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Wenn öle R Berlins Volk Als der Sonnabendmorzen heraufzog, da stand die Berliner Bevölkerung, die kommende grauenhafte Tat nicht ahnend, wie ge- wohnlich an jedem Sommersonnabend in den Vorbereitungen zu sonntäglicher Siedlungsfahrt, zur Wanderfahrt, zur Reife. In der Tat verlassen in der Zeit vom Sonnabend mittag bis in die Nacht hinein Zehntausende Berlin . Und dennoch, als die Tat ruchbar wurde, da war der Eindruck allgemein: Das ist ein Angriff auf die Republik , auf das Volk. Und diese Tatsache genügte, um in weniger als vierundzwanzig Stunden wiederum eine Viertelmillion des ar- bellenden Volkes auf die Beine zu bringen. Wären die abgewirt- schafteten Tapergreise der Reaktion und der ihnen gleichgeartetc Nachwuchs in feiner künstlich aufgedonnerten Männlichkeit nicht so unglaubliche Hohlschüdel, so müßten sie schon längst einsehen gelernt haben, daß gegen diese Tag und Nacht bereiten Organisationen der Massen nicht mehr aufzukommen ist. Der berühmte Vergleich von dem Ingenieur, der nur einen Hebel herumzuwerfen, auf einen Knopf zu drücken oder einen Schalter zu drehen braucht, um eine Riesenmaschine in Gang zu bringen, traf auch hier wieder zm Sonnabend abend haben die Führer in vollster Einmütigkeit die ent, sprechende Parole ausgegeben. Am selben Abend noch fand in ge- wohnter Sicherheit die Weitergabe der Parolen durch die Funktio- näre und Unterfunktionäre statt. Die späte Nacht und der frühe Morgen fand jeden auf seinem Posten. Jeder traf, als ein dem Ganzen dienendes Glied und im vollen Bewußtsein der auf ihn ruhenden Verantwortung, seine Vorbereitungen. Die Treffpunkte standen fest, und ununterbrochen strömten am frühen Sonntag die Massen, getrieben von einem einhelllichen Willen, zusammen. Die Banner und Fahnen, wie glutende Segel stolz in die Zukunft fahren- der Schiffe, schwebten durch alle Straßen und vereinigten sich an den bestimmten Plätzen. Sängerchöre waren zur Stelle, die Arbeiter- samariter traten mit ihren Geräten an, Frauen versammelten sich, Jugendliche waren mit vor ehrlicher Kampfesfteude geröteten Wangen und leuchtenden Augen zur Stelle. Es ist nicht die Art unseres Volkes und dieses norddeutschen Berl'mer Schlages, Freude oder Schmerz laut zu äußern, und so kam es, daß die Züge durch die Straßen nicht so, wie es in Italien etwa der Fall gewesen wäre, durch ununterbrochene Zurufe der Menschen aus den Häusern ange- feuert wurden. Aber eines konnte man, wenn man ssch nur ein klein wenig auf die menschliche Physsognomie versteht, immer sehr schnell feststellen, wer Freund und wer Feind dieses Volkes war. Bei den ersteren zuversichtliche Mienen, Augen, die alles das sagten, was der Mund nicht sagen konnte: und dann die im vollsten Gefühl der Ohnmacht zu Fratzen grimmiger Verbissenheit erstarrten Ge- s.chter der Reaktionäre aller Schattierungen, die gehofft hatten, gerade in diesen Johannistagen mit Schwarz-Weiß-Rot und Haken- kreuz, mitHeil Kaiser Sir" undEine feste Burg ist unser Gott", mit Heill und Hurra! die Republik in den Abgrund zu stürzen, und die nun ihrer statt ihrer eigenen Züge wieder die Züge des ver- haßten Volkes durch die Straßen wallen sahen. Der Anmarsch üurch Sie Straßen. Wie schön der Farbendreiklang Schwarz-Rot-Gold, vom Wind entfaltet in den Lüften steht, konnte man an diesem sonnigen Früh- sonning sehen, und man hätte gewünscht, daß der Anlaß zur Ent- faltung deutsch -republikanischer Flaggengala ein freudiger gewesen wäre. So wehte alles Halbmast. Die Wilhelmstraß« war in der Tat eine wahre Straße der Republik, die diesen Namen verdiente. Von den Häusern des Reichspräsidenten , des Reichskanzlers und der Reichsministerien wehte die deutsche Flagge, während die preußischen Ministerien und Behörden, die früher deutsch und preußisch flagg- ten, meist preußisch, das heißt