Nr.212ZH. Jahrgang
HeilagZ des Vorwärts
Sonnabenö, Ken S. Mai 1922
Sonntägliche wanöerziele.
Zum Sxerenberger Gipsberg. Vom Potsdamer Ringbahnhof fahren wir mit dem Vorortzug bis Zossen . Das Städlchen liegt links vom Bahnhof, am Rotte- kanal. der vom Mellensee im Süden nach Königswusterhausen geht. Ursprünglich gehörte die Herrschaft Zossen zur Niederlausitz , erst 140Ö kam sie an Brandenburg . Von dem alten Schloß sind noch einige Ueberreste vorhanden: sie liegen am rechten Ufer des Rotte- kanals. Auf per Chaussee wandern wir durch Felder und Riede- rungen, zuletzt durch Nadelwald zum Dorf Mellen, am Nordende des Mellensees. Durch das Dorf hindurch geht es über den Rotte- konai, der hier den See verläßt, und zur ehemaligen Militäreisen- bahn. Diesseits der Dahn wenden wir uns links und hoben bald die Chaussee erreicht, die uns in der Nähe des Mellensees und der Äiausdorfer Ziegeleien vorüber nach K l a u s d o r f bringt. Von hier kommen wir rechts an den K5 Meter hohen(28 Meter über dem Spiegel des Mellensees) Spitzbergen vorbei und durch die � Sperenberger Heide nach S p e r e n b er g, das durch das Gips- vorkommen in der Nähe seit langer Zeit bedeutungsvoll ist. Wir befinden uns hier an einem der wenigen Punkte des nord- deutschen Tieflands, wo ein erdgeschichtlich altes Gestein als sester Fels die lockere Decke der jüngeren Ablagerungen durchdringt. Um den Gips zu gewinnen, wird der Felsen angebohrt und gesprengt. Alsdann werden die Blöcke mit der Spitzhacke zerkleinert und kommen in die Wasch- und Sortiertrommeln. Hier wird das Gipsgestein von den fremden Beimengungen, Erde, Lehm usw. befreit und nach Größe sortiert. Darauf wird der nicht sogleich gebrauchte Gips durch eine Seilbahn auf die Halde befördert, von wo er später nach Be- darf abgefahren wird. Der übrige Gips kommt durch eine andere Seilbahn in die am Bahnhof Spcrcnberg gelegene Fabrik, um hier verarbeitet zu werden. In der Gipsfabrit wird der Gips zunächst zu Pulver zerkleinert und wandert dann in die Kocher, wo bei 180 Grad Wärme der größte Teil des Wassers entweicht. Aus dem Kocher kommt der Gips in den Kühlraum und dann in Feinmühlen, die ihn zu ganz feinem Pulver zermahlsn. Alsdann wird er in Säcke verpackt und ist nun zum Versand fertig. Die Gipsbrüche liegen am Norduser des Krummen Sees. In den See mündet die 300 Meter lange Röhrenleitung, die das schmutzige Abflußwasser aus der Gipswäsche fortschafft. An der Mündungsstelle hat sich der feine Schutt zw einem mächtigen Delta abgelagert, das sich weit in den See vorschiebt. Die aus einem Bohrloch im Gipsbruch ent- springende Salzquelle fließt ebenfalls in den Krummen See, besten Master dadurch stark salzhaltig geworden ist. Durch das Dorf Sperenberg wandern wir zum Bahnhof. Der- schiedene Häuser des Dorfs sind aus Gipssteinen erbaut. Der Gips wird in den Gegenden, wo er„ansteht", häufig als Baustein ver- wandt: er ist ober gegen die Witterungseinflüste nicht sehr be- ständig. Von Sperenberg fahren wir nach Zossen und von hier mit der Vorortbahn nach Berlin zurück. Zeitdauer(ohne Besichtigung) 4 Stunden. Durch die Spanöauer§orst. Wir beginnen unsere Wanderung in Spandau . Vom Haupt- bahnhof kommen wir über den Stresowplatz zur Charlottenbrücke. Stromaufwärts sehen wir den Zusammenfluß von Spree und Havel . Durch die Charlotten- und