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Mr.295 39.Jahrgang Ausgabe B Nr. 145

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Telegramm- Abreffe: Sozialdemokrat Berlin

Abend- Ausgabe

Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Sonnabend, den 24. Juni 1922

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Rathenau ermordet!

Berlin , 24. Juni. ( WTB.) Nach einer amtlichen Mitteilung wurde hente vormittag Minister Nathenan, kurz nachdem er seine Villa im Grunewald verlassen hatte, um sich in das Auswärtige Amt zu begeben, erschossen und war sofort tot. Der Täter fuhr im Auto nebenher und sanfte nach vollbrachter Tat weiter.

Von einem Augenzeugen werden uns über das Attentat| tage. Er biffe aber, die Erregung zu meiffern und Tatlich- Entrüstung erregte allein der Umstand, daß Scheidemann auf folgende Einzelheiten mitgeteilt: 2lls Dr. Rathenau heute vor- feiten im Saale zu unterlassen. den Attentäter geschossen und dadurch sein Leben gerettet miffag 11 Uhr fein Automobil vor feinem Hause in der Gegen 12,30 erschienen zwei gut getteidete, mit hatte. Und ähnlich ber Chor der übrigen deutschnationalen Königsallee im Grunewald bestiegen hatte, näherte sich von Kriegsauszeichnungen geschmüdte Jünglinge im Reichs- Bresse. Und dies nennt man dann Dom Mord abrüden". der entgegengesetzten Seite ein elegantes schwarzladiertes tag und warfen zwei große Blumenbuketts mit schwarz- Wir nennen es: zu neuen Mordtaten aufreizen. Privatautomobil, das den Wagen des Ministers bis zur weißroter Schleife in die Wandelhalle. Sie wurden An der Verantwortlichkeit für den Mord fann fein Königsallee, Ede Wallofstraße, verfolgte. Hier überholte das durch das tatkräftige Eingreifen unferer Genoffen fofort 3weifel fein. Aber es handelt sich im Augenblick um viel Privatautomobil, in dem sich drei Leute mit dunklen Brillen verhaftet. schwerere, ernstene Dinge. Es handelt sich um die Frage, ob befanden, das Automobil des Ministers. In demselben dieser Mord nicht den Auftatt zu noch ganz an­Augenblid, als das Auto in die Wallotstraße einbog, erhob deren Ereignissen bedeutet. Vor furzer Zeit ver­fich einer der bebrillten Leute und warf eine Hand­granate in das Auto des Ministers. Die Granate explo­Bartholomäusnacht" eine Warmung. In dieser War­dierte, Rathenau richtete sich einen Augenblick auf und brach Das Reichstabinett i fofort nach Bekanntwerden der nung hieß es: dann zusammen. Es wurden dann noch 10 Schüsse ruchlofen Tat zu einer Sigung im Reichstage zufammengetreten, an auf den Außenminiffer abgegeben. Der Chauffeur fuhr mit der auch der Reichspräsident und der Preußische Mi­dem sterbenden Minister sofort in deffen Wohnung zurüd, nisterpräsident teilnahmen. Der Reichstanzler widmete dem während einige Paffanten die Verfolgung des flüchtigen Autos ermordeten Ministerfollegen Worte des verehrungsvollsten Dankes aufnahmen. für die Aufopferung und die frene Arbeit, die der Tote zuerst als Reichsminiffer des Wiederaufbanes und dann als Reichsminister des Aeußern dem Baterlande geleistet hat.

Der Eindruck im Reichstag.

Der Sozialdemokratische Barlamentsdienst" berichtet:

"

Schärfste Maßnahmen der Regierung. öffentlichte die Freiheit unter der Ueberschrift Bor einer

In der Johannisnacht werden die gesamten Berbände thre letzten Parolen erhalten. Seid auf der Hut! Augen auf, es geht ums ganze! Das Gemetzel und Blutvergießen wird schwerer als im Januar 1919. Ohne Erbarmen geht diesmal die Militär­partei gegen die Führer der linksstehenden Parteien vor. Die Ermordung Rathenaus genau zu dem ange­gebenen Datum ist eine unheimliche Bestäti­gung dieser Warnung, von der wir nach der Lage nicht mehr annehmen können, daß sie auf Zufall beruht. Soeben geht uns die Meldung zu, daß heute früh Escherich mit seinem gesamten Stab in Berlin eingetroffen sei. 3met Stum­ben später war Rathenau eine Leiche. Zufall? Es wäre leichtsinnig, diese Frage furzerhand zu bejahen.

