Erklärung der Sozialüemokratie. Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion gab Abg� Arohme folgend« Erklärung ab: Meine Fraktion stimmt dem vorliegenden Vertrage zu, da wir im Interesse der nordschlsswigischen und besonders der dänisch gewordenen Bevölkerung den Wunsch haben, die bestehen. den Schwierigkeiten so schnell wie möglich zu beseitigen. Wir hoffen, daß der Minderheitenschutz baldmög- lichst vertraglich sc st gelegt wird. Wir wünschen das vor allem, um den vorhandenen chauvinistischen Bestrebungen auf beiden Seiten der Grenz« die Spitze zu neymen. Ganz besonders sprechen wir die Zuversicht aus, daß es unseren dänischen Ge. sinnungsgenossen gelingen wird, den auf ein« weitere Los» - l S s u n g deutschen Gebietes gerichteten dänischen Bestrebungen erfolgreich entgegenzutreten, ebenso wie wir unsererseits olles tun werden, um sreundschastliche Beziehungen zwischen Deutschland und Dänemark zu sichern. Soweit in der Grenzziehung Ungerechtigkeiten bestehen, hoffen wir, sie später auf dem Wege gegenseitiger Verständigung beseitigen zu können. Abg. Thomson(Dnat.) erklärt, daß seine Partei die durch d«n Gewaltvertrag von Versailles (und die deutschnationale Kriegspolitik R?d. d.„Vorwärts") geschaffene neue Landesgrenze nicht an» erkennen könne. Abg. Dr. Runkel(D. Vp.): Die neuen Grenzen sieht die Deutsche Lolkspartei nur als ein« vorübergehende Einrichtung an, die uns durch den Versailler Vertrag aufgezwungen wurde. Wir stimmen jedoch trotzdem dem vorliegenden Vertrage zu. Abg. Dr. Vrellscheid(U. Soz.): Meine Fraktion wird dem Ver- trag zu stimm e n. Uyter allen ähnlichen Verträgen ist der mit Dänemark geschlossene der am wenigsten schmerzliche. Der Grund ist. weil wir es auf der Gegenseite mit einem Volt von alter demokratischer Kultur zu tun haben. Eine vertragliche Regelung des Minderheitenschutzes wäre im beiderseitigen Interesse Selegen. Vielleicht kommt es doch noch zu einer Regelung. Wir sind :et von allen Ankündigungen irgendeines Tages, wo die neue Grenze etwa wieder mit ETewalt geändert werden soll. Abg. Golhein(Dem.): Auch meine Freunde stimmen dem Der» trage zu. Hoffentlich wird eines Tages auf friedlichem Wege «» zu einer Äerichtiung d«r Grenze entsprechend dem nationalen Stande führen. Damit schließt die Aussprache. Der Vertrag wird darauf in zweiter und dritter Lesung angenommen. Sismorck über Krieg und Revolution. In der Deutschen Verlagsgesellschaft für Politik und Ge- schichte beginnt jetzt das Riesenwerk über die große Politik der europäischen Kabinette in den Iahren von 1871 bis 1914 zu erscheinen. Di« Sammlung dieser diplomatischen Akten wird im Auftrage des Äuswärti- fen Amtes von Johennes L e p f i u s, Albrecht Mendels» ohn-Bartholdy und Friedrich T h i m m e heraus» gegeben. Im ersten Bande wird der Frankfurter Friede und seine Nachwirkungen behandelt. Man erfährt aus den ersten Dokumenten, welche Mühe sich Herr Thiers und Herr Favre, die Herren der französischen Regienmg, die mit Deutschland den Frieden von 1871 schlössen, gegeben haben, um die französischen Gefangenen rasch zurückzubekommen. Sie wünschten im besonderen, daß Bismarck ihnen die Garde» truppen schicke, von denen sie zuverlässig glaubten, daß sie gut zur Niederschlagung der revolutionären Pariser Bewegung zu brauchen seien. Bismarck schreibt zu diesem Wunsch an den Generalgouverneur, Genera!» leutnant v. Fabrice: „Wir haben zwar das Vertrauen, daß die vorhandene Regierung die Streitkräfte, deren Konzentrierung wir zugestanden und durch beschleunigten Gefangenentransport erleichtert haben(es wurden bei Versailles 100 000 Mann französischer Truppen zusammengezogen), nicht gegen uns verwenden werde, aber,, wir sind unsicher ge- worden, ob sie mit irgendwelchen ihr noch zu gewährenden Mitteln den Ereignissen gewachsen sein, und ob nicht eine andere Regierung an ihre Stelle treten werde, welche an keinen Abschluß mit uns gebunden ist. Gewiß kann die Regierung ohne eine tüchtige Arme« Paris nicht bewältigen. Aber mit der Tüchtigkeit der Truppen wächst auch die Gefahr, welche Deutschland läuft,»inen neuen Krieg gegen etwaige Nachfolger führen zu müssen....
