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flr.304 39. Jahrgang

Heilage öes Vorwärts

Zreitag� den 39. Junk 1922

berliner Volksvertreter gegen öie Norühetze. INA hatten(unter ihnen Beamte, die der Republik den Treueid ge- v.rauerrunvgevung ,m 4?erttner>UlY«US . Eistet haben), einstimmig beschlossen. Der erste Dringlichkeitsantrag wurde nach Streichung der Wortemonarchistisch und rechtsbolsche- wistisch" angenommen mit den Stimmen der Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei . Demokraten, Zentrum und die drei Ar- beiterparteien hatten gegen die Weglassung der beiden Worte ge- stimmt. Der Sprecher der Demokraten, Dr. Müffelmann, setzte sich in energischen, wirkungsvoll m Worten für den unveränderten Antrag ein. Die gesamte Linke ging mit der Hoffnung in die Ferien, daß es endlich gelingen werde, in dem reaktionärsten Winkel Groß- Berlins die Republik zu sichern.

Die Stadtverordnetenversammlung stand gestern unter dem Eindruck der monarchistischen Bluttat, deren Opfer der Minister R a t h e n a u geworden ist. Als der Vorsteher Caspari die Sitzung mit Gedenkworten für den Hingemordeten eröffnete, waren auch die rechtsstehenden Fraktionen vertreten, freilich erst in geringer Stärke. Casparis Rede würdigte nicht ohne Wärme die Persönlich- lest Rathenaus, vermied aber sorgfältig, die der Republik drohenden Gefahren zu erwähnen. Zwischenrufe aus der Linken wiesen darauf hin, daß die Blutschuld den rechtsstehenden Parteien zur Lost fällt. Caspari führte u. a. aus: Der Name und das Wirken Walter Rathenaus war aufs engste verbunden mit einer der größten Unternehmungen, die hier heimisch sind; er hatte es durch seine Tätigkeit verstanden, stch Ber - trauen in den weitesten Kreisen des In- und Auslandes zu er- werben: er ist durch hinterlistige Mordbuben niedergestreckt worden. Tiefe Trauer bewegt uns, tiefes, herzlichstes Mitgefühl empfinden wir mit den Angehörigen, denen er entrissen wurde. Aber unsere Trauer wird überwältigt durch das Gefühl des Abscheu s. Welcher Tiefstand eines Volkes, wenn in die Politik der Mord ein- greift, wenn Staatsmänner ihre Arbeil für das Volt nicht in Ruhe tun können, weil sie dauernd in Gefahr schweben, von Mörderkugeln hinweggerafft zu werden. E i n Gedanke hat mich in diesen Tagen nicht verlassen: ich habe in der letzten Zeit gerade in diesem Hause manchmal das Gefühl gehabt, als wenn stch trotz aller aufeinander- prallender Gegensätze leise Fäden der Verständigung knüpften, Fäden geboren aus der Ueberzeugung von der Notwendig- lest des Zusammenarbeitens, und aus der Not der Zeit herauszu- kommen ich habe das Gefühl, als wenn diese Fäden jetzt zerrissen stnd. Und doch wäre nichts schrecklicher gerade in dieser schweren Zeit für unser Volk als dies, nichts würde weniger dem Andenken Rathenaus dienen. Ich meine, gerade in dieser Zeit der tiefften Not müßten alle die zusammensteben, denen es ernst ist, auf dem Boden der nun gegebenen Verhältnisse zusammenzuarbeiten, damit wir aus der Not und dem Elend wieder herauskommen, in dem wir jetzt sind. Wenn über die Leiche dieses edlen Mannes der