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Das Kabinett trat fodann in eine Beratung der durch den Morb Der Reichstanzler brachte die Nachricht in den Reichstag von der Ermordung des Außenministers Dr. Scharfbeleuchteten inner politischen Lage ein. Da an dem Rathenau. Die Ausschüsse unterbrachen sofort ihre politischen Charakter der Tat jeder Zweifel ausgefchloffen ist, wird Sigungen. Im Hauptausschuß frat unmittelbar nach dem das Kabinett noch heute die schärften Maßregeln befchließen, Eintreffen der Nachricht der Abgeordnete Genoffe Bernstein um die Republik und ihr durch organisierte Verschwörungen bedrohten auf den Abgeordneten Helfferich zu und erklärte ihm, die Einrichtungen zu schützen. Aber auch noch andere Zusammenhänge tauchen auf: Mordtat sei eine unmittelbare Folge seiner geftrigen Die monarchistischen und nationalistischen Kundgebungen, die Hetrede. Auch in anderen Ausschüssen und auf den korri­militärischen Paraden und Regimentsfeiern, die doren wurden deutschnationale Abgeordnete von Mitgliedern gerade in letzter Zeit einen besonderen Häufigkeitsgrad er der Linken als die geistigen Urheber der Tat bezeichnet. In reicht haben, treten nun wieder in ganz besonderer Bedeutung der Wandelhalle des Reichstages herrscht eine ungeheure Der in Leipzig tagende Gewerkschaftstongreß der Monarchistenrummel in München , die Bombenanschläge vor Augen. Die Hindenburgreife nach Ostpreußen , Aufregung. Abgeordnete und Minifter stehen in Gruppen bei- nahm mit größter Entrüftung von der Ermordung Rathenaus in Hamburg , die Attentate auf die schwarzrotgoldene einander und erörtern die Bedeutung dieses neuen furchtbaren Kenntnis. Alle Redner verlangten die schärfften Maß- Fahne, das Attentat auf Scheidemann , das sind die politischen Mordes. Die heutige Plenarjihung wird ver- nahmen der Regierung. Der kongreß wird noch im Ereignisse, die die allerengste Umrahmung zu der Mordtat an muflich ausfallen müffen, da es undentbar scheint, in Berlauf der nächsten Stunden Beschlüffe über die Ma- Walter Rathenau bilden. Hier ist oft genug warnend auf dieser Erregung eine geordnete Sigung abhalten zu fönnen. nahmen der Gewertschaften, die sich aus dieser diese Dinge hingewiesen worden. Im Preußischen Landtag Der deutschnationale Führer Hergt, dem Mörder" zuge- Tat ergeben, zum kampfe gegen die Reaktion diese Dinge hingewiesen worden. Im Preußischen Landtag

rufen wurde, hat das Reichstagsgebäude ver­lassen. Helfferich hat sich unter dem Schuh eines Boten und eines Hausmeisters, deffen deutschnationale Gesinnung aus abfälligen Aeußerungen über die Sozialdemokratie, die heutige Regierung noch insbesondere den Reichstagspräsident Cöbe bekannt ist und den fich der Reichstagspräsident einmal etwas genauer ansehen sollte, in einem entlegenen Teil des Gebäudes zurückgezogen.

Appell des Gewerkschaftskongresses.

treffen.

Die Erregung im Landtag.

Kampfe gegen die fich immer frecher gebärdende Reaktion Von der Regierung verlangen wir, daß sie im die Führung ergreift und unverzügliche Maße nahmen trifft, die einen wirksamen Schutz der Republik und ihrer führenden Männer gewährleisten. Es find Maßnahmen notwendig, aus denen flar hervorgeht, daß die demokratische Freiheit nicht die Freiheit für Mörder und ihre Helfershelfer bedeutet, nicht die Freiheit, durch Komplott und Attentat die Republit zu Tode zu hetzen.