schwarz-weiß geflaggt hatten, wobei es sich herausstellte, daß das eigentlich gar keine rechten Flaggerrfarben find, denn schwarz und weiß wird von dem Licht und seinem Schat- ten völlig aufgesogen. Die einzige schwarzweißrote und dazu ganz offiziell« Flagge war auf dem Dach des R e i ch s w e h r m i n i st e- r i u m s gezogen worden: denn dieses Tuch mit dem Eisernen Kreuz !n der Mitte und dem bescheidenen schwarzrotgoldenen Obereck ist >ie Reichskriegsflagge. Auch die Eisenbahndirektion hatte geflaggt, ebenso Potsdamer und Anhalter Bahnhof . Einen merk- würdigen Anblick bot die Straße Unter den Linden . Als man sie um die zehnte Morgenstunde betrat, lag sie ziemlich eindruckslos da. Am Pariser Platz zeigte einzig die Preußische Akademie der Künste ein zu der Farbenfreudigkeit der Kunst so gar nicht passendes preußisches Fähnchen. Kultusministerium und Ministe» r i u m des I n n e r>n hatten natürlich geflaggt, ober der weite Platz vorm Opernhaus mit dem Kranz staallich-stattlicher Gebäude sah ziemlich leer aus. Offenbar hatte ein Teil der Hausverwalter die Anordnung zur Flaggung verschlafen. Am Morgen waren nur das Opernhaus mit zwei preußischen Fahnen beflaggt. Auf der Staatsbibliothek ding an einer Ecke die alte preußische Adlerflagg«. Weder die drei Masten der Universität noch die der Univerfitätsaula, der alten Hauptwache, det ehemaligen Kommandantur, der Nationalgalerie(ehemaliges Kronprinzenpalais) und des Zeughauses zeigten Flaggenschmuck. Um Uli Uhr, im Anblick der unermeßlichen Menge und der an- marschierenden Züge ging, in diesem Augenblick jedenfalls wie ein« Huldigung vor dem Volk wirkend und als solche vielfach auch emp- funden, auf dem hohen Dach des jahrhundertealten Hohenzollern- fchlosses die schwarzrotgoldene Flagge des Deutschen Reiches und des deutschen Volkes auf Halbmast. Während der Demonstration hatten dann wohl etliche Hausverwalter Zeit gehabt, sich auszuschlafen und die alten melancholischen Preußenflaggen auszustauben und auszubürsten, denn als die Züge zurückfluteten, standen auch Universität, Universitätsaula und Zeughaus unter der Trauerflagge. Nun besteht aber«ine Bestimmung, nach der Ge- bäude, die mehrere Flaggenmasten haben, neben der Landesflagge auch die Neichsflagge zu setzen haben. Aber weder die Universität, noch die Staatsbibliothek, noch das Opernhaus, die alle zwei Flaggen- mosten haben, hatten die Reichsflagge gezogen. Dies« Unterlassung erheischt Aufklärung. Von dem hohen Turm des Roten Hauses in der Königstraße aber grüßte die weiße rot geränderte Berliner Stadtsahne mit dem Bären zum Lustgarten hinüber. Pri- vate Trauerflaggen waren in der Innenstadt nicht zu sehen. Vie Massen im Lustgarten. Schon um 10 Uhr setzt der Zustrom ein, schon um 10 Uhr wälzt es sich dunkel die Linden hinunter. Von hier durch das Gebiet der Bannmeile sind nicht die geordneten Züge zu erwarten: es sind die Massen derjenigen, die der Demonstration ein warmes Gefühl entgegenbringen, und sicher auch vieleBloß-Neugierige". Wie einer den� anderen beobachte», wie vom anderen denkt: bist du auch einer von denen, die zur Republik halten oder neigt dein Herz zu jenen, an deren Händen das Blut des Opfers klebt? Sieh doch, dort kommt ein dunkelgrünes Auto, sechssitzig, Tourenwagen, elegant. Vier Leute im Lodenanzug mit gelben Kappen darin. Paßt darauf nicht die Beschreibung des Mörderautos? Alle Augen kleben an dem grünen Wagen, einige schieben sich ihm Hindernis- bereit in den Weg. Ach nein, die werden heilte nicht unter den Linden spazierenfähren... Nun strömt's in den Lustgarten. Nun - wird der Platz lebendig. Züge mit dem Tuch, rot und schwarz- rotgold über den Häuptern sind schon vordem da. Die gleichen Farben flattern immer wieder auf, tauchen stets von neuem aus den Zugangsstraßen und beweisen, daß die Republik ach, läge .«s nur an den Fahnen doch nicht so verlassen ist, wie es ihre

