eingeliefert werden, auch tfjr Zustand läszt auf Saldige Wieder- Herstellung hoffen. Die„Rote Fahne" spricht in durchsichtiger Absicht von 2 Toten und 25 Verletzten, ihr kann ja nie genug Blut fließen, und Tote— unter einem sozialdemokratischen Polizeipräsidenten — sind unbezahlbar für die Agitation. Man kann den Schmerz dieser edlen Seelen darüber nachfühlen, daß ihre„Toten" noch leben. Lm übrigen gebt aus der Darstellung der„Roten Fahne" sowie der„Freiheit" hervor, daß die Schuld an der gar nicht zu rechtfertigenden Attacke untergeordnete Organe trifft. Ge- nannt werden die chauptleute v. B e r m u t h und Wecke. Gegen sie sei der Polizeipräsident ohnmächtig. Wir erwarten zuversichtlich, daß sich diese Annahme als irrig erweisen wird. Es ist die Aufgabe der vorgesetzten Behörden, dafür zu sorgen, daß die Schutz Polizei ihrem Namen Ehre macht und wirklich zum Schutz der Bevölkerung da ist, nicht aber, wie es gestern der Fall war, zu ihrer Ge- fährdung. Die Situation war gestern eine ganz andere als bei dem bekannten tragischen Borfall vor dem Reichstag im Januar 1320, wo die Schutzpolizei durch das wüste Treiben des Mobs, Entwaffnung und Verprügelung von Beamten und einen versuchten Sturm auf den Reichstag , zum Vorgehen gezwungen wurde. Gestern lag nichts dergleichen vor. Der Verkehr war gehemmt, aber Straßenbahnwagen, die nicht weiterfahren können, bahnt man nicht den Weg mit ge- fällten Bajonetten. Nach Berichten bürgerlicher Blätter soll ein Mann versucht haben, einem Polizeioffizier seinen?our 3« mörite abzureißen, auch das rechtfertigt noch nicht Säbel- hiebe auf unschuldige Demonstranten. Nebenbei gesagt, ist es ein grober Taktfehler, Kriegsschmuck anzulegen, wo die Möglichkeit von Zusanrmenstößen mit dem Publikum auch nur entfernt gegeben ist. Viele Leute sehen darin einen Ausdruck von Standesdünkel und von kriegerischen Ab- sichten, und dadurch wird ein Moment der Erregung ge- schaffen, das vermieden werden kann, wenn die betreffenden cherren dem Interesse der Ruhe und Ordnung ihre Eitelkeit zum Opfer bringen wollen. Der bedauerliche Vorfall mutz den vorgesetzten Behörden ein Anlaß sein, den Zuständen in der Schutzpolizie ihre schärfste Aufmerksamkeit zuzuwenden. Es gibt bei der Schutzpolizei , wir nehmen an weit überwiegend, ausgezeichnete Beamte, die ihren schweren Beruf mit Takt und echtem Pflichtgefühl ver- sehen. Es gibt bei ihr aber auch ungeeignete Ele- m e n t e, die sich von vornherein in einem feindlichen Gegen- satz zur Bevölkerung fühlen, und von ihnen gilt das Wort, daß ein schlechtes Ei den ganzen Kuchen verdirbt. Die Ver- meidung von Vorgängen, gleich dem gestrigen, liegt nicht nur im Interesse der Bevölkerung, sondern auch der Schutzpolizei selbst. Abschließend kaim man sagen: Uebertriebene Gerüchte haben sich als unwahr herausgestellt, der Schiedsspruch ist genehmigt, der Hauptkonfliktstoff ist damit beseitigt. Die Taktik des„Weitertreibens" findet daher keinen Boden. Die Erledi- gung des Restes bleibt einer Untersuchung vorbehalten, auf der wir bestehen müssen, und deren Ziel sein muß. unver- kennbare Mißstände zu beseitigen und den Schutz der Bevölke- nmg vor untauglichen Polizeiorganen zu sichern. Die Hetze gegen Loewy. J&a Rechtsfoziallfi für scharfes vorgehen gegen die vemonssranken." Mit dieser Ueberschrist erzählt