten Potentaten Sehnsncht empfinden.—Der dänische Landarbeiter-Verband reichte der land-wirthschaftlichen Kommission des Parlaments eine von 4207 Land-leuten(wovon 289 Bauern, die übrigen Jnstleute und Land-arbeiter sind) unterschriebene Adresse ein mit den Forderungen, daß1. der Boden, welcher zu Hausantheilen verwandt werdensoll, Staats- oder Gemeindc-Eigenthum werden solle;2. die Arbeiter ein Gebrauchsrecht auf Boden erhalten zurPacht oder Miethe unter Bedingungen, daß sie volle Sicherheiterhalten für alle auf dem Grundbesitz ausgesührten Verbesse-rungen;3. die Größe der ausgewählten Antheile soll mindestensS— K Tonnen betragen, wo die Erde gut ist. und auf geringeremBoden entsprechend größer sei», sodaß die zukünftigen kleinenAckerbauer von ihren Antheile» völlig leben können, ohne daraufangewiesen zu sein, den besitzlosen Arbeitern die Löhne zu drücken;4. das Betriebskapital zu billigen Rentensätzen und leichte»Abzahlungsbedingunaen zu erhalten ist.Wenn diese Petition sich auch nicht völlig auf den Stand-punkt der dänischen sozialdemokratischen Partei in dieser Fragestellt, so ist sie doch ei» Beweis, daß ein großer Theil der Acker-bauer bereits dem sozialdemokratischen Prinzip, daß der BodenGesellschaftseigenthum sein soll, zustimmt.—Von Rudolph Churchill, der vor Jahren wie einMeteor am konservativen Himmel Englands aufstieg,und der für einen zweiten Disraeli galt, berufen die konser-vative Partei zu regeneriren, hat man lange nichts gehört.Von der politischen Bühne verschwand er ganz plötzlich;dann niachte er eine Reise nach Afrika, über die er ein rechtalbernes Tagebuch veröffentlichte, und jetzt erfahren wir,daß er nach langjähriger.Abwesenheit indieHeimalh zurückgekehrt ist— ein unheilbarer Idiot. Nicht Ueberarbeit hatden letzten der M a l b o r o u g h' s in diesen Zustand ge-bracht, sondern die Trunksucht, die allerdings durch einekrankhafte Disposition des Hirns, wenn nicht hervorgerufen,aber doch gefördert wurde. In Rudolph Churchill ver-liert die konservative Partei Englands ihre tüchtigste jungeKraft.—Der Prozeh gegen den Spitzel Ungcrn-Stern-berg:c. in Lnttich. Die außerordentliche Schwurgerichts-Sitzung, in der die Opfer S t e r n b e r g's abgeurtheiltwerden sollen, ist zum 14. Januar angesetzt. Angeschuldigtsind 14 Personen, darunter 9 Deutsche. Soeben ist diefünfzig Druckseiten füllende, von dem StaatsanwälteDemarkau verfaßte Anklageschrift ausgegeben worden.Nach der von der„Vossischen Zeitung" mitgetheilten Anklage-schrifl wurden am 22. April d. I. Dynamitanschläge gegen daskönigliche Theater und die Wohnung des Bürgermeisters, am23. April gegen die Jakobskirche und am 30. Mai gegen dasHaus des Arztes Renson ausgeführt. Die Polizei nahm ihrbekannte Lütticher Anarchisten, unter ihnen den deutschen Schank-wirth Schlebach, in dessen Lokal stch ständig die Anarchisten ver-sammelten, fest, aber es fehlte jede Spur. Da wurde eine Post-karte aufgefangen, die ein deutsches, bei Frau Sterpin dienendesDienstmädchen Marie Wendel an Frau Schlebach gerichtet hatte,um sie zu bitten,„einzubindende Bücher bei ihr abzuholen".Diese Karte wurde der Frau Schlebach zugestellt; sie eilte sofortzu dem Dienstmädchen und wurde bald darauf verhastet. DieUntersuchung stellte fest, daß Marie Wendel den Verkehrzwischen dem Schankwirth Schlebach und einem seit dem An-schlage gegen die Jakobskirche verschwundenen Russen ver-mittelte. Der Russe