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Nr. 276 ZH. Jahrgang
Heilage öes vorwärts
Mittwoch, Sen 1». Juni 1925
�ohnzulagenverjchleppung. Die Wiederkehr des Magiftratsantrages auf Erhöhung des Straheubahntarifs.
In der gestrigen Stadtverordnetensitzung erlebten I wir das Schauspiel, daß die rechtsstehenden Fraktionen von den Deutschnationalen bis zu den Demokraten bei zwei Dringlichkeits- vorlagen über L o h n z u l a g e n die Entscheidung ohne triftigen Grund verzögerten und eine höchst überflüssige Ausschuß- beratung durchsetzten. Erst hinterher schien ihnen die Erkenntnis aufzudämmern, welches schwere Unrecht sie hiermit an den Arbeitern und nicht st ändig Ange st eilten begingen, die schon lange aus die Zulagen warten. Im Laufe der Sitzung teilte dann der Stadtverordnetenvorsteher mit, daß in. zwischen der Aeltestenausschuß den Magistrat gebeten habe, auf diese nun noch nicht bewilligten Zulagen einen Vorschuß zu zahlen, und daß der Magistrat sich dazu bereit erklärt habe. Lebhafte Auseinandersetzungen erwartete man bei der erneuten Dringlich- keitsvorlage über die Erhöhung des Straßenbahn- t a r i f s a u f 4 M. Sie war vom Magistrat mit äußerster De- schleunigung wieder eingebracht worden, nachdem erst am Abend vorher die Verkehrsdeputation sich für die Erhöhung ausgesprochen hatte. Die Stadwerordnetenversammlung verzichtete aber gestern einstweilen auf jede Erörterung selbst die Kommunisten brachten es diesmal fertig, sich zu bezähmen und die Vorlage wurde einem Ausschuß überwiesen. » In der gestrigen außerordentlichen Sitzung(die an die Stelle der am 15. ausfallenden trat) wurde zunächst einem Dringlichkeits. antrage der Unabhängigen entsprechend an den Magistrat die Aus- sordcrung gerichtet, die von der Versammlung schon am 15. Fe- bruar beschlossene Gleich st ellung der Altpensionäre mit den Neupensionären sofort durchzuführen und den ersteren sofort einen Vorschuß zu gewähren. Die auf Betreiben der Deutschen Volkspartei   am letzten Donnerstag auf heute vertagte zweite Beratung der Vorlogen wegen Erhöhung der Mailöhne für die städtischen Arbeiter und wegen Regelung der Bezüge der nichtständigen Angestellten ab 1. April führte nochmals Redner aller Fraktionen ins Gefecht, endete aber unerwarteterweise mit der V e r- weisustg an einen Ausschuß. Wieder drangen die Morl- führer der bürgerlichen Parteien(nur der Redner des Zentrums R e ck e r machte eine Ausnahme) auf stärkere Differenz der Lohn- sätze zugunsten der Handwerker und Oualitätsarbeiter und warnten vor der Fortsetzung eines Systems öder Gleichmacherei, während von der gesamten Linken und von dem Zentrumsverttetcr die drin- gende Notwendigkeit alsbaldiger Verabschiedung der Vorlage in den Vordergrund gestellt wurde, um die Arbeiter endlich in den Genuß der erhöhten Löhne für Mai zu setzen. Leider ließ die Besetzung der Linken zu wünschen übrig, so daß trotz der Zentrumshilse die Gegner der Verschleppungstaktik mit 80 gegen 84 Stimmen in der Minder-- heit blieben. Eine Anfrage der Kommunisten, die Dr. Rosen- berg begründete, verlangt, von der Tatsache ausgehend, daß am 14. April am Grab der ehemaligen Kaiserin in Potsdam   ein Kranz mit fchwarzweißroter Schleife und der AufschriftDer deui- schen Frau gewidmet vom Berliner   Selbstschutz" nieder- gelegt worden ist. vom Magistrat Aufschluß darüber, was er zu tun gedenke, um die Berliner   Bevölkerung vor den Gefahren zu schützen, die sich aus dieser angeblichen freiwilligen