die„Freiheit", im Rathaus habe unser Genosse Stadtverordneter Loewy zu dem dort weilen- den PolizeiprösBenten gesagt,„pb denn nicht die Straße geräumt werden könne, beim die Straßenbahn müsse doch verkehren". Im Anschluß daran bemerkt das Blatt:»Dieser saubere Arbeitervertreter forderte also, mit anderen Worten ausgedrückt, ein Verjagen der Demonstranten und ein schärferes Vorgehen gegen diese. Dem Wunsche des Herrn Loewy wurde rasch, sehr rasch in furchtbarer Weise Rechnung getragen." Gegenüber dieser demagogisch zurechtgemachten Wiedergabe einer gänzlich anders ge. meinten und teilweise auch anders lautenden Aeußerung stellen wir fest, daß Genosse Loewy nicht„Räumung" der Straße ge- fordert, sondern gefragt hat, ob denn nicht dafür habe gesorgt werden können, daß die Straßenbahn fahren konnte. Die Fr e i-
Rujsisihes Theater: �Zarewitstb /Mexef'. Drama von Mereschkvwskij. Diel« der russischen Dichter müssen heute außerhalb ihres Vater- landes arbeiten. Dimitri Merefchkowfkij und feine Gattin Sinaida Hippius fühlen sich vollkommen als Opfer des Bolschewismus. Man darf das nicht vergessen, wenn der Bewunderer alles Westlichen „Zar Peter ", den die verschwenderischen Historiker den Großen tauften, vor dem Heiligenbild niederkniet und die Verzweiflungs- worte hervorstammelt:„Strafe mich, Herr, begnadige, begnadige, begnadige Rußland !" Mit dieser bittenden Explosion endet das Drama vom Zarewitsch Mexej. Dieser schwache, ober überschwanglich empfindsame Jung- ling ist Träger des oltrussischen Gedankens, der nicht einmal Freude an den Admiralsfpielereien, den tapferen deutschen Aerzten und all den westlichen Reformen aufbringen konnte» die der große Peter gern in das Buch seines Ruhmes einschrieb. Das ist der soziale und geschichtliche Hintergrund dieser Russen- tragödie. Daneben läuft ein Anekdoten- und Intrigenstück. Zar Peter hat die Angewohnheit, im Gedanken zwar jeder Aufklärung zu huldigen, aber als Privatmann knutet, foltert, köpft oder hängt er die Menschen, die ihm nicht gefallen. Schwer ringt er um den Gehorsam des Sohnes Alexej, der ein beträchtliches Weichtier ist und nicht aus dem Schoß seiner hübschen Kebse loskommen kann. Dieses Spiel zwischen Vater und Sohn verläuft nun ziemlich opernhaft. Auf Skandal, Folter, Schrecken, Mcssalinenschliche und ähnliche Kol- portagewirkungen läuft alles hinaus. Die Begebnisse, mögen sie auch wahr sein, werden aneinandergereiht, nicht gedichtet. Die Dinge des Genies wiederholen sich nicht, und so tun wir unrecht, verzagt zu sein, weil nicht jeder russische Schauspieler seinen Atem von Stanislawski empfing. Immerhin ist der Zar Peter des Herrn M u r a t o w eine stark auffallende Leistung. Herr T e r e ch o w hing sehr an der Rolle des Alexej, aber die Rolle mar mehr sein Be- hang als sein Leben. Im Physischen des Auftretens und Blickcns und im Heranholen der Zärtlichkeit und im Ergreifen der weichen Momente wird dieser Schauspieler trotzdem von einer angenehmen Lieblichkeit unterstützt. Alle übrigen Künstler waren Theater, zusammengeschossen von hie und da, wie es heute das Schicksal der russischen Komödianten ist. Die Bühne, ausgemalt von Alexander B e n o i s und Sergei A n t o n o f f, sah malerisch genug aus, war jedoch ohne jene be- sondere Atmosphäre, in die Stanislawski hineinreißt. Max Hochdorf .
