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Nr. 277 39.Jahrgang Ausgabe B Nr.136

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Mittwoch, den 14. Juni 1922

Hohenzollern und Steuern.

Eine unklare Auskunft des Reichsfinanzministeriums.

Die Genossen Krüger( Merseburg ) und Brunner] fragten im Reichstage die Reichsregierung, ob die Pressemel­dungen zutreffen, daß die Hohenzollern in den letzten drei Jah­ren feine Steuern gezahlt hätten. Ein Vertreter des Reichs­finanzministeriums antwortete gestern:

Es ist nicht richtig, daß die Angehörigen des Hauses Hohenzollern bis zum heutigen Tage feine Reichssteuern gezahit haben, und es ist auch nicht richtig, daß die Steuerbehörden den Angehörigen des Hauses Hohenzollern fällige Reichssteuern ge­stundet haben.

Im Hinblick darauf, daß das Vermögen der Familie Hohen­ zollern beschlagnahmt ist und daß die Auseinandersetzung zwischen dem Land Preußen und dem Hause Hohenzollern bis jetzt noch nicht endgültig erfolgen fonnte, hat allerdings eine endgültige Ber­anlagung zu den Reichssteuern für alle Mitglieder des Hauses Hohenzollern bisher nicht stattfinden können. Auf Grund der Vor­schrift des§ 82 der Reichsabgabenordnung, nach welcher die Steuer vorläufig festgesetzt werden fann, wenn ungewiß ist, ob oder inwie weit die Voraussetzungen für die Entstehung der Steuerschuld ein getreten sind, haben dagegen die Finanzämter die Angehörigen des Hauses Hohenzollern vorläufig zu den Reichssteuern veranlagt, soweit die erforderlichen Unterlagen für eine endgültige Veranlagung nicht zur Verfügung gestanden haben. Die vorläufig veranlagten Beträge sind, soweit sie fällig waren, im wesentlichen eingezahlt.

Bei einem Angehörigen des Hauses Hohenzollern , hinsichtlich deffen Schwierigkeiten wegen der Bezahlung und Sicherstellung ent­standen sind, ist Arrest in das bewegliche und unbewegliche Bermögen

angeordnet worden.

Die Beranlagung der Mitglieder des Hauses Hohenzollern zu den Reichssteuern wird von mir überwacht. Im übrigen sind diefe mie jeder andere Steuerpflichtige nach Maßgabe der geltenden Steuergesetze zu behandeln."

An die Hoffammerrentei.

Charlottenburg , den 6. Juni.

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Berlag, Expedition und Inferaten­Abteilung Moritplat 11753-54

Regierung ohne Programm.

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G. P. Wien , Mitte Juni. Num hat Oesterreich schon eine Woche die neue christ­liche, christlichste Regierung, die Regierung, die, wie ihr. Chef in seiner Antrittsrede besonders betonen zu müssen glaubte, von Gott auf ihren Plaz geführt wurde aber von Gottes Segen, den man darum für Dester­Auf Grund der mit abschriftlich vorstehendem Erlaß erteilten reich erwarten zu fönnen glaubte, ist noch immer nichts zu Genehmigung wird die Hofkammerrentei angewiesen, von den am merfen. Im Gegenteil: die Krone stürzt mit immer größerer Schluß des Jahres 1922 bei der Hauptverwaltung fich ergebenden Geschwindigkeit dem Abgrund zu und die Regierung sieht Ueberschüssen den Betrag von 10 Millionen Mark einzubehal- ratios und programmlos zu oder vielmehr sie sucht die ten und hiermit Beleg als Bestand des Jahres 1920 nachzuweisen. entfeffelten Elemente durch Beschwörungen zu beruhigen, Bon dem vorstehenden Betrage werden im Jahre 1921 a) zu indem sie der Börse zuruft, daß fein Anlaß zur Beunruhigung Ersatzbauten bei der Aemterverwaltung 4 Millionen Mart, b) zur sei, da die Regierung feine übereilten Maßnahmen treffen Aufbesserung der Substanz und des lebenden und toten Inventars werde, und indem sie der übrigen Welt versichert, daß sie bei den Administrationen ebenfalls bei der Aemterverwaltung zwei über ein Programm nachdenke... Millionen Mart, c) zu Ersagbauten bei der Forstverwaltung vier millionen Mart nachgewiesen.

