Begeisterung bei der bürgerlichen Presie, die sich sonst als liberal und fortschrittlich bezeichnet, hervorrufen konnte. Die Erklärung ist sehr einfach: Die Zeiten sind schon lange vorbei, wo das österreichische Bürgertum sich den Luxus einer eigenen Ueberzeugung gestattete, wo es in seinem eigenen Klasseninter- esse gegen die Reaktion, gegen den Klerikalismus, gegen die Bevormundung der Staatsbürger und namentlich für eine freie Schule kämpfte. Heute sieht das Bürgertum nicht mehr im Klerikalismus seinen Feind, sondern im Proletariat, und es ist bereit, sich unter die Fittiche der Kirche zu begeben, wenn es dort Schutz gegen das begehrliche Proletariat findet.
Leöebour gegen KoiUtstp. Gegen Kautsky und für den gesonderten Fortbestand der ' USP. meldet sich jetzt Georg L e d e b o u r in der„Freiheit" zum Wort. Kautsky , so erklärt er, habe die revolutionäre Entwicklung nur„als passiver Zuschauer" verfolgt, er habe bei allen Machtkämpsen in der Revolutionsperiode„abseits ge- standen". Daraus sei auch seine jetzige Stellungnahme zu ver- stehen. Ledebour selbst ist bekanntlich auf die Art seiner eigenen Beteiligung an jenen Vorgängen nicht wenig stolz. Schreibt er doch in seiner Selbstbiographie(Reichstagshandbuch 1920) das folgende: Ledebour , Eeorq,... lehnte den Eintritt in das repu- blikanische Kabinett der Volksbeauftragten ab, dessen paritätische Zu- sammcnsetzung seiner Auffassung nach in ollen entscheidenden Fragen zu fruchtlosen Beschlüssen führen mußte. Beteiligt an der Erhebung im Januar 1313 zur Durchführung des Sozialismus. Kautsky hat allerdings ebensowenig wie irgendein anderer ruhig überlegender Mensch den sinnlosen Januarputsch für „eine Bewegung zur Durchführurm des Sozialismus" halten tonnen, und so ist in der Tat der Gegensatz zwischen ihm und Ledebour alt. Ledebour stellt jetzt freilich eine ganz andere Theorie auf als vor drei Iahren. Er meint, man müsse allerdings mit legalen Mitteln kämpfen, wenn aber die herrschenden Klassen den nahenden Erfolg dieses Kampfes sähen, würden sie zur Gewalt übergehen, worauf mit Gewalt geantwortet werden müsse. Was Ledebour damit ausspricht, ist eine Selbst- Verständlichkeit, über die es keinen Streit gibt, oder meint er. die Sozmldemokratie wolle einer Minderheit gestatten, sich mit Gewalt in der Macht zu behaupten? Gerade sein Argument spricht für die Einigung, da eine einheitlich organisierte Ar- beiterbewegung, die auf legalem Boden steht, eine ganz andere Macht ist, als eine in sich zersplitterte Gesellschaft.— Im pbrigen meint Ledebour : Erfreulich i st die Offenheit, mit der Kautsky seine Anklagen gegen uns herausschleudert. Er unterscheidet sich dadurch angenehm von einigen Gleichgesinnten, die seit geraumer Zeit unter der chand sich bemüht haben, die Unabhängige Partei in das rechtssozialistische Lager hinüberzuleiten. Diesem Lob können wir von der anderen Seite her zustimmen. Auch wir sind der Meinung, daß der Kampf gegen jene W i r r k ö p f e, die die Zersplitterung der Arbeiterbewe- gung zur Freude der Reaktion verewigen wollen, mit aller Offenheit geführt werben muß.
