Schluß mit der �Entpolitißerungs�politik! Aus Regensburg wird uns geschrieben: „Ein offizieller Vertreter des republikanischen Reichsbundes, der dem Kommandeur der hiesigen Reichswehr , Ober st Leupold, eine Einladung zu der heute stattfindenden Treukundgebung für die Republik gab, erhielt von diesem einen ablehnenden Bescheid, daß die Reichswehr nicht zum Schutze der Republik und ihrer Versassung. sondern zum Schuhe des deutschen Vaterlandes und seiner Grenzen da sei. Im weiteren Gespräch bekannte sich Oberst Leupold offen als M o n a r ch i st mit dem Bemerken, daß auch neun Zehntel seiner Leute monarchistisch gesinnt seien." Wir fordern von der Reichsregierung, daß sie diesem uns gemeldeten Borfall unverzüglich nachgehe, und zwar darf die Untersuchung nicht dem Reichswehrministerium überlassen werden. Gesteht der Oberst Leupold seinem sogenannten Bar- gesetzten Herrn Geßler diesen Ausspruch ein, dann ist seine sofortige Entfernung anzuordnen. Leugnet er, dann muß er dem erwähnten Bertreter des Republikanischen Reichs- bundes gegenübergestellt werden. Die Politik der„Entpoliti- simntg der Reichswehr " hat vollkommen Schiffbruch er- litten, vor allem in Bayern , denn es ist leider gar nicht mehr zu bezweifeln, daß in der Tat neun Zehntel der Reichswehr - offiziere in Bayern Monarchisten sind. Ob das Verhältnis im übrigen Deutschland viel günstiger ist, lassen wir dahin- gestellt. Unter dem Vorwand der„Entpolitisierung" ist man schließlich dazu gekommen, den Schutz der Berfassung und der Republik als eine politische Frage zu bezeichnen, während dies kraft des Treueides eine Selbstverständlichkeit sein müßte. Es gibt heute keinenUnterschied zwischen Vaterlaich und Republik . Diese Unterscheidung, die amtlicher- seits nur allzu lange geduldet wurde und auf der die ganze verkehrte„Entpolitisierungs"-Politir des Herrn Geßler be- ruhte, hat verhängnisvolle Früchte getragen. Auf diese Art ist nämlich die Reichswehr zu einem Hort der monarchistischen Reaktion gezvorden. D a m i t m u ß endlich und durch- greifend Schluß gemacht werden! Noch immer Stuöententerror! Sämtliche republikanischen Studentengruppen an der Berliner Universität— Sozialisten, Demokraten, Pazifisten, Zionisten und Zentrumsanhänger— beabsichtigten, am gestrigen Donnerstag eine Kundgebung gegen den Mord an Walter Rathenau und zum Schutze der Republik in einem Saale des Uniocrsitätsgebäudes zu veranstalten. Da nun in reaktionären Studentenkreisen die Ab- ficht geäußert wurde, diese Beranstaltung zu sprengen, glaubte der Rektor Geheimrat N ernst, die Ruhe und Ordnung am besten dadurch zu sichern, daß er seine Genehmigung zurückzog und die Anschläge aus den Räumen der Universität entfernen ließ. Zum Unterschied von seinem Vorgänger auf dem Rettorposten, dem be- rüchtigten Prof. Ed. Meyer, ist Prof. Ncrnst kein Reaktionär. Um so befremdender muß seine geradezu unglaubliche Schwäche in diesem Falle wirken. Cr hätte vielmehr dafür sorgen müssen, daß die Kundgebung auf alle Fälle stattfindet, und es wäre sogar seine Pflicht gewesen, als erster Redner an dieser Kundgebung mitzu- wirken. Er hätte den Gerüchten über geplante Gegendemonstrationen und Störungen nachgehen und die protestierenden Studenten kurzer- Hand aus der Universität ausschließen sollen. Wenn nötig, wäre Schutzpolizei anzufordern gewesen, um die Ordnung in der Unioer- sität zu sichern. Auf keinm Fall aber darf man vor Drohungen der nationalistischen Mörderfreunde zurückweichen. Wir erwarten, daß Geheimrat Rernst seinen schweren Irrtum dadurch wieder gutmacht, daß er nunmehr selbst, Hand in Hand mit den republikani- schen Studentengruppen, die Initiative zu einer universitätvamtlichen Kundgebung zum Schutz der Republik ergreift.
