Nr. 20$ 39, �ahrgaag
Heilage öes Vorwärts
donnerstag, Sen 4. Mai 1922
Durch Groß'Serlin. Das Laudgebiet des Nordostens.— Der 18. Bezirk Weistensee.
v.*) »Wer die Reichshauptstadt über die Stelle des ehemaligen Känigstores nach Nordosten zu verläßt, und alsbald ländliche Stille oder dörfliche Ruhe zu finden hofil, irrt sich. Unaufhörlich geht der Wogenoerkehr auf und nieder. Zu gewisser Zeit, und namentlich nach Schluß der Werkstätten sind die Fußwege von Menschen über- sät. Man pilgert weiter, um das Ende dieses Treibens festzustellen. Und da zeigt sich denn den Blicken von übersichtlicher Ferne das ,.?orf" Weißsnsee mit feinem chausermeer und vielen Einwohnern." So schrieb vor etwa IS Jahren der Weißenseer Ehromst Alexander l�iortz und so ist es eigentlich auch bis auf den heutigen Tag ge- blieben, nur daß der Verkehr noch stärker ist als damals. Der Wagenocrkehr ist Durchgangsverkehr zu dem Weißenseer Industrie- viertel. Weißensee ist auch kein selbständiges Dorf mehr, sondern bildet mit den ehemals selbständigen Gemeinden chohenschön- Hausen, Malchow , Wartenberg und Fallenbcrg nebst den drei Gutsbezirken gleichen Namens den 18. Berliner Ver- waltungsbezirk und ist zugleich Sitz der Bezirksverwaltung. Der Bezirk hat außer Zehlendorf die geringste Einwohnerzahl aller Groß-Berliner Bezirke. Davon entfielen allein auf Weißens« rund 47 000. »Munizipalviertel". Betritt man die ehemals selbständige Gemeinde Weißensee , so gelangt man sogleich zum Antonplatz, von dem man die Gablerstraße entlangblickend aus einer sanften Anhöhe die imposante 1902 in märkischer tyotik mit Granitquadernunterbau errichtete evangelische Vcihanlenklrche erblickt, die, da sie in der Achse mehrerer sich bei- ihr kreuzender Straßen liegt, das Ortsbi'.d beherrscht. Einige Schritte. weiter gelangt man zu der nur von der Gemeinde mit Wohnhäusern i in einheitlichem Stil bebauten Tassostraßc und damit in den Bereich; eines kommunalen Unternehmens, das in Groß-Berlin einzig ist. Der Bezirk hat von �der Gemeinde 56 eigene bebaute Grundstücke und 22 Häuser übernommen, an denen er den Nießbrauch hat. Hinter der Tosso-, jenseits der Charlottenburger und Pistoriusstraße, aber gelangt man in das eigentliche kommunale, unter diesem Namen weit bekannt gewordene Weißenseer Munizipolviertel, dessen große Bedeutung darin besteht, daß der Architekt und ehemalige Gemeinde- baumeister Bühring die Möglichkeit gehabt Hot, eine Anzahl wichtiger kommunaler Gebäude aus einheitlichem Bauwillen in Stil und Gruppierung so hinzustellen, daß man daraus das Werden eines neuen im besten Sinne modernen Gemeinwesens spürt. So hat Bübring den Weißenseern außer einer ganzen Reihe von Wohn- böiilern folgende Bauten erstellt: Gemeindeturn- und Fcslholle mit vollkommener Bübne, Fcchtsaol, einem kleinen Bad, Kegelbahnen und Restaurant. Zur Rechten das schöne Ledigenheim mit Platz für 60 Insassen. Daran schließt sich an der Woelckpromenade eine fjöusergrvppe und leitet den Blick zu der den Hintergrund ab- schließenden langgestreckten Oberrealschule. In der Mitte aller dieser Gebäude liegt der hübsche Schwanenteich. Im Rücken des Beschauers befindet sich das interessant gestaltete üanalisationswcrk mit Isla- schinenhaus, dessen Schornstein der Architekt in höchst geschickter Weise zu verbergen verstanden hat. Alle Gebäude hat Bühring in dem viele Jahre verpönten niederdeutschen Backslein ausgeführt. Ferner ist da das gleichfalls von Bübring erbaute weißenseer Säug- linoskronkenhaus mit Poliklinik, Beratungsstelle und mit Aus- budungsanstall für Schwestern, das Plag für etwa 70 Säuglinge hat. Das Heim hat 33 eigene Kühe, eigene Diehwirtschaft und ist mit 200 Morgen Land ausgcstatet. Unmittelbar in seiner Nähe, aber auch in der Nähe einer noch reinen Natur, soll ein großer Volks- und Iugendspiel- und Sportplatz nebst einer Rodelbahn erstehen. Selbst an ein Freibad an einem bis heute heimlich im Wald ver- borgenen, kaum bekannten See wird gedacht. Außerdem besitzt Weißens« in dem Auguste-victoria-Ärankenhaus, das ehemals dem Vaterländischen Frauenverein gehörte, ein eigenes Krankenhaus. Unweit des Säuglingskrankenhauses liegt die neue Siedlung, die«ine Anzahl schlichter und solide gebauter Häuser aufweist, während sich in Hohenschönhausen gleichfalls eine Siedlung mit HolzlNothhäusern des Wohnungsverbandes befindet, deren Unzulänglichkeit für unser rauhes kaltes Klima sich leider erwiesen hat. Siehe auch Nr. 133. 145, 157 und 169 des„Vorwärts".