... Sobald wir, wozu von London aus Unterhandlungen gesucht werden, einen eventuellen Friedensvertrag mit ihm(Napoleon ) be- rechnet auf den Fall, daß die Ereignisse ihn an das Ruder bringen, abgeschlossen hätten, könnten wir dem Verlauf der Dinge nach dieser Richtung hin beruhigter entgegensehen. Bis dahin aber liegt es nicht es nicht in unserem Interesse, bei den gleichmäßig fortzusetzenden Transporten der Gefangenen die Truppenteile, von deren unbe- dingter Anhänglichkeit an das Kaisertum wir überzeugt sind, vorweg- � zuschicken." i Man sieht daraus, daß Bismarck zwar freundlicherweise der französischen provisorischen Regierung gern durch rasche Rücksendung der Kriegsgefangenen helfen wollte, die Pariser Unruhen niederzuschlagen, aber soviel Kriegsgefangene wollte er auch nicht hergeben, daß sich womöglich daraus eine kaisertreue Armee bilden tonnte. Daraus ist zu entneh- men, wie erfrischend nüchtern der„eiserne Kanzler" und „Schmied der deutschen Reichseinheit" über abgeschaffte Kaiser gedacht hat. Ebenso praktisch wie über abgeschaffte Kaiser dachte Bis» marck auch über den Krieg. Wohlgemerkt über den Krieg, den bestimmte reaktionäre Kreise 1876 in Frankreich gern wieder gegen Deutschland angezettelt hätten. Damals schrieb die„Post" einen Artikel, der ein schauerlicher Alarmruf, eine Warnung vor der französischen Kriegshetze darstellte. Bismarck meinte dazu im Reichstag, daß er„n a ch s e i n e m W i s s e n" niemals habe einen Artikel für die„Post" schreiben lassen. Er meinte weiter: „Aber ich habe den Artikel nicht getadelt, denn Ich finde, wenn man das Gefühl hat. daß in irgendeinem Lande eine Minder» heil zum Kriege treibt, dann soll man nicht laut schreien, damit die Mehrheit darauf aufmerksam wird, denn die Mehrheit hat gewöhnlich keine Neigung zum Kriege." Aus diesem Bismorckschen Urteil kann die reaktionäre Presse ersehen, warum mir jedes Rachegeschrei, das aus ihren Reihen kommt, so scharf zurückweisen. Die Münchener Polizei findet nichts. München , 21. Mai. (Eigener Drahtbericht.) Ubier den höh- nifchen Kommentaren der bürgerlichen Persie gibt die Münchener Polizeidirektion das Ergebnis ihrer Untersuchung über die Flaggenschändung am Bahnhofsplatz bekannt. Bemerkenswert ist, daß die Polizei selbst keinen der Tai Derdächilgen zur Stelle schassen konnte. Lediglich der sozialdemokratischen Selbst- s ch u tz p o l i z e i des Genosien Auer ist es gelungen, den Studenten Kl I n t s ch der Polizei namhaft zu machen. Dieser g e st a n d bei der ersten Vernehmung die Tat«in, widerrief jedoch das Ge- ständnis am nächsten Tage mit der Angabe, er habe nur die Po- lizei irreführen wollen im Interesse der ihm unbekann- t e n T S t e r. Die Polizei scheint sich damit zu begnügen.— Daß selbst diese Handlung«in« strafbare Begünstigung darstellt, scheint die Münchener Polizei nicht zu wissen. Wenn schon die Justiz in München nicht blind ist, so ist es wenigstens die P o l i z e i I » München , 31. Mai. (Eigener Drahtbericht.) Genosse Erhard Auer hielt gestern im Landtag eine bemerkenswerte Rede zum Etat des Ministeriums des Innern. Er fordert« den Ausbau der Selbstverwaltung, protestierte gegen die scharenweise Unter- bringung ehemaliger Offiziere in der bayerischen Per- waltung und gegen die Uebergriffe der Krcisregierun- g e n, die den Stadiverwaltungen München und Nürnberg die Unter- stützung der Kinder streikender Metallarbeiter untersagt haben. Auer oerlangt das sofortige Eingreifen der Regierung gegen die durch die Nationalsozialisten herbeigeführte politische Verwilderung. Gegen das Beschmieren der Häuser mit Hakenkreuzen und das Herunterholen der Reichsflagge stellte Genosse Auer die Selbsthilfe der Arbeiterschaft in Aussicht, falls die Polizei weiterhin fortgesetzt versage. Auer forderte eine strenge Untersuchung über den Angriff auf die Ententetommission in Landshut , der von einer dienstlichen Behörde aus durchsichtigen Gründen in Szene gesetzt worden sei. Weiterhin stellte Auer die Frage: Hat die Regierung etwas im Hinblick auf den nationalsozialistischen Protest gegen den Besuch des Reichspräsidenten in München getan? Wenn Ebert nach München kommen will und die Regierung ihn nicht zu schützen vermag, werden die Sozialdemokraten es tun.