Wortbruch üer A.Internationale? �«r Vorgeschichte des Nadekschen Versprechens. Anläßlich der in unserer Mittwoch-Morgenausgabe wiedergegebenen Kundgebung der russischen Sozialisten können wir aus eigener Kenntnis der Dinge nur be- st ä t i g e n, daß R a d e k in der entscheidenden Sitzung der Neunerkommission am 5. Zlpril mittags gegenüber den Forde- rungen der Vertreter der Zweiten Internationale die Zusichc- rung gab, daß Todesurteile gegen die angeklagten So- zialreoolutionäre nicht gefällt werden würden. Und zwar spielten sich die Dinge im einzelnen folgendermaßen ab: Als Radek unter Zustimmung von Frossard und Klara Zetkin diese Erklärung abgegeben hatte, wurde folgender Satz für die gemeinsame Kundgebung der drei Exekutiven vereinbart:
Der Papierene. Von P. st a u p t. Als sein Dater atemlos vor dem Standesbeamten erschien und ihm, etwas ratlos, ob er weinen oder lachen sollte, mitteilte: mir ist ein Sohn geboren, schob der die Brille von der Nasenspitze hoch und meinte.bedächtig: „Das müssen wir schriftlich machen--" Und schrieb. Das war gewissermaßen dos Symbol, der Wahrspruch, unter dem des Sohnes Lebenslauf stand. Im vierten und fünften Lebensjahre saß er schon still bei seiner gebildeten Mama und lernte i und n und e schreiben. Als er mit Altersgenossen im achten Lebensjahre Indianer spielte, verlangte er als erstes, daß so ein Indianerstamm auch seine Gesetze habe, und malte fünf Wigramparagraphen auf. Die wurden aber von den schlimmen anderen Buben andauernd übertreten. Da weinte er bitterlich, ging heim hinter Mutters Schürze und übte sich weiter im Schönschreiben.> Seine Schulaufsätze bekamen dafür auch immer: Inhalt noch genügend, Schrift sehr gut. Geschichtszahlen wußte er aus dem 5k, die Schulordnung kannte er auswendig. Kein Wunder, daß ihn, der alte Direktor eine große Karriere prophezeite. So kani es auch. Als ihn sein Vater zur Uniocrsttät schickte, hatte er den saubersten und ordentlichsten Lebenslauf geschrieben: nach den ersten drei Semestern kannte er das halbe Eorpus juris auswendig, lind als Referendar und Asjesior war er der gesuchteste Protokollschrciber. Da weissagten ihm wiederum alle Vorgesetzten eine große Carriere. rieten ihm, zum Derwaltungsfach überzugehen. Das war sein Fall. Er machte einfach alles, von Verfugungen über Viehtreiben auf den Straßen, zu solchen über Spalierbildungcn bei hohen Besuchen, von Bureauordnungen bis zu Ausführungs- bestimmungen in 93 Paragraphen über die Pflichten und Rechte der städtischen Rachtwächter. Als der Krieg kam, war er selbst- verständlich unabkömmlich, denn wer konnte denn die Versorgung der Bevölkerung mit Fliegcntütenleim so regeln, anordnen und überwachen als er? S? wurde er Gcheimrat. Mußte es werden, denn niemand kam ihm gleich, wenn es galt, Akten zu wälzen, Gesetzesverfügungen Karls des Großen aufzustöbern und ihre Gültigkeit nachzuweisen, Unter- Paragraphen zu Ausfühningsöeftimmungen von Regierungsverordnungen auf Grund des Paragraphen XV zu erlassen. Plötzlich überraschte er Verwandte und Bekannte mit der Nach- richt, daß er sich verlobt hätte. Man staunte, gegen wen und wieso. Ein Freund staunte:„Menschenskind, wie haben Sie das gemacht?" Sanft antwortete er;„Na, natürlich jchasilich.,