Polizeitruppe, in Wirklich- keit einer monarchistischen Orgesch-Organisation, ergeben. Die Rechte machte krampfhafte Versuche, den Redner durch Lachsalven aus deni Konzept zu bringen, drang indessen damit nicht durch. Stadtsyndikus Lange teilte mit, daß die gegen den amtlichen Auflöfungsbefchluß angestrengte Klage im Verwaltungsstreilversahren noch schwebt. Die Besprechung der Anfrage wurde beschlossen, aber auf die nächste Sitzung verschoben. Die Frage, ob und unter welchen Bedingun- gen die st ä d t i s ch e D a r l e h n s k a s s e, deren Betrieb der Ma- gistrat bereits mit Ends März d. I. einstellen wollte, weitergesührt werden kann, soll in einem Ausschusse näher geprüft werden. Der Magistrateanttag, den Standcsbeamten-Hilfs stell- Vertretern vom 1. April 1S22 als Taqesvergütung den 365. Teil des Anfangsgehalts der Gruppe 7 zuzüglich Orts- usw. Zuschläge zu zahlen, fand die Zustimmung der Versammlung: an der Erörterung beteiligte sich auch der kommunistische Stadtrat Stolt.. Eine längere Aussprache zeitigte auch die_
Erhaltung der Fachschule des Lette-vereins. Aus der Ausschuhberatung des betreffenden demokratischen Antrags ist der Antrag hervorgegangen, unter der Voraussetzung, daß Reich und Staat gemeinsam zur Erhaltung der Bildungsanstalten bei- tragen, auch die Vereitwilligkeit der Stadt Berlin   zu einer laufenden jährlichen Unterstützung oder zur Gewährung eines zinslosen Dar- lehns auszusprechen, wofür der Stadt ein Einfluß aus Organisation und Verwaltung des Lette-Vereins zu garantieren wäre. Fast ein­stimmig gelangte dieser Antrag zur Annahme. Hierauf beschloß die Versammlung ohne Erörterung die vom Magistrat nach Anhörung der Verkehrsdeputation nunmehr zum drittenmal eingebrachte Dringlichkcitsvorlage wegen Einführung des 4-ZNnr?'Tarifs aus der Straßenbahn einem Ausschuß zu überweisen. Mit der Ausnahme einer Hypothek von 1330 000 M. bei der Sächsischen Bodenkreditanstalt für die 38 Häuser des zweiten Bau- teils der Siedlung des Bezirksamtes Köpenick an der Dahl- w i tz e r Straße erklärte man sich einverstanden. Zu den Magiftratsvorschlägen wegen Beschaffung weiterer Sport- uud Spielplätze hat der Ausschuß für die 6 Projekte Hippodrom, Schön- holzer Heide, Reinickendorf  (Scharnweberstrahe, Neu- kölln, Wilmersdorf   und S t e g l i tz je 6, 2, 3, 6, 2,5 Millio- nen und 300 000 M. zu bewilligen empfohlen. Dem Ausschußantrag wird mit der Maßgabe zugestimmt, daß der Betrag für Steglitz   auf 500 000 M. erhöht wird. Heber den Entwurf einer vorläufigen Satzung der Werks- d e p u t a t i o n, den der Magistrat am 31. Mai vorgelegt hat, um aus den jetzigen unhaltbar gewordenen Verhältnissen der Werke in den einzelnen Bezirken herauszukommen, erhebt sich noch eine kurze Debatte. Der Entwurf wird genehmigt, die Zusammensetzung der Deputation auf Antrag der Rechten dahin geändert, daß sie aus 5 Magistratsmitgliedern und je 10 Stadtverordneten und Bürger- deputierten bestehen soll. Vom Vorsteher Dr. C a s p a r i wird noch gegen S Uhr ein B e- s ch l u ß des A e l t e st e n r a t s zur Kenntnis gebracht, den Magisttat zu ersuchen, auf die Löhne und Bezüge der Arbeiter und nicht- ständigen Angestellten für Mai Borschiisse zu zahlen, und zwar 90 Proz. für Erwachsene, 85 Proz. für Jugend­liche: Oberbürgermeister Böß wird über den Antrag morgen die Beschsußfassung des Magistrats herbeiführen. Nach Erledigung einiger weiterer kleinerer Vorlagen schließt die öffentliche Sitzung um 9 Uhr.