Der Dogen war überspannt... General von Deimling über Judenhctze und Dolchstost. Im Gegensatz zu General Ludendorff und seinen Geistesver- wandten, die sich täglich bemühen, sich von der Schuld am Zusammen- bruch zu entlasten und diese Schuld dem deutschen Volte in die Schuh - schieben wollen, hat vor kurzem General von Deimling in einer Versammlung der Deutschen demokratischen Partei in Tübingen über die Dolchstoßlegende und die antisemitischen Hetzereien Worte ge- funden, die größte Beachtung oerdienen, nicht zuletzt deshalb, wril sie aus dem Munde einer Persönlichkeit stanimsn, die das Front- empfinden der Soldaten kannte wie selten einer. Zum Kapitel Judenhetze führte General von Deimling aus: Was ihm als alten Soldaten am widerwärtigsten sei, das seien die Vorwürfe, daß die jüdischen Soldaten einer wie der andere versagt hätten. Auch unter den jüdischen Soldaten habe es solche gegeben, die das Leben höher schätzten als kriegerische Lorbeeren. Die gab es aber auch unter den Christen. In seinem Korps hätten sich die Juden trefflich gehalten. Es sei statistisch unum- stößlich festgestellt, daß die Juden in einer ihrer Kopfzahl entsprechen- den Weise teil hatten am Kriegsdienst, Blut opfern, Dekorationen und Beförderungen. Es wäre an der Zeit, daß der lludenhehe ein Ende gemacht werde. Sie baue nicht auf, sondern reiße nieder. „Das Ganze sammeln" heißt die Parole. Die deutsche Volk«- gemeinschast brauchen wir. Daß heut« eine solche Volksgcmein- schast nur auf dem Boden der demokratischen Republik möglich ist, sollten auch Monarchisten und Marxisten einsehen. Wir haben nun einmal die Republik und werden sie auf absehbare Zeiten haben. Die Entwicklung der Zeit bewegt sich in der Richtung der Demo- kratie... Viele glauben, eine Vaterlandsliebe gebe es nicht in der Mitte, sondern nur ganz rechts. Zm Gegenteil ist die Vaterlands- liebe dort, wo Aufbauarbeit g-lelflet und nicht bloß negiert wird Getragen von einer großen Volksgemeinschaft könnte die deutsche Regierung auch dem Ausland gegenüber viel stärker austreten. Noch eine Lehre ist aus dem Krieg zu ziehen: der Glaube an die große unversiegbare Kraft, die im deutschen Volke ruht... Das deutsche Volk hat mit einem Heldenmut gekämpft, der in der Welt einzig dasteht. Es gibt aber Deutsche , die dem deutschen Volke vorwerfen, es habe nicht ausgeholten.(Dolchstoßlegende.) Der Z»- sammenbruch hatte viele Ursachen. Die entscheidende Rolle aber hat die ungeheure Uebermacht der Feinde an Menschen und jMatcrial und die Aushungerung gespielt, wir waren einsach fertig, erschöpft: der Bogen war überspannt und muhte platzen. Schuld sind diejenigen, die es nicht zu einem verständigungsfrieden kommen liehen, als es noch Zeit war. Das deutsche Volk hat seine Schuldigkeit im Weltkrieg bis zum letzten getan. Es sollte sich diese Legende nicht weiter gefallen lassen. Es war ein Wunder, was das deutsche Volk geleistet hat, und ein noch fast gröheres Wunder war, daß es sich au» dem Chaos wieder auf- raffte und an"die Arbeit ging. Das gibt uns die Hoffnung, daß wir wieder emporkommen. verleumüer ohne Enüe! Breslau , 31. Mai. (WTB.) Wegen Beleidigung des