Die Konferenz nimmt Kenntnis von der Erklärung der Vertreter der Kommunistischen Jnternatio- n a l e, daß in dem Prozeß gegen die 47 Sozialreoo- l u t i o n ä r e alle von diesen gewünschten Verteidiger zu- gelassen werden, daß in diesem Prozeß die Derhängung von Todesstrafen ausgeschlossen sein wird, daß, da die Verhandlungen dieses Prozesses öffentlich sind, folglich auch Vertreter aller drei Exe- kutiven als Zuhörer beiwohnen können usw. Während der Mittagspause referierten Radek, Zetkin und Frosiard den übrigen anwesenden Mitgliedern des Kom- munistischen Exekutivkomitees über die zustande gekommenen Vereinbarungen. Diese interne Beratung der Moskauer scheint recht stürmisch gewesen zu sein, denn sie dauerte mehrere Stunden, und als die drei wieder erschienen, da befanden sie sich in Begleitung von B u k h a r i n, um dessen Zulassung an den weiteren Besprechungen des Neunerkomitees sie ersuchten. (Was ihnen auch gewährt wurde.) Radek versuchte daraufhin den Eindruck des gemachten Zugeständnisses bezüglich der Ausschließung von Todesurteilen dadurch abzuschwächen, daß er erklärte, die Sowjetregierung hätte bereits längst einen ähnlichen Beschluß gefaßt. Um diese Behauptung zu stützen, berief er sich auf ein Telegramm des französischen Mitgliedes der Moskauer Exekutive Boris Souvarine an die„Humanitö", das zwei Tage vorher im Pariser Kommunistenorgan er- schienen war und in dem die Verhängung von Todesurteilen als ausgeschlossen bezeichnet wurde. Daraufhin wurde der be- treffende Satz folgendermaßen ergänzt und endgültig fest- gelegt: Die Konferenz nimmt Kenntnis von der Erklärung der Ver- treter der Kommunistischen Internationale, daß in dem Prozeß gegen die 47 Sozialrevolutionäre alle von diesen gewünschten Ver- leidiger zugelassen werden, daß, wie in der Sowjelprcsse bereits vor der Konferenz festgestellt wurde, in diesem Prozeh die Verhängung von Todesstrafen ausgeschlossen sein wird usw. Wie man sieht, wurden in die endgültige Fassung der ge- meinsamen Erklärung die Worte:„wie in der Sowjet- presse bereits vor der Konferenz festgestellt wurde" auf ausdrückliche» Ersuchen der kommunistischen Delegierten hineingenommen. Radek hatte sogar versucht, das Wort„bereits lange vor der Konferenz" durchzudrücken, mußte jedoch darauf verzichten, denn er wurde von der 2. Internationale darauf aufmerksam gemacht, daß dies eine starke Uebertreibung wäre: Radek selbst hatte ja wenige Stunden vorher von- diesem Telegramm Souvarines und von dem darin angeführten Beschluß der Sowjetregierung nichts gewußt, und die betreffende Nummer der„Humanitö", deren er sich bediente, um den Eindruck der bereits gemachten Zugeständnisse nach außenhin nachträglich abzuschwächen, war erst am gleichen Mittag als sehr will- kommener Borwand in seine Hände gelangt! Im weiteren Verlaufe der Sitzung legte Rädel Wert darauf, zu betonen, daß sich diese Erklärung nur auf die vergangenen Hand- lungen der Sozialrevolutionäre beziehe, nicht aber auf etwa noch kommende Toten und Prozesse gegen Mitglieder dieser Partei, da diese nach wie vor den offenen Kampf gegen die Sowjetmacht proklamiere. Diese Mitteilung Rodeks wurde von den übrigen Kommissionsmitgliedern zur Kenntnis genommen. Aus all dem geht hervor, daß die Dritte Internationale sich feierlich dafür verbürgt hatte, daß keine Todesurteile gegen Pie Sozialrevolutionäre gefällt werden würden. Wenn nun ausgerechnet Radek im Moskauer Prozeß für die Verhängung von Todesstrafen eintritt, so ist dies wohl der Gipfel der Gesinnungslosigkeit. Der hier beabsichtigte W o r t b r u ch ist übrigens von lan- ger Hand planmäßig vorbereitet worden. Es ist nämlich höchst auffallend, daß die unmittelbar vor der Spren- gung des Neunerkomitees von der Moskauer Delegation(lies: Radek) überreichte Antwort auf die Erklärung der Zweiten Internationale mit den Worten schließt: Die Exekutive der