Der Staatsgerichtshof in Leipzig . WTB. meldet: Die in einem Teil der Abendzeitungen ver- breitete Nachricht, daß der Sitz des Staatsgerichtshofes noch Berlin verlegt worden fei und daß auch der Oberreichsanwalt rn Berlin
eintreffen und im Reichsministcrium d.s Innern Dicnsträume be- ziehen werde, entspricht, wie wir von zuständiger Stelle erfahren, nicht den Tatsachen. Nach der Verordnung des Reichspräsidenten ist der Staatsgerichtshof bei dem Reichsgericht gebildet, das nach gesetzlicher Vorschrift seinen Sitz in Leipzig hat. Dort ist auch der Sitz der Anklagebehörde der Reichsanwaltschoft. Das Miß- Verständnis ist anscheinend darauf zurückzuführen, daß der Ober- reichsanwalt einige Beamte der Rcichsanwaltschast nach auswärts und zwar auch nach Berlin entsandt hat, um durch sie an Ort und Stelle in enger Fühlung mit den seinen Weisungen unterstehenden Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes Ermittelungen treffen zu lasten._
Energische Maßnahmen. Beschlüsse des Nürnberger Stadtrates. Nürnberg . Lg. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Der Nürnberger Stadtrat beschloß, die im Jahre 1917 erfolgte Benennung des Platzes cm Lauffer Tor als„Hindenburg-Platz" aufzuheben und ihn fortan „R a t h e n a u- P l a tz" zu benennen. Gegen diesen Beschluß stimmten die Demokraten, die Bayerische Volkpartei und die deutschnationalen Mittelparteilcr. Die gleiche Mehrheit beschloß weiter, sämtliche Hindenburg - und Ludendorff. Bilder .aus den städtischen Amtsräumen zu entfernen. Fast einstimmig gegen die Stimmen der Fraktion Mörderpartei wurde ein Beschluß gefaßt, der von der bayerischen Landesregierung verlangt, daß sie mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln für die Durchführung der von der Rcichsregierung zum Schutze der Republik erlassenen Maßnahmen Sorge trägt und gemeinsam mit der Reichsregierung unverzüglich die zum Schutze der Reichsverfastung und der Republik erforderlichen Anordnungen trisit.
Umgestaltung der �ngestelltenverstcherung. Der Reichstag hat am 11. Juni 1922 ein Gesetz über vor- läufige Umgestaltung der Angestelltenversicherung angenommen. Es bezweckt in verschiedenen Punkten eine Anpassung der Angestelltenversicherung an den gegenwärtigen Geldwert. Her- vorzuheben ist daraus, daß die Versicherungspflichtgrenze a u f 190 ovo M. erhöht ist und neue Gehaltsklassen mit Beiträgen hierfür aus die alten Gehaltsklasfcn aufgesetzt sind. Die bisherigen Gehaltsklasten fchlosten mit der Gehaltsk.'aste L. Ei« reicht nun von mehr als 15 000 M. Jahresarbeitsverdienst bis einschließlich 30 009 Mark und hat einen Monatsbeitrag wie bisher von 48 M. Neu aufgesetzt sind Gehaltsklasse de von mehr als 30 000 bis einschlich- lich 50 000 M. mit einem Monatsbeitrag von 60 M., Gehaltsklaste C von mehr als 50 000 bis einschließlich 75 000 M. mit einem Mr.. natsbeitrag von 80 M. und Gehaltsklaste? von mehr als 75 000 bis 100 000 M. und einem Monatsbeitrag von 110 M. Die Vorschriften über das Ruhen von Ruhegeld beim Zusammentreffen mit Renten aus der Arbeiterversicherung und mit einem Einkommen aus einer noch ausgeübten Befchäfliguug sind schon durch ein früheres Gesetz vom 13. Dezember 19Z1 mit Rücksicht auf die damalige Geldentwertung geändert worden. Es war bei der nach 5j 73 des Dersicherungsgefetzes für Angestellt« hier anzustellenden Berechnung, soweit die Beitrogsmonat« vor dem 1. August 1921 liegen, das Mittel aus den Jahresarbeitsverdiensten mit dem sechsfachen Betrog anzurechnen. Das neue Gesetz hat statt des sechsfachen Betrags den zwanzigfachen Betrag ein- gesetzt. Dadurch wird erreicht, daß die Rente, die in einer unge- wohnlich großen Anzahl von Fällen neben dem infolge der Geld- entwertung stark gestiegenen Einkommen ruht, nur in einer wesent- lich geringeren Zahl von Fällen dem Ruhen anheimfällt. Das Desetzvnngt weiter eine Reihe von Di B1?! Vorschriften. Wichtig ist, daß sich hierunter keine neue Befreiungsmöglichkeit auf Grund von Lebcnsversichc- rungsverträgen befindet. Von grundlegender Bedeutung ist eine Vorschrift des neuen Gesetzes, derzufolge vom 1. Januar 1923 ab das Buchungsoerfahren für die Beitragsentrichtung der Angestclltenvcr- sicherung aufgehoben und statt dessen das Kleben von Marken eingeführt wird.
