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Nr. 34239. Jahrgang

Beilage des Vorwärts

Sonntägliche Wanderziele.

Der Unterspreewald.

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Sonnabend, 22. Juli 1922

Etappenhelden.

Kriegsverbrecherprozeß in Gent  .

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Am kommenden Donnerstag beginnt, wie wir dem Berliner Tageblatt" entnehmen, vor dem Schwurgericht in Gent   ein Tegel, ursprünglich 1660 als Jagdschloß erbaut, der Wohnsitz der Prozeß, der ein während des Krieges vor dem deutschen   Feldkriegs­Brüder Alexander und Wilhelm von Humboldt  , die gericht in Brüffel verhandeltes Verfahren wieder aufrollen soll. Er Mit den Fernzügen vom Görlizer Bahnhof bis Halbe( bei auch in dem schönen, leider unzugänglichen Schloßpart begraben betrifft die Ermordung des belgischen Grafen d'Udekem den Zügen von der Stadtbahn in Niederschöneweide   umsteigen). liegen. d'Acoz auf Schloß Rudderpoorde bei Brügge  , die im Sonntagsrückfahrkarte, die zur Hinfahrt am Sonnabend schon von Wir gehen etwas nach links und biegen dann auf der Herms- Frühjahr 1915 von dem Rittmeister Freiherrn   v. Gagern und dem 12 Uhr mittags an berechtigt. III. Klasse 21 M., IV. Klaffe 17 M. dorfer Chaussee rechts ab. Sturz nachdem wir die Kremmener Leutnant Prinz v. Stolberg Wernigerode Uslar be. Ein umfangreiches Waldgebiet, das zugleich reich an Seen und Eisenbahn   überschritten haben, wenden wir uns nach rechts und gangen sein soll. Beide gehörten der Garde- Kavallerie- Division an. Wafferläufen ist, dehnt sich von Königswusterhausen bis Lübben   haben bald die Wiesenniederung mit dem Mühlenflich erreicht. Der eigentliche Mörder soll der Rittmeister v. Gagern sein, der mit aus. Den Glanzpunkt bildet der Unterspreewald. Bom In zahlreichen Windungen schlängelt es sich dahin. An einem Bahnhof Halbe wandern wir auf der Chauffee durch Kiefernwalo kleinen Beispiel sehen wir hier, was die großen Flüsse und Ströme der stark hysterischen Frau des sehr reichen Grafen ein Verhältnis zu dem 5 Kilometer öftlich gelegenen Wendisch- Buchholz nicht so übersichtlich vor Augen führen. Ein derart gewundener unterhielt. Das Motiv der Tat war, wie seinerzeit das deutsche   Feld­an der Dahme  , die wir vor der Stadt überschreiten. Wir können Lauf ist ein Mäarter, so genannt nach dem gleichfalls in zahl- friegsgericht feststellte, gemeine Habgier. v. Gagern strebte hierher auch mit dem Postauto fahren. Die erste Kunde von dem reichen Windungen fließenden Mäandros in Kleinafien. Das nach dem Riesenbesitz des belgischen Grafen. Städtchen geht auf 1346 zurüd, wo es zum Aufsichtsbezirk des Tegeler Mühlenfließ entspringt in der Gegend von Basdorf   und Die Ermordung ging nach dem deutschen   Untersuchungsergebnis Brobstes zu Storfow gehörte. Vor dem Ort wandern wir von der Schönerlinde. Nach der Vereinigung mehrerer Quellbäche fließt es folgendermaßen vor sich: Eines Tages fuhren der Rittmeister und der Chauffee nach Süden, am Wehr über den Umflutkanal zur Bürger- an Schildow, Lübars und Hermsdorf   vorüber nach Tegel  . Es ist Prinz im Automobil vor dem Schlosse des Grafen vor und erklärten heide. Am Beginn des Waldes halblinks zum Westende des eine der zahlreichen Rinnen, die den Barnim entwässern. Wir diesem, sie hätten den Auftrag, ihn in das Hauptquartier der 4. Ar­Röthener Gees. Rechts