Tschitschorins Frack. Die Russen haben der Welt manche Mög- llchkeit der Cinwandserhebung gegen ihre Prinzipien geliefert. Sie haben Rußland wirtschaftlich ruiniert. Selbst vom Standpunkt ihrer Gedankengänge aus betrachtet, ist die Inkonsequenz zu be-
Haltung der Siraßen bahngleise vor dem Rathaus be- deutet noch lange nicht„Räumung" der Straße— und frecher Schwindel ist die Behauptung daß ein„Verjagen" der De- monstranten oder überhaupt ein„scharfes Vorgehen" gegen sie der „Wunsch" unseres Genossen Loewy gewesen sei. Die„Rote Fahne" erzählt euch über unseren Genossen Pattloch das Märchen, er habe den Polizeipräsidenten aufgefor- dert, doch„derartige Demonstrationen unmöglich zu machen". Hierzu erklärt uns Genosse Patrloch, das sei eine glatte Lüge; er habe m t t dem Polizeipräsidenten überhaupt nicht ge» sprachen. Versammlung der städtischen Funktionäre. Die Funktionäre der städtischen Arbeiter versammelten sich heute vormittag, um das Referat der Vertreter des Lohnkartells über die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung entgegen- zunehmen. Die Versammlung war von Anfang an infolge der gestrigen Vorgänge außerordentlich unruhig und verzögerte sich in ihrem Beginn, da die Gewerkschaftsleiter heute morgen den Polizeipräsidenten, Genossen Richter, aufgesucht hatten, um mit ihm über die Vorfälle des gestrigen Tages Rücksprache zu nehmen. Die Besprechung bei dem Polizeipräsidenten, an der auch die beiden Vorsitzenden des Gemeinde, und Staatsarbeiteroerbandes teil- nahmen, dauerte bis nach 11 Uhr. Unter den Funktionären machte sich eine starte Erregung über die gestrigen Vorgänge am Rathaus bemerkbar, und schon vor Beginn der Bersammlung gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen den Delegierten der drei sozialistischen Parteien. Die Kommunisten und auch ein Teil der Unabhängigen l)atten die Absicht, einen Antrag einzubringen, der darauf hinaus- läuft, vom Polizeipräsidenten Richter die sofortige Amtsentsetzung und Bestrafung der beiden Polizeioffiziere zu fordern, die den Befehl zur Räumung der Straße gegeben hatten. Falls dieses Der- langen nicht erfüllt werde, sollte die gesamte städtische Arbeiterschaft in einen Proteststreik treten. Die Erregung wurde noch gesteigert, als ein Funktionär der Gaswerke in Lichtenberg in einer Aussprache erklärte, daß die Arbeiterschaft dort zwar im Betriebe sei, aber so lange nicht arbeiten werde, bis ausreichende Genugtuung für das Vorgehen der Schutzpolizei gegeben sei. * Eine zweite Deputation wurde zur Berliner Gewertschastsbom- Mission gesandt, deren Vertreter sich mit dieser Abordnung ebenfalls zum Polizeipräsidenten begaben. Die Dersammlunq der Vertreter des Gemeindearbeiierverlxmdes wird erst nach der Berichterstattung ibrer Albordnung beschließen, lieber das wahrscheinliche Ergebnis läßt sich augenblicklich noch nichts sagen. Die Verletzte«. Wie mitgeteilt, soll sich die Zahl der bei den gestrigen Vor- gangen Verletzten auf zehn Personen belaufen. Auch heute führ- ten die Ermittelungen der Polizei zu keinem anderen Ergebnis. Rur zwei von ihnen haben, soviel bis jetzt feststeht, Aufnahme in Krankenhäusern gefunden. Wie uns die Pressestelle des Polizei- Präsidiums mitteilt, hat im Krankenhaus Am Urban ein Ernst H e n s ch mit einer Stichverletzung am Gesäß Aufnahme gefunden, im Krankenhaus Moabit ein Bernhard R o ck st r o h, der aber be- rcits wieder entlassen werden konnte. Die Meldung der „Roten Fahne" über zwei Tote und LS Schwerverletzte ist eine grobe Uebertreibung. Die Untersuchung. Im Berliner Polizeipräsidium wird gegenwärtig eine Unter- suchung darüber geführt, ob die leitenden Polizeioffiziere eine Schuld an den Zusammenstößen in der Königstraße trifft. Vertreter der Gewerkschaften haben den Polizeipräsidenten am Vormittag auf- gesucht, um von ihm die Einleitung einer Untersuchung zu verlan- gen. Die Cinberufer der gestrigen Demonstration, die Leiter des Gemeinde- und Staatsarbetterverbandes haben dem Polizeiprnsiden- te» heute nochmals eine ausführliche Darstellung der Vorgänge, denen sie von Anfang bis Ende beiwohnten, gegeben. Im Anschluß daran* hat Polizeipräsident Genosse Richter die polizeilichen Leiter der gestrigen Absperrung—- wie die Korrespondenz Socha- ezewsk meldet— Major Barseko« und Hauptmann Bernurh, vernommen, die ebenfalls eine Darstellung des blutigen Zusammen- stohes gaben.__ Oer Gruudsteuer Ausschoß de« Preußischen Landtages hielt am 2. Mai eine kurze Sitzung ab. Finanzminister Dr. v. Richter be- richtete über die Zusammenkunft des Reichsfinanzministers mit den Finanzministern der Länder. Mit Rücksicht aus diese Besprechungen vertagte sich der Ausschuß auf unbestimmte Zeit, um die Berab- schiebung der Novelle zum Landessteuergesetz abzuwarten.