Das Tempelhofer   5e!ü als Volkspark. Für die städtischen Verwaltungen hat jetzt das Städtebau  - am t im Auftrag« des Magistrats Verhandlungen mit dem Reichs- fchatzministerium aufgenommen, damit bei der Inanspruchnahme des Tempelhofer   Feldes die Interessen des Verkehrs gewahrt werden und die Einteilung nach einem einheitlichen Plane geschieht. Das Reichs- schatzministerium, das bisher einen Feldteil an einen Kleingarten- verein der Post abgegeben und einen weiteren Feldteil für einen Sporwerein in Aussicht genommen hatte, hat erfreulicherweise dem ihm vorgelegten Plane zugestimmt. Nach diesem soll das mit Bäumen bestandene Gelände als Freifläche ausgewiesen und als Volkspark erhalten werden. Am Ncrdrand des Feldes sind der erwähnte Kleingartenverein der Post und der Sportverein untergebracht. Am Osttande des Feldes wird dem Dezirksamt Neu- kölln ein 500 Meter breiter Stteifen für Spiel- und Sportzwecke zu- gewiesen. Den Südrand nehmen Kleingärten ein. Inmitten dieser Randgebiete verbleibt der größte Teil des Feldes als freier Tummelplatz für die Gesamtbevötkerung. Ein« städte- baulich befriedigende Einfügung des Tempelhofer Feldes in das Stadtbild wird durch Anlage einer Pronienade mit Sitz- Plätzen an der Tempelhofer   Chaussee und von Baumalleen als Begrenzung der geplanten Anlagen angestrebt.
Dauerkampf um öl'e Straßenbahn. Der Kampf um die Sttaßenbahn, der gestern in der Verkehr deputation begonnen hat, setzte sich im Etatsausschuß in einer fün> stündigen Debatte noch etwas hitziger sort. Ging es dort nur ur die Tarife, so ging es hier ums Ganze. Die bürgerliche Mehrhc setzte alles daran, um eins Privatisierung der Straßer bahn zu erzwingen, oder, falls dies nicht gelingen sollt durch die Verkoppelung einer Straßenbahnanleihe mit der Güter Verpachtung wenigstens die Güter der Kommune aus de Hand zu schlagen. Man malte zu diesem Zwecke schwarz i schwarz, verlangte hier zum ersten Male während der ganzen Eto: beratung eine haushaltsmäßige Berücksichtigung der inzwischen ein getretenen Verteuerung, die man niit 000 Millionen aus die Minur Seite stellen wollte, ohne das Einnahmeplus aus Tariferhöhunger bewilligen zu wollen. Man sieht also, daß bei dem Widerstand gr wisser bürgerlicher Kreise gegen eine Tariferhöhung durchaus»ich die im Munde geführten Allgemeinintercssen, sondern höchs egoistische privatkapitalistische Interessen ausschlag gebend sind. Dasselbe gilt bei dem gefordertenErneuerungsfonds' in Höhe von 400 Millionen Mark. Obgleich der Oberbürger meister wie der S t a d t k ä m m e r e r sich auf das entschiedenst' gegen eine solche Anleihe im gegenwärtigen Moment wehrten und sogar mit der Ablehnung des Etats durch den Magistroi drohten, obgleich der Stadtbaurat erklärte, daß man sich noch über dieses Jahr hinüberhelfen könnte, setzte die bürgerlich« Mehr. heit die Positton fest. Obligationen in Höhe von 400 Millionen würden bei einer Stabilsierunq der Mark oder gar bei