Weit bester haben sich sieben Kriegs-Lazarektbarackcn erwiesen, von denen man sechs umgebaut und damit 24 Notwohnungen geschaffen hat. Im Norden liegt das Industrieviertel mit den bekannten May- Filmwerken. 3m Umkreis öes Weißensees. Verfolgt man die genannte Wolck-Promenade, so kommt man an zwei neuen Verwaltungs- und Wohnhäusern vorbei zu dem eigentlichen Juwel des Ortes, nach dem er auch den Namen hat, dem Weißensee. Einstmals war der See mit einem hohen Zaun ver- sehen und dem Publikum verschlossen. Die Gemeinde erwarb den See für 3 Millionen Mark mit den angrenzenden Geländen und legte sofort rings um ihn eine öffentliche Promenade mit Parkanlagen an, die heute zu den schönsten im Nordosten Berlins gehören. Das ehemalige Schloß Weißensee, einstmals als Sternecker in der Gc- schichte des fröhlichen Berlin berühmt und in der Berliner Arbeiter-
Prunk am Grabe verschmäht. Jeder Tote hat einen ganz schlichten Stein und jeder Besucher legt statt eines Kranzes oder einer Blume einen Kieselstein auf den Hügel. Hier also auf diesem kleinen abge- legenen Friedhof ist eine der seltenen Stätten, an denen sich die lärmdurchtosie Gegenwart der Wellstadt mit einer viele tausend Jahre zurückliegenden Vergangenheit wahrnehmbor berühren. Nie- mand wird diese Totenstätte ohne ernstes Sinnen verlassen. » Wer diese„Ecke" Groß-Bcrlins nicht kennt, der wird überrascht gewesen sein, soviel kommunale Eigenart zu sehen. Es lohnt sich wirklich, eine Fahrt an den Weißensee und an den Oberense« in Hohenschönhausen zu unternehmen. Steht man hier draußen und richtet den Blick gen Westen, so sieht man in der Ferne die letzten, Häuserfronten Berlins vernebctn. Aber von ihnen nach hier draußen' gehen bereits Dutzende von Straßen über das Papier. Liegt doch z. B. das Säuglingskrankcnhaus heute schon an der Kniprodestraßc, die eines Tages von ihrem llrsprungsort am Friedrichshain bis noch Weißensee durchgeführt werden wird.