epublit ruft! in Bereitschaft. Feinde glauben machen wollen. Wie hat man doch gelernt, die Fahnen zu gruppieren. Um den dritten Wilhelm herum ist der beste Standpunkt. Das ist im Zentrum des Ganzen, und das satte Rot und Gold steht gut gegen das dunkkle Erz des Denkmals. Dann kommt die Freitreppe des Museums mit seinen dunklen Säulennischen als Versammlungsort der Fahnen und die Freitreppe des Domes. Um 11 Uhr war alles beisammen. Von oben ge- sehen ein dunkles Branden der Häupter, aber mehr helle Tön« als sonst: die Sommerkleider der Frauen. Doch blieben die Menschen im Fluß. Noch bahnten sich Züge auf unerklärliche Weise offene Gassen durch das Gedränge, und eine gute Viertelstunde verging, bevor sich alles geordnet hatte und Ruhe eintrat. Schon um %11 Uhr hatte ein mit einer mächtigen schwarzrotgoldenen Fahne wohlbewaffneter Jüngling den ersten Schritt auf das einzige Gebirge des Platzes, den dritten erzenen Wilhelm, unternommen. Di« Klettertour war im Gange und mit allen Hindernissen des Hoch- gebirges verknüpft. Aber es glückte ihm doch, genau ein« Viertel- stunde nach Elf auf der höchsten Spitze der wilhelminischen Pickel- Haube anzulangen. So saß er nun wohlgemut und schwindelfrei und schwenkte die Fahne zu dem schwarzrotgoldenen Regierung?- banner hinüber, das gerade auf dem Schloß zum Halbmast aufstieg. Ja, es konnte beginnen. All« Redner waren auf ihren Plätzen, man hatte sich gruppiert, als statt der erwarteten Wort« zunächst wieder der Dom feinen langatmigen Glockensermon begann. Zunächst war das eine böse Unterbrechung, aber nach einem Weilchen geduldigen Wartens beruhigte sich auch das Geläute. Es klang und dröhnte und warf noch verlorene Klänge dazwischen, als die ersten Redner begannen. Don zwanzig Stellen aus sprachen sie. Rot und Gold steht gut gegen das dunkle Erz des Denkmals. Es war der Ernst der Stunde, der tief aus den Worten aller dieser zusammengefunden hatten. Ernste Worte an die Regierung, an- haltende Energie und Rücksiktslostgkeit im Schutze der Republik und ihrer Einrichtungen fordernd, ernste Worte an die Massen, selbst auf der Hut zu sein und in keinem Augenblick zu vergessen, was auf dem Spiele steht. Notwendig fei auch vor allem d i e Förderung des republikanischen Gedankens in einer tieferen und ernsten Weile, als es bisher der Fall gewesen. Verärgerung gegen Gleichgesinnte dürfe nicht mehr Platz greifen. Alles müsse auf das eine, auf die Erhaltung der Republik gerichtet fein. Ernst und würdig Nangen die Wort« aus. Keine über- flüssigen Zwischenruf«, nichts, was nicht dem Ernst der Stunde an- gemessen gewesen wäre. Das Opfer des Mannes, der 24 Stunden vorher unter den Kugeln der Monarchistenklique gefallen war, hielt jeden einzelnen im Banne. Als nach Schluß der Kund- gebung die Züge sich wieder in Bewegung setzten und mit wehenden Fahnen abmarschierten, stellte sich an der Straße am Zeughaus ein Arbeiter- Gesangverein auf. llebdr die Spree hinüber klang es:Dag Banner kann stehn, wenn der Mann auch f ä l l t I" Von Rednern unserer Partei sprachen: die Reichstagsabgeord- nete Gen. Iuchacz, Mitglied des Parteivorstandes, Reichstags- abgeordnete Gen. I a e ke r-Oftpr., Polizeipräsident Gen. b b- ring. Königsberg , Reichstagsabgeordneter Bergarbeiterführer Gen. Löffler und Mitglied des Parteivorstandes Gen. Adolf Braun . Unter öer Menge. Die Ermordung Rathenaus bildete das Gespräch. Durch diese neue Mordtat der Reaktion sind merklich auch die Frauen auf- gerütelt, das gewahrte ein jeder. Die Frauen sind von tiefem Ab- scheu gegen diese feigen Meuchelmörder erfüllt, aber auch gegen die Hetzer von rechts und namentlich gegen die reaktionären Herren, die vor ein paar Tagen solch unverschämtes Benehmen im Reichstag zur Schau trugen. Sie wurden allgemein als die wahren Urheber der Mordtat bezeichnet. Unter den Linden