Die Heamtenbesolöungsorünung. Der Reichsrat nahm in einer öffentlichen Sitzung am Dienstag abend den Ergänzungsetat mit der Neuordnung der Leamtenbcsoldungen unverändert an. Das Beamtenrätegesetz in Gefahr. In der Fortsetzung der Beratung des Beamtenrätegesetzes im Beamtenausschutz des Reichstages wurde der sozialdemokratische Antrag abgelehnt, welcher den Beamten das Mitbestimmungsrecht in allen Fragen des persönlichen Dienstverhältnisses sichern und ihnen ferner dieselben Rechte übertragen wollte, welche den Ar. beitern im Betriebsrätcgesetz gegeben sind. Sämtliche Berbesserungs- antrüge der Linksparteien wurden abgelehnt. Bei der Abstimmung über Z 33 standen sich 14 Mitglieder der Linksparteien und Demo- kraten und 14 Mitglieder des Ausschusses von Deutschnationalen bi» Zentrum gegenüber, so daß nicht nur sämtliche Berbesserungsan- träge der Linksparteien und Demokraten, sondern auch die Anträge der Rechtsparteien und die Regierungsvorlage selbst abgelehnt wurden. Dies geschah auch bei(j 34, so daß in der gegen- wärtigen Fassung des Gesetzentwurfes ein Mitbestimmungsrecht der Beamten weder generell noch w einzelnen Fragen vorgesehen wird. Auch die Punkte, über die der Beamtenausschuß nach der Vorlage gutachtlich zu hören ist, wurden gestrichen. Es soll versucht werden, durch interne Besprechungen eine Eini- gung über diese überaus strittigen Punkte herbeizuführen. Der 8 3S, welcher von j)inzuziehung von Beamtenvertretern bei den Prüfungen der Beamten handelt, wurde in der Fassung der Re- gierungsvorlage angenommen. Ein Verbesserungsantrag unserer Genossen wurde abgelehnt. Don den beiden zurückgestellten Para- graphen 28 und 2S wurde der§ 29 wiederum mit 14 gegen 14 Stimmen gestrichen, weil eine Einigung nicht zu erzielen war. Da- gegen wurde der§ 28 mit 14 gegen 13 Stimmen angenommen, der besagt, daß alle zur Erledigung der Aufgaben des Beamtenrat» notwendigen Schriftstücke und Verfügungen ihm vorzulegen sind und ihm auch Einblick tn Gesetze, Verordnungen und Akten zu ge- währen ist.— in Personalakten allerdings nur mit Zu st im- mung des betreffenden Beamten.
Besprechung ües Auckerwuchers. Im chauptausschuß des Reichstags werden jetzt eingehend unsere Nahrungsmittelnot und der Lebensmittelwucher erörtert. Bei der Beiprcchung der Zuckerbewirtschaftung wie, Genosie choch auf die Riesengewinn« der Zuckersabritanten hin und sagte, daß es sich hier um«in streng monopolisierte, Gewerbe handle, das auch eine Zwangswirtschaft darstelle, die allerdings den Zweck habe, die Preise Hochzuhalten und das Volk auszubeuten, um beispielslose Gewinne zu erzielen. Eine deutschnotionale Anfrage beantwortete Staatssekretär cheinrlci dahin, daß ein« Zuckerliefe. rung an die Entente nicht erfolgt sei. Ob eine Einfuhr von Zucker zugelasien werden könne, bilde den Gegenstand augenblick- licher Erwägungen. Abg. Zapf(D. Dp.) wandte sich gegen den sozialdemokratischen Antrag auf Wiedereinführung der Zwangs- Wirtschaft, die nur die heutigen unzulänglichen Zustände ins End- lose verlängern würde. In der Abstimmung wurde u. a. ein An- trag angenommen, der besagt, daß eine Setreideumlage in der bis- berigen Form nicht möglich fei, da sie die'notwendige Vermehrunng der landwirtschaftlichen Erzeugunng gefährde. Zur Sicherung der Versorgung des Volkes mit Brotgetreide