Kommunistischen Internationale beauftragt lins, zum Schluß zu erklären, daß, falls auch— entgegen unserem Wunsche— de? Zweiten Internationale es gelingen würde, den Beschluß der Berliner Konferenz über die schleunigste Einberufung eines Wcltarbeiterkongresses zu sabotieren, trotzdem die für den Dann bciratete er. Noch drei Jahren mahnte derselbe Freund: „Eigentlich wäre es an der Zeit, daß Sie sich Kinder anschafften—" Er sah kaum von seinen Akten auf, überlegte einen Augenblick, fragte etwas peinlich berührt:„Kann man das nicht schriftlich machen?" Mit dem neuen Regime(er hatte sich, natürlich schriftlich, auf den Boden der gegebenen Tatsachen gestellt) war er ziemlich ein- verstanden, denn es galt eine Fülle neuer Verfügungen zu schaffen. Nur daß ihm einmal sein sozialistischer Ressortminister sechs Aus- führungsparagraphen und drei Hinweise auf ein preußisches Land- gesetz von 1786 weggestrichen hatte, konnte er nie oerwinden. Vielleicht starb er auch aus Gram daran so früh. Sein totes Antlitz trug in den Zügen eine bittere Leidensfalte. Böswillige be- haupten, das wäre daher gekommen, daß sein Tod so gänzlich un- vorschriftsmäßig sich eingestellt hatte, er ihn nicht schriftlich hatte besorgen können. Ein achtungsvoll umfangreiches Trauergeleite brachte ihn zu Grabe. Nur der bewußte Freund fehlte. Er wußte, was dem Toten am liebsten war. Er schickte nur einen Kranz und drückte sein herz- lichstes Belleid aus— schriftlich.
Der alle Sapp. Der Tod Wolfgang Kapps läßt die Erinnerung an seinen Vater wieder wach werden, zumal in einer Zeit, da sich so viele halbzerrissene Bande zwischen dem Deutschamerikanertum und der alten Heimat aufs neue knüpfen. Denn Friedrich Kapp war seit dem Jahr 1843. da er als Teilnehmer am Frankfurter Septemberaufstand aus Deutschland flüchtete, bis zu seiner Rückkehr in das neugeschaffene Reich eine der angesehensten und einfluß- reichsten Persönlichkeiten des amerikanischen Deutschtums, und er ist zugleich der kenntnisreiche, eifrige und charaktervolle Historiker des deutschen Wesens in der Union gewesen. So hat er Lebens- bilder der um die amerikanische Freiheit verdienten deutschm 5)eer. sührer Steuden und Kalb und des Deutschamerikaners Justus Erich Bollmann entworfen, und hat die Beziehungen Friedrichs II. zu den Vereinigim Staaten, den„Coldatenhandel deutscher Fürsten nach Amerika ", die„Geschichte der deutschen Einwanderung in Amerika " und der„Deutschen im Staat New Park während des 18. Jahrhunderts" behandelt. Mit großem Weitblick wandte er schon früh sein Interesse der Sklavenfrage zu, deren Geschichte er in den fünfziger Jahren schrieb. Erst in seiner letzten Lebenszell richtete sich die Teilnahme des Historikers Kapp von den deutsch- amerikanischen Beziehungen auf einen anderen, Gegenstand; das Ergebnis war die große„Geschichte des deutschen Buchhandels". Nach seiner Flucht war Kapp zunächst in Paris und Genf Er- zieher im Haus« Alexander Herzens gewesen, von dessen ersten auf- sehenerregenden Werk«?, er die ursprünglich anonyme und in beut- scher Sprache erschienene Ausgabe besorgte. In Amerika unter. stützte er die republikanische Partei und zählte zu den Elektronen Abraham Lincolns. Auch nach seiner Rückkehr in die Heimat wurde er bald Mitglied de? Reichstags und des Preußischen Abgeordneten- haujes; er gehörte hier zunächst der NaUonalliberasen Partei an,