Breitestraße gelangen wir zum Markt mit dem alten Rathaus. Das neue Rathaus, von 1910 bis 1913 erbaut, liegt links, am Ende der Potsdamer Straße . Wir gehen rechts durch die Potsdamer Straße zur Nikolaikirche, die wohl das älteste Bauwerk Spandaus ist und aus dem 14. Jahrhundert stammt. Durch die Havelstraße und den Behnitz wird die Schleuse erreicht. Jenseits liegt die Zitadelle mit dem Iuliusturm. Die Reuendorfer und Schönwalder Straße bringt uns zum Fehrbclliner Tor. Weiter zum Stadtpark und zur Kleinbahn nach Bötzow. 5)ier liegt das Johannes-Stift, ein Erziehungsheim, das sich bis 1910 in
Plötzsnsee befand. Wir folgen jetzt der Schönwalder Chaustse durch die schöne Spandauer Stadtforst. Am Ende der Forst führt die Steinerne Brücke über den Niederneuendorfer Kanal, der sich durch das Ihavelluch hinzieht. Jenseits des Kanals kommen wir so- gleich wieder in den Wald und haben in kurzer Zeit den Schwanen- k r u g erreicht. Nachdem uns die Chaustee über eine schmale Niederung geführt hat, verlassen wir sie am Waldrand nach rechts und sind nach kurzer Wanderung in Schönwalde . Vor der Kirche wenden wir uns rechts auf der Straße nach Bötzow zum Dorf hinaus. Durch Wiese und Wald führt der Weg, bis wir nach etwa SO Minuten den Rand einer weiten Niederung erreichen, auf deren jenseitigem User Bötzow liegt. Hier oerlasten wir die Chaustee nach.rechts auf dem Jungfern- Damm, der uns über die Spandau -Bötzower Kleinbahn zur Block- brücke bringt, die über den Muhrgraben führt. Rechts liegt Forst- Haus B l o ck b r ü ck. Der Weg führt weiter durch die Forst Falken- Hagen. Bald haben wir Hennigsdorf erreicht, von wo aus wir die Rückfahrt über Tegel nach Berlin antreten. Zeitdauer(ohne Auf- enthalt in Spandau ) etwa S Stunden.
Wie wind das Sonntagswetter?
Nach außerordentlich starten Repgng&ssen, mit denen am Anfang dieser Woche ein großes Tiefdruckgebiet das Deutsohe Reich von Süden nach Norden durchzog, klärte sich das Wetter uwischen Dienstag und Mittwoch früh in vielen Gegenden auf, aber schon im Laufe des Mittwochs drang ein noch umfangreicheres Tief vom Atlantischen Ozean nach der schottischen Westküste, dann langsam weiter nordostwärts vor. Bei seiner Annäherung traten in ganz Deutschland etwas mildere Südwestwinde und westlich der Elbe in der Nacht zum Donnerstag neue Regenfälle ein, die sich am Tage weiter ostwärts fortpflanzten. Am Freitag morgen lag das atlantische Tiefdruckgebiet, in dessen Mitte das Barometer bis auf 740 mm gesunken war, zwischen den Öhettlands und Faröern. An seiner Südseite bildete sich ein kleines Teiltief aus, das mittags durch Deutschland hindurcheilte. In seiner Bogleitung fanden in Berlin und vielen anderen Orten Gewitter und heftige Regen— oder Hagelschauer statt. Jetzt scheint ein in Südwest und Mitteleuropa befindliches Hochdruckgebiet etwas weiter nach Norden vorzudringen. Vermutlich werden sich aber in England und auf der Nordsee weitere Teiltiefe entwickeln und rasch hinter einander nordostwärts oder ostnordostwärts weiterziehen. Bei ziemlich frischen ztviischen Kildtvest und Vordivost Nchtvunkcnden Winden hnhen tvir daher für Sonnabend und Monntas:' noch mehrmaligen Wccfaael zwiMchen Kegeneichaaern und j�onnenischein zn erwarten, wobei die Temperatur zunüclist etwas•inlcen, später wieder iung-sam steigen dürfte.