war der sogenannte Baron ErnstUngern von Stern berg, der, aus Straßburg kommend,am 2. November 1833 in Lütlich eingetroffen war. Sei» wahrerName ist Cyprian us Jagolkowski, I8SS in Rußlandgeboren, der sein Land und seine Frau verlassen hatte und imFebruar 1893 in Bern austauchte. Er lebte von großen Summen,die ihm aus dem Auslände zuflössen; er ging nach Frankreich, ließ stchfür die Fremdenlegion anwerben, ging nach Algier, stahl dortdem Waffengenosse», dem russischen Baron Sternberg, dessen Paßund desertirte. Er floh nach Basel und sodann nach Lüttich, woer sich als Student ausgab, aber niemals die Universität besuchteund mit dem Lütticher Studenten Arnold bekannt wurde. Am10. November verließ er Lüttich, um seinen in Rußland sehrschwer erkrankten Bater zu besuchen; auf der Fahrt hielt er sichfünf Tage in Berlin aus und kehrte erst am 24. Dezember nachLüttich zurück. Er wurde auch mit dem Lütticher StudentenLeblanc bekannt, besuchte das Schauklokal Schlebachs und wurdemit allen Anarchisten besreundet. An öffentlichen Orten und inLokalen hielt er stets revolutionäre Reden. Nach den unterseiner Leitung verübten Anschlägen verschwand er nach Holland,und seine Spur fand stch erst wieder, als er in Petersburgfestgenommen wurde. In den Notizen aus den Briefendes Ruflen fand sich der Name„Richard": Broichf;nb den deutschen Bergarbeiter Richard Müller als Aus-ührer der Anschläge an, und so wurde auch dieserestgenommen. Auf grund der Müller'sche» Geständ-nisse wurden die Lütticher Studenten Arnold und Leblanc, derLütticher Hansirer Jovris, die deutschen Arbeiter, Tischler Bach,Schuhmacher Westcamp, Bergarbeiter Wilcke und Vossen ver-haftet. Die Anklageschrift geht im einzelnen die Anschläge durch,stellt die Theilnahme jedes Angeschuldigten fest und weist nach,daß es sich um eine anarchistische Verschwörung unter derLeitung Jagolkowski gehandelt hat. Bei dem Anschlage gegen dasThealer hat Jagolkowski selbst die Bombe angefertigt und nieder-gelegt. Aller Sprengstoff rührte aus der Zeche Cherron herund war unter Vossens Leitung entwendet worden. Beidem Anschlage gegen das Haus des Bürgermeistershaben Vossen und Westcamp die Bombe gefertigt und nieder-gelegt; bei dem Anschlage gejjen die Jakobskirche am23. April war Müller nach seinem eigenen Geständnisse auf Be-treiben des Russen der Ausführer. Da inzwischen die Polizeiauf den Russen fahndete, so reisten noch an demselben Abend derRusse und Müller nach Mastricht ab. Die beiden Studentennahmen alle Papiere Jagolkowski's an sich und fuhren demRussen nach; auch Westcamp traf dort ein. Eine neue Bombewurde angefertigt und wenige Tage daraus wurde der Slnschlaggegen das Haus Rensou's ausgeführt. Zugleich wurden vonMastricht aus anarchistische Brandausrufe nach Lüttich versendet;der deutsche Anarchist Tischler Bach, der früher in London an-sässig war und jetzt in Lüttich arbeitete, stand mit denholländischen Anarchisten in Verbindung und brachte die von denholländischen Revolulionären Vliegen, Cornelissen und Gsrardverfaßten Manifeste nach Lütlich. Bei Wilcke wurde ein Lon-doner Brief vorgefunden, der auf ein Zusammengehen mit denenglischen Anarchisten hinweist. Tie Anklageschrift kommt zu demSchluß, daß es sich um eine internationale anarchistische Ver-'chwörnng handele.