wor bei einem Photographen Rathenaus Bild ausgestellt. Den ganzen Tag über staute sich vor ihm eine große Menschenmenge. Man ver- fluchte die Mörder und die Deutschnationalen, und namentlich Herrn Helfferich müssen die Ohren geklungen haben. Aus der Schloß- freiheit staute sich die Menschenmenge und noch immer neue Scharen strömten herbei, als die festgesetzte Zeit der Kundgebung schon überschritten war. Man oernahm es deutlich aus der Menge, daß sie nicht die Schaulust Hergetrieben hatte, sondern daß sie be- wüßt demonstrierte und festen Willens ist. der Reaktion die Stirn zu bieten. Unter denen, die nicht mit den Zügen abmarschierten, sondern einzeln nach Hause gingen, entstand auf dem S ch l o- Erregung, weil ein Mann die Bemerkung gemacht harte:.Die ver- fluchte rote Jugend! Die ganze Demonstration ein Kientopp I" Rasch ballte sich um ihn ein Knäuel von Menschen zusammen, drohende Rufe wurden laut und es kam schließlich zu Tätlichkeiten, bei denen der Mann nicht glimpflich behandelt wurde. Den Püffen und Hieben gegen ihn wurde ein Ende ge- macht durch einige Personen, die ihn in einer Haustürnische deckten und ihm dann den Abzug durch die Brüdcrstraße ermöglichten. Die Neumannsgass«, in die er einbog, wurde hinter ihm durch eine Postenkette gesperrt, so daß er weiterer Verfolgung entging. Die Personen, die ihn beschützten, waren Mitglieder der Arbeiter- Parteien und Teilnehmer der von ihm verhöhnten D« m o n st r a t i on. An der Absperrung der Neumannsgasse be- teiligte sich auch»die verfluchte rote Jugend", wie er sie ge- nannt hatte. Die Arbeiter-Samariter hatten an sieben Stellen flie- gende Rettungsstellen eingerichtet, um bei Erkrankungen erste Hilfe jeisten zu können. In einer Reihe von Fällen wurden sie in An- spruch genommen,'doch handelt« es sich fast nur um Ohnmachtsanfälle. Ttof öer Moröerfuche. Im Polizeipräsidium herrscht Tag und Nacht ununterbrochen Hochbetrieb. Die Leitung der Nachforschungen nach den flüchtigen Mördern hat der Chef der Abteilung 1�, Oberregierungsrat Dr. Weiß, übernommen. Gestern wurden 10 Personen festge- n o m m e n, die unter dem Verdacht stehen, der in dem Killinger- Prozeß vielgenannten Organisation C anzugehören. Sie wur­den aus ihren Wohnungen nach dem Polizeipräsidium gebracht und einstweilen in Gewahrsam behalten. Ihr Aufenthalt zur Zeit des Anschlags und ihr« Tätigkeit wird genau nachgeprüft. Die Beamten haben strenge Anweisungen, alle diejenigen, die nicht sofort in ihrer Wohnung oder wo sie sonst angetroffen werden, einwand- freie Auskunft geben können oder wollen, zu ihrer Vernehmung un- bedingt nach dem Polizeipräsidium zu bringen. In ganz Groß-Verlin ist ein Heer von Beamten unterwegs, Streifen, besonders im Grüne- wald, Schmargendorf , Zehlendorf , Steglitz usw. Eine Reihe von verdächtigen Personen wurden im Laufe des gestrigen Tages auch bereits der Abteilung I A zugeführt, aber als unbeteiligt wieder entlassen. Ein Hauptgegenstand der Verhandlung ist immer und überall das Auto der Mörder mit seinen Insassen. Nach ihm und seiner Herkunft wird nicht nur von Strcifmannschafien im Grunewald und seiner Umgebung bei Autobesitzern, Chauffeuren und Garagehaltern gründlich geforscht, sondern die Abteilung hat auch bereits eine Reihe von Beamten

« Städte entsandt, ans denen Meldungen etugelaufeu find, um sofort alle Spuren aufzunehmen und weiter zu verfolgen, vie Aus- sagen eines Oberförster» aus der Umgegend Berlins , der nach der Reichshauptstadt zu einem Termin geladen war, haben der Kriminalpolizei stichhaltige Anhaltspunkte zur weiteren Verfolgung der Täter gegeben. Der genannte Oberförster hat das Mörder-Auto eine Viertelstunde lang vor der Abfahrt beobachtet und wußte die Täter genau zu beschreiben, desgleichen auch die Nummer des Wagens anzugeben. Es handelt sich um drei junge Leute, die von dem Zeugen auf 25 bis 30 