einem Auf- stieg des Markkurses die Sttaßenbahn und die städtische Verwaltung geradezu katastrophal belasten. Die Bürgerlichen wollten ja aber durch diesen Beschluß auch nur einen neuen Druck auf die städtischen Körperschaften zur Privatisierung der Straßenbahn oder zur Ver- Pachtung der Güter ausüben. Die Kommuni st en leisteten diesen kurzsichtigen Plänen der bürgerlichen Fraktionen wieder ein­mal Vorspanndien st e aus kindischer Freude daran, ein Loch von �00 Millionen Mark in den städtischen Etat zu reißen um dessen Zustopfung s i e sich keine grauen Haare werden wachsen lassen._ vamppre öer Großstadt. Derböse Geist" der Frau Spanier. Mit den dunklenGeschäften" der Frau Helene Spanier, die bekanntlich unter dem Verdacht der Anstiftung zum Morde des Teppichhändlei s Reißer in der Steglitzer   Sttahe steht, hatte sich unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Dr. Friedmann die Sttafkammsr des Landgerichts III   zu beschäftigen. Wie die Ermittlungen der Kriminalpolizei zum Teil bestätigt haben, soll die Frau Spanier bei zahlreichen Vergehen und Verbrechen der letzten Jahre stets ihre Hand mit im Spiele gehabt und dabei die Rolle des bösen Geistes gespielt haben. Dir war auch der Fall in der jetzt zur Anklage stehenden Diebstahle fache. Der Militäranwärter Schulz machte eines Tages auf dem Alexanderplatz   die Bekanntschaft einer gewissen Grete! Scholz, die ihm den Vorschlag machte, gegen Hergab« rolgesiempelter Tausendmarkscheine billige Zigaretten zu kaufen. Als Schulz dar auf einging, wurde er von der S. in das Pensionat der Frau Ottili' Hagemann verschleppt, wo ihm die Angeklagte Spanier a! Frau Dr. S t e i n- S a l l e t" vorgestellt wurde. Nach vorher verabredetem Plan, an der sich auch die Verkäuferin Clfriede S ch u- mann beteilgte, die sich mit Schulz erst ein Stelldichein in einem der Zimmer des Pensionats gab, wurde Schulz plötzlich ans Tele- phon gerufen, und als er zurückkam, war die Aktentasche samt der8000 M. ver sch wunden. In der gestrigen Ver- Handlung bezweifelte Rechtsanwalt Dr. S. E i s e n st a e d t die Ver- Handlungsfähigkeit der Angeklagten Spanier, die schon seit mehreren Tagen krank sei und Fieber habe. Di« herbeigeholten Gerichtsärzie Sanitätsrat Dr. L e p p m a n n und Dr. Bürger stellten fest, daß die Angeklagte tatsächlich nicht verhandlungsfähig war. Das Ver- fahren gegen die Spanier wurde deshalb abgetrennt. Gegen die Mitangeklagten Schumann und Hagemann beantragte der Staats. onwalt je 6 Monate Gefängnis, während Rechtsanwalt Gutzeit für sie geltend machte, daß beide das Opfer der Frau Spanier ge- worden seien, die wie ein böser Dämon Leute mit schwachen Charakteren in ihren Bann gebracht und sie zu allen möglichen Straftaten angestiftet habe. Das Gericht erkannte auf 2 bzw. 3 Monate Gefängnis und billigte beiden die bedingte Be- gnadigung zu, der Hagemann unter der Bedingung, daß sie bis zum 1. April 1923 5000 M. an die Staatskasse zahle.