brecher planmäßig und aktiv u n t e r st ü tz t, der cndere nach dem Grundsatze Marc Antons gehandelt:„Unheil. du bist im Zuge, nimm welchen Lauf du willst!" Der Streit um die Mitgliedschaft in der deutschnationalen Bewegung ist deshalb nur ein äußeres Symptom für die schwere Erschütte- rung, die der Lauf des Unheils der Partei selbst zugefügt hat. Geradezu kläglich nimmt sich in diesem Zusammenhange der Versuch aus, den politischen Mord an Rathenau als die Tat einiger„blutjunger fanatischer Außen- s e i t e r" hinzustellen oder gar Mitleid mit den„Pennälern" zu erwecken, die in jugendlichem Unverstand sich an dem Mord beteiligt haben. Das wäre so bequem, sentimentales Mitleid mit den„Schulknaben" vorzutäuschen, die jetzt das Opfer repu- blikanischer Schutzmaßnahmen werden sollten. Es ist richtig, daß nach den bisherigen Mitteilungen der Polizei zwei Gymnasiasten an der Vorbereitung und Ausführung des Mordes beteiligt waren. Aber es ist ebenso richtig, daß die Gründer und hauptsächlichsten Mitglieder der Or- ganisation C. daß insbesondere die Killinger, die Schulz und Tillcssen und die bis zur Stunde noch flüchtigen Rathenau - Mörder Fischcr-Vogel und Knauer-Körner-Kern k a i s e r- liche Offiziere waren, also zu jenem Stande gehörten, den man im alten Deutschland nicht ungestraft schief ansehen durfte, der als das Muster der Ehrenhaftigkeit, des Patriotis- mus und der Pflichterfüllung hingestellt zu werden pflegte. Kaiserliche Offiziere waren die Erzberger-Mörder, kaiserliche Offiziere mordeten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht , kaiserliche Offiziere sind es wieder. die an dem feigen Meuchelmord von Grunewald schuldig sind. Kaiserliche Offiziere sind auch die hauptsäch- lichsten Agitatoren und Bannerträger der Deutschnationalen wie der Völkischen . Wo bleiben jetzt die Offizierbünde, die noch heute Strafanträge namens des gesamten Offizierkorps von ehedem zu stellen pflegen? Wo ist ihre eindeutige Erklärung. daß der politische Mord zu unterbleiben habe, daß man nicht nur von der Republik Pensionen beziehen dürfe, son- dern auch in dieser Republik auf gesetzlichem Boden mit- zuarbeiten habe? Wo ist die Verfemung und Aechtung der Mörderbrigade? Man kennt sie nicht, man kennt nur die hetzerischen Reden und Schriften alter Ga- maschenknöpfe, die auf die Jugend so unheilvoll einzuwirken pflegen, daß schließlich sogar„Pennäler" zur Mordwaffe greifen. Man soll uns den Tatbestand nicht verwischen wollen: die jahrelange Hetzpropaganda, die unter Führung von Helffcrich, Ludenoorff und ihren Getreuen gegen die Trä- ger des republikanischen Gedankens geführt wurde, hat die Mordatmosphäre geschaffen Sie hat vor allem auch jene „Alten" veranlaßt, die ungeheuren Geldsummen zu spenden, mit denen die Geheimorganisationen zur Züchtung von Mordattentaten arbeiten konnten. Und wenn jetzt I ü n g- i i n g e mit in diesen Kreis gezogen werden, so trägt diese deutschnational-völkische Hetze auch daran die Schuld, wenn die Mütter gramgebeugt ihre jugendlichen Kinder dem Straf- rechter überantwortet sehen. Sie trägt die Blutschuld mit sich und niemand wird sie ihr abwaschen. Nicht einmal die heroische Geste, die man jetzt durch die Androhung des Aus- schlusses der Deutfchvölkischen aus der belasteten Partei zeigen möchte.