haben noch vor wenigen Tagen der Ministerpräsident Braun und der Innenminister Severing mit nachdrück­lichen Worten auf die bevorstehenden Gefahren der nächsten Tage hingewiesen und der nationalistischen Rechten die Im Preußischen Landtag traf die Nachricht von der Er Folgen ihrer Handlungsweise vor Augen gestellt. Die Ant­mordung Rathenaus während der Vormittagsfizung ein und wort ist das Attentat auf Rathenau. erregte ebenfalls ungeheure Aufregung. Die Sigung wurde Die Situation ist ungeheuer ernst. Die auf eine Stunde unterbrochen. Nach Wiedereintritt in die Arbeiterschaft muß auf alles vorbereitet sein. Schon die Tagesordnung gab zunächst Präsident Leinert in einer Er nächsten Stunden und Tage fönnen Ereignisse von unge­Auch in den Kreisen des Zentrums und der Demo- flärung der tiefen Entrüftung des Landtages über die Tat heurer Tragweite bringen. Die Barole lautet: Auf die Praten herricht eine ungeheure Erbitterung Ausdrud. Ihm schloß sich in einer Erklärung für die sozial- Schanzen! Bollfie Rampfbereitschaft gegen Zentrumsabgeordnete bezeichnen die Ermordung Rathenaus als das unmittelbare Echo auf die gestrige verbrecherische Rede demokratische Fraktion Genoffe Heilman n an, es folgten bie Reaktion! An dem eisernen Willen der Arbeiter­Helfferichs. Selbst Männer aus den Mittelparteien nationale Wintler auch seinerseits die Frechheit besaß, für der Reaktion zuschanden werden. Bertreter der übrigen Parteien. Als jedoch der Deutsch schaft müssen und werden auch diesmal die Machenschaften des Reichstages, die von ruhigem Temperament find, erklären, seine Fraktion eine Erklärung abgeben zu wollen, wurde er daß man Helfferich als Schutten und Mörder an- durch die allgemeine Empörung gezwungen, abzutreten fprechen müffe. Es ist zur Stunde im Reichstage Pein deutsch nationales Mitglied mehr sichtbar. Das zweite Opfer. Alle haben das Gebäude schnellstens verlassen, weil sie sich dem Zorn und der Empörung der anderen Abgeordneten nicht aus­Helfferich hetzt- Erzberger wird ermordet. zusetzen wagten. Helfferich hetzt- Rathenau wird ermordet. Unheimlich nahe stehen die Begriffe Deutschnational und Meuchelmord beieinander. Der Vizekanzler a. D. Helffe Um 14 nach 12 Uhr betrat der Abgeordnete Roeside rich, der einst um sein eigenes teures Leben in Moskau fo be­den Reichstagsfaal. Einige Abgeordnete der Cinfen traten sorgt war, hält heherische Reden, und kurz darauf fallen die Die Folgen des Attentats find zurzeit unübersehbar, ihm mit dem Ruf 3hr Mörder bande" entgegen. Zwi- Schüsse oder trepieren die Handgranaten eines Mordbuben, innenpolitisch und außenpolitisch. Außenpolitisch werden schen ihm und fie ftellte fich der volksparteiliche Abgeordnete von dem dann Herr Helfferich mit den Seinen fein forrekt und sie zum schwersten Schaden Deutschlands gereichen, den unver v. Brüninghaus. Es entspann sich ein Wortgefecht, in säuberlich abrückt. Was können sie dafür? föhnlichen Feinden Deutschlands Wasser auf die Mühlen leiten dem Abgeordneter Stampfer auf die begreifliche Aufregung Wiederum flagen wir die Deutsch nationalen und ihnen neue Argumente für ihre Vernichtungspolis der Abgeordneten hinwies. Herr v. Brüninghaus begann des Mordes an. Wenn noch irgendein Zweifel an der tit Deutschland gegenüber in die Hand spielen. Das vers feine Erwiderung mit den Worten: 3ch finde es fo- moralischen Urheberschaft dieser Partei, an ihrer ständige Ausland sollte allerdings gerade aus dieser Tat ein­misch," worauf ihm lebhaft zugerufen wurde: An dieser Verantwortlichkeit für die nicht abreißende Kette der fehen, wie unberechtigt ein Mißtrauen der Regierung und der Situation ist nichts komisch". Einige Abgeordnete, die die Meuchelmorde bestanden hätte, so hat ihr Verhalten nach dem Parteiführern gegenüber ist, die ihr Eintreten für Verständi­Worte des Herrn v. Brüninghaus gehört und auf den Mord Scheidemann Attentat den vollgültigen Beweis er- gung und Erfüllungspolitik mit dem Leben bezahlen. an Rathenau bezogen hatten, stürzten fich in großer Erregung bracht. Heute sind es drei Wochen her, daß aus einem Ballon Die Republik ist jedenfalls um einen Kopf fürzer gemacht auf Brüninghaus und warfen ihn aus dem Saal die Blausäure gegen den Genossen Scheidemann gespritzt worden- und um einen sehr bedeutenden Kopf. Er war eine Das gleiche Schicfal widerfuhr dem volksparteilichen Abge- wurde, und heute sind es drei Wochen her, daß diese ruch Bersönlichkeit von einem Ausmaß, wie wir nur ganz wenige ordneten v. Schoch, der Brüninghaus zu Hilfe fommen lose Tat die" Deutsche Tageszeitung" in einem Artikel in Deutschland befigen. Er war ein Mann, der in seinen wollfe. Roefide war inzwischen verschwunden. Nach einigen behandelt wurde, der die Ueberschrift trug" Der Mord Konferenzen mit englischen Staatsmännern oft genug gezeigt Minuten erschien Präsident Loebe und erklärte, die Sigung mit der Instiersprize". Die" Deutsche Tageszeitung" hat, daß er ein befähigter Sachwalter der deutschen Interessen tönne noch nicht stattfinden, da der Aeltestenausschuß noch fand das Attentat amüsant" und komisch". Ihre war, vor dessen Einsicht und Urteilsfähigkeit auch das Ausland

Erregte Szenen.

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