Der Ruf durchs Fenster. I0s Roman von Paul Frank. 11. Rigaer Rachrichlen. R i g a. IS. März. Rätselhaftes Verschwinden eines jungen Mädchens. Roch zittert in allen Gemütern die Erregung über das plötzliche Verschwinden des Schauspielers Albert Reutz nach. Drei Tage sind erst vergangen, seit diese Kunde unsere Stadt durchflogen. Trotzdem diese Zeit benützt worden und nichts unversucht geblieben ist, war es bisher noch nicht möglich. Licht in die dunkle Affäre zu tragen, die zur Stunde ebenso rätselhast und ungeklärt erscheint wie im Anfangsstadium Während jedoch die Neugierde des Publikums begreiflicher- weise in vngeschwächtem Grade sich dem Fall Neust zuwendet, während jedermann wünscht, dast es der rastlos tätigen Poli- zeibehörde gelingen möge, das Rätsel zu lösen, das Frage- zeichen zu bannen, hat sich ein neuer Fall zugetragen, der ganz danach angetan ist, das Interesse der Allgemeinheit in hohem Grade zu fesseln. Albert Neust ist noch nicht gefunden; man hat auch nicht die leiseste Spur entdeckt, die zu ihm führen könnte und schon hat sich ein anderes Vorkommnis ereignet, das dem vorangegangenen nicht unähnlich ist, da es sich wieder um das plötzliche und ganz unerklärliche Untertauchen einer Person handelt, blast dast es diesmal ein junges Mädchen ist, das spurlos von der Bildfläche verschwunden ist. Man er- innert sich nicht, dast die Lokalchronik unserer Stadt jemals der Schauplatz zweier so rasch hintereinander erfolgender pein- licher Ereignisse gewesen wäre Die Vermißte ist eine junge Dame, die den ersten Gesellschaftskreisen unserer Stadt ange- hört. Sie heißt Erika Diest, ist die Tochter des Grostindu- striellen Ewald Diest. Besitzers der KautschukwerkeEternit". Sie hat Montag nachmittags das Elternhaus verlassen und ist bis zur Swnde nicht zurückgekehrt. Die tiefgebeugten Eltern haben sich endlich entschlossen, die Abgängigkeitsanzeige zu erstatten. Das Mädchen aus gutem Hause. Erika Diest ist einundzwanzig Jahre alt. Sie hat eine ausgezeichnete Erziehung genossen, wie es der gesellschaftlichen
Stellung und dem Vermögen des Vaters angemessen ist. Den verschiedenen Zweigen des Sports war sie sehr zugetan und im Sommer auf dem Tennis-, im Winter auf dem Eislauf- platz zu sehen. Eine überaus wohlgeratene, folgsame Tochter, hat'sie ihren Eltern niemals Unannehmlichkeiten bereitet. Ihre Schulzeugnisse sind stets die besten gewesen. Es handelt sich demnach keineswegs, wie mancher anzunehmen geneigt wäre, um einen Wildfang, um ein Abenteuern geneigtes Geschöpf, bei dem ein derartiges Vorkommnis in Rechnung zu ziehen wäre. Erika Diest war durchaus gut veranlagt und hat ihren Eltern niemals auch nur den geringsten Kummer verursacht. Wenigstens ist das bis vor kurzer �eit so gewesen. Solange hat die junge Dame vollkommen im Einverständnis mit ihren Hausgenossen und zur Zufriedenheit von Vater und Mutter gelebt. Sie hat das Haus nur in Begleitung der Gouver- nante, respektive der Gesellschafterin oder Lehrerin verlassen, von der sie sich stets auf ihren Ausgängen begleiten liest. Bis eines Tages dann ein bestimmtes Ereignis im Leben der jungen Dame eine gründliche Veränderung hervorgerufen hat. Der Herr Studiosus. Die Eltern sprechen nur mit Ingrimm von jenem Tag, der nun schon längere Zeit zurückliegt, an dem Erika Diest einen jungen, um weniges älteren Mann kennen und lieben gelernt hat. Wie der Vater behauptet, hat es sich eigentlich um eine einseitige Leidenschaft gehandelt. Jedenfalls wußte der junge Mann das Mädchen in