müsie die rechtzeitige Sichersiellung einer genügenden Drolreferve unter Der- billigung des Brotpreifes für Minderbemittelte verlangt werden. Eine andere Resolution, die den Abschluß von Prioatiirferungsverträgen in Kartoffeln zwischen Erzeuger und Verbraucher durch Vermittlung der Reichsregierung fordert, wurde angenommen. Genosse Braun über die politischen TageSfragen. Im chauptausschuß des Landtages wurde gestern der Etat des Staatsministerium» beraten. Der Ministerpräsident Genosse Braun führte dazu aus, daß er den Mangel an Verantwortlichkeitsgefühl niancher Produzenten- und chändlerkretfe verurteile, der ein gut Teil Schuld an der Teuerung trage. Er stellte weiter die von kommu»
Die hohenzollern und Fichte. Die Veröffentlichungen des ehe- maligen Kronprinzen sollte man nicht hingehen lassen, ohne wieder einmal Fichtes Werke zu lesen. Leider haben wir seit Lassalles Zeiten, der selber ein glühender Verehrer dieses großen Philo- fophen war. uns diesen wahrhaft deutschen Mann durch reaktionäre cheldenjüngling« verekeln lassen. Die Knaben hatten wohl Fichte in Auszügen gelesen, aber den Geist des wirklichen Fichte niemals verspürt. Nur zwei Aussprüche wollen wir zitieren, die beide ausnehmend gut zu dem Werk des Wieringer Schriftstellers passen: „Wo es einen eigentlichen Landesherren gibt, da gibt es kein Volk. Wenn aber die Fürsten selbst Sklaven werden, lernen sie die Freiheit ehren." Die zweite Stelle gibt die Begründung, worum Fichte seine Reden an die deutsche Nation gehalten hat: „Wenn wir daher nicht im Auge behielten, was Deutschland zu werden hat, so löge an sich nicht viel daran, ob ein französischer Marschall, wie Bernadotte , an dem wenigstens früher begeisternde Bilder vorübergegangen sind, oder ein deutscher aufgeblasener Edel- mann ohne Sitten und mit Rohheit und frechem Ucbcrmut. über einen Teil von Deutschland geböte." Beide Stellen sind aus Fichtes Fragmenten und werden auch von Lassalle tn seinem bekannten Briefe an Ludwig Waldesrode, der von dem politischen Vermächtnis Fichtes spricht, behandelt. Deutsche Republikaner , laßt euch Fichte als den Vorkämpfer einer einheitlichen deutschen Republik nicht durch reaktionäre Schlagworte entfremden. W. I. Ford» künstliche» Leder. Da» Kunstleder für Polster, Be- spannung und Verdecke der Ford-Wagen wird von den Ford-Werten selbst in einem Verfahren hergestellt, dessen nachstehende Schilderung wohl«inen Begriff geben kann von dem riesenhaften Umfang dieser größten Automobilwerke der Welt. Nach mehrjährigen Cxperi- menten ir/ den Fordschen Laboratorien ist man seit Januar 1919 zur Herstellung künstlichen Leders im großen übergegangen. Es werden dazu täglich 2000 Pfund Schießbaumwolle benötigt, aus denen wird«ine Masse hergestellt, die beiderseitig auf einen Stoff, in der Regel Satin, aufgetragen wird. Die Produktion der Ford- Werke an künstlichem Leder wird sich im laufenden Jahre auf 7,3 Millionen Meter belaufen. Die maschinellen Einrichtungen sind derart vereinfacht, daß zur Herstellung dieser Riesenmenge täglich nur im ganzen(33 Mann benötigt werden. Wie rationell hier ge- arbeitet wird, beweist auch die Tatsache, daß alle Filme und Nega- tive von Photogravhien, die von den Bureaus abgelegt worden find, bei der Herstellung der Kunstledermasse mit verwendet werden.