Mängeln, die in der Erteilung von Konzessionen an ausländische und inländische Kapitalisten beruht. Indessen: Hungersnot, Wirtschaftsruin und Konzessionen kommen nicht an die neueste Waffe heran, die sie einem Teil ihrer Widersacher in die Hand gespielt haben. Ischitscherin ist auf der Genueser Konferenz im Frack erschienen. Das sei bezeichnend. Da sähe man es ja! So, so! Also im Frack, der Herr Tschitscherin ! Ja, diese scheinheiligen Bolschewistenl Ra, die Sozialisten überhaupt!» Tschitscherins Frack wird zum Beweis der llnhaltbarkeit der marxistischen Lehre. Mehrwerttheorie, historische Geschichtsauf- fossung: schon gut! Was kann damit sein, wenn Tschitscherin im Frack erscheint! Klassenkampf, Internationalismus: alles die Aus- rede, alles der Vorwand für Tschitscherins Frack. Tschitscherin wollte einmal im Frack erscheinen, deshalb mußte der Zar vom Thron. Aber die vom Kegelklub und die vom Stammtisch haben Sie durchschaut, Herr Tschitscherin ! Da dachten Sie, das mit der Hungersnot und den anderen Miseren Ihres Regimes vertuschen zu können. Ja, aber nun hat Herr Käsebier bei irns den Braten gerochen. Nun hat dieser Mann aus der scheinbaren Belanglosigkeit der Tatsache Ihres Frackes Ihr Wesen begrisfen. Nicht ungestraft schändet ein Bolschewik unserer Käsebiere Heiligstes: die Gesellschaftstoilette. Tschitscherin und seine Hintermänner, dazu Marx und Engels und darüber hinaus die Proletarier aller Länder sind schonungslos entlarvt, seit Herr Tschitscherin den Frack gettagen hat. Die Genueser Konferenz hat damit ihren Hauptzweck erfüllt. h. b. Trianon-Theaker. Moral". Ludwig Thoma hat hiebsicherere Satteren hinterlassen als diese Posse„Moral', die gern als Komödie gelten möchte. Da, wo im Strich des Karikaturenzeichners das menschliche Urbild nicht mehr sichtbar ist, verliert die Satire ihren Sinn. Dies ist vielleicht die schwerste Kunst des Komödiendichters, immer wieder die Vorgänge als menschlich möglich erscheinen zu lassen. Thoma hat sie in der„Lokalbahn" viel besser bewährt als in dieser„Moral", die durch die Figur des Rentiers Beermann zur Posse wird. Immerhin sei dem Trianon-Theater gedankt, daß es in den großen Reigen der franzsischen Schwanke diese deutsche Posse wirft. Es sind noch genug Ergötzlichkeiten darinnen, die über das Possenniveau hinausragen, und mancher Hieb des Bajuoaren sitzt prächtig genug. Das Ensemble, das Georg A l t m a n n s Regie folgte, die manchen hühjchen szenischen Einfall hatte, hieb kräftig drauflos. Man hatte anscheinend nicht die Absicht, das Possenhaste zu dämpfen. Iunkermann jedenfalls, der Rentier, Reichstags- abgeordnete in spe und Präsident des Sittlichkeitsvcreins, spielte von vornherein auf die derbste Schwankwcise los. Ebenso Falken- stein, der das Unglückswurm von Assessor zu einer seiner bekannten lustigen Typen sonnte. Alle anderen Rollen hängen in der Luft und sind nur leicht in die Vorgänge Hineinverwebt. Trotz der Langatmigkeit der meisten Szenen amüsierte.sich das Publikum mit jener Freude, die man hat, wenn man über, einen Satz nachher lachen zu können glaubt, und gab reichlichen Beifall. O. E. H.