liegt der 142,5 Meter hohe Wehla wandern dem Fließ entgegen und tommen zur Siedlung mee in Thielt zu bringen. Seine fönigliche Hoheit Herzog Albrecht berg, dessen Vermessungsgerüst wir schon von Wendisch- Buchholz   Dohnlate. Der Weg zeigt uns schöne Uferpartien, da das Fließ von Württemberg, der Armeeführer, wünschte ihn sofort zu sprechen. aus sehen fönnen. Auf dem Südufer des Köthener Sees nach om Waldrande seinen Lauf nimmt. Am jenseitigen Ufer liegt Der Graf folgte ahnungslos der Aufforderung. Als das Auto durch Köthen  , und dann in der Nähe des Sees nach Groß Freie Scholle, eine der ältesten genoffenschaftlichen Siedlun- den Wald fuhr, ließ es der Freiherr v. Gagern anhalten. Jetzt er­asserburg, eine alte Wasserburg  " am Rande des Unter- gen Berlins  . Wir wandern jegt auf der Chauffee weiter, die uns flärte er dem bestürzten Grafen, daß einer von beiden zuviel auf der Spreewalds. Der Unterspreewald bildet den nördlichen Teil der von bald zum Bahnhof Hermsdorf bringt. Von hier fahren wir Welt sei und ein ,, Duell" entscheiden müsse, mer von ihnen übrig der Spree   durchflossenen großen Niederung, in der sie sich in zahla rach Berlin zurüd. Weglänge 8 Kilometer. bleibe. Sie zerrten den Grafen vom Wege ab und drückten ihm eine reiche, negartig miteinander verbundene Arme teilt. Das Gebiet Pistole in die Hand, die wohl gelaben, aber unbrauchbar war. Der des Oberfpreewalds liegt bei Lübbenau  , während sich der Unter­unglückselige Graf war auf den ersten Schuß nicht tot, sondern nur Spreewald unterhalb von Lübben   etwa 15 Kilometer weit nach minder schwer verwundet. Er war bei vollem Bewußtsein und er= Norden erstreckt; er ist 3,5 bis 6 Kilometer breit. Wendische Sprache tannte jegt, daß seine Ermordung beschlossen war. Er beschwor den und Sitten sind im Unterspreewald völlig erloschen; auch die eigen­Mörder sowohl als auch den dabeistehenden Prinzen, ihn am Leben artigen Trachten, die im Oberspreewald   üblich sind, fehlen hier. zu lassen. Er wolle unter Eid versprechen, den Vorfall geheim zu Etwa der dritte Teil des Unterspreewalds ist von prächtigem Laub­halten. Weder der Prinz noch der Freiherr erhörten sein Flehen. wald bedeckt, in dem die Erle vorherrscht. Bon Gagern hielt die Pistole an die Schläfe seines Opfers und drückte erbarmungslos ab. Dann scharrte er ihn mit Hilfe einer im Auto­mobil mitgeführten Schaufel wie einen Hund im Walde ein. Freiherr und Prinz wurden erst zwei Jahre später zur Verantwor­tung gezogen. Im Februar 1917 zu Brüssel  . 52 Kriegsgerichtsräte, die den Armeen des Westens angehörten, wohnten der Verhandlung des Feldfriegsgerichts bei. Ebenso ein besonderer Vertrauter des Kaisers. Die Anflage lautete gegen v. Gagern auf Mord und gegen den Prinzen von Stolberg Wernigerode Uslar auf Beihilfe zum Mord. Das Urteil erfannte nur wegen Totschlags auf Strafe. In der Begründung hieß es, es sei nicht erwiesen, daß die beiden Täter dem Toten mit Abficht eine unbrauch­bare Pistole unterschoben hätten. Aber der weite Schuß, der soge­nannte Fangschuß", sei zweifellos, Totschlag" gewesen. So tam v. Gagern sehr billig weg, noch billiger der Brinz. Der letz­tere erhielt nur sechs Monate Feftungshaft, die er nicht einmal abzufigen brauchte.- Beide sollen nun am fom­menden Donnerstag, 27. Juli, von dem Genter Schwurgericht, natür­lich in Abwesenheit, nochmals abgeurteilt werden.