Gedanke empor- wachsen würde, daß wir alles gemeinsam bekämpfen müssen, was sich der Arbeit an unserem Volte ent- gegenstellt, daß wir zusammenstehen müssen zur gemeinsamen Arbest am Aufbau unseres Vaterlandes, dann würde auch dieser Tote nicht umsonst gestorben fem. Mst dieser Trauer verbindet sich«ine ander«, eine um viele An- gehörige unserer Stadt, besonders des Arbeiterftandes, die ein furchtbares Unglück aus dem Leben gerissen hat, als sie von der Arbeit heimkehrten. Wir alle empfinden tiefsten Schmerz um die aus dem Leben Gerissenen, und wir beklagen die Angehörigen, die den Sohn, den Bruder, den Ernährer verloren haben. Sie haben sich zum Gedenken der Toten von den Sitzen erhoben. Ich stelle das fest und danke Ihnen. Massenaufmarsch in VümersSorf. Zu einer gewaltigen Massenkundgebung gestaltete sich die Be» zirksversammlung im 9. Bezirk (Wilmersdorf). In diesem Bezirk wurde bekanntlich der Mord gegen Rachenau verübt. Die sozialdemokratische Fraktion hatte einen Dringlichkestsantrag einge- bracht des Inhalts, das Bezirksamt möge Schritte unternehmen, um dem verbrecherischen Treiben in Wilmersdorf , das der Mittelpunkt der monarchistischen und rechts- bolschewistischen Verhetzung sei, entgegenzuwirken. Ein zweiter Dringlichkeitsantrag ersuchte das Bezirksamt, endlich Fahnen in den Farben der Republik anzuschaffen. Unsere Parteigenosten füllten die Tribüne, so daß die rechtsgerichtete Majorität(die stärkste Fraktion deutschnational) nicht den Mut fand, gegen die sofortige Behandlung der Antröge Einspruch zu erheben. Zu gleicher Zeit demonstrierte aufderStraße ein aus einer öffentlichen Versammlung mit seinen Fahnen kommender Zug von etwa 1000 Teilnehmern, die auf dem Vorhos des Stadthauses Aufftellung nahmen. Die sozialdemokratische Fraktion war inzwischen auf den Balkon getreten, von wo Genosse Lüdemann zu den Demonstranten sprach und zur Einiglest in dieser schweren Zeit ermahnte. Nach Wiederaufnahme der Sitzung begründete Ge- nosse Lüdemann den eingebrachten Antrag und wies aus Zitaten deutschnationaler und volksparteilicher Blätter nach, wie systematisch diefe Zestungen es oerstanden haben, die Atmosphäre zu schaffen, die zu derartig wahnwitzigen Verbrechen führen mußte. Der Antrag, Fahnen anzufchaffen, wurde, nachdem sich die Deutschnationalen ent-

Tumultfzenen in Zehlenöorf. In der Zehlendorfer Bezirksversammlung wurde von der sozialdemokratischen Fraktion und den Unabhängigen eine Anstage an das Bezirksamt gerichtet, weshalb das Rathaus erst mit ganz großer Verspätung die Trauerfahne für Rathenau gehißt habe. Die Anstage war den Bürgerlichen beider Richtungen(Deutschnationale und Deutsche Volkspartei ), die über die erdrückende Mehrheit verfügen, äußerst unbequem. Die Dringlichkeit der Anstage wurde schließlich einstimmig, heuchlerischer- weise auch mit den Stimmen der Deutschnationalen, anerkannt. Als im Laufe dieser Debatte der Unabhängige Dr. K 0 e l i tz, unter leb- hafter Zustimmung der Tribüne, den Ausdruck gebrauchte, Rathenau sei von deutschnationalen Mörderbanden gefällt, sprang der deutschnationale Stadtverordnete Hatzky auf Koelitz zu, mit erhobener Faust, doch war Koelitz flinker und oersetzte dem Angreifer einen wuchtigen Faustschlag. Sofort bildete sich ein Knäuel Streitender, in den sich selbst die Zuhörer einmischten. Nach Wiederherstellung der Ruhe beantwortete Bürgermeister Dr. K 0 e st e r die Anstage dahin, das Bezirksamt habe flaggen wollen, aberkeine republikanische Flagge" besessen.