falsche'Putschgerüchte über Vapern. München , 29. Juni. (WTB.) Amtlich wird gemeldet: In Ber. lin gehen, wie gemeldet wird, allenthalben Gerücht« um, daß in Bayern die Monarchie ausgerufen worden sei. Gestern schon wurde das Gerücht oerbreitet, daß Kronprinz Rupprecht im Ebicmgau zum König ausgerufen worden sei, und daß die Ehiemgouer gegen München marschieren würden. Alle diese Ge- rächte sind Heller Unsinn. In Bayern herrscht voll- ständige Ruhe und Ordnung.
Das Notwelstb der Meuchelmörder. Ein sprachvergleichende Studie von Gustav Gibim. Verbrecher aller Arten, Räuber und Mörder haben ihre Ka- schenunensprache, ihr Rotwelsch. Ob der Dieb, der Geldschrank- knackcr, Raub, oder Meuchelmörder in einer Berbrecherkneipe im elzemcligen Scheunenviertel in Berlin sitzt oder ob er in einer Zlpochenkneipe auf dem Montmartre in Paris ein„Ding dreht". Die Kenntnis des Rotwelsch ist für den Kriminalisten von be- srnderer Wichtigkeit, da es neben den Daumenabdrücken, Verglelchung von Schriftproben usw. häufig zur Entdeckung der Täter von Ver- l rechen führt, mindestens aber auf die Kreise hinweist, in denen der Plan des Verbrechens ausgeheckt wurde. Welche Sprache führen nun die deutschnatio- naten Meuchel mörder? Wae sagte doch der Oberleutnant Tillesien, der Bruder des erzbcrger-Mörders, zu einem Mann, den er als Meuchelmörder dingen wollte im Auftrage der Organisation C, die in München ilire Zentrale hat und deren Häuptlinge u. a. der skandalöscrweise sreigeiprochcn? Leutnant Killinger und ein Kapitänleutnant a. D. Hoffmann sind: „Das ist mein Brüderchen, der hat das erste Schwein gekillt." Tillessen zeigte dabei auf eine Photographie seines Druders Heinrich Tillssien, des Mörders Erzbergers. Man lese die zahllosen anonymen Drohbriefe, die an all« Repub'jkaner in verantwortlicher Stellung tagtäglich zusammen- geschmiert werden, die hundsgemeinen Wort«, die an die Witwe des rnngeb rächten Erzberger geschrieben werden! Man höre die Gemeinheiten, die das Telephon der gramgebeugten Mutter de» eben ermordeten Walter Rathenau von deutschnationalen Bestien zugeschrien wurden! Mo» denke on das Lieblingslied der Deutschvölkischen, der Jungdcutschlandbrüder: an das„Ehrhardt-Lied" mit der Zeile über Nathenau, die so schamlos ist, daß wir sie hier nicht wiedergeben wollen. Das alles ist das Rotwelsch der deutschnatio- nalen und deutschvölkischen Meuchelmörder. W o ha st du, deutscher Republikaner , dieses Rotwelsch schon einmal gehört? Laß dein Gedächtnis einig« Jahre zurückspazieren. Denk an deine Ausbildungszeit auf dem Kasernenhof in den Retrutentagen. Du, alter Landsturmmann, denk an die Offiziere während der Kriegszeit. Wie hat dich der jung« Schnösel von Leutnant mit der Bügelfalte in der Hos« und dem Monokel im Aug« tituliert, wenn du beim Parademarsch einmal zu kurz getreten, ein Knopf an der Uniform— angeblich— nicht blank genug blitzte, ein Gewehrgriff — angeblich— nicht klappte. Ich sage„angeblich", weil derartige Schikonen meist nur angewendet wurden, wenn der„Angefauchte" Israelit oder ein Arbeiter war, der im Aerdacht stand,„Roter " zu sein. „Schweins"
