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Nr. 283 39.Jahrgang Ausgabe Nr. 139

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Sonnabend, den 17. Juni 1922

Poincaré   in London  .

Ein Plan zur Ausbeutung des Ruhrreviers?

Poincaré   ist in London   eingetroffen. Amtlich wird Frage einer der hauptsächlichsten Verhandlungsgegenstände zwischen versichert, es handle sich um feinen politischen Besuch. Die den beiden Ministerpräsidenten fcin werde. Preffe hingegen ergeht sich in den weitgehendsten Kombinatio- Hier zeichnet sich ein Plan vom Hintergrund der üblichen nen. Zum Teil wird die Vermutung ausgesprochen, Lloyd Reisefommentare ab, der amtlichen Stellen Frankreichs   nicht George werde mit Poincaré   über die Schwierigkeiten fern zu stehen scheint. sprechen, die einem englisch  - französischen Batt entgegenstehen, Das Garantiefomitee trifft heute abend in Ber  : andere Blätter wollen wissen, daß vor allem die russische Frage behandelt werden soll, nach einer dritten Version steht die Relin ein. In informierten Kreisen erwartet man, daß zunächst parationsfrage im Vordergrund des Interesses. Es ist über die Finanztontrolle und die Kapitalflucht beachtenswert, wenn Petit Parifien" in diesem Zusammen Beratungen geführt werden. Vor allem soll man aber be­hange schreibt, nicht nur die Reparationsfrage, sondern auch absichtigen, die Ausführung des Zwangsanleihegesetzes für die die Sanktionsfrage dürfe Frankreich   und England in allernächste Zeit zu erwirken. Ueber eine Anleihe wird zu­Zukunft nicht mehr trennen, wenn, wie es scheine, die fran nächst offiziell nicht verhandelt werden. zöfifche Regierung gegebenenfalls andere 3wangs­maßnahmen ins Auge fassen sollte als die Besetzung des Ruhrgebiets. Auch das Journal" behandelt die Frage in diesem Sinne. Es heißt da u. a.:

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Es ist bald Zeit, mit unseren Alliierten der deutschen   Regierung ohne Umschweife die Frage zu stellen: was wollen Sie be­zahlen? Wenn Deutschland   start ist und guten Willen hat, so wird es seinen großen Industriellen die nötigen Opfer auferlegen. Im Jahre 1921 haben Briand   und Loucheur sehr ernsthaft einen Plan zur Ausbeutung der Ruhr zu unserem Nußen besprochen. Die Männer, die mit der technischen Leitung der Angelegenheit betraut werden sollten, waren schon ernannt worden. Man bestätigt, daß Poincaré   die eventuelle Wiederaufnahme dieses Projettes mit Hilfe der gleichen Sachverständigen ins Auge gefaßt habe. Es würde sich jezt aber nicht darum handeln, die Hand auf die deutschen   Kohlen­werte zu legen, sondern eine Abgabe auf jede geförderte Tonne in Anwendung zu bringen. Deutschland   würde die nötige Tonnage für seine Bedürfnisse belassen werden. Es ist wahrscheinlich, daß diese

Reichstagsauflösung?

Am Montag beginnt im Reichstag der Kampfum die Getreideumlage, der in den nächsten vierzehn Tagen parlamentarisch entschieden werden wird. Im Reichsrat ist die Regierungsvorlage, wie schon gemeldet, mit großer Mehrheit gegen die Stimmen verschiedener preußischer Provinzialver­treter und Württembergs, das eine zu schwere Belastung seiner fleinen Landwirte befürchtet, angenommen worden.

Unübersichtlich sind die Verhältnisse im Reichstag. Hier sind nicht nur die ausgesprochenen Vertreter des Agrarier tums Gegner der Vorlage, sondern es ist dem großagrarischen Terror auch gelungen, bürgerliche Abgeordnete, die von städti­schen Verbrauchern gewählt sind, unter seine Botmäßigkeit zu schen Verbrauchern gewählt sind, unter seine Botmäßigkeit zu bringen. Zu ihnen gefellen sich jene Theoretiker der freien Wirtschaft, denen ihr Prinzip über dem Wunsch steht, die Mög­lichkeit der Boltsernährung aufrechtzuerhalten.