(Zwischen- ruf Draemert: Binnen drei Jahren ist auch zur Anschaffung keine Zeit gewesen!) Die schwarzweißrote Fahne habe er nicht aufziehen lassen wollen, weil das nach Provokation ausgesehen hätte. Schließ- lich habe man sich entschlossen, die alte Zehlendorfer Ge- meindeflagge, mit einem schnell gekauften Flor umhüllt, auf- zuziehen. Durch all dies sei die Flaggenhissung verzögert worden. Genosse Draemert bemerkte, es wäre zu dem bedauerlichen Zwischenfall wohl nicht gekommen, wenn der Bürgermeister oder der Vorsteher der Bezirksversammlung es für nötig gehalten hätten, ihren Abscheu und ihr Bedauern über den Mord an Rathenau zum Ausdruck zu bringen. Daß es nicht geschehen fei, sei nun nach Belieben zu deuten. Der Vorsitzende betonte demgegenüber, er habe absichtlich von dem Morde nicht sprechen wollen,um nicht die Leidenschaft in der Versammlung aufzuregen". Wir bezweifeln nicht, daß er hier seine ehrliche Meinung aussprach. Aber er unterließ es auch jetzt noch, das Versäumte nachzuholen. Koelitz ergänzte Draemerts Ausführungen dahin, daß bedauerlicherweise weder der Borsteher noch der Bürgermeister der Opfer gedachte, die das Eisen- bahnunglück am Dcmonstrationstage forderte. Der Deutschnationale Hatzky konnte sich nicht versagen, den Zwischenruf zu machen:Sie sind verunglückt, weil Ihr gestreikt habt!" Ferner hatte die Demokratische Partei das Bezirksamt um Ueberlassung der Schul- a u l a zu einer Tr auerfeier für Rathenau gebeten, was das Bezirksamt mit dem Einwand ablehnte, man habe früher ein- mal beschlossen, Schulräume nicht für politisch« Zwecke zur Verfügung zu stellen. Die von den demokratischen Bezirksverordneten und unserem Genossen Draemert eingebrachte Anfrage wollte das Be- zirksamt wiederum nicht beantworten, und es entspann sich wie im obigen Falle eine Debatte über die Zulassung der Dringlichkeit. Nach langem Streiten wurde, wiederum mit Stimmen der Deutschnatio- nalen, auch hier die Dringlichkeit anerkannt, aber die Frage vom Bezirksamt nicht beantwortet. Darauf mochte Draemert aus der Frage einen Antrag und die Bersammlung beschloß, diesmal einstimmig,das Bezirksamt wird ersucht, die Aula zur Verfügung zu stellen", aber erst, nachdem der Demo- krat Dr. Seefeld versprochen hatte, es würden keinerlei Angriffe auf eine politische Partei erfolgen. * Was für Dinge in den Berliner Außenbezirken möglich sind, beweist ein Vorkommnis in einer höheren Mädchenschule. Der Ge- sanglehrer wollte die Klasse zur Totenweihe für den ermordeten Minister ein ernstes Lied anstimmen lassen, er wurde aber ob seines Vorhabens von den höheren Töchtern ausgelacht. Wahr- lich feine Früchtchen häuslicher Erziehung dieser fast ausnahmslos deutfchnationalen Eltern.