deutsche Theater bereitet die Aulfflhnmg von Eugen Scribe» »Ein» l a» Wasser' slle die Spielieit dieses SommevS vor. Tie Arbeiter,<tunst- Ausstellung, Petersburger Str. 39. zeigt im i Grovbikcn und Klasmalereien von S e l l a H a l s e. Die Eintritt frei(auch Sonntag«) von 10 bis 7'/, Uhr geöffnet. . intf.r"',,i«'i«Ic Vnchermesie in Florenz wurde eröffnet. Deutichland ist hervorragend vertreten. Eine vollständige Sammlung der der deutschen Privatplcn- ist ausgestellt. .Typen tveuitcher Bucher der Gegenwart' bilden«in« Sonderausstellung ch"ra Iteirssli! cher Bücher" tt'len Sammlungen und Relhenwcrke sowie sonst
nistischer Seite gefallene Behauptung richtig, daß Preußen sich gegen eine Reichsamneslie für die Verurteilten au» den März- unruhen ausgesprochen habe. Wesentlich fei, daß der Reichsjustiz- minister und der preußische Justizminister eine Ueberprüfung der Urteile zugesagt hätten. Der Ministerpräsident bestätigte, daß der Minister des Innern erklärt habe, wenn die Behandlung der Gesetzentwürfe über die Städte- und Landgemeindeordnung nicht bis zum Frühjahr die Aussicht auf Neuwahlen der Stadtver- ordnetenversammlungen eröffne, er sich dann überlegen wolle, ob nicht ein N o t g e s e tz, wie es von deutschnationaler Seite gesordert war, erlassen werden müsse. Zu einer Interpellation über bevorstehende monarchistische Kundgebungen in Ostpreußen onläß- lich eines beabsichtigten Besuches von Hindenburg erklärte der Ministerpräsident, daß selbstverständlich jede Beoölterungsgruppe das Recht habe, für ihre politischen Ansichten zu demonstrieren. Es sei jedoch nicht statthaft, daß sich öffentliche Institutionen mittelbar oder unmittelbar in den Dienst dieser Demonstration stellen. Sefprechung mit üen Parteiführern. Dienstag nachmittag fanden in der Reichskanzlei unter dem Vorsitz des Vizekanzlers, Gen. Bauer. Besprechungen der Regierung mit den Parteiführern statt. ES wurden weder der Gesetzentwurf über die Zwangeanleihe, noch der Arbeits- plan des Reichstages, noch über die Konferenz in Genua oder die Verhandlungen zwischen dem ReichSfinanzministerDr. Hermes und der ReparationSkommission besprochen. Der einzige Gegenstand der Beratungen war die Antwort der deutschen Regierung auf die Note der ReparationSkommission vom 13. April. Die Note dürfte wahrscheinlich am Donnerstag überreicht und veröffentlicht iverden. Man rechnet damit, daß sich Minister HermeS am Donnerstag nach Paris begibt, um mit der NcparationS- kommission zu verhandeln. Wünsche öer kleinen. Genva, 9. Mai. (EP.) Unabhängig von der russischen Anl- wort gedenkt Facta, morgen. Mittwoch, eine Sitzung des politischen Unterausschusies einzuberufen, uin verschiedene der Konferenz- leilung zugegangene Eingaben, wie jene Georgiens , Montenegros , Bulgariens swegcn der RcparationSlaften) sowie da« Memorandum mit den Wünschen de« Pap st e S zu prüfen- An diesen Verhandlungen sollen dem Vernehmen nach auch Deutschland teilnehmen._ Memel will frei sein. Die von der Arbeitsgemeinschaft für den Freistaat Memelland unter den wahlberechtigten Einwohnern veranstaltete Unter» schriftensammlung oller derer, die sich für den Freistaat Memelland erklärten, bat ergeben, daß sich von der rund 149 909 Köpfe zählenden Bcvöllerung des MemellandeS 54 429 für den Freistaat eingeschrieben haben; daS ist fast die g e fa m t e auf etwa VS999 Köpfe zu veranschlagende stimmberechtigte Bevöllerung.