Serliner Haushaltplan für 1�20. Das erste Rechnungsjahr der neuen Stadtgemeinde. Das Ergebnis des ersten Rechnungsjahres des einheitlichen Berlin ist nach gründlicher Durcharbeitung nunmehr fest- gestellt worden. Es weift, wie aus der vom Magistrat zugegangenen Mitteilung ersichtlich ist, erhebliche Fehlbeträge auf. Der Gefamtbaushaliplan für 1920 konnte erst am Schlüsse dieses Rechnungsjahres auf Grund der Voranschläge, die die Einzel- gemeinden nach ihren bisherigen Grundsätzen aufgestellt hatten, und nach denen die bisherigen Gemeindevorstände die Verwaltung noch während des größten Teils des Jahres(über den 1. Oktober 1920 hinaus) geführt hatten, festgestellt werden. Dementsprechend zeigen die Rechnungsabschlüsse der früheren Gemeindekassen zahlreiche Ver- schiedenheiten nicht nur in bezug auf die äußere Form, sondern auch grundsätzlicher Art. Sie mußten daher, um ein möglichst gleich- mäßiges Abschlußergebnis zu erzielen, nachträglich nach ein- heitlichen Gesichtspunkten umgestaltet werden. Der vorläufige Abschluß entspricht im Endergebnis dem damals er- mittelten, der einen ungedeckten Fehlbetrag von rund 4 0 0 Millionen ergab. Die zentralistcrten Werke werden im ganzen um 13,02 Millionen ungünstiger abschließen(günsti- g e r. Gas 41,50, Wasser 0,49, Elektrizität 16,56, Forsten 1,95; ungünstiger: Kanalisation und Güter 10,86, Vieh- und Schiacht- Höfe 6,24, Höfen 2,12, Straßenbahnen 51,38, Schnellhahnen 2,78, Anschaffungsamt 0,14). Bei den Steuern sind 36,57 Millionen mehr zu erwarten. Der Rest entfällt auf die Kämmereiverwal- tungen und die nichtzentralisierten Werke. Man lacht auf dem Soulevarö... Bestrafung eines anlifemikischen Verleumders. Die Beleidigung eines Vertreters des Aus- wärtigen Amtes in Paris führte den Redakteur Jobs Zimmermann gestern vor die Strafkammer des Landgerichts l. Die Anklage bezog sich auf einen Artikel des„Deutschen Abend- blattes" unter der Ueberschrift:„He rr Seliger reist, man lachtaufdemBoulevard." Der beleidigte Leiter einer Unterabteilung des Auswärtigen Amtes ist mit dem Titel„Gesandter mtd bevollmächtigter Minister" damit betraut, bei Verhandlungen über die Aussübrunq bestimmter Festsetzungen des Dersailler Friedensvertrages das Auswärtige Amt zu vertreten und hat daher wiederholt Reisen nach Paris zu unternehmen. Er nimmt dazu Sekretärinnen und eine Dol- metscherin mit. In dem Artikel wurde sein Auftreten in� Paris kritisiert: es wurde erzählt, daß er einen Stab von 4 Sekretärinnen mitnehme, die dafür sorgen, daß der Frohsinn in seinen Räumen nicht aussterbe. Es wird glossiert, daß ein Vertreter des Deutschen Reiche? ausgerechnet im„Hotel Jena" Quartier nehme: dort werde stets ein Salon für ihn bereitgestellt mit einem Schtofzimmer rechts und einem solchen links. In dem einen schlafe Herr Seliger und in dem anderen seine Sekretärin. Es fei bedauerlich, daß auf solche Weise Deutsch - land im Auslande der Lächerlichkeit ausgesetzt werde.— Der Beleidigte war gestern früh einsge Stunden vor dem Termin aus Paris hier angekommen, um unter seinem Eide Zeugnis für d'e Unrichtigkeit der beleidigenden Behauptungen abzulegen. �Er meinte, der Verfasser fei wohl durch den Namen„Seliger" irrtüm- lichsrweife zu der Meinung gekommen, daß er jüdischer Her- kunft sei: der Artikel sei nach seiner Meinung aus antisemi« tischer Tendenz geschrieben. Das Quartier im„Hotel Jena" wurde nicht von ihm gemietet, sondern von seiner vorgesetzten Be- Hörde. Es sei ein sehr großes Hotel, aus mehreren Gebäuden bet stehend und sehr voll. Ein anderes Arrangement, um die Sekretärw in der Nähe zu haben, sei nicht möglich gewesen. Er versichere unter seinem Eide, daß er mit seinen Sekretärinnen niemals in einen unerlaubten Verkehr mit unreinem oder schmutzigem Beigeschmack getreten sei. Er weise es entschieden zurück', daß er sich bei seinem Zlustreten in der Reparotions- kommission oder sonst lächerlich gemacht und dadurch Deutschland geschädigt habe. Staatsanwaltschaftsrat Dr. V u r ch a r d t ging davon aus. daß der Artikel aus der antisemitischen Tendenz des Blattes zu erklären sei. Es handle sich um eine schwere B c- leidigung eines Vertreters des Deutschen Reiches
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Die Macht der Lüge. Roman von Johann Dojer.