VjCh.' �==-' M _=4 � ix
schuft bekannt durch die Sommerfeste des V. Wahlbezirks, ist während des Krieges abgebrannt, soll aber wieder erstehen, und zwar als Mittelpunkt eines riesigen Bolkserholungs- und Vergnügungsparkes etwa im Stil des Kopenhagener Tivoli. Die Gemeinde verfügt auch über eine neue und moderne Seebade- und Schwimmanstalt, die jetzt verpachtet ist. Der Pächter muß täglich 70, während der ganzen Saison 12 000 Bäder an unbemittelte Kinder abgeben. Eine Anzahl breiter und schöner Straßen, die teilweise noch der Anlage harren — übrigens gibt es in Weißens« keine Straße, die ohne Bäume wäre—, leiten nach Hohenschönhausen mit dem Oranke- und Oberen- see hinüber. Auch diese beiden Seen sind Naturschäicheiten. Zln den Oberense« liegt ein reizvoller Gemeindepark, dessen 300 ver- schieden« ausländische Elehölz- und Pflanzenarten auch sehr gut zu Lehrzwecken für die Schuljugend benutzt werden können. Das eigentliche Dorf Hohenschönhausen mutet noch ganz dörflich an, und wenn man hindurch ist, merkt man, daß die Großstadt hier wirklich ein Ende hat. Gen Norden und Nordosten breitet sich weites Land aus, das aber zum Teil als Berliner Nieselfelder in der Malchower, Wartenberger und Falkenberger Gemarkung natürlich in Groß. Berlin einbezogen werden mußte. Das Sesonöere. Schließlich aber weist Weißens« noch vier Besonderheiten auf, die bemerkenswert find. Die erste ist der alle vierzehn Tage auf einem riesigen etwa 44 000 Quadratmeter großen Platz stattfindende Pserdemarkt, zu dem durchschnittlich 2000 Pferds auf- getrieben und 500 Wagen zum Verkauf geboten werden. Die zweite ist die große Anzahl„Landbrolbäckereien", die Berlin mit einem wohlschmeckenden Brot versehen. Um diese Betriebe mit Mehl zu beliefern, muß der Bezirk bei Hohenschönhausen ein Mehllager von unausgesetzt 9000 Sack gleich 18 000 Zentner gleich 1 800 000 Pfund Mehl unterholten. Die dritte Eigenart ist der machtige 1880 ange- legte und 133 Morgen große Friedhof der Berliner jüdischen Ge- meinde. Außerdem gibt es noch einen kleinen Friedhos der streng orthodoxen jüdischen Gemeinde Adas Tisroel, die allen Pomp und
Cht Hotelöirektoc als Schleichhänölec. Der Staatsanwalt beantragt 1 Million Mar? Geldstrafe. Gegen den Direktor des„Hotels Exzelslor, E ls ch» n e r, der Geschäftsführer der G. m. b. H. ist, sowie gegen sechs kauf- männifche Angestellte und Einkäufer des Hoiels hatte die Straf» kammer des Landgerichts i in zweitägiger Sitzung eine Anklage wegen Schleichhandels zu verhandeln. Es handelt sich um ! Vorgänge aus dem Jahre 1919 und 1920. Das Exzelsior- Hotel ist hekanntlich eines der größten Hotels, es umfaßt i 650 Betten und ed sind Hundertc von Angestellten dort beschäftigt. Die Anklage wirft den Angeklagten vor, daß sie in der schweren Er- nährungsnot jener Zeit, unbekümmert um die Bedrängnis des Volkes, in großen'. Umfange Schleichhandels waren, Milch, Zucker. Mehl, Fleisch usw. aufgekauft hoben, um die Bedürfnisse der Hotelgäste noch deren Wünschen befriedigen zu könne», was von den Angeklaglcn bestritten wurde. Der Sraars- anwalt beantragt« gegen E l s ch n e r, der der eigentliche Besitzer des Hotels und des größten Teils der Anteile sei. eine Geldstrafe in Höhe von 1 Million Mark, gegen die Angeklogien A h r e n e. Schrödel und Ahlburg je 20 000 M., gegen die Zlngeklagten Stein und Reetz je 5000 M., gegen den Mitangeklagten Hüb- ner Freisprechung.— Das Urteil lautet gegen Eljchner cuif ins- gesamt 60 000 M., gegen die übrigen Angeklagten je nach dem Maße ihrer Beteiligung auf Geldstrafen von 6000 M. bzw. 4000 M. bzn». 1500 M. Der Angeklagle H ü b n e r wurde freigesprochen. Schuwerfäumnis als Notwehrakt. Eine Verurteilung der alten Tchullefebüchcr. Bor dem Landgericht I Berlin (Strafkammer 7 unter Land- gerickstsdirektor Voigt) mußte der Präparator L ö h r sich wegen Schul Versäumnis seines Sohnes verantworten, den er im Herbst 1921 einige Zeit dem Unterricht ferngehalten hatte, um ihn kirchlicher und monarchistischer Bccinslussung zu entziehen. Der damals dreizehnjährige Knabe, der als schwachbegabies Kind die Hilfsschule in der Plantagcnstrage be- suchte, nahm nicht am Religionsunterricht teil, aber aus manchem konnte der Vater schließen, daß die Lehrerin Rocdsch auch in an- deren Lehrstunden religiöse Stoffe behandelte. Dieselbe Lehrerin wählte im Deutschunterricht ans dem vor der Revolutiop cinge» führten und noch jetzt gebrauchten Lesebuch verschiedene von monar» chistischem Geist erfüllt« Stücke, ließ sie von den Kindern lesen und benutzte zu einer grammatischen Ucbungsarbeit ausgerechnet die i n Hohenzollern Verherrlichung schwelgende Schil- � derung einer Parade. In einer aufsatzähnlichen Uebung des Knaben fand der Bater den 1921 doch wohl nicht mehr zeitgemäßen Unsinn„Sachsen ist ein Königrei ch", den er aus den Ein- fluß der monarchistisch gesinnten Lehrerin zurückführte. Löhr mel» dete brieflich dem Rektor, daß er seinen Sohn ejnem solchen Unter- richt entziehen werde, behielt ihn dann tatsächlich zu Hause und bekam darauf einen Strafbesehl von 15 M., den das von ihm um Entscheidung ersuchte Schöffengericht Bsrlin-Mitt« sogar in 100 M. Geld strafe umwandelte, lieber die von ihm singe- legte Berufung hatte jetzt das Landgericht zu entscheiden. Die im 60. Lebensjahre stehende Lehrerin Raedsch gab in ihrer Zeugenaussage zu, daß sie im Deutschunterricht Stücks über die Mächt des Gebetes, über das Mausoleum,
4i]
Die Mach! der Lüge. Roman von Johann Bojer.
