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Nr. 2SI�ZY.5ahrgaüg Seilage öes vorwärts Dienstag, öen ZS. Mai 1»22 Grient auf märkisthem Sande. Am Montagmorgen bot der Potsdamer   Ringbahnhof ein un> gewohntes Bild, denn fein Bahnsteig wurde unwillkürlich zum Stell- dichcin des mohammedanischen Berlins  . Ausgesprochene National- trachten sah man nicht, doch trugen Türken, Aegypter usw. den roten Fez und etliche Inder den Turban, andere hingegen sowie die Perser das schwarze Samtkäppi. Alles zu Ehren des Ramasan-Bairam. Der Ramasan   ist der Fastenmonat, und an dreißig langen Tagen ißt der Gläubige von Sonnenaufgang bis zu Sonnenuntergang nichts. Boshafte Zungen behaupten nun zwar, daß in islamitischen Ländern im Fastenmonat die meisten Magenverstimmungen zu buchen seien, weil man dann nacht» sich überesie. Doch wie dem auch sei, es muß betont werden, in der Berliner   Kolonie sind viele, die den Fastenmonat bitterernst nehmen und deren Geldbeutel sie über- dies noch zu weiteren Fastenmonaten im Jahre zwingt. Ist aber Ramasan   vorbei, dann feiert man ein dreitägiges Fest. Bei den Festen jedoch sieht und spürt ein sehender und sich in die Situation einfühlen könnender Mensch, der Islam ist demokratisch. Es ist kein Unterschied zwischen arm und reich, ja bei gewissen religiösen Festen ist sogar die gleiche Kleidung Vorschrift.,.,. Die Pilgerfahrt nach Wünsöorf. Zum Ramasan-Bairam des Jahres 1340(die Mohammedaner schreiben 1310 statt 1922) hatten nun der Orientklub und die Tataren durch den Lagermullah Dr. Bedri nach Wünsdorf   ihre Glaubens- genossen eingeladen. Diesem Ruf war sehr zahlreich Folge geleistet worden und man sah die so stark voneinander abweichenden Haut- färben und Typen der verschiedensten Dölker, um die mohammeda- nische Religion und Kultur das einende Band schlingen. Der Zug war überfüllt und ein Stimmengewirr wie nach dem Turmbau zu Babylon schlug an das Ohr manches höchst erstaunten deutschen  Fahrgastes. Insonderheit fiel ein Trupp ganz gleichgekleideter afghanischer Schüler auf, die unter Leiwng des Inspektors Chukri die Reise antraten. Nach Durchwatung sandiger Wege kommt man in das ehemalige Gefangenenlager, das durch die Neine Holzmoschce einen freundlichen Eindruck macht. Bor dem Logereingang, der mit ein paar frischen grünen Zweigen besteckt war, empfing im schwarzen Talar der Mullah  . Er hatte für jeden Ankömmling einen freund- lichen Händedruck und den arabischen   Segensspruch SeUm aleikurn (Friede sei mit Euch)! Alle strömten dann sofort in den Vorhof der Moschee, um dort nach Möglichkeit die Waschungen vorzunehmen. Der Vorhof hat einen Springbrunnen und viele gemauerte Wasser- bassins, die für Fußbäder bestimmt sind. Dasnde ües Tatarenlagers. Weinbergslager wurde am 1. Mai d. I. aufgelöst. Zuletzt lebten dort vornehmlich Tataren, und zwei Baracken blieben, sozusagen als Zufluchtsstätte, erhalten. Unter Leitung des Lagermullahs Dr. Bedri, der, ein Tartar, das Deutsch   spricht, als sei e» sein« Mutter- spräche, wurde nun ein Derein zur Unterstützung rusiisch-mohamme- danischer Studenten gebildet. Bon diesen haben wir 112 in Deutsch  » land; 10 von ihnen, darunter 3 Tatarinnen, besuchen Universitäten, während 30 Werkstattstudenten sind. Die anderen sind als Kauf- leute, Landarbeiter, Viehzüchter