Gberschlesien vor üer Teilung. Breslau . 9. Mai. (Eigener Drahtbericht.) Auf der Konferenz de« Verbandes der Bergarbeiter Deutschlands in Oberschlesten wurde mitgeteilt, daß trotz des polnischen Terrors der Verband in Ober- fchlefien immer noch 22 999 Mitglieder zählt, von denen etwa 17 999 in Polnisch. Oberschlesten verbleiben dürften. Leider be- tätigen sich an dem nationalen Kampf im Bcrgarbeiterlager die polnischen Sozialisten Oberschlesten» nicht mit besonders erfreulichen Methoden. Sie fürchten die Konkurrenz der polnis«�- nationalen Arbeiterpartei und daß sie ihnen ein Zusammengehen mit den deutschen Scheidemännern und den Kommunisten vorwerfe. Moskau gegen Einrichtung. Wenn andere sie begehen. Moskau , 9. Mai. (OE.) Die Exekutive der Kommunistischen Internationale veröffemlicht einen Aufruf an die Arbeiter aller Länder anläßlich der Erschießung des e st h l ä n d i s ch« n Kam- munistensührers und früheren Mitgliedes des Allrussischen Zentral- exekutivkomItecS Kingisepp. Der Aufruf schildert die hervor- ragende Rolle KmgiscppS in der Arbeiterbewegung Petersburgs und des Baltikums und fragt, ob feine Hinrichtung die Entrüstung VanderveldeS und Adler« hervorrufen werde, die doch wegen des Gerichtsverfahrens gegen die Sozialrevolutionäre heftig protestiert hätten._
Anttfemikifche Gefallenenehrung. Wir berichteten jüngst über einen Fast, wo auf einer Gedenktafel für die Gefallenen des Weltkrieges der Name eines gefallenen jüdischen Soldaten mit Absicht fortgelassen wurde. Daß derartige Denkmalsweihen sehr oft einen ausgc- sprochcn antisemitischen Charakter tragen, zeigt ein Zwischenfall, der sich im März vorigen Jahres gelegentlich der Ent- hüllung eines Denkmals für die Gefallenen der Landwirtschaftlichen Schule In Dahme (Mark) ereignete, der jetzt vor dem dortigen Schöffengericht sein Nachspiel hatte. Nach der Denkmalsenthüllung fand damals in einem dortigen Hotel eine Feier statt, in deren Vcr- lauf ein zufällig anwesender jüdischer Herr von zwei etwa» ange- heiterten Festteilnchmern, Landwirten der dortigen Gegend, auf- gefordert wurde, sofort da» Lokal zu verlassen, widrigen- falls man ihn hinauswerfen würde. Als der Herr dieser Aufforde- rung nicht Folge leistet«, kam es zu Tätlichkeilen und antisemitischen Beleidigungen, und«in anderer Gast, der sich ins Mittel legen wollte, erhielt von den Festteilnehmern Ohrfeigen. Das Schöffengericht hat jetzt die beiden Landwirte wegen Nötigung und Belei» d i g u n g zu Geldstrafen von je 75 000 M. verurteilt. Wirtschaftlichkeit beim Straßenbau in Siedlungen. Bei der Neu- anlegung von Straßen in Klemhausstedlungen soll nach einem er- neuten Erlaß des Volkswohlfahrtsministers mit Rücksicht auf die heutige Wirtschaftslage die größte Sparsamkeit beobachtet werden. Danach kann von einer Pflasterung von nur mit Klein. Häusern besetzten Wohnstraßen abgesehen werden. Als B e f e st t» gungsmaterial kommt vielmehr Kies, Feldstein oder Ziegel- tleinschlag, Koks und Kohlenschlacke, Asche und, bei sandigem Unter- grund, Lehm in Betracht, wobei auf gut« Zlbwässcrung besonderer Wert zu legen ist. Gegen die Anlegung der Straßen i n d« r g e- hörigen Breit« ist nichts einzuwenden, dagegen ist«»nicht notwendig, daß das ganze Straßenprofil jedesmal mit Bürger- steigen und befestigter Fahrbahn in voller Breite ausgebaut wird. Vielfach werden promenadenmäßig befestigte Mittelbahnen mit beider- seit» anschließenden Grünstreifen voll genügen. Bei befestigten Fahrbahnen genügen diese meist in einspuriger Breite von 1,5 bi» 3 Meter, wobei Das Ausweichen auf dem unbefestigten Wezeteil erfolgen kann. Bei Einzelhäusern, besonder» wenn sie gehörigen Dachüberstand ausweisen, erübrigen sich auch die vielfach recht teuren und wenig haltbaren Z i n k r i n n e n. Die vorstehenden Gesichts- punkte sollen besonders von den Regierungspräsidenten bei der Prüfung der mit Landesbaudorlehen zu errichtenden Siedlungen beachtet werden. Dos deuksch'dänlsche Abkommen wird setzt im Folkething be- raten. Außenminister Scaoenlus hob die freundschaftlichen Be- ziehungen zu Deutschland hervor. Elve Earopäertruppe in China , au» Sntente-Kontingenten be- stebend, ist bei Tientsin konzentriert, um die fliehenden Truppen Tschang-Tso-LinS an Plünderungen zu verhinderu.