Hätte er es doch von vornherein zugegeben, wenigstens ihr gegenüber! Aber jetzt?— Ihr Bater hatte recht. — Ihr Vater! — Das alles kam wie eine fürchterliche Finsternis über sie. Plötzlich stand sie auf und ging schnell weiter. Sie mußte iwch, ehe es dunkel wurde, zu deu Kindern kommen. Wenn es dunkel war, wagte sie mcht. alleine draußen zu sein. — Der hübsche Wagen fuhr durch die Norbyer Allee. Die beiden Töchter saßen auf dem Rücksitz, deu Eltern gegenüber, und Einar vorne auf dem Bock beim Kutscher. Einar war ganz unerwartet nach Hause gekommen. Denn an dem Abend, als er zur Buvikalm herübergerudert war, hatte er eine große Enltäuschug erlebt. Am selben Tage war die Tochter des Doktors wieder nach Hause gereift. Seitdem war Einar das Gebirge unerträglich. Auf den Spaziergängen in den Bergen half es nun nichts mehr, zur Buvikalm hinüberzusehen und die Schande, vor der er hier- her geflohen war,— die sah er jetzt überall. Aber die Sehn- sucht nach diesem jungen Weibe wurde darum nur größer denn je. Und so packte er alles zusammen und zog wieder hinunter. Er nnißte sie wiedersehen, mußte Gewißheit haben, ob sie ihn gern habe. Aber als er wieder zu Haufe war, kam eine wunderbare Ruhe über ihn. Das gute Gewissen aller anderen zu Hause steckte ihn an, und er mußte sich darüber freuen, daß alle Widerwärtigkeiten, die seine Eltern durchgemacht hatten, jetzt mit diesem Fest wieder gut gemacht wurden. Jetzt mußte er endlich auch mit seinem häßlichen Mißtrauen aufhören. So sitzt er jetzt auf dem Bock und schaut auf die vielen Wagen, die zum flaggengeschmückten Gemeindehaus hinrollten. Ob sie wohl heute abend auch dort ist? Marit Rorby sah schön aus, wie sie in ihrem hellen Stroh- Hut und seidenen Kleid im Wagen saß und sich etwas zu ihrem Mann neigte. Aber Knut war durchaus nicht so vergnügt. Denn je sicherer und sicherer er sich in seinem guten Recht fühlte, um so gleichgültiger war Ihm auch die Meinung der Gemeinde geworden. Das fehlte nur noch, daß die Leute nun all den Aufwand machten, weil sie ihn bedauerten. Da hätte
er schon Lust, sie über ihren Irrtum aufzuklären. Ihm fehlte weiter nichts. Wenn aber doch ein seines Lächeln um seine Mundwinkel lag. je mehr Wagen sie vor dem Festhause vorfahren sahen,— dann war das, weil er an Mads Herluffen dachte. Kam er heute? Oder saß er zu Hause und maulte— dann hätte er ihn wohl sehen wollen. Während sie auf den Hof des Gemeindehauses einbogen. sah Einar des Doktors Gig zurückfahren. In dem war nur für zweie Platz. Für den Doktor und seine Frau. Sie war also nicht mitgekommen. Auf diesen Abend hatte er Tag und Räch so gespannt ge- wartet darum war seine Enttäuschung jetzt so groß, daß er einen Augenblick jede Lust verlor, hineinzugehen, lind etwas erwachte in ihm und rüttelte ihn und sagte:„Was willst du jetzt tun, Einar?" Auf der Vortreppe zwischen zwei Fahnen standen der Amtmann und Frau Thora von Lidarende, um die Ehrengäste zu empfangen. Und langsam folgte Einar die Treppe hinauf. Aber Laura, die heute zum erstenmal ein hcllseidcnes Kleid anhatte, errötete plötzlich, denn sie bemerkte im Flur einen bartlosen, jungen Mann, der sie wieder ansah. Das war der Sohn des Amtmannes, der gerade Forstkandidat geworden war.