Müffen wir auf eine Kahnfahrt verzichten, dann wandern wir von Groß- Wafferburg füdlich bis zur Chaussee von Schlepzig nad) Krausnid. Links führt sie durch den Buhl, ein prächtiges Waldgebiet, nach Schlepzig  . An der Stelle des Gasthofs Zum grünen Strand der Spree  " stand bis zum 19. Jahrhundert ein schon 1374 erwähnter Eisenhammer, der den Raseneisenstein der Um­gebung verarbeitete. Bon der Chauffeetreuzung erreichen wir nach rechts in furzer Zeit das freundliche Dorf Krausnic, am Südhang der Krausnider Berge gelegen, zu denen auch der Wehla­berg gehört, Bon Krausnid wandern wir halbrechts durch den Wald am Wehlaberg vorüber zum Bahnhof Oderin  . Von hier treten wir die Heimfahrt an. Den Fahrpreisunterschied bis Halbe  müffen wir zuzahlen. Weglänge etwa 28 Rilometer.

Am Tegeler Mühlenfließ.

In Tegel   beginnen wir die Wanderung. Wir gelangen dorthin entweder mit der Vorortbahn vom Stettiner Vorortbahnhof oder mit der Straßenbahn( Linie 22, 26, 125, 126). Bon der End­haltestelle der Straßenbahn an der Berliner   und Schloßstraße wan­dern wir durch die Hauptstraße zum Strand des Tegeler Sees   hin­ab. Bir tommen an der trummen Linde" vorüber, einem uralten Baum, den man ausgemauert hat, um ihn zu stüßen. Tegel  , jest ein dicht bevölkerter Industrieort Groß- Berlins, war bis vor meni gen Jahrzehnten ein stilles Dörfchen, nach dem die Berliner   auf Sommerfrische zogen. Der Name Tegel   ist der plattdeutsche Aus­trud des hochdeutschen Wortes Ziegel, wie das Dorf in der Pfarr­matritel von 1716 auch wirklich genannt wird. Der Tegeler See   erstreckt sich in einer Länge von 4 Rilometer und Breite von 1,5 Kilometer bis zur Havel   bei Spantau. Wir wenden uns rechts auf der Uferpromenade zur Brücke über das Mühlenfließ, das hier in den Tegeler See   mündet. An der Mündung befinden fich umfangreiche Hafenanlagen, auch endet hier die Industriebahn Den Friedrichsfelde  , die im großen Bogen nördlich um Berlin   führt. Jenseits der Brüde mandern wir nach rechts zur Schloßstraße zurück. Rechts liegt die Humboldtmühle, jezt eine Dampf: mühle, die früher vom Fließ   getrieben wurde. Mühle und Dorf find 1361 von den Roanen in Spandau   gekauft worden, die fie bis zur Reformation behielten In der Nähe der Humboldtmühle kam es 1410 zu einer Schlacht zwischen der Berliner   Bür. gerschaft und dem Raubritter Dietrich Quizon, der den Berlinern das Bieh von der Weide getrieben Latte. Hierbei wurde der Berliner   Ratsherr Niklas Wins fowie cine Anzahl anderer Berliner   gefangen genommen und nach der Jeste Bößow verschleppt. Links sehen wir das Schlößchen

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Der Ruf durchs Fenster.

Roman von Paul Frant.

von

Erwachen Sie, Richard Faltin, fühlen Sie Schwere und Drud aus Kopf und Gliedern weichen, öffnen Sie die Augen und feien Sie meines Befehls cingedent." Der Arzt kehrte dem Medium den Rücken. Jetzt wird es wohl erlaubt sein, fich eine Zigarette anzuzünden?" fragte er, worauf der Prä felt blitzschnell eine auf dem Schreibtisch stehende filberne Raffette ergriffen hatte, deren getriebenen Deckel er öffnete. ,, Hier, Herr Doktor, bedienen Sie sich. Und auch Sie, meine Herren," rief er.