Herliner ELatberatung. Nach der an anderer Stelle des Blattes wiedergegebencn Trauerkundgebung für Rathcnau wurde die Beratung des Haus- haltplans fortgesetzt Sie vollzog sich in einem Wirrwarr, der eine gerogelte Verhandlung fast unmöglich machte. Im letzten Teil der Sitzung wurden viele Abstimmungen auf die nächst« Sitzung ver- schoben. Unter den Beschlüssen sind zwei Entschließungen hervor- zuHeben. Mit sehr großer Mehrzahl wurde eine Entschließung auf Ahbau überflüssiger Beamten stellen angenommen. Nahezu einstimmige Annahme fand die von der sozialdemokratischen Fraktion im Ausschuß beantragte Entschließung wegen Sicher- stellung der Nahrungsmittelversorgung. Die Stadtverordnetenversammlung hat im weiteren Verlaufe ihrer gestrigen bis%9 Uhr währenden Sitzung noch u. 0. die Bor - läge wegen Erhöhung der Mailöhne für die ftädtischen Arbeiter, wegen Regelung der Bezüge der nicht st ändigen Angestellten ab 1. April 1922,'den 4. Manteltarif für die Arbeiter und den 3. M a n t e l t a r i f für die nicht stänoig Angestellten verabschiedet und die Beratung des Stadthaus- Halts für 1922 ein gut Saück gefördert. Der Hinausschiebung des Ferienbeginns bis 7. Juli wurde zugestimmt: für die nächst« Woche sind Sitzungen am Montag, Dienstag und Donnerstag an- gesetzt. Bei der Abstimmung über die Festsetzung eines ein. heitlichen Fremdenschulgeldes kam die Vorlage schließ- lich mit Stimmengleichheit gänzlich zu Fall: der Ankauf des Schul. grundstücks Lütticher Str. 4 wurde genehmigt, der Berkauf der Grund st ücke Fischer st r. 34 und Sesenbeimer, Ecke W a l l st r a h e in Charlottenburg abgelehnt. Im übrigen gin' die Abstimmung über die vor acht Tagen zurückgestellten Anträge zum Stadthaushalt in einer derartig turbulenten Weise vor sich, daß von dem Ergebnis auf den Prssseplätzen überhaupt nichts zu verstehen war und unseren Lesern darüber auch nicht berichtet wer. den kann. Verbürgen möchten wir uns nur für die Annahme der vom Haushaltsausschuß beantragten Entschließungen, die sich für den Abbau des Personalapparats der Verwaltung und für die Sicherung der Dolksernährung durch eine ausreichende Getreideumlag« aussprechen; die Annahme der letzterwähnten Enffchließung erfolgte fast ein- stimmig. Längere Aussprachen fanden statt bei dem Haushalt der städtischen Werke, der Güter und Forsten und der Straßenbahnen sowie über die Straßenbahnen: die Beschlußfassung wurde aber ausgesetzt, so daß über die Erhöhung des Wasser- und Stromtarifs erst frühestens Montag entschieden werden wird. Das tzauskonto. Ueber das nach dem Reichsmietengesetz einzurichtende Haus- konto für große Jnstandsetzungsarbeiten besteht in den Mieterkreisen noch'starke Unklarheit. Genauere Information ist schon deshalb von Wert, weil unter Umständen der von dem einzelnen Mieter nur für diesen Zweck zu hinterlegende Deckungs- betrag, namentlich in Häusern mit wenigen Mietern, mehrere Jahre hintereinander SÖO M. oder noch mehr betragen kann und weil es hierüber voraussichtlich zu vielen Streitigkeiten kommen wird. Nach den Ausführungsbestimmungen des Gesetzes hat die Gemeinde zu entscheiden, ob in ihrem Bereiche Hauskonten einzuführen sind. Die ineisten Gemeinden werden