usw. tätig. Doch kommen sie nicht als ausländische Arbeiter in Betracht, sondern sie sind bewußt Ler- nende, die später einmal das hier Gelernte in ihrer Heimat verwerten wollen. Bereits im tager lernten sie Deutsch  : um sich aber in der Sprache zu vervollkommnen, wurden sie absichtlich einzeln unter- gebracht. Auf gründlichste Ausbildung ist man bedacht. So lernt der landwirtschaftliche Arbeiter die Maschinen nicht nur kennen, son- dern er erfährt zugleich, daß die deutsche   Industrie sie herstellt. Es wird eben nichts versäumt, um diesen Kulturträgern vom Westen nach Ölten einen eigenen klaren Begriff von dem Schaffen des beut- schen Arbeiters zu geben. Der Ramcflan-Bairam freilich fand die Tataren allesamt feiernd unter ihren Glaubensgenossen. Ja, zwei junge Tatarinnen hatten sogar die Reise von Dresden   nach Wüns- dort angetreten. ?n öer Moschee. Die Moschee, sehr geschmackvoll in Weiß und Rot gehalten, wurde in den Kriegsjahren 1914/1915 erbaut. Als Innendekoration enthält sie, in arabischer Sprache, Sprüche au, dem Koran  . Die Fenster sind aus buntem, namentlich grünem Glas, so daß eine magische Beleuchtung die Moschee erfüllt. Doch hat sie eine elektrisch« Lichtanlage. Jeden Freitag(äsuma) wird in diesem mohammedani- schen Gebetshaus Gottesdienst abgehalten. Seit dem Tage ihres Bestehens erklang von der Moschee täglich fünfmal der Asan-Ruf; doch wird nun, seit Aufhebung des Lagers, wo alle Gläubigen in Arbeit stehen, nur noch einmal am Tage zum Gebet gerufen. Man versäumt es eben nicht, sich den Verhältnissen anzupassen. So ver- legt man auch Zusammenkünfte, Versammlungen usw., wenn es in den Baracken unerträglich heiß wird und das ist im Sommer stets der Fall, einfach in die Moschee. Und so findet man nicht nur in Wünsdorf  , sondern auch in rein islamitischen Ländern, die Benutzung der Moschee als Dersammlungsort. Natürlich fehlt auch bei der Moschee die Badeanstalt nicht, die mit Marmor prächtig aus- gestattet ist. Dort baden die Mohammedaner, denn die Reinlichkeit gehört mit zum Brauch. Frauen dürfen an der religiösen Festlichkeit teilnehmen, doch machen die unter uns weilenden Anhängerinnen des Islams davon keinen Gebrauch. Der verlauf öes Jestes. Früher, als die mohammedanische Kolonie noch reich war, wurde beim Ramasan-Bairam viel Prunk entfaltet und auch Deutsche  , in Gala, strömten hinaus. Jetzt, wo die Orientalen arm geworden sind, bleiben sie bei ihren Festen schön unter sich und nur wenige Andersgläubige nehmen am Bairam   teil. » Die Holztische der Baracken waren weiß gedeckt und Flieder,, sowie die Blüten von Weiß- und Rotdorn bildeten einen ansprechen- den Tafelschmuck. Man reichte Tee und Gebäck, sowie Zigaretten. Der Lagermullah sprach vorerst zu seinen Glaubensgenossen und dann Worte tiefsten Dankes an den ehemaligen Lagerkommandanten, ferner an die deutsche   Regierung und an alle deutschen Freunde. Der Islam aber ist als festes, zusammenhaltendes Band um die verschiedenen Dölker geschlungen, das betonten nicht nur die Redner des Tages, sondern das gewahrte auch jeder Teilnehmer an dem Verlauf des Festes. Und noch eins ist unterstreichend zu bemerken: die hier lebenden Mohammedaner, doch auch ihre Landsleute im fernen Osten, sind Freunde des deutschen Volkes. Zufammenfajsung öer Gr.