„Mistviehl" „Krummer Hund, ich werde dich bimsen, daß dir der Hinter« tropft!" „Faules Aas, ich schleife dir die Eier bis aufs Gelbe!" Und hundert und taufend ähnlicher schmutziger Gemeinheiten mußte der Vater von erwachsenen Kindern im„gemeinen" Land- sturmmannrock sich von dem jungen Bengel im Ossiziersrock gefallen lassen. Und dies« Sippe rühmte sich, die„Blüte der Nation" zu seinl Di« Ausnahmen von wirklich anständig denkenden Offizieren bestätigen nur die Regel. Weißt du nun, in welchen Kreisen das Rotwesich der Meuchel- mörder gesprochen wird? Dieses Wort vom Bruderherz,„das das erste Schwein gekillt hat"? Auf der Visitenkarte der Brüder Tillesien brauchte nur der Offiziersranq angegeben zu sein. Schon ihre Sprache zeigt, aus welchen Kreisen sie stammen. Es sind die Parasiten der Monarchie, die früher aus der Stoatskrippe sich nährten und im Arbeiter, subalternen Beamten und„gemeinen" Soldaten nur den„Pöbel" sahen, den sie ungestraft beleidigen und mißhandeln durften. Die heute, wo die Krippe nicht mehr für sie aufgeschüttet wird, mit Revolvern schießen, Blausäure spritzen und Eierhandgranaten schmeißen. Ihre Sprache, ihr Rotwelsch hörst du heute In den Mitglieder. Versammlungen und in den Zeitungen der Rechtsparteiler, bei den „Stahlhelm-Leuten, den Iungdeutschordensbrüdern usw. Und du wirst finden, daß zwischen dem Kasernen- Kaschemmenton von früher und dem Rotwelsch der deutschnationalen Meuchelmörder von heute ebensowenig ein Unterschied besteht wie zwischen der Gesinnung jener und dieser.
Die Techows. Der Name T e ch o w, der heute berüchtigt ge- worden ist, hat einmal in der preußischen Geschichte eine rühmliche Rolle gespielt. Sein Träger war damals— im Jahre 1348— ein junger Leutnant, der die Berliner Arbeitermassen bei dem be- rühmten Zeughaus st urm anführte. Als der erste aktive preußische Offizier, der sich offen der Revolution anschloß, wurde er In jenen Tagen viel genannt und viel gefeiert. Aber die Tage der Freiheit gingen rasch zu Ende. Schon nach wenigen Monaten hielt mit Wrangels Truppen die Reaktion in Berlin ihren Einzug, und da siegreiche Reaktionäre mit ihren Feinden nicht so glimpflich zu verfahren pflegen wie siegreiche Revolutionäre, so mußte der Leutnant Tcchow Deutschland verlassen und sich in Amerika eine neue Heimat suchen. Man hat von ihm nichts mehr gehört. Sein Bruder aber, ein Philologe, ist In den sechziger Jahren während der preußischen Konsliktszeit als demokratischer Landtags- abgeordneter bekanntgeworden. Er war Direktor des Gymnasiums in dem ostpreußischen Städtchen Rastenburg , dem Geburtsort von Arno Holz . Die damalige preußische Regierung unterschied sich von der jetzigen unter anderem auch dadurch, daß sie mit oppositionellen Schulmännern nicht viel Federlesen machte. Wer irgendwie eine regierungsfeindliche Gesinnung bekundete, wurde kurzerhand seines Amtes enthoben. Auch über dem Direktor Tcchow schwebte jähre- lang das Damoklesschwert der disziplinarischen Maßregelung. Aber