Strafrecht imö Verfassung. Die Notreform des Strafgesetzbuchs. Der Entwurf eines„Gesetzes zur Anpassung des Strafgesetz. buche? an das Verfassungsrecht" ist dem Reichstag soeben zuge- gangen. Der Entwurf schlägt die Aenderung einer Anzahl von Paragraphen des geltenden Strafgesetzbuches vor. Zum großen Teile sind die Aendcrungen selbstverständliche Konsequenzen des Ucbsrganges von der Monarchie zur Republik . Soweit sie nicht überhaupt rein formaler Natur sind, nennen wir als die wichtigsten in dieser Gruppe: die Streichung der Abschnitte 2 und S im zweiten Teil(Beleidigung des Landesherr» und Beleidigung der Bundes- fürsten), ferner die Streichung des§ 80(Mord und Mordversuch gegen den Kaiser, Landesherrn oder einen Bundesfürsten). Im Hochverratsparagraphen(§ 81) wird der erste Absatz dahin geändert, daß an die Stelle des Unternehmens, einen Bundesfürsten zu tö- ten, gefangen zu nehmn, in Feindesgewalt zu liefern oder zur Re- gierung unfähig zu machen, das Unternehmen tritt, „den Reichspräsidenten seiner verfassungsmäßigen Gewalt zu be- rauben oder durch Gewalt oder Drohung mit einer strafbaren Handlung an einer Regierungshandlung zu hindern oder zu einer Regierungshandlung zu nötigen". Der strafrechlliche Schutz der Parlamente gegen Sprengung usw.(Z 105) wird durch den Entwurf auch ausgedehnt auf den Reichsrat, den Reichswirtschaftsrat und die Staats- röte der Länder. Die strafrechtliche Sicherung des Wahlrechts und die Bestrafung des Sttmmentaufes(§8 107 bis 10g) werden auch auf Abstimmungen ausgedehnt, die zur Feststellung des Willens der Bevölkerung auf Grund der Verfassung stattfinden. Neues Recht dagegen will der neu einzufügende 8 111* schaffen, der nach der Vorlage der Reichsregierung folgenden Wort- laut haben soll: Wer die verfassungsmäßige Staatsform oder die Reichs- oder Landesfarben öffentlich beschimpft, wird mit Gefängnis bestraft. Daneben kqnn auf Geldsttase bis zu 50 000 M. sowie auf Verlust der bekleideten öffenllichen Aemter erkannt werden. Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Berbreitung von Schriften, Abbildungen oder Darstellungen zu Gewalt- tätigkeiten gegen die Person dos Staatsoberhauptes oder eines Mitgliedes der Reichsregierung oder einer Landesregierung auffordert oder anreizt. Die Vorlage des Reichsrats will den ersten Satz des 8 111a— unter Fortlassung der Reichs- und Landesfarben— folgendermaßen redigieren: Wer die verfassungsmäßige Staatsform des Deutschen Reiches oder eines deutschen Landes öffentlich beschimpft, wird usw. usw. Dafür schlägt der Reichsrat für§ 135 folgende Fassung vor: Wer an einem öffentlichen Orte eine Fahne in den Farbe« des Reiches oder eines deutschen Lande», oder wer ein öffentliches Hoheitszeichen eines Reiches oder eines deutschen Landes böswillig wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder be- schimpfenden Unfug daran verübt, wird mit Geldsttase bis zu 600 M. oder mit Gefängnis bis zu zwei Iahren bestraft. Uns erscheint die ursprüngliche Fassung der Reichsregierung in- sofern glücklicher, als sie die Reichsfarben nicht vor tätlicher, sondern auch vor wörtlicher Beschimpfung schützt. Schließlich ist noch zu erwähnen, daß der 8 112(Verleitung eines Soldaten zum Ungehorsam) auch auf die Berleitung von Polizei- beamten zum Ungehorsam ausgedehnt wird.