Allmählich war es dunkel geworden, daß die großen Hängelampen über dem Tisch angezündet werden mußten. Und obwohl es nur Fruchtwein gab, war die Stimmung doch hoch gestiegen, und die meisten Köpfe leuchteten rot im Lampen- schein, das Gespräch wurde lebhaft, Gelächter erdröhnte. Die beiden Geschworenen saßen ganz unten am Tisch, und jetzt sagte der eine vorsichtig zum anderen:„Ist es wohl nicht mehr Brauch, daß man den Ehrengast durch den Saal trägt?" „Wir wollen abwarten," meinte der andere vorsichtig. „Wie nannten wir dach den Norby damals auf der land- wirtschaftlichen Schule?" „Dicker!" sagte der andere, und nahm heimlich einen Knochen in die Hand. Der erste sing an zu kichern. Es war so lustig, daß sie ein- mal mit Norby gute Kameraden gewesen waren und ihn den Dicken genannt hatten. Als jetzt Norby an sein Glas schlug, wurde alles still. Er erhob sich mit etwas rotem Kopf und blickte erst auf Marit und dann über die Versammlung. Seine Stimme klang be» legt, als er sagte:„Ich möchte für mich und meine Frau Dank sagen. Und dann möchte ich euch bitten, ein Glas auf die zu trinken, an die ich heute abend besonders denken muß, unsere Geschworenen!" Und beim Anstoßen rief Frau Thora be- geistert:„Es leben die Geschworenen, es lebe unsere Gerichts- barkeitl" Das fand großen Beifall, und der Sägemüller leitete auch jetzt die Begeisterung mit seinem hipp, hipp, Hurra. Und gleich darauf stand der eine der Geschworenen auf und sagte: „Komm', jetzt nehmen wir ihn!" „Ach, laß uns noch warten," schlug der andere vor.„Nein," sagte der erste—„wir wollen den Leuten zeigen, daß wir uns um Wangens Beschuldigung, wegen der Parteilichkest, nicht kümmern." Da stand auch der andere auf, und sie schlichen sich beide hin zu Norby, um ihn auf ihre Anne zu nehmen. Erst leistete der Alte energisch Widerstand. Aber als der eine der Ge- fchworenen sagte:„Komm, Dicker!" da kamen ihm die alten Erinnerungen, und er lachte und gab nach. Die Versammlung jubelte, als er herumgetragen wurde. Nachdem er wohlbe- aalten wieder an seinem Platz angekommen war, erhob sich Frau Thora und sagte zu einer jungen Bauersfrau:„Jetzt kommt Frau Norby dran!" Und sie eilten hin und trugen Marit auf den Armen, und die Stimmung stieg immer höher.
Aber dem Sägcmüller ging es schließlich kläglich. Wäh- rend die Stimmung der anderen beim Essen und Frucht- champagner stieg, fühlte er sich immer flauer, und er flüsterte dem Amtsrichter zu:„Glauben Sie nicht, daß wir wenigstens zum Kaffee etwas Ordentliches bekommen?" Der Amtsrichter schüttelte den Kopf, und der Sägemüller stieß einen tiefen Seufzer aus und trocknete sich den Schweiß von der Stirn. „Du," sagte Norby zu seiner Frau—„ist es nicht merk- würdig, daß Herluffen nicht hier ist?" „Schlingel," flüsterte Marit und mußte lachen. Auch Norby gluckste vor Lachen. Neue Redner traten auf, am besten sptach ein junger Schullehrer aufs Vaterland. Danach sangen sie stehend mehr- stimmig die Volkshymne. Und endlich erhob sich auch Pastor Borring. Er wußte, daß alle eine Rede von ihm erwarteteen. Obgleich er sein Erscheinen wohl erwogen hatte, fühlte er sich seltsam beklommen— Nachdem Wangen dem Gericht einen gefälschten Brief vorgelegt hatte, war er freilich überzeugt, daß seine erste Annahme die richtige gewesen war, und Lars Klevens Beichte nur die fixe Idee ienes Sterbenden. Und doch konnte er nicht anders, er mußte immerfort an Wangen denken, und zu aller Verwunderung begann er jetzt von ihm zu sprechen. Er bat die Versammlung, auch dem unglücklichen Schul- digen einen mitleidigen Gedanken zu