der Folge an sich zu fesseln, so daß es Erika Diest trotz erhöhter Wachsamkeit der Eltern verstand, mit dem jungen Mann immer wieder, wenn auch nur auf kurze Zeit, zusammenzutreffen. Es kam öfter als einmal vor, dast sie das Haus ohne Begleitung von Lehrerin oder Gouvernante verließ. Die Eltern, die von den heim-) lichen Zusammenkünften Kenntnis erhalten hatten und ihrer Tochter ernsthaft ins Gewissen redeten, erzielten jedoch nicht das gewünschte Resultat. Die junge Dame erklärte im Ver- lauf einer sehr erregten Auseinandersetzung, daß sie keines- wegs gesonnen sei, den Verkehr mit derti jungen Manne, der ihr Vertrauen besitze, aufzugeben. Sie verbat sich mit Rück- ficht auf ihr Alter und unter Betonung, daß sie ein erwachsenes junges Mädchen sei, jede fernere Einmischung. Heiratsplänen ihrer Mutter setzte sie allerhestigsten Widerstand entgegen, so daß das eine oder das andere Projekt, das diesbezüglich er- wogen worden war, als gescheitert angesehen werden mußte. Da entschloß sich der Vater eines Tages, den Schritt zu tun,
der ja doch einmal getan werden mußte und von dem er sich eine entscheidende Wendung der Dinge versprach, die aus andere Weise nicht eintreten wollte. Er beschied den jungen Mann zu sich. Der abgewiesene Freier. Durch eine Mittelsperson ließ er den hartnäckigen Ver- ehrer auffordern, ihn zu besuchen. Er erwartete ihn in seinem Privatbureau. Thaddäus Dmochowski dies der Name des jungen Mannes leistete der Aufforderung Folge und er- schien vor Herrn Diest  . Das hat sich vor ungefähr vierzehn Tagen ereignet. Herr Diest hat mit Herrn Dmochowski in aller Ruhe zu sprechen versucht, jedoch ist die Unterredung Im Laufe der Zeit sie hat länger als«ine Stunde gedauert heftiger und erregter geworden. Herr Dmochowski ist Student der Medizin an der hiesigen Universität. Daß er ein fleißiger Hörer der Vorlesungen sei, konnte er nicht einmal selbst be- haupten. Er war, trotz seiner sechsundzwanzig Jahre, erst über die Anfangsprüfungen hinausgekommen, obwohl er doch schon längst sein Doktordiplom hätte in der Tasche haben können. Auf die diesbezüglichen Vorhaltungen des Herrn Diest   antwortete er ausweichend und mit einem Achselzucken. Vor allem, daß das allein seine Sache sei. Worauf Herr Diest, einigermaßen aufgebracht über das Verhalten des jungen Mannes, entgegnete, daß er sich wohl auch ein Wort hierüber anmaßen dürfe, da Herr Dmochowski doch die Absicht habe. seine Tochter zu heiraten. Jawohl, erwiderte der Student, diese Absicht habe er allerdings. Worauf Herr Diest ihn in aller Ruhe, zugleich aber sehr energisch ersuchte, diese seine Absicht aufzugeben, da das Mädchen niemals die Erlaubnis erhalten würde, eine solche Verbindung einzugehen. Ohne daß es ihm iedoch gelungen wäre, mit dielerr Derkünduna besonderen Eindruck hervorzurufen. Der Student erklärte freimütig, daß er das Mädchen wirklich und aufrichtig lieb habe und dast er es unter allen Umständen heiraten müsse. Endlich riß Herrn Diest die Geduld. Nachdem er versucht hatte, den unbequemen Freier drirch Anbieten eines respek tablen Geldgeschenkes zu einer Absage zu bringen, sagte er ihm rund heraus, daß er sich das Mädchen aus dem Kopfe schlagen müsse, das er niemals besitzen werde. Herr Diest verbot dem Studenten in Zukunft jedes Zusammentreffen mit seiner Tochter. Er drohte ihm, sich des polizeilichen Bei- standes zu versichern und stellte dem jungen Manne das ge- richtliche Einschreiten in Aussicht. Dieser verliest wortlos das Buremu(Fortsetzung folgt.)