Obwohl zweifellos die erdrückende Mehrheit des Volkes erträgliche Getreidepreise will, könnte unter Umständen im Reichstag eine Mehrheit in Erscheinung treten, deren Absicht dem Volkswillen entgegengesetzt ist. In diesem Fall wäre nach demokratischen Grundsätzen die Notwendigkeit von Neuwahlen gegeben. Bei diesen Neuwahlen würde das Bolt zu entscheiden haben, ob sich der Brotpreis allmählich der allgemeinen Breissteigerung anschließen oder ob er mit einem Sprung auf das 3 weieinhalb fache bis Dreifache des gegenwärtigen Preises für Markenbrot steigen soll. Es ist möglich, daß es im Reichstag zu einer Verständi­ung fommt, obwohl die Schwierigkeiten nicht gering find. Collte aber die Verständigung scheitern, sollte die Umlage fallen oder so gestaltet werden, daß sie zum bloßen Schaugericht wird, ann würde unsere Partei plötzlich vor die Notwendigkeit ra­scher Entscheidungen und durchgreifenden Handelns gestellt sein. Es würde ihr dann die Aufgabe zufallen, bei Neuwahlen, fast ganz auf sich allein gestellt, die Lebensinteressen der nicht grarischen Verbraucher nicht nur der Arbeiter, sondern uch der Beamten, Angestellten und des ganzen Mittelstandes zur Geltung zu bringen.

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Reparationsinterpellationen.

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Berlag, Gyvedition und Jnieraten.

Abteilung Morisplat 11753-54

Ankläger Frossard.

Nach einem ausführlichen Sigungsbericht der Roten­Fahne" über die neue Tagung der erweiterten Erekutive der Dritten Internationale hat der Borfizende inomjem gleich in der ersten Sigung vom 7. Juni die Teilnahme des Prä­fidiums der Dritten Internationale an dem Prozeß gegen die Sozialrevolutionäre beantragt, und zwar soll Liefe Teilnahme darin bestehen, daß einige politische Sachverständige" damit beauftragt werden, die Rolle der bürgerlichen Staaten und der Menschemiki während der Intervention darzulegen. Für diese letzte Tätigkeit sind in Aussicht genommen: der Tscheche Schmeral, der Engländer Bell, der Bulgare Jorda now und die Franzosen Sadoul und Frossard.

Nach einem weiteren Prozeßbericht der Roten Fahne" vom 15. Juni ist auch Frossard bereits als Zeuge über die Stellungnahme der französischen   Regierung zu der russischen Februarrevolution vernommen worden. Das gibt uns Anlaß, die Person dieses Mannes, der die Funktion eines General­fefretärs der Kommunistischen Partei Frankreichs   bekleidet, etwas näher zu beleuchten.

Paris  , 17. Juni.  ( MTV.) Der sozialistische Abgeordnete Léon Blum   hat eine Interpellation eingereicht über die Art und Weise, Frossard, der selbst während des Krieges feineswegs auf wie die französische   Regierung des Reparationsproblem dem linken Flügel seiner Partei stand, stand noch im Jahre auffaßt und wie fie nunmehr den Vertrag von Versailles   1920 den kommunistischen   Ideen sehr fühl gegenüber. Er und den Londoner Zahlungsplan anzuwenden gedente. gehörte, im Gegensatz zu Loriot, Louraine, Rappoport und Auch der rechtssozialistische Abgeordnete Vincent Auriol   anderen, die ein Romitee für den Anschluß an die Dritte wünscht Auskunft über die Maßnahmen, die die Regierung zur Internationale" gebildet hatten, dem ,, Komitee für den Wieder­Wiederherstellung der finanziellen und wirtschaftlichen Lage Frant aufbau der Internationale" qn, das sich später für den An­reichs zu treffen gedente, damit das Reparationsproblem in prafschluß an die Wiener Arbeitsgemeinschaft entscheiden sollte. tischer und endgültiger Weise einer Lösung entgegen. Bei der ersten großen Kraftprobe zwischen den beiden Rich tungen auf dem Straßburger   Parteitag im Januar 1920 geführt werde. wandte sich Frossard mit aller Schärfe gegen die anti­militaristischen Tendenzen der Anhänger Moskaus  und er vertrat gegenüber einem jungen Wortführer der radi­falen Richtung, Raymond Lefèvre, mit aller Energie den Er rief Grundsaz der Landesverteidigung. damals mit schönem Pathos aus:

Die Gerüchte über Vanderveldes Ermordung. Das Zentral organ der belgischen sozialistischen   Partei, Peuple  ", bementiert die Nachricht, daß Vandervelde   in Moskau   ermordet worden sei. In Paris   liegt, obwohl die Gerüchte von der Ermordung Bander peldes immer stärker geworden sind, an unterrichteten Etellen bisher feinerlei Bestätigung der Meldung vor.

gleichen Anlaß. Die Neuwahl findet spätestens am sechzigsten Tage nach der Auflösung statt." Da die Wahl an einem Sonn­tag vorzunehmen ist, ist der lezte mögliche Termin der letzte Sonntag vor dem sechzigsten Tag. Käme es noch im Lauf des Juni zur Auflösung, so müßten die Wahlen spätestens in der zweiten Augusthälfte vorgenommen werden.

Verdoppelung des Brotpreises!

,, An jenem Tage, an dem die Mehrheit der Partei sich über die Waterlandsidee die Ansichten zu eigen machen würde, die hier vom linten Flügel entwickelt worden sind, dann können Sie versichert sein, ich an der Spize daß es viele Genossen geben würde nicht abwarten würden, um die Partei zu verlaffen, daß man sie aus­schließt!"

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Einige Zeit nachdem er dieses eindeutige fozialpatrio­tische" Glaubensbekenntnis abgelegt hatte, fuhr Frossard zu­sammen mit Cachin nach Moskau  , um über den Anschluß seiner Partei an die Dritte Internationale   zu verhandeln. Das war gerade zur Zeit des erfolgreichen russischen Vormarsches auf Warschau  , als die Wellen der kommunistischen   Propaganda Zur weiteren Begründung des Getreideumlagegefeges in Mittel- und Westeuropa   am höchsten schlugen. Die bolsche­erklärte Staatssekretär Heinrici   den Pressevertretern heute mittag wistische Strömung, die noch in Straßburg   in Minderheit ge= . a.: Die Brotgetreideernte auf dem jezigen Gebiet des Deutschen   blieben war, drohte die Mehrheit zu erlangen. Da stellten Reiches betrug im Jahre 1921 9,47 Millionen Tonnen, im Jahre 1913 die Moskauer unter heftigsten persönlichen Anklagen gegen dagegen 13,1 Millionen Tonnen. Im Durchschnitt also 12,1 Millionen Frossard und Cachin ihre berühmten 21 Punkte auf, die Tonnen, dabei war jedoch auch 1913 ein Einfuhrüberschuß u. a. bejagten, daß nur solche Kommunisten, die vor Ende von annähernd einer Million Tonnen vorhanden. Auf den Kopf der des Kongresses sich für diese Bedingungen öffentlich eingesetzt Bevölkerung dieses Gebietes gerechnet, tamen ohne Saatgut in den Jahren 1913/14 250 Kilogramm, davon 237 aus der inländischen Ernte, dagegen in den Jahren 1921/22 einschließlich der Einfuhr auf den Kopf 141 Kilogramm, wovon 126 durch die Inlandernte gedeckt wurden.

hätten, Funktionen in den fünftigen geeinigten fommunisti­schen Barteien würden befleiden dürfen. Da bangte es Frossard um feine Funktion als Generalsekretär der Partei und Cachin um feinen Posten als Chefredakteur der ,, Humanité" und fie sandten gemeinsam ein Telegramm an das Pariser Sozialisten­blatt, in dem sie ihre Belehrung zum Kommunismus feierlich verkündeten!

Seitdem wird Frossard, von dem allgemein bekannt ist, daß er auch nach seiner Rückkehr aus Moskau   sich sehr kritisch über den Boljchemismus äußerte, nur noch mit Berachtung von allen französischen   Sozialisten angesehen. Er gilt drüben als der typische Renegat, der seine Ueberzeugung aus persönlichen Interessen heraus verleugnet hat. Und dieses glühende Berfechter der Vaterlandsidee tritt heute als Be­Ia stungszeuge gegen die Sozialrevolutionäre auf und wagt es im Chor mit den Bolschewiti Bandervelde und die übrigen Führer der zweiten Internationale als, Sozial­patrioten" und Sozialverräter" zu beschimpfen!