Daß die christlichsoziale Regierung fein Programm zur Rettung" Desterreichs hat, muß eigentlich einigermaßen Die Einnahme aus den Hohenzollernschen Gütern hat im wundernehmen; denn bei den Oktoberwahlen des Jahres 1920 Jahre 1920 überdies nicht, wie die Hoftammer selbst ange- gebärdeten sich die Christlichsozialen so, als ob sie im Besize nommen hat, nur 25 Millionen Mart, sondern, wie das des Allheilmittels wären und daß es genüge, wenn die Wähler Schreiben vom 27. Mai zeigt, über 28 Millionen Mart ihnen zur Regierung verhelfen und alle Not des Staates und betragen. Für 1921 wird mit einem Reingewinn von jedes Staatsbürgers wäre vorbei. Wie der damalige christ­rund 60 m Ilionen Mart gerechnet. Und 1922 wird lichsoziale Parteiobmann Kunschat den Wählern das berühmte man, wenn die Reingewinne so weiterlaufen wie bisher, noch Sechstronenmehl( das Kilo Mehl 6 Kronen!) ver­ganz andere Summen erzielen. Wurden doch fürzlich bei fprach, so versprach der nachmalige Parteiobmann und einer Holzversteigerung, die die Hofkammer selbst sehr hoch nunmehrige Bundeskanzler Dr. Seipel die Stabili mit etwa einer Million Mart austaltuliert hatte, in fierung der Währung. Statt dessen ist in der christ Wirklichkeit dann 7 Millionen Mart verdient. Für lichsozialen Aera , die auf den Oktobersieg folgte, die Krone Steuern ist kein Pfennig bereitgestellt worden. von 2,15 Centimes auf 0,035 Centimes, also auf ein Sieb zigstel ihres Wertes gefallen.

Daß es fo tommen würde, haben die Christlichsozialen Wie reimen sich diese Tatsachen mit den Erklärungen des selbst vorausgesehen und deshalb haben sie anderthalb Jahre Reichsfinanzministeriums zusammen? Die Sache ist ganz ein- lang gezögert, ihre Führer in die Regierung zu entfenden. fach: Der Bertreter des Herrn Reichsfinanzministers meint, Sowohl Weißkirchner als Seipel hielten sich schön bescheiden wir hätten von der Nichtversteuerung des persönlichen im Hintergrund und überließen die Ehre des Regierens zuerst Privatvermögens der Hohenzollern gesprochen. Wir haben einem Provinzpolitifer, dem Professor Mayr aus Innsbrud, aber immer, wie auch wieder aus den obigen Feststellungen und dann nach dessen Scheitern dem Wiener Polizeipräsidenten hervorgeht, vom Familienvermögen der Hohenzollern Schober und seiner Beamtenregierung, und erst als auch diese gesprochen.( Das will nicht besagen, daß die Besteuerung des abwirtschaftete, entschloß sich Herr Seipel, da eben kein an­Privatvermögens der Hohenzollern restlos in Ordnung" ist.) derer Ausweg blieb, um die störrischen und nach Minister­Diefe heute in die Milliarden gehenden Werte an Grund und portefeuilles lüfternen Großdeutschen- und auch die Streber Boden, Ländereien, Waldungen, Seen und Schlössern, Palais in den eigenen Reihen zu befriedigen, an die Spitze der Re­und Wohnhäusern, der hochstehende Wertpapierbefiz des Haus- gierung zu treten. schages, die Einmahmen der Hoffammer, die nach Holland ab=