—Ter holländische Kolonialkrieg scheint für denMoment beendet zu sein. Aus Batavia wird nämlichgemeldet:Nach einer Depesche der Mittagsausgabe des„Handelsblad"aus Batavia vom heutigen Tage hat der Generalgouverneurvon Indien die Expedition nach Lombok für aufgelöst erklärt.Der Radja Silang von Tamjang hat sich der holländischen Re-gierung ergeben-!So erfreulich diese Nachricht für die holländischen Macht-haber ist, so werden sie sich doch der Sorge nicht entschlageukönnen, daß unter der Asche so manche Funken sortglimmen,welche, durch einen kleinen Windstoß in Bewegung gesetzt,in ihrem ostasiatischen Kolonialreich die Flammen des Auf-ruhrS zu Heller Lobe entfachen können. Die Unzufriedenheitmit den holländischen Ausbeutern ist in den Kolonien sogroß, daß dort vollständige Ruhe niemals herrscht.—Die national-polnische Agitation erhebt in Russisch-tolen wieder ihr Haupt. Man agitirt für eine großeranerdemonstration anläßlich der hundertsten Wiederkehrdes Jahrestages der dritten Theilung Polens. Wegen derVerbreitung von Flugblättern, die zu dieser Demonstrationaufforderten, haben in Warschau eine Reihe von Ver-Haftungen stattgesunden.—Kleine Erleichterungen scheinen der rvssischettProvinzialpreffe nun gewährt werden zu sollen. Dieselbewar bisher einem noch viel schwereren Drucke sunterworsenals die Residenzpreffe. Nach dieser Richtung scheint eineAusgleichung stattfinden zu sollen. Aus Petersburg wirdhierüber gemeldet:Der Proviuzpresse sind größere Freiheiten bezüglich der Be-sprechung von politischen und öffentlichen Ereignissen ertheiltworden.—Korruption in Rnstland. Der Zahlmeister deS russischenLcibkosakcn- Regiments hat, wie der„Post" aus Petersburg ge-meldet wird, 180 000 Rubel unterschlagen.Die Russifizirungs-Mahregeln in den deutsch-russischen Provinzen scheinen ungeschwächt fortgesetzt' zuwerden. Aus Petersburg wird hierzu gemeldet:Behufs Hebung des Besuchs der Universität Dorpat, der seitAushebung des deutschen Sprachunterrichts sehr gesunken war,hat die UnterrichtSvcrwaltung beschlossen, eine größere Ver-mehrung des Lehrpersonals vorzunehmen und«ine namhafteSumme zur Unterstützung russischer Studenten auszusetzen.—Neber die Korruption der New-Porker Polizei setztder Lexow'sche Ausschuß seine Untersuchungen fort. Am Freitagerklärte der stellvertretende Kapitän Schmittberger, wie es inKapitän Williams Distrikt zugegangen wäre. Fünf derschlimmsten Lasterhöhlen New- Jorks hätten dem KapitänWilliams regelmäßige Zahlungen leisten müssen, um nichtbelästigt zu werden. Er, Schmittberger, habe das Geldselbst einkassirt. Wurde die Sache dann zu schlimmund die Klagen gegen diese Häuser zu stark, so wurdeeine Razzia unternommen. Die Besitzer der Häuser hatten aberstets vorher eine Warnung erhalten, sodaß beim Erscheinen derPolizei alles in Ordnung war. Auf die Frage, ob er, Schmitt»berger, auch Erpreffnngsgelder erhalten habe, lautete die Ant-wort: ungefähr 200 Dollar den Monat. Jeder New- AorkerPolizist wisse, daß die Polizeikapitäne Geld machen wollten, ganzeinerlei, wie. Es gäbe einen regulären Tarif für Spielhöllenund dergleichen. Die�Spielhöllen z. B. zahlten 200 Doll. monatlich.Schmittberger erklärte kühl bis ans Herz hinan, er habe stets dasempfangene Geld mit Kapitän Williams getheilt. Das Einkommen.welches die beiden Braven jeder allein von Spielhöllen bezogen.betrug 900 Doll. den Monat. Die Wirthshänser ließen dieBeide» in Ruhe. Diese mußten ihre Lösegeld direkt an TammanyHall abführen.Die Gläubiger Egyptens, das heißt die Großbasttkin Europa, hindert die