-öerliner Werke. Mehr Wirtschaftlichkeit infolge der Eingemeindung! Der Berliner   M a g i st r a t veröffentlicht eine Denkschrift über .Maßnahmen zur Verbesserung der städtischen Gas», Wasser- und Elektrizitätswerke seit Bil- dung der Stadtgemeinde Berlin  ". Zusammengestellt ist sie von der Werkdeputation, in der Oberbürgermeister Böß den Vorsitz hat. Sie betont einleitend, daß eine der bedeutendsten Auf- gaben, die durch Bildung der neuen Stadtgemeinde den Gemeinde- behörden gestellt wurde, die Zusammenfassung der vielen in den Einzelgemeinden bestehenden Gas-, Wasser, und Elektrizitätswerke war. Gerode aus der Zesammenfasfung und einheit- lichen Gestaltung dieser Werke habe man besondere wirt- schaftliche Vorteile als Erfolg der Eingemein- dung erwartet. Daß die Erwartungen bisher nicht in dem ge- wünschten Umfange sich erfüllt haben, sei bekannt. Aber der Magi- strat habe inzwischen um den Ausbau der Werke und um die Besse- rung ihrer Wirtschaftlichkeit sich bemüht. Nur aus Unkenntnis der tatsächlichen VerhälMisse sei in der Oeffentlichkeit wiederholt dem Magistrat vorgeworfen worden, daß durch sein Verschulden die Or- ganisation der Werte verzögert und ihre Entwicklung aufgehalten worden sei. Um diese Irrtümer zu berichtigen, gibt die Denkschrift eine Zusammenstellung der bisher durchgeführten oder in der Aus- führung begriffenen oder für die Zukunft geplanten Verbesserungen der technischen Einrichtungen und auch der Verwaltungseinrichtun- gen. Die Zahl der getroffenen Maßnahmen ist so groß, daß wir uns auf Wiedergabe einer Auswahl der wichtigsten beschränken müssen. Für die Gaswerke wird durch die"vor kurzem erfolgte Stillegung des veralteten Alt-Berliner Werkes an der Gitschiner Straße, dessen Versorgungs- aebiet jetzt dem neuen Gaswerk Neukölln zugewiesen ist, eine E r» sparnis von jährlich 20 Millionen Mark erreicht. Auch die Ersparnisse durch den schon in Ausführung begriffenen oder erst geplanten Bau wirtschaftlicherer Ofensysteme werden in die Millionen gehen(Danziger Straß« jährlich 14 Mil- lionen, Tegel   jährlich 18 Millionen). Die Ersparnisse durch Ge- winnung noch brauchbarer Brenn st offe aus Feue- rungsrück ständen, Ausnutzung von Abhitze für die Be- Heizung von Dampfkesseln, Verwertung undestillierter Benzoloorprodukte als Brennstoff für Kraftwagen sind gleichfalls sehr bedeutend(zusammen etwa 20 Millionen pro Jahr). Die Denkschrift berichtet auch über Einschränkung des Personals durch die Aenderungen technischer Art. Ebenso haben Zlenderungen der Verwaltung, z. B. in der Gasgeldeinziehung, zu einem Minder. bedarf an Arbeitskräften und dabei noch zu einem Zinsgewinn in. folge zeitigeren Eingangs der Gelder geführt. Weitere Vorteile werden erwartet von der Stillegung noch mehrerer Werke. Stillge'egt sind schon Werk Wittenau  , Werk Lichtenberg I(Ersparnis pro Jahr 7 Millionen Mark), das eigene kleine Wert von Dorf Tegel  (jetzt angeschlosien an das Berliner   Werk Tegel  ). Auch für Wert Schmargendorf   ist Stillegung beabsichtigt, weil von dem Aus- bau eines anderen Werkes(Tegel   oder Lichtenberg II) mehr Vor- teil erwartet wird. Die Wasserwerke der früheren Vorortgem.'inden sind größtenteils notleidend infolge Grundwassermangels oder Unvollkommenheit der Betriebsanlagen. Dem kostspieligen Umbau ist oft der Anschluß an die B e r» l i n e r Werke vorgezogen worden, z. B. bei den Werken Reinickendorf  (2 Millionen Mark Ersparnis), Hohenschönhausen(Er- sparnis infolge Stillegung 400 000 M. pro Jahr), Heinersdorf  (Stillegung, 200 000 M. Ersparnis pro Jahr). Das unzureichende Wasserwerk für Adlershof  , Altglienicke  , Grünau   ist durch eine mit Köpenick   hergestellte Verbindung vor Wassermangel gesichert wor- den, so daß ein 800 000 M. Kosten erfordernder Ausbau gespart wurde. 