Als vor einigen Monaten der Borwärts" an der Hand von Dokumenten nachwies, daß die doch eigentlich immer noch unter Zwangsaufsicht des preußischen Finanzministeriums stehende sogenannte Kronverwaltung aus den Einnahmen der Hohenzollernschen Güter ungeniert riesenhafte Beträge ver- geflossenen Riesensummen, die nach dort verbrachten Silber- felbst wenn man das alte Desterreich mitrechnet, je gehabt hat. zaubere, da wurde mit allem Eifer beschwichtigt. Es wurde fachen, echten Teppiche usw., der Erlös aus verkauften Dachten, nachgewiesen", daß die Abbuchungen, die einen Betrag von auf dies alles ist bis heute noch kein Pfennig an Steu 10 Millionen Mark aus einem Reingewinn von 25 Millionen ern gezahlt worden! Man hat im Gegenteil zugelaffen, wie ausmachten, nichts anderes feien, als eine ganz harmlose An- oben unter Beweis gestellt ist, daß allein die Hohen gelegenheit, die im§ 59a der Novelle zum Reichseinkommen zollernsche Hofkammer ihren steuerbaren Reingewinn aus 1920 steuergesetz ihre Begründung finde. Das stimmte zwar des- um 40 Proz fünstlich verringert hat. Wir werden das Reichsfinanzministerium, wenn es weiter wegen nicht, weil die Hohenzollernsche Hoffammer wie immer so auch damals in den Betriebsausgaben ihrer einzelnen Ad- das Bedürfnis hat, über die Steuerleistung der Hohenzollern miniſtrationen schon Summen zur Nachholung der in der gänzlich unzureichende Auskünfte zu geben, gern durch Fort Kriegszeit unterbliebenen Bauten und zur Wiederauffüllung fehung unserer Veröffentlichungen über die Unzulänglichkeit des toten und lebenden Inventars vorgesehen hatte, aber es feiner Aufsicht aufklären. flang doch wenigstens wie der Versuch einer Rechtfertigung. Die zehn Millionen waren zudem langfristig angelegt. Naive Leute fonnten ja annehmen, daß es sich hier um eine Steuerreserve handele, die lebendig werde, sobald end­lich einmal die Hohenzollern in die Verlegenheit tämen, Steuern zahlen zu müssen.

Der Zehnmillionenfonds, der erst vor wenigen Monaten von der Hohenzollernschen Hofkammer gebildet wurde, besteht nicht mehr!

Wir sind heute in der Lage, nachzuweisen, daß wir mit unferer Behauptung, es handele sich bei jenen Abbuchungen um nichts anderes als um eine Steuerflucht der Hohenzollern , recht hatten.

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Bor einigen Wochen ging das folgende Schreiben aus der Hofkammerrentei:

Hoftammerrentet.

Betr. Bildung eines Reservefonds aus den Ueberschüssen des Jahres 1920.

Charlottenburg , ben 27. Mai 1922. Die Hauptverwaltungsrechnung für das Jahr 1920 schließt mit einem Ueberschuß von 28 156 367,03 m. ab. Nach der Verfügung vom 25. Mai 1921 Nr. 3575 follen hiervon zur Bildung eines Reservefonds 10 Millionen Mart zurück be­halten werden, so daß ein leberschuß von 18 156 367,03 m. ver. bleibt, welche Summe an die Verwaltung des vormals föniglichen Hausschaßes abgeführt worden ist.

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Diese Regierung ist nun die schwärzeste, die Desterreich, Vor allem Herr Dr. Seipel selbst, der Prälat der katholischen Kirche , Theologieprofeffor und päpstlicher Protonotarius. So sehr er in der Schule Roms die Künste der Diplomatie erlernt hat, die ihn die wirklichen Machtverhältnisse nicht überschäßen lassen, so ist er doch der ausgesprochene kleri: hinausläuft, die Macht der katholischen Kirche zu erhöhen und tale Reaktionär geblieben, dessen Sinnen nur darauf auch die alten Mächte, die Beschüßer der katholischen Kirche wieder einzusetzen. Er selbst hat in seiner ersten Rede als Bundeskanzler daran erinnert, daß er der letzten faiserlichen Regierung angehörte, die im lezten Augenblick eingesetzt wurde, um die Habsburgermonarchie zu retten, sei es auch um den Preis des Verrates an Deutschland . Wenn Herr Seipel sich mit dem Namen des Professors Lammasch decken möchte, so vergißt er, daß Lammasch jahrelang für den Frieden gefämpft hat und daß man ihm deshalb zubilligen muß, daß es sich bei seiner Regierung vornehmlich um einen raschen Frieden handelte, während Herr Dr. Seipel nur die Habsburger retten wollte und daß ihm das Schicksal Deutschlands weit hinter dem der Habsburger stand. Aber Herr Seipel machte auch in dem Augenblick, da er die Regie­Aus Steinheim i. W. wird uns geschrieben: Bergangenen rung antrat, fein Hehl aus seiner monarchistischen Gesinnung, Sonntag feierte der- angeblich unpolitische Kriegerverein wenn er auch meint, daß das Bolt jetzt andere Sorge hat, als Holzhausen( Kreis Hörter) sein Fest. Der Gutsbesizer, frühere an eine Veränderung der Staatsform zu denken, so daß er Rittmeister von der Berg, nahm in voller Felduniform die Parade also auf dem Boden" dieser staatsrechtlichen Verhältnisse ab und hielt eine Ansprache, bei der er auf die Revolution schimpfte fund, indem er als einzige Bedingung für die Uebernahme wirfen will. Noch deutlicher gab er seinen Klerikalismus und dann den desertierten allerobersten Kriegsherrn" hochleben der Regierung die Uebertragung des Unterrichtsrefforts an laffen wollte. Das war selbst den anwesenden Bauern zu viel, einen Kleritalen aufstellte. Don denen ein großer Teil den Plag verließ.