Zum modernen Arbeitsrecht. Don Dr. Bienefeldt, Hamburg . Lebhafter als je werden zurzeit die Grundfordsrungen eines fortschrittlichen Arbeitsrechts umkämpft. Nicht nur neue Ziele gilt es zu erreichen, sondern leider müssen auch ältere, schon scheinbar errungene Rechte wieder vertei- digt werden, sollen sie nicht wieder der Arbeiterschaft verloren gehen. Der Achtstundentag, der schon allgemein er- kämpft schien, steht wieder mitten im Meinungskampf der Parteien, und leider läßt die Arbeiterseite auch hier eine ziel- bewußte Leitung unter einheitlichen Gesichtspunkten vielfach vermissen. Ist es z. B. nicht eine etwas seltsame Heber- raschung, wenn aus Arbeitertreisen selbst die Aufhebung des Achtstundentages für die Dauer von fünf Jahren befürwortet wird? Was uns im Kampf um das moderne Arbeitsrecht fehlt, ist eine zielbewußte Leitung von Männern, die fähig sind. Ideen zu tragen und auch durchzusetzen. Da ist es aufs äußerste zu begrüßen, daß Prof. Dr. S i n z h e i m e r, der neben Flatow und Joachim bekannte Arbeitsrechtler unserer Partei, seinen ausgezeichneten Vortrag über die Fortbildung des Arbeitsrechts, der vor der AfA gehalten wurde, in Vro- schürenform hat erscheinen lassen.*) Hier kann jeder leicht die Hauptstraßen überblicken, auf denen das moderne Arbeitsrecht marschieren muh, wenn es wenigstens einen Teil der Hoffnungen befriedigen soll, die nun einmal die Massen des arbeitenden Volkes bewegen. Sinz- heimer zeichnet die Entwicklung nach drei Richtungen hin, einmal auf der Grundlage des Art. 1S7 der deutschen Reichsver- faffung. nach dem das Reich einsinheitlichesArbetts- recht schafft. Wie'oft hört man gerade jetzt, im Zeitalter des sogenannten Wiederaufbaues, den Einwand, es sei überhaupt nicht der richtige Zeitpunkt für die Schaffung eines elnheit- lichen Arbeitsrechts. Wer diesen Einwand heute bringt, wird ihn immer bringen, auch nach IVO Jahren! Für das arbeitende Volk bleibt es bei der Reichsoerfassung, und nach dieser muß jetzt ein einheitliches Arbeitsrecht ge- schaffen werden. Heute findet sich das Arbeitsrecht noch in den verschiedensten Gesetzen verstreut und kommt bei einer großen Zahl ganz verschiedener Behörden und Instanzen zur Anwendung, zwischen denen selbst der geübte Praktiker mir schwer bisweilen hindurchfindet. Zu fordern ist daher ein einheitliches Arbeltsgesetzbuch und einheitliche Arbeitsbehör- den. Sinzheimer sagt sehr richtig:„Die Probe auf die Güte eines Rechtes ist nicht sein Inhalt und seine Formulierung. sondern sein« Durchsetzbarkeit." Und diese hängt wieder von der Art und der Zusammensetzung der Behörde ab. Damit wird ohne weiteres auch zu dem Entwurf eines Arbeits- gerichtsgesetzes Stellung genommen, der augenblicklich in Beratung ist. Die Arbeiterschaft muß diesem Versuch mit größtem Mißtrauen gegenüberstehen, da die zukünftigen Ar- beltsgerichte nicht wie die bisherigen Gewerbe- und Kauf- mannsgerichte in enger Fühlung zur Verwaltungspraxis bleiben, sondern den ordentlichen Zivilgerichten zuge- wiesen werden sollen. Und dieser Borschlag eines Gesetzent- wurfes, nachdem man gerade bei den Schlichtungsausschüffen so ausgezeichnete Erfahrungen mit der Trennung vom or- dentliche» Gericht und Arbeiteinstanz gemacht bat! Reben dem einheitlichen Arbeitsrecht ist ein a u t o n o- mesArbeitsrechtzu fordern, d. h. die