Prozeß der Sozialistenrevolutionäre von der Sowjetregierung ge. geben« Verteidigungsfreiheit nicht geschmälert und dem Wirken der Verteidiger der Sozialistmrevolutionäre, dem öffentlichen Charakter des Prozesses keine Hindernisse bereitet werden. Wie man sieht, wurde die Zusicherung der Berteidigungs- freiheit, der Zulassung von sozialrevolutwnären Verteidigern und des öffentlichen Charakters der Verhandlungen damit er- neuert, nicht aber die der Ausschließung von Todesurteilen. Den übrigen Kommissionsmitgliedern mit europäischer Mentalität ist diese Lücke damals wohl nicht besonders aufgefallen, außerdem handelte es sich um eine langatmige und einseitige Erklärung Moskaus , die eine Erwiderung nicht lohnte. Jetzt aber erkennt man, daß diese Nichterwähnung der Frage der Todesurteile offenbar auf Absicht beruhte. Sowjetrussische Geistesoerfassung. Die Rede Vanderveldes verboten. Was man im übrigen in Sowfetkreisen unter der zuge- sicherten Oeffentlichkeit des Moskauer Prozesses ver- steht, geht aus folgender Meldung hervor: Warschau . 14. Juni. (RP .) Von Kreisen, die den Sozialrevo- lutionären nahestehen, wurde die von Dandervelde gehaltene Rede in russischer Sprache im Wortlaut durch Flugblätter ver- breitet. Die Moskauer Polizei hat einen Teil dieser Flug- blätter k o n fi s zi ert, den anderen Teil gelang es jedoch unter der Bevölkerung zu verbreiten.- Lenins Stellvertreter. L e n i n ist, wie die„Freihell" mitteilt, gezwungen, infolge seiner schweren Erkrankung Moskau auf ungefähr ein halbes Jahr zu oerlassen und sich jeder Einmischung in die Staatsgeschäfte zu ent- halten. An seine Stelle wurde vom Zentralkomitee der russischen Kommunistischen Partei ein dreigliedriges Komitee ernannt, dem Stalin , Kamenew und Rybow angehören. Stalin ist em georgischer Bolschewist türkischer Nationalität. Er ist ein Mann mit festem Charakter, mit„einer eisernen Faust", gegenwärtig General- sekretär des Zentralkomitees der russischen Kommunistischen Partei. Gleichzeitig ist er auch als Volkskommissar für die Nationalitäten tätig. Kamenew ist der Präsident des Moskauer Sowjets und ailc als liberal. Rykow war Präsident des Obersten Dolkswirtschafts- rates und seinerzeit einer der ersten, der die sogenannte neue Wirt- schastspolitik vesürwortete. Er gill ebenfalls als liberal, ist aber kein Mann von Tatkraft. Es ist anzunehmen, daß von diesen drei Männern die tatsach- stche Führung in den Händen von Kamenew liegen wird. Vezeich- nend ist es, daß Trotzky nicht in dieses Dreier-Komitc« entsandt wor- den ist, was wahrscheinlich auf die Tatsache zurückgeführt werden muß, daß Trotzky innerhalb der Kommunistischen Partei sehr un- beliebt ist.« Die Ernennung dieses Dreier-Komiiees ist keme orfizielle Rs- gierungsernennung, sondern lediglch inossziell durch die Kommu- nistische Partei erfolgt. Es ist also nicht ausgeschlossen, daß von diesem„Regierungswechsel" überhaupt nichts in den russischen Zei- tungen gemeldet wird._ Die Reichstagsarbeit. Der A e l t e st e n r a t des Reichstages setzte am Mittwoch in Anwesenheit des Reichskanzlers Dr. Wirth und der Mi- nister Dr. Braun, Radbruch und Fehr den Geschäftsplan der Plenarsitzungen für die nächste Zeit fest. Am Freitag sollen neben kleineren Vorlagen die Zwangsanleihe und die aus dem Hause wegen Abänderung des Einkommensteuer- und des Erbschaftssteuergesetzes gestellten Anträge auf die Tages- ordnung gesetzt werden. Sie werden voraussichtlich ohne Aus» spräche an die Ausschüsse verwiesen werden. Die große poli- tische Debatte wird im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Wiesbadener und der daran sich anschließenden Äbkom- men erst am Dienstag oder Mittwoch nächster Woche er- folgen. Am Sonnabend dieser Woche soll die Schlichtungs- ordnung