senden. Heute abend war hier mit Recht gesagt worden, nian müsse um jeden Un- schuldigen einen Ring bilden. Schön! Aber laßt uns gleich- zeitig— wenn auch nur im Geiste— auch um den einen Ring bilden, der schuldig ist. Er vor allem bedarf der Aufrichtung und Hilfe. Und seine Frau... Aber hier konnte der Pastor nicht weiter. Er setzte sich. Vielen standen die Tränen in den Augen. Und von neuem gab es eine Ueberraschung, als Norby an sein Glas schlug und aufstand:„Ich schlage vor," sagte er— „daß wir eine Sammelliste für Frau Wangen auslegen. Ich werde nach schwachen Kräften das meine beitragen! Wir müssen bedenken, daß sie völlig mittellos und mit drei Kindern zurückgeblieben ist!" Als er sich gesetzt hatte, entstand eine Pause. Mehrere. blickten sich an, als wollten sie sagen:„Es ist und bleibt doch etwas Besonderes!" 26. Man war mit dem Nachtisch fertig, der Kasiee kam, und bald plauderte man unter Rauchwolken. „Wissen Sie Herr Amtsrichter," sagte Frau Thora zu ihrem Tischherrn—'„wem Norby ähnlich sieht?"
Der Richter blickte auf ihn, die Zigarette im Mund und antwortete:„Nein— doch, das heißt.. „Sehen Sie denn nicht die Aehnlichkeit mit Garibaldi?" „Doch, wirklich, Sie haben recht," sagte der Amtsrichter. Und an der ganzen Tafel drehte, sich das lebhafte Gespräch ausschließlich um Norby. Das kam ganz von selbst. Zwei Landwirte erzählten von dem letzten Aufenthalt des Königs in dieser Gegend. Da sei Norby ganz ruhig auf ihn zuge- gangen, habe ihm die Hand gereicht und ihn hier in der Ge- meinde willkommen geweißen. Einar mußte der Frau des Amtmannes von seiner Großmutter erzählen. Jngeborg wurde über ihre Mutter ausgefragt, der Amtsrichter pries Norby als vorzüglichen Bostonspieler. Der Vorsteher einer Landgesell- schaft erzählte von einer Landaufteilungssache, bei der Norby Obmann gewesen, und berichtete, wie gut er den Leuten zu- zureden verstand. Der Arzt sprach über Norbys Kopfform und namentlich über die rassige Stirn.— Sein Lob war in aller Munde, jeder grub aus der Erinnerung kleine sympathische Züge hervor und erzählte sie.— Es war, als würde der Alte dort immer höher und höher gehoben, getragen von all dem, was heute abend hier geweint, gesungen, gesprochen und ge- fühlt worden: er schwebte sozusagen in einer goldenen Wolke von Sympathie und Bewunderung. Nur Einar war durch die Rede des Pfarrers ganz er- nüchtert worden, und viele Fragen durcheinander stiegen in ihm auf. Durch all diese verklärenden Wolken um diesen Tisch warf er den Blick auf— etwas anderes. Die besten Empfindungen und Ideale all dieser Menschen waren heute hier, um seinem Vater zu huldigen. Er wagte nicht mehr, darüber nachzudenken, ob der Vater schuldig sei oder nicht. Aber, gesetzt den Fall... Sind denn die heilig- sten Gefühle und Ideale der Menschen vollständig blind, können sie ebensogut zur Verherrlichung eines Verbreckens, einer groben Lüge herhalten...! Ist es wirklich so? Nein, das darf es nicht... Gab es keine Sicherheit mehr, wenn erst des Herzens volle Wärme die Reden der Menschen durchglühte, daß die Augen feucht wurden und die Stimmen vor Bewegung zitterten— war das so? Das durfte nicht sein. Aber wenn doch... konnten sich die Menschen nicht da- mit entschuldigen, daß sie in gutem Glauben wären? Denn Tatsache blieb doch Tatsache— wenn sie den Verbrecher be- kränzten und den Unschuldigen ins Gefängnis warfen, dann wurde ja der gute Glauben zum fürchterlichsten von allem. Denn der beging seine Untaten mit göttlich gutem Gewissen, und alle streckten die Waffen, wenn er kam.— War es nicht so...? ..(Schluß folgt.)