Reichs. Präsidenten verurteilte die Strafkammer des hiesigen Land- gerichts den Oberpostsekretär Boehnig aus Waldenburg zu sechs Wochen Gefängnis. Boehnig hatte gelegentlich einer Fahrt in einem Automobilomnibu» mit bezug aus die vom Reichspräsi- denten aus dem Dispositionsfonds sür da» Oberschlesische H i l f s w e r t zur Verfügung gestellte Spende von 250 000 Mark laut vor allen Fahrgästen geäußert: Die» Geld habe der Reichspräsident gestohlen. Man sieht immer wieder, welcher Art die Waffen sind, mit denen die„nationalen" Herrschaften kämpfen.
Der sinke Flügel der tschechischen Sozialdemokratie hat sich, wie die„Franks. Ztg." meldet, zu einer eigenen Partei gruppiert. Sie nennt sich Unabhängige Sozialdemokratische Arbeiterpartei in der Tschechoslowakei und ist der Wiener Arbeitsgemeinschaft � angeschlossen. 3n der Beleidigungsklage des Ministers Hermes gegen die |„Freiheit" steht Termin zur Verhandlung am 24. Juni an. Gegen- stand der Beleidigungsklage sind bekanntlich die Weinsendungen des i Winzervereins an Herrn Hermes._
Das glückhaste Schiff. Von Edgar Hahnewald . Die Straße herauf rollt in langsamer Fahrt ein Lastauto. Von vorn sieht es aus wie ein fröhliches Schiff mit vollen Segeln, denn im Führersitz, auf den Trittbrettern und auf der hohen Ladung sitzen, stehen und schweben halb junge Mädchen in weißen und gelben Leinenmänteln: Zigarettenarbeiterinnen. Die Mäntel leuchten in der Maiensonne, sie bauschen sich im Wind. Das Auto oerschwindet halb unter den weißen und gelben Segeln— der blaublusige Führer sitzt mitten drin wie von bauschenden Fahnen umhüllt. Für ihn und für die Mädels ist diese Fahrt sichtlich keine Sen- sation— sie fahren die hoch aufgestapelten Zigarettenpakete in eine Niederlage und rollen dann in die Fabrik zurück— weiter nichts. Aber die Mädels lachen von oben in die Straße hinein, die Vor- übergehenden freuen sich auch und schauen dem bewimpelten Auto nach, wie es rollend, weiß und gelb umbauscht, durch die Straße segelt. Rund um den Autokosten steht zehnmal der Name der Fabrik angeschrieben. Er endet mit einem Ppsilon, und dieser zehnfach wiederkehrende Buchstabe wirkt wie ein zehnmaliger Ausruf in die graustlberne Straße, die weißen Mäntel flattern wie Frühlings- flaggen und die Mädels sind jung. Und sie haben Arbeit in hellen Räumen. Am Wochenschluh rechnen sie ihren Akkord zusammen, täglich bleiben nach der acht- stündigen Arbeit noch ein paar helle Stunden für das Leben übrig, ste sind frei— mehr wollen sie nicht— sie blicken von ihrem rollen- den Lastschiff überlegen herab auf die gezähmte Zweierreihe eines Mädchenpensionats, die eng aneinandergefchoben wartet, um das helle Segelauto vorüber zu lassen. Mit denen wollen sie gar nicht tauschen— sind sie begehrlich, wenn sie für ihre Arbeit anständig bezahlt sein wollen, sind sie unmädchenhaft, wenn sie über Lohn- tarife sprechen? Sie sind Arbeiterinnen— und wie sie da vorbeisegeln, in wehenden weißen und gelben Mänteln, jung im Sonnenlicht, ver- gnügt im Arbeitstag, verwandeln sie das graue und doch ganz poesie- los« Lastauto in einen fröhlichen Festwagen der Arbeit, in ein glück- haste» Schiff im Straßengrau.