Wilhelm von Doorn bekommt für seine nach Amerita ver­höferten Erinnerungen 250 000 Dollar Honorar. Das sind etwa achtzig Millionen Mart. Die Behauptungen, Wilhelm wolle dies Geld zur einen Hälfte den Kriegsfrüppeln schenken, zur anderen für rückständige Steuern verwerten, find selbstverständlich völlig aus der Luft gegriffen.

Lauter unpolitische Militärfeiern!

Hier besteht ferner eine Gruppe des Jungdeutschen Ordens", der Ist es schon verwunderlich genug, daß die Großdeut auch Zentrumsmitglieder angehören, ja, einer der Hauptagitatoren chen einen Mann von der Vergangenheit Seipels als ist der Borsigende der hiesigen Zentrumspartei . Der Jungdeutsche Bundeskanzler akzeptierten, so ist es noch merkwürdiger, daß sie Orden behauptet, daß er auf dem Boden der Verfassung stehe und auf diese Bedingung eingingen. Selbst in der Monarchie hat die Republik schützen werde." Neulich aber zog die Schar" Stein- man als Unterrichtsminister nie einen ausgesprochenen Kleri­heim nach einem Fefte durch die Straßen, wobei sie das Lieb der falen genommen, wenn man die Klerikalisierung der Schule Brigade Ehrhardt sang( Hakenkreuz vorm Stahlhelm" usw.). auch noch so eifrig betrieb. Aber man legte Wert darauf, nach Ob den anwesenden Zentrumsleuten nicht etwas die Schamröte ins außen den Schein der Modernität zu wahren und begnügte Geficht gestiegen ist, als sie das Lied der Mörder Erz- fich deshalb mit gemäßigt liberalen" Unterrichtsministern und Wir bitten um Verfügung zur Hauptverwaltungsrechnung für bergers und der Leute, die den Kapp Butsch gemacht haben, auch der letzte Berwalter des Unterrichtsressorts, der Bize 1920 wegen der Zurückbehaltung der 10 Millionen von den Ueber- mitfingen mußten? Jedenfalls sieht man, wie der Schuß der fanzler Breisty, der nichts ohne die Zustimmung Seipels tat, war wohl innerlich ein Christlichsozialer, aber nach außen schüffen d. I. zu den Rechnungen für 1921 wegen der Berwendung Republik" aussieht! hatte er sich nie im Dienste der Partei betätigt. Es war der bezüglich Soll- Stellung diefer Summe. Regierung, in der drei Großdeutsche fizen, vorbehalten, auch einen ausgesprochen flerifalen Unterrichtsminister zu haben. noch fonderbarer muß es für einen Nichteingeweihten erschei nen, daß ein so offentundig reaktionäres ministerium solche

Däumigs Schlaganfall. Der Unfall Däumigs in der gestrigen Die Antwort auf dieses freundliche Schreiben blieb nicht Reichstagssigung hat sich als linksfeitiger Schlaganfall heraus lange aus. Es wurde über die zehn Millionen von der Hof- gestellt. Däumig ist linksfeitig gelähmt. Sein Befinden hat sich fammer der Hohenzollern wie folgt verfügt: gebeffert. Er hat den Gebrauch der Sprache wiedererlangt.