und das Disziplinargesetz für die Wehrmacht und am Montag das Gesetz über die Getreideumlage erledigt werden. Auf Anfrage des Präsidenten Genossen Lobe an den Reichskanzler wegen Vorlegung des Gesetzes über Maßnah- men zur Linderung der Not der Presse erklärte der Reichs- kanzler, daß dieses Gesetz heute im Kabinett zur Beratung steht und daß es in den ersten Tagen der nächsten Woche dem Reichstag zugehen wird._________ deren Führer Laster er in de? Berliner Synagoge«ine glänzende Gedächtnisfeier hielt, macht dann die Sezession mit und schloß sich der Deutschen Freisinnigen Partei an. Er starb, 63 Jahre alt, am 27. Oktober 1384 in Berlin . In den beiden Generationen dieses Daters und Sohnes ist die Entwicklung des deutschen Bürgertums typisch verkörpert: der Dater Republikaner, Revolutiansmaun, zum Schluß Freisinniger, der Sohn Monarchist, Putschist,„deutschncllional". Das Sommerthealer im Grünen. Die wirklich gute olle Einrich- tung, an schönen Sommerabenden im Garten Theater zu spielen, ist in Berlin noch nicht ganz ausgestorben. Das Prater-Theater in der Kastanienallee gibt dem Sommer, was dem Sommer geyürr. Man sitzt unter wohlbelaubten großen Bäumen, spürt die Frische der Natur und kann dazu mannigfaltige Unterhaltung genießen. Nette Musikdarbietungen wechseln niit Tanzquartetten, Groteskkomikern, einer derben Posse„izotte Hüh" ab. Und dann dirigiert Viktor Hol- länder seine immer noch Hörens- und sehenswerte Operette:„Die Prinzessin vom N i l", die in recht guter Ausstattung und vor- trefflicher Besetzung musikalisch und berlinisch-witzig erfreut. Fritzi A r c o vom Neuen Operettentheater ist der Star, der der Prinzessin (viel) holde Wirklichkeit verleiht. Für den nötigen Berliner Hu- mor sorgt Alfted Walters. Emno Christ(als stimmbegabter Liebhaber), Grete Ho ff mann(als urkomische alte Schachtel), Margot Schwarz(als rassig« Kröte aus Berlin WW.) und Rolf Röder(als meckernder Graf) bilden ein lustiges Ensemble. Für den Freund stillerer Genüsse ist auch gesorgt, er setzt sich in ange- messen« Entfernung von der Bühne, allwo die Musik nur noch zum Träumen und die grünen Wipfel zum Naturgenuß einladen.
Der Regenwurm als Baumbewohner. Auf Java gibt es Regenwürmer, die wahre Riesen ihrer Gattung sind: sie werden bi« zu 33 Zentimeter lang und haben eine Dicke van IH Zentimeter. Das Merkwürdigste an diesem Regenwurm ist aber, wie in„Re- clams Universum" berichtet wird, die Tatsache, daß er hauptsächlich auf Bäumen lebt, und zwar hat er sich die prachtvollen Nestfarne zur Wohnung auserkoren, die zu den schönsten Zierden des Urwaldes gehören und als Schmarotzer auf den Baumästen wuchern. Im Innern der breiten Blatttrönze dieser Farne sammelt sich mit der Zeit von herabfallenden Boumblättern eine Humusschicht, in der die Riesenregenwürmer mit Behagen ihre Häuslichkeit einrichten. Mx die Würmer dorthin gelangt sind, ist bis heute noch nicht aufgeklärt. Man nimmt an, daß die Tiere zwischen„em Moos und Flechtsnfilz, der die Stämme überwuchert, bis zu ihrer luftigen Wohnung emporkriechen: es ist aber auch möglich, daß die Eier des Regen- wurms von anderen Tieren hinausgeschleppt werden. Genaues ist bisher über die Lebensweise dieses baumbewohnenden Regenwurms noch nicht bekannt._
Tie Operette lrn Schauspielhaus. Die.mit Recht s» beliebte" Operette wird im Juli auch ins staatliche SchaulNielbanS einziehen. beide» Nachtigallen" tollen dort ihre Triller erschallen lassen, denn>dr Komponist W. Lrcdichneider bat das Haus gepachtet— Konnte das Schaujpulhauö picht cükn cigeaca Betrieb ausmachen?