Ehren wir den Künstler, wo wir ihn finden. Diesen Grundsatz bat die Sozialdemokratie als eine Bewegung für den ideellen Auf. stieg der Menschheit von jeher mit Nachdruck ve�rcten. Daher Siegen ihr denn auch nach und nach die Herzen allw feinsinnigen Renschen zu. Sollte nun der Erbauer einer Meistergeige nicht eine «benso feine Seele besitzen müssen wie der komponierende oder vor- tragende�Zünstler? Sollte er ihnen nicht ebenbürtig sein? Leider herrschen in dieser Beziehung noch immer, und gerade bei den Ge-
bildeten, ganz falsche Vorstellungen. Wie wäre es sonst möglich, daß in den Zeitungen allen Ernstes hin und wieder Bemerkungen auftauchen, die der gläubigen Welt verkünden, das Geheimnis der Geigenbauer liege m der Anwendung eines eigentümlichen Lackes oder es sei wieder einmal einem Pfiffikus gelungen, durch einen erfindungsreichen Kniff aus einer Markneukirchener Marktschreierin eine alles bezaubernde Sängerin zu machen. Und doch ist die Sack)« höchst einfach! Eine den Anforderungen des Musikers entsprechende Geige ist keine, wenn auch noch so sorgfältige Tischlerarbeit, sondern ein K u n st w e r k ersten Ranges, das einem Tonideal seine Eni- stehung verdankt. Dies Tonideal ist aber das Gebilde eines tünst- lerischen Geistes, das sich auf dem Grunde eines musikalischen Innen- lebens durch fleißige Anhörung der Töne in der Umwell allmählich zu bewußter Nollendung entwickelt. Hat sich infolge eines solchen Bemühens das Touidcal gebildet, so wird nach feinsinniger Auswahl des Holzes das Schnitzmesser von ihm, und nur von ihm geführt. Die singende Seele des arbeitenden Künstlers schafft sich aus dem Gemeinen die Form, die nicht allein das Auge, sondern vor allem das Ohr völlig zu befriedigen imstande ist. Hier, und nur hier liegt das Geheimnis eines Stradivari, Guarneri , Amati , Bergonzi und wie sie all« heißen mögen, die in der Zeit des Wiederaustebens der Künste in Italien ihre Meister- werke schufen. Und hier liegt auch das Geheimnis des Geigenbauers Michael Strobl aus Berlin , der die Vollendung der obigen Meister wieder erreicht hat. Im Jahre 1907 veranstalteten französische Musiker unter dem Vorsitz des rühmlichst bekannten Geigers Thibaut einen Wettbewerb. Unter den 29 oder 31 aus aller Herren Länder eingesandten Geigen wurden allein die Geigen Strobls mit dem Preise verschen, der sie mit den allen Meistcrgeigen in eine Reihe stellte. Diese wenigen Zeilen sollen dem in diesen Tagen sein SSsährigcs Jubiläum feiernden Meister eine kleine Anerkennung bilden, die in dem Urteil der bei ihm aus- und eingehenden Künstler ersten Ranges längst fest- gelegt ist. E r n st W r e d e. Die huklose Wade. Allmählich waren meine angestammten und angeerbten Friedenshüte denn doch unerträglich geworden.(Details feien dem Leser gnädig erspart.) Nun habe ich einen Bekannten beim Hutmacherverband, und der oersprach Rettung. Wochenlang warten nun die formlos gewordenen„Behauptungen" der Aufer- stehung, die doch zu Pfingsten jeder Kreatur blüht. Sie sind ge- reinigt, vielleicht auch geschwefelt und geleimt— aber die Fabrikanten des Schweißleders und der Bänder verbrauchen ihre Ware fürs Ausland, und so werde ich zu Pfingsten hutlos die Well beschauen. Der Zwang, ohne Hut auszukommen, hat mich eine Entdeckung machen lassen. Es geht sehr gut auch ohne diese überflüisige, ja beinahe lächerliche Anmaßung des Menschen, sich in den Weltraum zu verlängern. Ich warne alle schwcihledernen und sonstigen Fabrikanten, die deutschen Menschen länger ohne ihre Fabrikate zu lassen: sonst werden noch viele die Wohltat der Hutlosipkeit ent- decken. Ich sebe schon den Ausbruch der Zeit nahen, da Hüte ein Museumsgegenstand sind wie Kanonen, Genuakonferenzen u. a. Inzwischen dat die Not. die(bisweilen!) erfinderisch macht, mir auch eine neue Philosophie der Hüte und Köpfe eingebracht. Ich