8 Millionen Mark hätte im Charlottenburger   Wasserwerk Iungfernheide«in Ausbau gekostet, der durch eine Verbindung?- lcitung mit der Berliner   Versorgung jetzt unnötig geworden ist. Stillegung ist noch in Aussicht in genommen für die Werte Nieder- schönhausen, Reinickendorf  , Hermsdors, auch Tegel  (hauptsächlich wegen Wahrscheinlichkeit des Nachlassens der Wasserergiebigkeit). Heute bildet infolge der Herstellung von zahlreichen Verbindungen das Rohrnetz der Groß-Berliner Wasserwerte be. reits ein zusammenhängendes Ganze, in dem dos Wasser nach Bedarf oerteilt werden kann und die Wasserver- sorgung weitgehend gesichert ist. Zusammengefaßt ist auch schon die Elektrizitätsver- s o r g u n g. Zwölf einzelne Elektrizitätswerke hatte Groß-Berlin, mehrere kleine sind inzwischen stillgelegt worden, andere sollen folgen. Technische Neuerungen der verschiedensten Art sichern be- trächtliche Ersarnisse. Die Denkschrift hebt zum Schluß hervor, daß kein Still» stand des technischen Ausbaus, sondern ein ständiger Fortschritt bei den Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerken zu erkennen ist. Ottilie Saaöers 75. Geburtstag. Unsere liebe alte Genossin Ottilie Baader   vollendet heute, am 30. Mai, ihr 75. Lebensjahr. Am Sonntag hat derVorwärts" tu der Beilage.Volk und Zeit" ihr prächtig gelungenes Bild gebracht, in dem die Schlichtheit und Anspruchslosigkeit der auf ein Leben voll ernster und harter Arbeit zurückblickenden Führerin trefflich zum Ausdruck kommt. Wir verweisen heute nochmals auf die dem Bilde beigegebene Schilderung ihres Lebenslaufs, die das Wirken der um die sozialdemokratische Arbeiterinnenbewegung verdienten Partei» veteranin würdigt. Mit uns gedenken Ottilie Baaders in Treue viele Tausende von Genossinnen und Genossen und widmen ihr zu ibrem 75. Ge» burlötage die herzlichsten Glückwünsche. Wie ein uns Jüngeren zugewiesenes Vermächtnis klingen die Worte, die sie an die Spitze ihrer unter dem TitelEin steiniger Weg" erschienenen Lebenserinnerungen gestellt hat:»Ich will denen, die in jenen Zeiten mit mir für unser große?, beiliges Ziel gekämpft, die in zähem, gemeinsamem Ringen manches Stück Freiheit erobert haben, aus vollem Herzen danken, den jüngeren aber zurufen:.Haltet die Rechte, die euch die neue Zeit gebracht hat, fest und gebraucht sie wie eine heilige Pflicht für die Zukunft, für den Sozialismus." IS] Der Ruf durchs Fenster. Roman von Paul Frank, 7. Der Mann mit der goldbetreßten Muße, der neben dem Toreingang stand, sah ihm. ohne daß er die Hände, die er in den Manteltaschen versteckt hatte, hervorgezogen hätte, fragend ins Gesicht. Reuß," murmelte der Schauspieler, ehe er eintrat, laut x?nug, daß es der andere hören mußte. Der riß mit einem Ruck die Kappe vom Kopf.Das Ge- päck für Euer Gnaden befindet sich bereits in der Garderobe. Der Hoteldiener