Arbeiterschaft hat nicht mehr wie im seligen Polizeistaot den Erlaß volksbe- glückender Gesetze vom Vater Staat abzuwarten, sondern sie hat selbst im Kampf der Verhandlungen mit dem Unternehmer- tum ihr Recht sich zu erringen: Selbstgesetzgebung und Selbswerwalwngl Das ist der Grundgedanke des Tarif- Vertrages und aller jener Vereinbarungen, die im Betriebs- rätegesetz vorgesehen sind, der sogenannten Betriebsverein- baningen, z. B. der Arbeitsordnung, die allerdings, und hier weichen wir von Sinzheimer ab, genau so wie der Tarifver- trag unabdingbar ist, d. h. durch Vereinbarungen zwischen den einzelnen Arbeitnehmern und-gebern zum Nachteil der Ar- beitnehmer nicht abgeändert werden kann. Endlich wird das Ziel eines sozialen Arbeits- rechtes aufgestellt, unseres Erachtens der tiefste Unterschied de» modernen Arbeitsrechtes gegenüber dem bürgerlichen liberalen Standpunkt aller bisherigen Gesetze: die menschliche Arbeit ist keine Ware, die der Vereinbarung zwischen Privat- leuten überlassen werden darf, sondern durch die Arbeit ge- winnt der einzelne auch Rechte gegenüber der Allgemeinheit, gegenüber dem Staat, wie sie in ihren ersten Anfängen z. B. in der Arbeitslosenversicherung zum Ausdruck kommen sollen. Der Staat erhält ein Recht zum Eingriff in das Arbeitsver- hältnis. Aber damit nicht genug, auch zwischen dem Unter- nehmer und dem Arbeiter bildet sich durch die Arbeit eine Art Genoffenschaft, aus der heraus der Arbeiter nicht nur Lohn, sondern auch Anteil am Ertrag seiner Arbeit bean- spruchen kann. So führt die Forderung eines sozialen Ar- beitsrechtes zu einem wahrhaft revolutionären Gedanken, � dessen Verwirklichung allerdings noch in ziemlicher Ferne liegen mag. Das Ausmaß dieser Entfernung hängt, wie aller- dings Sinzheimer nicht mehr bemerkt, nicht zum kleinsten Teil von der Fähigkeit der ArbsUneymerschast ad, die ihr heute schon gegebenen Rechte auch zur vollen Anwendung zu brin- gen. Jeder denkende Mensch sucht nach den großen Gesichts- punkten, unter denen er die einzelnen Fragen seines täglichen Lebens einstellen kann, um zu einer für seinen Standpunkt richtigen Beurteilung zu kommen. Der denkend« Arbeiter sucht nach diesen Gesichtspunkten in all den Fragen des All- tags über Arbeitszeit, Schlichtungswesen, Gewerbegericht. gleitender Lohnskala. Entlaffungsrecht und dergleichen mehr. Hier wird der Sinzheimersche Vortrag eine gute und zuvor- lässige Hilfe sein.
Zur llmoefialtung de» Schulwesen» warnt der Derdand der deutschen Hochschulen vor einer einschneidenden örtlichen und ein- zelstaatllchen Umgestaltung oder Differenzierung de» höheren Schul» mesen» und fordert insbesondere die Erhaltung einer genugenden Zahl humanistischer Vollgymnalien. Die geplante deutsche Oberschule sei nicht eine ausreichend« Grundlage für da» Hochschulstudium,»nd er empfiehlt da» Lateinische und das Englisch, als Fremdsprachen. Die Förderung von Begabten durch Förder« klaffen oder Ausbauschulen lzeißt er willkommen unter der Borau «» setzung, daß durch entsprechende Auslese von Lehrern und Schülern in kurzer Zeit das Ziel der Hochschulreife wirklich erreicht wird. Die gesamte schulmüßige Vorbereitung zu den Hochschulen dürfe 12 Jahre nicht überschreiten und auch für Mädchen die Hochschu!- reife nicht unter geringeren Bedingungen erteilt werden.