Jahre geschätzt werden. Einer der Mörder beobachtete außerhalb des Wagens die Abfahrt Rathenaus und gab das Signal der Verfolgung. Die Obduktion der Leiche. Die Leiche des ermordeten Ministers wurde gestern, Sonntag vormittag, geleitet von seinem Priootsekretär Geitner, im Zinksarg mit dem Automobil eines Beerdigungsinstituts nach dem Schau- hause gebracht und dort von den Gerichtsärzten Medizinalrat Dr. Straßmann und Professor F r ä n k e l in Gegenwart des Unter» suchungsrichtcrs Amtsgerichtsrat Großmann, des Staatsanwalt- jchaftsrats Jäger, des Oberregierungsrats Dr. W e i ß, des Regie- rungsrats Dr. Hagemann und des Kriminalkommissars Schenk obduziert. Als Schießsachverftändiger war Major Bachelin zuge- zogen worden. Die Untersuchung der Leiche ergab, daß der Minister von fünf Schüssen getroffen und von ihren Kugeln durch» bohrt worden ist. Wahrscheinlich ist der erste Schuh sofort töd» l i ch gewesen. Nach dem Gutachten des Majors Bachelin ist ohne Zweifel mit einer Maschinenpistole geschossen worden. Das geht sowohl aus dem Einschlag der von der Polizei gefundenen Patronenhülsen als auch aus der Lage der Schüsse hervor. Entgegen anderslautenden Mitteilungen wird gemeldet, daß die Leiche nicht zerfetzt oder entstellt ist. Sie wurde gleich nach der Obduktton von Staatsanwaltschaftsrat Jäger zurBeerdigungfreigegeben, nach Ausstellung des Beerdigungsscheins sofort wieder eingesargt und von Priootsekretär Geitner nach der Villa zurückgebracht und auf- gebahrt._

?tn öer Morökurve. Die Königsallee, in der sich der gräßliche Mord des Reichs- Ministers Dr. Rathenau ereignet hat, war am gestrigen Sonntag das Ziel ungezählter Tausende: sie ist die Hauptverkehrs- und Ler- bindungsftraße der Siedlung, die vor etwa 40 Jahren auf Anregung Bismarcks in diesem Teil des Grunewaldforfte» angelegt wurde. Die sich Kolonie Grunewald nennend« Siedlung wurde be- kanntlich in kurzer Zeit der Wohnort jener reichen und reichsten Berliner , die es liebten, die Vorzüge eines Lebens in einem von Garten oder Part umgebenen eigenen Landhaus« oder Palast mit den Annehmlichkeiten der nahen Großstadt zu verbinden. Die Königsallee verläuft jenseits der Halenseer Eisenbahnbrücke zunächst in gerader Südwestrichtung, geht an dem bekannten Lunapark mit seiner etwas lauten Umgebung vorbei und gelangt hinter dem Ein- gang zur Badeanstalt des Halensees in jene stillen und äußerlich vornehmen Villenregionen, die die ganze Kolonie Grunewald , die jetzt politisch zu Groß-Berlin gehört, seit jeher auszeichnen. Die gerade Südwcstnchtung muß dann nach kurzer Zeit durch eine Kurve unterbrochen werden, die die Straße in westliche Richtung treibt, sie ober nach kurzer Zeit abermals«ine Kurve beschreiben läßt, die die Straße in die alte Südwestrichtung zurückführt, um sie auf diese Weise den Brückenpaß zwischen dem Herthasee und dem Königssee gewinnen zu lassen. An dieser zweiten Kurve geschah die Bluttat. Der Bürgersteig wird hier von einem 3 Meter hohen eisernen Gitter begrenzt, das auf etwa 40 Zentimeter hohen schweren Grundschwellen ruht. Das Gitter beginnt bereits an der von der ersten Kurve gebildeten Ecke und zieht sich an der Mordstelle vorbei bis zum Herthasee, einem jener lieblichen vier Seen, die der Villenkolonie einen besonderen Reiz verleihen. Hinter verw. Frau Gulietta von Mendelssohn, geb. Gordiziem, gehört. verw. Frau Giuliette von Mendelssohn, geb. Gordiziem, gehört. Diesem bisher wenig beachteten Umstand, daß bis zu der zweiten Kurv« der Weg zur Rechten durchgehend von dem dichten Park begrenzt wird, der durch kein Haus und keinen Zufahrtsweg unterbrochen wird, ist es im wesentlichen zuzuschreiben, daß die Mordgesellen ihren Plan mit Erfolg durchführen konnten. An der(von Berlin gerechnet) zweiten Kurve weisen die Granit- schwellen drei helle schwache Flecken auf, die Aufschlagstellen der Geschosse.