hat es vor einer Stunde gebracht, und ich habe es selbst hinaufgetragen.. Schon gut, mein Lieber," sagte der Schauspieler und war im Begriff, an dem Mann vorüberzugehen, der sich jedoch dicht hinter ihm hielt, plötzlich zu einem Sprung ansetzte und, vor­auseilend, dienstbeflissen ausrief:Ich werde den Weg zeigen!" Er lief den dunklen, langen Gang, an dessen unterstem Ende ein Lichtchen trüb brannte, mit kleinen Schrittchen hinab. Albert Reuß sah wohl Türen zu beiden Seiten, aber keinen Menschen: niemand war da, der ihm in den Weg trat, und wie ausgestorben lag das Haus. Der Portier blieb stehen, drückte eine Klinke nieder, schal- tete das Licht ein und forderte ihn auf, einzutreten.Euer Gnaden müssen vergeben, aber der Garderobier kommt erst um sieben Ubr: immer erst eine Stunde vor Beginn der Vor- stellung... Die anderen Herrschaften und Kunstler kommen O'ch frühestens um diese Zeit... Wenn der gnädige Herr bis, dahin einen Wunsch haben, stehe ich gern zu Diensten..." Danke schön..." sagte Albert Reuß.Bemühen Sir sich nicht: ich habe keinen Wunsch." Er drückte dem Mann ein Geldstück in die Hand. Der verneigte sich abermals.Wenn ich Bobrow sehe, sende ich ihn auf der Stelle her. .Wer ist Bobrow?" Der Ankleider... Ich empfehle mich. Der Segen des Herrn über diesen Eingang. Wenn Euer Gnaden mich trotz alledem benötigen sollten, sitze ich, falls ich nicht vor dem Tor weile, wie ich gewöhnlich zu tun pflege, obwohl der Aufenthalt in der kalten Abendluft nämlich sehr schädlich für meinen Aheumatismvs ist.« meiner Log«, die gfejch buk»«be» de» Eingang �u finden und daher nicht zu verfehlen ist... Ichl habe auf jeden Fall nochmals die Ehre..." Er schloß die Tür und verschwand. Ein ebenso zuvorkommender wie redseliger Herr, dieser! Türhüter, dachte der Schauspieler, während er in dem Raum Umschau hielt, der ihn nunmehr umschloß. Freundlich von ihm, daß er mir Bobrow schicken will, der ein Russe zu sein scheint und mit dem ich mich am Ende gar nicht verständigen kann, den ich außerdem vorläufig noch gar nicht brauche. Ich habe hinreichend Zeit und kann in aller Ruhe meine Barbe- reitungen treffen. Er öffnete das Sicherheitsschloß der Tasche und entnahm ihr eine ganze Anzahl von Flaschen und Tiegeln, die er der Reihe nach vor dem Toilettenspiegel aufstellte. Sodann holte er seine Schminkschatulle heran und setzte sie, nachdem er sie zuvor geöffnet und einen prüfenden Blick in ihr Inneres geworfen hatte, ebenfalls auf den Tisch. Die Kostümstücke, die er benötigte, breitete er nebeneinander ans dem Sofa aus, legte sie peinlich sorgfältig hin, strich die natür- lichen Falten glatt und freute sich des guten Zustandes, in dem sie sich trotz des Aufenthaltes im Koffer befanden. Er entledigte sich des Rocks und der Weste, hängte beide Stücke an einem Wandhaken auf, legte Kragen und Krawatte ab und steckte die wertvolle Nadel, die er vorher aus dem Knoten gezogen hatte, nach einiger Ilebcrlegung in das Futter eines Seitenfachs der Handtasche. Dieser entnahm er serner eine Art Frisiermantel aus weißer Leinwand, den er nun um die Schultern breitete und dessen Schnüre er vorn am Hals schloß. Also angetan, nahm er vor dem Spiegel Platz, begann den Inhalt einer Flasche aus blauem Glas in eine flache Por- zellanfchale zu schütten, von einer anderen