Neuregelung der Seamtengehäiter. Die von der Reichsregierung am Montag begonnenen Ver» Handlungen mit den Spitzenorganisottonen über die Neurege. lung der Beamtengehälter wurden gestern abend beendet. In den beiderseittgen Ausfassuugen wurde eine völlige Uebereinstimmung nicht erreicht. Im Laufe der Verhandlungen näherten sich die Vor- schlüge so weit, daß zwischen dem Angebot der Regierung und den Forderungen der Organisattonen nur noch«in Unterschied von 1000 M. für das Jahr und jeden Beamten aller Besoldungsstufen vorhanden war. Das letzte Angebot der Regierung ging dahin, den allgemeinen Teuerungszuschlag von 30 Prvz. auf 65 Proz. und den bestehenden Sonderteuerungszuschlag von 3000 auf 5500 M. zu erhöhen, während die Organisationen den letzten Bettag auf 6500 M. erhöht wissen wollten. Die Zugeständnisse der Regierung hätten einen jährlichen Mehraufwand von 46 Milliarden Mark be-
Was ist Diplomatie? Im Angesicht der zu Genua verfammel- ten Größen der internationalen Diplomatte sind einem dort weilen- ken italienifchen Journalisten allerlei Erkenntnisse ausgegangen, die er seinem Blatte mitteilt. Diplomatie, so lauten seine Definittonen, ist die Kunst, einige Dinge zu wissen und niemals etwas davon zu sagen, damit der ändere glaube, man wisse noch mehr. Sie ist die Fähigkeit, so lange um die Sache herumzureden, bis der andere darauf heracinsällt und von der Sache selbst zu sprechen anfängt. Die Gabe, schweigen zu können, auch wenn man nichts weiß(«ine sehr seltene Gabe). Es ist die Kunst. Vorteile zu erzielen(nämlich, wenn die Sache gut geht) und den Eindruck zu erwecken, man habe Zugeständnisse gemacht. Oder(wenn die Sache schief geht) das eigene Land glauben zu machen, daß man Vorteile erzielt habe, während man Zugeständnisse gemacht hat. Diplomatie ist eine sehr schwere Kunst: deshalb ist es so außerordentlich leicht, die Diplo- malen anzugreifen. Sie erfordert Leute mit viel Verstand, und es muß hinzugefügt werden, daß solche Leute tatsächlich bisweilen auch unter den Diplomaten vorkommen. Rcnnkicrfarmen. Der Plan des Polarforschers Vilhjalmur Stefansson , den Polarkreis mit Renntieren durch die Errichtung zahlreicher Farmen zu bevölkern, hat jetzt den ersten Schritt zu seiner Verwirklichung gemacht. Die erste Renntterherde aus Nor- wegen wurde glücklich auf der Bnfsininsel gelandet. Die Boffin- insel ist ein breites Gebiet der Arktts, die nördlich von der Hudson- sttahe liegt. Stefansson hatte bei seinen Fahrten beobachtet, daß die baumlosen Ebenen dieses Landes dicht mit Moosen und Flechten bedeckt sind. Da diese Pflanzen nun die natürliche Nah- rung des europäischen Renntiers sind, so meinte er, daß man diese günstigen Bedingungen von Baffinsland für die Renntierzucht aus- nutzen könne. Es wurde eine Hudsonbai-Renntiergefellschaft ge- gründet, die die Organisierung in Angriff nahm. Die ersten 550 Tiere, die in der Amadjuakbai der Vasfinsinsel ausgeschifft wurden, sind von mehreren Lappländerfamilien begleitet, die in der Pflege und Zucht der Renntiere erfahren sind. Gelingt es, die Renntiere in großen Mengen im Polarkreis anzusiedeln, so würde dadurch ein wichttgcr neuer Handelszweig geschaffen werden, denn die Tiere liefern ein vortreffliches Fleisch: ihre Felle sind sehr begehrt und sie liefern auch reiche Milchvorräte.
Die Kriegsgeschichte beS Reichsarchivs. Da? ReichSarchw itt Potsdam schicibt eine Geschichte deS großen Krieges. Der erste, die Vor- geschichte bchandelndc Band wird in diesem Jabre erscheinen, die nächsten Bände über den Vormarsch bis zur Marne und die Schlachten in Ostpreußen werden bald solgcn. „Das medizinische Vcrlin� nennt sich ein soeben im Verlage von S. Karger, Berlin , erschienene-, Büchlein, das von Dr. G. M a m l o ck lierauSgegeben Ist. Ein übersichtliches Adreßbuch über alle medizinischen Einrichtungen in Berlin , über die Kranlcnanstalten. Fürsorgestellen und sonstigen dygicnischen Einrichtungen ist nicht nur sür den Ärzt, sondern auch sür die Krankenkassen, Arbeiterorganisationen, WohIfahrtSvereinigungen «sw, notwendig. Der Führer zeigt auch, waS aus medizinischem und sozial- hygienischem Gebiete In Berlin geleistet wird. Di« ttriisfniülg der grossen Kunstanssttllnng am Lehrter Bahnhof crsolgt am W.Mai 1922. 11 Uhr vormittags. Der VergnügimgS-Park wird erst 2 Wochen später eröjjnct.