vas verbrecher-fiutomobil und feine Insassen. Zu dem Mord an dem Minister Rathenau sind der Abteilung I A des Polizeipräsidiums auch in der vergangenen Nacht noch viele Mel- düngen zugegangen. Die wichtigste Bekundung ist die eines Zeugen, der zur Zeit des Verbrechens in der Königsallee gewesen ist: er sah an der Ecke der Bismarckstraße ein Auto stehen. Da er sich für Kraftwagen interessiert, ging er um den Wagen herum, um ihn sich genauer anzusehen. So kann er ihn auch genau beschreiben. Es ist ein schwerer sechssitziger Tourenwagen von mindestens4Sbis80?8. Er hatte hinten ein kantiges ver- senktes Verdeck, das den Eindruck einer Leiste mit recht breiten Kanten machte. Der Wagen ist von schwarzblauer Farbe. Der Wagen hat zwei Notsitze und eine dunkelgrüne ge- rippte Polsterung, anscheinend Kord, nicht Leder. Die Räder sind sogenannte Kronprinzenräder. Die Bereifung war verhält- nismäßig neu, Continentalrecord mit Kettenfignie- rung auf der Lauffläche der Räder. Das Auto hatte zwei große gelbe Messingscheinwerfer und zwei kleine elektrische Laternen zu beiden Seiten der Schutzscheibe, eine Hupe mit Schlauch und Gummi- ball und auf dem Trittbrett rechts einen Messingbehälter für die Karbidbeleuchtung. Während der Herr den Wagen besah, saß der Chauffeur auf seinem Sitz am Steuer und ein anderer Mann im Wagen. Ein dritter Mann ging währenddessen auf und ab und gab dem Manne, der im Wagen saß, Zeichen. Dieser Mann war etwa 1,65 bis 1,68 Meter groß, schlank und muskulös. Er hat dunkles, fast braunes, ins Schwarze schimmerndes volles Haar, ungefähr in der Mitte gescheitelt und an den Seiten und am Hinterkopf halblang gehalten, auffallend starke, über den Nasenwurzeln fast zusammengewachsene Augenbrauen, dunkel- braune Augen, eine hervorstehende Adlernase, einen kleinen dunklcy Svrt(gestutzt, Bürste), fast mit den Mundwinkeln abschneidend und ein blasses ovales hageres Gesicht mit scharf an- gedeuteten Backenknochen. Der Mann ist etwa 24 bis 26 Jahre alt. Cr trug einen braunen Ledermantel, der in der Mitte durch«inen 3 bis 3K Zentimeter breiten braunen Lederriemen zusammen- gehalten wurde. Der zweite Mann, der im Wagen sah, ist schlank, aber kleiner als der andere. Er hat blonde Augen- brauen, keinen Bart, blaue Augen und ein« zierliche Nase, so daß das Gesicht ein fast mädchenhaftes Aus- sehen hatte. Auf der linken unteren Wange hat er oberhalb des Winkelkinnbackens nicht weit vom Mundwinkel entfernt eine deutlich fichtbare Narbe, die den Eindruck einer Schußnarbe machte. Seine Hände sind schlank und zierlich. Der Beobachter hat später das beschriebene Automobil die Rich- tung nach Schmargendorf , Warmbrunner Straße einschlagen sehen. Es scheint, daß man es hier mit den Mördern zu tun hat. Die Nachprüfungen, die Oberegierungsrat Dr. Weiß gestern nach- mittag mit der Mordkommission an Ort und Stelle vornahm, er- gaben nichts, was gegen die Bekundung des Zeu- gen spricht. Auf das beschriebene Auto und die beschriebenen Insassen als die mutmaßlichen Täter wird deshalb mit allen Mitteln gefahndet.