werde den schrecklichen Verdacht nicht mehr los, daß die meisten Menschen Hüte nur tragen, um ihren Mangel an Köpfen zu oerdecken. Dann wäre allerdings die Liga der Hutlosen dauernd zu einer kleinen Minorität verdammt, aber diese könnte dann mit um so größerer Genugtuung ihren Satz proklamieren:„Wozu brauche ich einen Hut, ich habe ja einen Kopf. Befangenheit des Publikums vor dem Kurbelkasten. Uns wird geschrieben: Ein Experiment, das die Grenzen der Unbcsanzenhcit der Menge interessant beleuchtet, wurde kürzlich von einem Berliner Filmaufnahme-Operateur gemacht. Es war in einer belebten Straße eine Szene zu drehen, die nichts als das bunte Treiben in dieser Straße zu zeigen hatte. Der Mann mit dem Kurbelkasten hatte sich wohlweislich so postiert, daß niemand von seiner Anwesenheit wußte. Di« Menge ging und flutete wie immer. Und so gelang es, ein absolut natürliches Bild einzufangen. Wie die Aufnahme beendet war, wurde das kleine, lehrreiche Experiment gemacht. Der Opera- tenr stellte sich mitten in die Straße. Jedermann sah ihn. Ein Hilfsregisseur teilte den Leuten mit, worum es sich handle, und bat, nicht in dos Objektiv der Kamera zu gucken. Dann wurde gekurbelt. Dos Ergebnis war kläglich. Die Menge hatte vollständig jeden normalen Gang ausgeschaltet. Mit manirierten Schritten tänzelte jeder an der Kamera" vorbei, bestrebt, sich irgendwie ins beste Licht zu setzen. Die Befangenheit des Publikums war derart groß, daß man, wollte man diese bewußte Massenaufnahme zeigen, den lustigsten Groteskfilm hätte. Soziale Zahnheilkande. Die Soziolhygienlsche Aka- demie in Charlottenbnrg bcabsichiigt, aus Anregunq des Preußischen Ministeriums für Boltswohlfahrt und mit Unterstützung der Zahnärzteorgonisationen in Ergänzung ihrer iozialmedizinüchen Vorlesungen den Lehrgängen vierwöchige Kurse in der sozialen Zahnheilkunde anzugliedern. Der erste Kursus wird vom 12. Juni bis 8. Juli abgehalten werden. Außer einer allgemeinen sozialhygienischen Vorbildung soll sich der Zahnarzt besonders die Vehandlungsmethoden, wie sie in der Kleinkinder- und Schültindersürsorge geübt werden, aneignen. Die mit Be- ieiligung der Mundhönl« verlausenden Krankheiten hes Kindesalters sollen Im Unterricht besonders berücksichtigt werden. Lehr- und Stundenplan sind durch das Sekretariat der Sozialhygienischen Akademie. Charlottenburg 9. Spandauer Berg 15/16(Krankenhaus Westend ), zu beziehen, das auch Anmeldungen entgegennimmt. Wohnungen werden mit Hilfe des Wohnungsamtes nachgewiesen. Renntterzucht In den Bereinigten Stanien. Die Amerikaner wollen, um die Lösung der recht schwierigen Fleischversorgungssrag« zu erleichtern, lappländische Renntiere akklimatisieren, und haben be- reite Versuche mit einer Herd« von 100 Stück angestellt, die aus Lapplond eingeführt worden ist. Man hat eigens Lappländer nach Amerika kommen lasten, um die Bevölkerung in der Pfleg« der Renntiere zu unterweisen. Die Tiere, die auf einem großen Gebiet im Staate Michigan untergebracht worden sind, scheinen sich wohl zu fühlen und vertragen das Klima sehr gut. Im Kleinen übeater findet am Donnerstag dt« Breiniere der linh ßtlrt/f rtttf* urm Jnnfht(5>rf»rnhl ft/ltt
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