wohl bejahend beschließen. Die Höhe der Einzahlungen auf das Hauskonto wird wieder nach Zuschlägen zur Grundmiete festgesetzt. Der Sinn der Bestimmung ist nicht, daß nun, wenn beispielsweise in einem Jahre 12 009 M. für große In- standsetzungsarbeiten seitens des Hauswirtes aufgewende: werden, diese Summe im Laufe des gleichen Jahres aus dem Hauskonto gedeckt werden muß. Melmehr soll das Hauskonto nur dazu dienen, das aufgewendete Kapita! zu verzinsen und allmählich zu tilgen. Für leerstehende Räume, eigene Wohnung des Vermieters oder Verwalters, ferner für Wohnungen ohne Mietvertrag(Portier) hat auch der Hauswirt entsprechende Einzahlungen zum 5)auskonto zu leisten. Die Gelder werden in gesperrten Sparkassen- oder Bank- büchern angelegt. Verfügung über die Gelder ohne Zustimmung der Mieter oder Mietervertretung ist nicht zulässig. Die auf llltitkosten der Mieter vorzunehmenden großen Jnstandsetzungsarbeiten müssen notwendig sein. Wenn also ein Hauswirt zur Steigerung des Hauswertes Verschönerungsarbeiten vernehmen läßt, beispielsweise einen nicht unbedingt nötigen neuen Anstrich oder die Einrichtung elektrischer Beleuchtung, so sind das überhaupt keine Instandsetzungsarbeiten im Sinne des Ge- s e tz e s. Bei sehr großer Vernachlässigung eines Hauses hat das Mieteinigungsamt nach Anhörung der Baupolizeibehörde zu be- stimmen, welche Instandsetzungsarbeiten zuerst vorzunehmen sind.

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Der Ruf durchs Fenster. Roman von Paul Frank.

Sie kennen Königsberg ?" Vor einigen Jahren, erinnere ich mich, dort gewesen zu sein. Aber Riga ist auch eine sehr schöne Stadt." Ueber die Maßen... Für den Fremden muß die Stadt insbesondere ihre feinen Reize haben." Weshalb für den Fremden?" Mein Gott unsereiner, der Tag für Tag im Beruf steckt." Das ist richtig." Um halb neun in der Früh fängt die Geschichte an, und dann ist aber auch keine Minute Ruhe bis drei Uhr nach- mittags." Da haben Sie ja noch gar nicht gegessen und müssen weiß Gott wie hungrig sein." Doch wir finden gegen Mittag immer ein paar Minuten Zeit, um ein wenig Nahrung aufzunehmen, da löst einer den anderen ab, und die Leute müssen sich eben ein bißchen länger gedulden. Aber die richtige Mahlzeit kann man doch erst am Abend einnehmen." Ein aufreibender Dienst. Eine Beschäftigung, um die man Sie wahrhaftig nicht beneiden muß, Herr Faltin." In der Tat besteht dazu keine Ursache," bekräftigte dieser. Gleichzeitig überlegte er: Weshalb erzähle ich dem Manne das alles? Aber schließlich, man spricht wirklich recht angenehm mit ihm. Am Abend sind Sie dann natürlich müde, und dem Abenteuer nicht zugeneigt?" Daran denke ich wirklich nicht... Um acht Uhr ins Gasthaus, dann noch für eine Stunde ms Cafö. Wenn ich Schach spiele, wirds wohl auch manchmal ein wenig später... Aber dann gehts nach Haus, damit man am nächsten Morgen klar im Kopf ist. Das ist nämlich nicht gar so einfach mit meinem Beruf. Da laufen einem jeden Tag die Hundert- tausende nur so durch die Finger. Da heißt es hübsch richtig zählen, weil so ein Irrtum verhängnisvoll werden kann..." Hunderttausende!" rief der Fremde aus. ,An manchen Tagen ist's auch eine runde Million,,."