seine Amtsführung war eine so tadellose und hervorragende, daß man sich nicht an ihn heranwagte. Und als die Zeiten ruhiger ge- worden waren, wurde er sogar als Leiter einer höheren Lehranstalt nach Berlin berufen.— Es wäre interessant zu erfahren, ob dieser alte Demokrat ein Dorfahr des Nathenau-Mörders ist. Man hätte dann ein Gegenstück zu der Familie Kapp und ein charrtteristisches Beispiel für den Niedergang des Bürgertums: der Llhn ein Vo'.ks- freund und idealistischer Kämpe— der Eukel ein Reaktionär und ge- meiner Verbrecher. Hans Thoma über seine Kunst. Die Thoma-Ausstcllung der Berliner Nationalgalerie hat einige briefliche Bekenntnisse des greisen Meisters veranlaßt, die Hans Makowsky Im neuesten fteft des .Lunstwanderers" mitteilt. Es sind die Briefe, die der Dreiund- achtzigjährige an die Staatsbehörden geschrieben hat und aus denen schon Teile hie und da bekannt geworden sind, die sich aber in ihrer Gesamtheit zu einem kostbaren Selbstbekenntnis zusammenschließen. In diesen Schreiben kommt Thoma immer wieder aus das Urdeutsche seiner Kunst zurück und gibt der Hoffnung Ausdruck, daß sein Lebens- werk seinem Volt von Nutzen sein und zur Versöhnung der zer- klüfteten Welt beitragen werde.„Wie gern hätte ich Ihnen", schreibt er an Ludwig I u st i, den Beranstalter der Ausstellung,„münd- lich gedankt dafür, daß Ihre Stellung im schönen Reich der Kunst es Ihnen ermöglicht hat, ein Stück echtes Wesen dentscher Kunst zu der rechten Zeit, wo wir es brauchen, an das Licht des Tages zu bringen— Verborgenes aufzufinden, es der Welt zu zeigen: unseren Feinden damit zu sagen: nicht nur so, wie Ihr uns schildert, ist unser Volk, sondern es war seit Lebensaltern ein still bescheiden kunstsinnig Volk. Der geistige Grundzug unseres Wesens wird wohl auch in Zukunft so bleiben— man könnte diesen Grundzug Stille nennen. hinter welcher, sich selber fast unbewußt, schöpferische Kraft steckt— verhaltene Stärke. Möge man nun die deutsche Kunst klein nennen und beschränkt finden, wir wollen sie erkennen und wollen an- erkennen, daß sie, ob klein, ob groß, unsere Kunst ist, aus der Tirfe der geheimen Volksseele hervorgeht und daß sie ihren Zweck erfüllt, wenn sie, als bescheiüene Dienerin, die Vermittlerin zwischen Seele und Seele wird. Wenn sie somit sich selbst versteht, so halte ich e» nicht für unmöglich, daß sie die Verbindung zwischen sich und frem. den Volksseelen herstellt und so als eine Art von Friedensengel durch die zerklüftete West wandert." In einem anderen Schreiben an den Kultusminister Boelitz spricht er von seiner Entwicklung: . Wenn man dieser Sammlung eine Benennung beilegen will, welche so ungefähr ihr Wesen bezeichnen soll, so scheint es mir, daß keiner der gangbaren Kunstparteinamen dazu passen will und in meiner ungewöhnlich langen Schaffenszeit nie dazu passen wollte, lo daß in der Mitte der 70er Jahre mich ein berühmter Münchener Kritiker den nicht talentlosen Erfinder der sozialdemokratischen Malerei nannte, dessen Bilder an Häßlichkest mit den Altdeutschen und mit dem Franzosen Courbet wetteiferten. Mit Politik hatten und haben meine Bilder nichts zu tun. Und weil ich auch nie daran dachte, „deutsche" Bilder zu malen, gerade deshalb glaube ich, daß nian mein künstlerisches Schaffen unbedenklich deutsch nennen kann. Meine Bilder kamen aus dem Zwang einer deutschen Seele hervor— das ist das Bond, weiches ihre Biclgestaitigkeit zu einer Einheit oerbindet. Wenn nun ein Künstler, der durch Jahrzehnte hindurch abseits und in der Stille verborgenes Schaffen das Gejühl gewonnen hat, daß