Bei den Berhandlungen in der letzten Zeit hat sich die Land­wirtschaft bereit erklärt, etwa zwei Millionen Tonnen inlän­bischen Getreides zur Verfügung zu stellen, aber zum freien Marktpreis. Die Regierung ist darauf nicht eingegangen, weil fie die erforderliche Organisation erst schaffen mußte und weil das weitere Angebot der Landwirtschaft, bei Nichteinhaltung diefer Liefe rung das Umlageverfahren in Kraft zu sehen, auch keine Aussicht biete. Dazu kommt die Preisstellung im freien Verkehr, die dazu führen würde, daß jeder geforderte Preis auch gezahlt Musterbeispiel fommunistischer Gesinnungslosigkeit, dieser werden müßte. Die Regierung ist überzeugt, daß dieser Preis zeit­weise über den Weltmarktpreis hinausgehen würde. Infolge der bekannten Forderung der Entente stehen Verbilligungs­gelber für ausländisches Getreide nicht mehr zur Ver fügung, aljo muß auch Inlandsgetreide unter dem freien In­landpreis aufgebracht werden, sonst würde die Versorgung der Be- Sein jetziges Auftreten setzt dieser Reihe von schmählichen vöfferung zu erträglichen Breifen nicht möglich sein. Dieses Opfer Taten die Krone auf. Die Bermutung liegt nahe, daß er mit für das Allgemeinwohl muß die Landwirtschaft schon bringen. Um diesem traurigen Liebesdienst wiederum nur die eigene Haut ihr jedoch weitere Opfer zu ersparen, sei die Nachprüfung des Ge- retten wollte. Denn in den Augen der berufenen Wortführer treidepreises im Laufe des Wirtschaftsjahres vorgesehen. Außerdem des französischen   Kommunismus ist Frossard niemals ein mirt­soll bei der Preisgestaltung liberaler vorgegangen und auch Rücksicht licher Kommunist gewesen. Seine Opposition gegen die genommen werden auf die Lage, unter der die Landwirtschaft im Einheitsfront"-Befehle des Erekutivfomitees und seine lang­nächsten Jahre zu produzieren hat. In der Preisfestlegung soll der jährige Mitarbeiterschaft am Journal de Peuple", dem Landwirtschaft so weit entgegengekommen werden, als das Allgemein- Blatte des foeben ausgestoßenen Henri Fabre  , mit dem er persönlich eng befreundet ist, machte ihn in den Augen der intereffe nur gestattet. Reinen" überreif für eine Absetzung von seinem General­fekretärposten. Nun dürfte er sich als Belastungszeuge geger die angeklagten Sozialrevolutionäre eine Gnadenfris glücklich erkauft haben.

Bon dem Berantwortungsgefühl eines Teils der bürgerlichen Barteien dürfen wir erwarten, daß sie vor Schritten zurückschrecken werden, deren Folgen unabsehbar sind. Sie wissen auch, daß es für die Sozialdemokratische Partei  Mit absoluter Sicherheit ist mit einer sehr wesentlichen Erhöhung einen Bunkt gibt, hinter den sie nicht zurückweicht. So wün- des Preises für das Marienbrot, die nicht weit entfernt von der schenswert auch eine Berständigung auf haltbarer Grundlage Berdoppelung des jezigen Preises sein wird, im neuen Wirtschafts­ist, so wenig fann unter allen Umständen mit ihr gerechnet jahr zu rechnen. Wie bereits bekannt, sollen im neuen Wirtschafts­merden. Es gilt also, bereit zu sein! jahr die Bemittelten Brotfarten nicht mehr erhalten. Die Abgren- Seine Aussage, über die die Rote Fahne" ausführlich Artikel 25 der Reichsverfassung besagt: Der Reichspräji- zung nach dieser Richtung wird vom Finanz- und Ernährungs- berichtet, brachte übrigens absolut nichts Neues zur Sprache pent kann den Reichstag auslösen, jedoch nur einmal aus dem ministerium mit Zustimmung des Reichsrates festgesezt werden. Ein Satz aber, den das Berliner   Organ im Fettdruck heran