Kulturfortschritte in Egypten imddie Stenerentlastung des fürchterlich ausgesogenen Volhes.Aus Kairo wird hierüber depeschirt:„Die Antwort der Regierung auf den Bericht deS ge�etz-gebenden RatheS besagt, die Vorschläge desselben seien unous-führbar, aus den schon im vergangenen Jahre angegebenenGründen, die verlangten Sparsamkeits-Maß-nahmen unthunlich, sämmtliche Posten deS Budgetsvollständig gerechtfertigt. Da die Mächte die V e rw en d u n gder Ersparnisse aus der Konversion zurErleichter llng der Grundsteuer nicht genehmigten.werde die Regierung prüfen, ob die für Verbesserungder Gesundheitsverhältnisse Kairo's und fürDeicharbeiten angesetzten Kredite einer an-deren Bestimmung überwiesen werden können."Chiua-Japan. Dem„Reuter'schen Bureau' wird ausUokohama gemeldet: Nach den japanischen Blättern sind in derSchlacht bei Haitscheng am 19. d. Mts. auf japanischer Seite2 Offiziere. 52 Soldaten gefallen und 12 Offiziere und350 Soldaten verivundet worden. Die koreanische Regi erunghat beschlossen, bei Japan eine Anleihe von b Millionen Dollarsaufzunehmen und für 5 Millionen Bankbillets auszugeben. DieTonghaks haben Haiju, die Hauptstadt der Provinz Hwanaheido.eingenommen, den Gouverneur vertrieben und einen ihrer Häupt-linge als Gouverneur eingesetzt. Ferner haben dieselben dreiStädte im Süden des Landes in Brand gesteckt. General Nodzu,der Befehlshaber der ersten japanischen Armee, hat gestern tüe-graphirt, daß die Lage in Feng-.H<..rng-Tscheng unverändert ist.Eine Depesche des Generals Katsura aus Haitscheng vom 24. d.meldet, daß General Sung nach der Niederlage bei Kogasaisich nach NiUtschuang zurückdegab, sodann aber Niutschuangverlieb und sich mit dem größten Theil der dort liegenden Truppennach Denschodai zurückzog; in Niutschuang befinden sich jetztkeine chinesischen Truppen. Die chinesischen Streitkräfte inNaisambarsi sind seit dem 18. ds. mit der Ausdehnung der Ver-schanzungen und der Verstärkung der Kavallerie beschäftigt. Inder Richtung von Polschi ausgesandte Rekognoszirungs-Abthei-lungen meldeten, daß 8000 Mann chinesischer Truppen von Cilcodie Küste entlang vorrücken.—Das japanische Parlament ist zusammengetreten und miteiner Rede eröffnet worden, welche in volltönenden Worten dieSiege der japanischen Waffen rühmt.—VKrkeinarlivilkrten.Nachklänge vom Dresdener Waldschlößchen- Boykott.Unter dieser Spitzmarke machten wir in unserer Weihnachts-Nummer unsere Leser mit der höchst interessanten Thatsache be-kannt, daß derselbe Herr Amtsrichter Becker in Dresden.der die zahlreichen durch die Höhe des Strafmaßes sowohl, alsauch durch die Art der Begründung auffallende» Urtheile gegenunsere Dresdener Parteigenossen, namentlich auch wegen„Boykottvergehen' gefällt hat, zugleich Aktionär derbetreffenden Brauerei ist. Außer den von uns be-reits mitgetheilten Verurtheilungen führt die„SächsischeArbeiter-Zeitung' noch folgende an: Unter Vorsitz des HerrnBecker wurde der Redakteur Genosse Reich ard, der vomAmtsgerichtsrath Brückner vom Vergehen des groben Unfugswegen Waldschlößchen-Boykott freigespochen worden war,wegen einer ganz geringfügigen Gemeindeältesten-Beleidigung zu 3 Monaten Gefängniß vernrtheilt.Außerdem erhielt unter demselben Vorsitz GenosseLandtags- Abgeordneter Horn wegen Beleidigung zweiMal je SMonate Gefängniß und Genosse Müllerwegen Beleidigung 3 Monate Gefängniß. Die StrafeGradnauer's wurde vom Landgericht aus d Monate