—„Bekomm' ich den zu Tisch?" dachte sie und ihr Herz klopfte. — Die einzige Bewohnerin des Gemeindehauses war die Hebamme, die ein paar Zimmer in dem einen Flügel batte. Und hier wirtschaftete jetzt die Pastorin mit einer Schar- Mädchen, um das Essen fertigzumachen. Die Pastorin war wütend und verzweifelt, weil das Bahnhofshotel, von dem das Essen kam, vergessen batte, die Sauce zum Braten mitzuschicken. Und jetzt kam ein Mädchen und erzählte, daß Rorbys schon gekommen seien, und daß man anfange, sich zu Tisch zu setzen. „Wer hat sie gebeten sich hinzusetzen?" fauchte die Pastorin.„Ein nettes Festkomitee!"— Und sie eilte zum Telephon und klingelte wie verrückt:„Hallo! Ist nun endlich die Sauce unterwegs?" 25. Beim Eintreten in den Saal merkte Rorby sofort, daß Her- luffen nicht da war Aber alle Beamten waren gekommen, und kaum zeigte er sich, da eilten sie von allen Seiten, ihn zu begrüßen. Es war ein großer, lustiger Saal. Die sinkende Sonne
fiel durch die hohen Fenster, die zum See gingen, und bildeta so drei breite Lichtstreifen auf dem Boden, so daß die festlich gekleidete Menge sich bald im Dunkeln, bald im Hellen befand. Das Gespräch war in vollem Gange, und von draußen klang das Peitschenknallen, es fuhren immer neue Wagen vor und rollten leer wieder zurück. Die befrackten Hofbesitzer hielten sich vorsichtig an den Wänden entlang und schielten zu dem langen, blumenge» schmückten Tisch, und zwischen ihnen spazierte der Besitzer des Sägewerkes umher mit seinem dicken Bauch, auf dem die goldene Kette baumelte. Er lachte lärmend, und sein rotes Gesicht leuchtete. Denn als er gehört hatte, daß man Gefahr lief, hier nur Fruchtwein zu bekommen, hatte er vorm Weg- fahren von zu Hause noch tüchtig vorgesorgt.„Meine Damen und Herren," sagte er und fuchtelte mit der Hand,—„ich vermisse hier noch die richtige Feststimmung!" Der dicke Amtsrichter mit dem silberweißen Haar und Bart nahm Rorby unterm Arm und zeigte ihm die Wände. Die waren mit Fahnen und Laubgirlandcn geschmückt, und hier und da hatte man— in Ermangelung von Wappen— altes schönes Hausgerät hingehängt. Da waren bemalte und geschnitzte Zäume, Kumte, Kellen und bauchige Bierkrüge, mit goldenen Blumen bemalt. Frau Thora von Lidarende hatte die ersten Anfänge eines Gemeindemuseums gestiftet. „Sehen Sie doch." sagte der Slmtsrichter mit einem ge- mütlichen Lachen. „Ist das nicht schön?" Das Laub ist die norwegische Ratur, die Fahnen die Freiheit, und nordische Kultur— alles andere! Das paßt doch hübsch zusammen." „Ja, das ist recht hübsch," sagte Rorby und gäbute leicht. Plötzlich fühlte Rorby, wie ihm jemand ant Rockschöße zupfte, und als er sich umdrehte, standen zwei alte Bekonnte hinter ihm und lächelten ihn vorsichtig an, es waren zwei Hof- befitzer oben aus dem Gebirge, die während des Schwurgerichts Geschworene gewesen waren. „Rein, seid ihr so weit hergekommen!" sagte Rorby und schüttelte ihnen die Hände. Sie erzählten, Wangen stecke wohl wieder hinter einem neuen Zeitungsartikel, in dem die Geschworenen beschuldigt würden, parteilich zu sein. Und als sie dies gelesen hätten, seien sie so böse geworden, daß... daß sie die Zähne zu» sammengebisfen hätten und hergercist wären zum Fest. Und nun wurde Rorby zu Tisch geführt. (Fortsetzung folgt.)