Flüssigkeit einige Tropfen zuzusetzen, worauf, was sich in dem Napf befand, eine schwärzliche Färbung annahm. Als er mit dem Blick fein Spiegelbild abtastete, fand er den graugelben Ton in seinem mageren, kantig gewordenen Gesicht vorherrschend. Er tauchte eine schmale Bürste in die eben bereitete Mischung und überfuhr damit sein Kopfhaar, so lange geduldige Strich neben Strich setzend, bis das helle Blond in tiefes Schwarz sich verwandelt hatte. Die Arbeit war mühevoll ge- nug, da er überaus gewissenhaft zu Werke ging, um eine mög- lichst vollkommene Täuschung zu erzielen. Da der Boden der Schüssel kaum mehr mit Farbe bedeckt war, tauchte er die Bürste, sorgsam den letzten Tropfen aufsaugend, dessen er Hab- hast werden konnte, nochmals gründlich ein und brachte das Blond seiner Augenbrauen und-wimpern gleichfalls mit dem Haupthaar i» Uebereüchtmuuung. Er zog den Kamm durchs Haar, strich es, das sich sonst seidig und weich anfühlte und das durch die vorgenommene Prozedur steif und widerspenstig geworden war, auf die Stirn und legte es wieder zurück. Schüttelte er sachte nur den Kopf, so geriet es in arge Verwirrung und stand stachlig, borstig, dunkel um dieses Antlitz, das seinen Ausdruck, ehe es noch eigentlich präpariert und geschminkt war, völlig geändert hatte. Der Schauspieler entkorkte abermals ein anderes Fläsch- chen, tauchte einen Pinsel ein und begann Stirn und Wangen zu bemalen: dort, wo die Flüssigkeit die Haut benetzte, färbte der Teint sich dunkelbraun, und binnen wenigen Minuten mutete dieses Antlitz sonnverbrannt an, wie von sengender Hitze ge- röstet. Als er so weit gekommen war, hörte er die Tür in seinem Rücken sich geräuschvoll in den Ängeln drehen. Ah, dachte er, das wird wohl Bobrow sein. Er sah in den Spiegel und erblickte einen baumlangen, massiven Burschen, der ein gutmütiges Gesicht hatte, und der hinter seinem Rücken stand. Bobrow?" fragte der Schauspieler. Der Angerufene nickte mit dem Kopf, verzog den Mund zu einem breiten Lächeln, kniete sodonn ohne jede Einleitung vor Albert Reuß   nieder, begann ihm die Schuhe aufzuschnüren, half ihm aus den Beinkleidern, legte diese geschickt zusammen und auf das Sofa, reichte ihm die Kostümstücke, die er doch zum erstenmal in der Hand hielt, zeigte sich gleichwohl anstellig, handfertig und keineswegs langsam von Begriff, so daß der Schauspieler mit solchem Helfer recht zufrieden war. Als Bobrow damit beschäftigt war, Albert Reuß   die Bühnenschuhe anzulegen, betrachtete dieser die ungeschlachten und dennoch flinken Finger, die binnen kurzer Zeit ihre Arbeit beendet hatten. Als es so weit war, stand Bobrow auf und stand wartend da. Hut.. lächelte der Schauspieler. Der Lette hatte den Radmantel ergriffen, um ihn Albert Reuß   um die Schultern zu hängen. Dieser wehrte dem Eifer Bobrows: der Bursche grinste über das ganze Gesicht und stellte sich in den Winkel neben der Tür. Der Schauspieler, der seinen Stuhl zurückgeschoben hatte, stand vor dem Spiegel, maß prüfend sein Bild, schenkte Bobrow weiter keine Be- achtung, korrigierte mit einem in Tusch getauchten Wischer die Augenwinkel und verschärfte da und dort eine Kontur. Aber- mals hörte er hinter sich die Tür sich bewegen. Da er sich um- wendete, sah er, daß der Ankleider den Raum verlassen hatte. Gortjetzung folgt.)