Mir läuft es ordentlich kalt über den Rücken... Und wenn Sie sich doch einmal beim Zählen irren, Herr Faltin...?" Da bin ich ersatzpflichtig. Ganz einfach." Ersatzpflichtig?" Ohne Rücksicht auf die Größe der Summe." Wenn ich richtig verstehe, werden Gehaltsabzüge vor- genommen?" Die dann kein Ende nehmen..." Und das Gehalt selbst?" Steht natürlich in keinem Verhältnis zur verantwor- tungsvollen Stellung." Es würde mich rein theoretisch natürlich inter­essieren." Die Größe so eines Monatsgehalts kennenzulernen?" Ohne indiskret sein zu wollen." Damit Sie einen Begriff bekommen." Ich höre." Ich beziehe..." Faltin brach ab und seine Augen begegneten dem lauernden Blick des Fremden. Er machte daher eine kleme Pause und wiederholte dann, den Satz zu- gleich beendend:Ich beziehe dreihundertfünfzig Rubel monatlich." Eine Schande," sagte der Fremde.Für die Bank natürlich. Einem Menschen, der Tag für Tag Hunderttausende durch seine Hände rinnen läßt, einen Vettelgehalt hinzu- werfen." Bettelgehalt! Das ist der richtige Ausdruck!" rief Faltin, durch die Zustimmung seines Begleiters erfteut. Ein gefährliches Spiel übrigens, das die Bank da treibt," fuhr der Fremde fort. Inwiefern?" fragte der junge Kassierer. Man dürfte einen Menschen doch nicht unaufhörlich in Versuchung bringen. Am allerwenigsten einen, dem man große Summen anvertraut, auf den man sich doch verlassen können müßte." Das verstehe ich nicht ganz." Jemand, der zur Bestreitung seines gesamten Lebens- Unterhaltes dreihundertfünfzig Rubel im Monat zugewiesen erhält, und der gleichzeitig tagsüber im Gold wühlt, das aller- dings nicht fein Eigentum ist das gibt einen ungesunden Kontrast, einen grotesken Widerspruch. Eine? mit dem ande­ren verlangt nach einem Ausgleich, den die bürgerliche Wohl-

anständigkeit zwar nicht billigen würde, dessen Eintreten man jedoch nur selbstverständlich sinden müßte." Welchen Ausgleich meinen Sie eigentlich?" Den Schlüssel zu einem zuftiedenen Leben. Oder führen Sie ein zufriedenes Leben?" Mein Gott nichts weniger als das..." Der Schlüssel hierzu wie gesagt ist in den unge­fähr gleichen Proportionen gegeben... Der permanente Kontrast ergibt die ewig lauernde Versuchung. Mit anderen Worten: man muh die sittliche Kraft eines Menschen bewun- dern, mit zwölf Rubel seinen Tag zu bestreiten, während eine Bewegung seiner Hand genügen würde, das Tausendfache zu ergreifen und in die Tasche zu stecken..." Aber das wäre doch nicht fein Geld, das er da in die Tasche steckte..." Das ihm anvertraute Geld..." Ein großer Unterschied. Es wäre ein schweres Unrecht, das er begeht..." Gegen jemanden, der weit schwereres Unrecht Leuten zufügt, deren Augen er blendet und die er dabei verhungern läßt..." Sie sprechen eine Wahrheit aus..." Sie mögen überzeugt fein, daß ich die Geradheit Ihres Charakters bewundere ohne daß ich Sie jedoch darum be- neide..." Sie haben recht man hat nichts von seiner An- ständigkeit.. Man ist ein armer Teufel..." Man lebt in einer kalten, verschneiten Stadt, ohne Freude, ohne Fest..." Richard Faltin bohrte die Fäuste tief in die Mantel» taschen, da ihn plötzlich fröstelte. Es gibt andere Städte, in denen die Sonne scheint..., auch im Winter... Wissen Sie das...?" Ich kenne diese Städte..." Ach da sind Sie wohl schon dort gewesen...?" Wie stellen Sie sich das vor? Mit meinen dreihundert- fünfzig Rubeln monatlich? Da käme ich nicht weit. Nein, ich lese von diesen Städten, abends, ehe ich das Licht auslösche. Ich bin in der Leihbibliothek abonniert..." Und haben Sie noch nie den Wunsch gehabt..." Einmal dorthin zu fahren? Hundert-.... tausend» mal..."(Fortsetzung solgt.)