Ich denke, daß man inzwischen das Automobil bereits ftellen lassen könnte," sagte Klaus Garbislander.

,, Wollen wir denn die Fahrt sofort unternehmen?" fragte Tudolin.

,, Natürlich!" entgegnete der Schriftsteller. In weniger denn fünf Minuten wird Richard Faltin erwacht sein; wir dürfen nicht lange zögern."

Der Präfekt drückte auf den Klingeltaster, worauf ein Bo lizist das Zimmer betrat, dem Tudolin einige Borte in russi­scher Sprache zurief, worauf der Mann wieder verschwinden wollte, von Garbislander jedoch am Arm erfaßt und zurück­gehalten wurde.

,, Er tönnte Mantel und Hut des Patienten auch gleich zur Stelle schaffen..." sagte er, worauf der Mann, ehe er das 3immer verließ, noch eine zweite Weisung empfing.

"

Ich bin neugierig, wie noch nie in meinem Leben.. murmelte der Bankdirektor, der die ganze Zeit über feinen Blid von Faltin gewendet hatte, der nun, nachdem er einen fiefen Atemzug getan, die Augen aufschlug. Da er den Bant Direktor jah, tat er nichts dergleichen, und mit feiner Miene Derriet er, daß er miffe, men er vor sich habe. Er erhob sich nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen, vorerst schwankend, tortelnd wie ein Betrunkener, von seinem Stuhl, und schien hierauf angestrengt jemand oder etwas zu suchen.

Mittlerweile mar der Polizist erschienen, der Richard Fal­tins Garderobe brachte; Jordan half feinem Medium in den Mantel und drückte ihm den Hut aufs Haar. Auch die übrigen hatten sich inzwischen reisefertig gemacht.

Wie wird das Sonntagswetter?

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Am letzten Sonntag drang ein außerordentlich umfangreiches atlantisches Tiefdruckgebiet von der Nordsee   nach der südlichen Ostsee   vor, wo es sich nach Vereinigung mit einem zweiten aus lang in der Nähe der deutschen   Küste liegen blieb. Unter seinem Südeuropa hergekommenen Tief noch verstärkte und mehrere Tage Einfluß dauerte das trübe, kühle, windige Regenwetter in fast ganz Deutschland   bis nach Mitte der Woche mit nur kurzen Un­ferbrechungen fort. Besonders in Pommern   und Brandenburg  kamen ungewöhnlich starke Niederschläge vor, die sich an vielen Orten täglich wiederholten. Beispielsweise fielen von Sonntag bis Montag morgen in Greifenberg   52, in Rügenwalde   68, in Köslin  sogar 102 mm, von Montag bis Dienstag in Puttbus   auf Rügen 77, morgen in Berlin   43. in Eberswalde   und Frankfurt   a. O. 60 mm in Küstrin   70, in Landsberg   78 und von Dienstag bis Mittwoch Regen. In der Nacht zu Dienstag erhoben sich in Nordost- und Mitteldeutschland   stürmische westliche Winde, die bis gegen Abend anhielten. Erst zwischen Mittwoch und Donnerstag nach mittag klärte sich der Himmel im größten Teile des Reiches und wurde es auch wieder etwas wärmer. Am Freitag stieg das zwischen einzelnen leichten Regenschauern mehr und mehr auf Thermometer in Berlin   bis 24%, Grad Celsius. Nach Entfernung des nördlichen Tiefs ist ein Hochdruckgebiet von Frankreich   nach Süddeutschland   und Deutschösterreich gelangt, jedoch rückt be­reits ein neues Tief. vom Atlantischen Ozean   ziemlich rasch gegen Skandinavien   vor. Bei uns dürfte sich daher der Wind nach Südwesten. vorübergehend nach Süden drehen, das Wetter am Sonnabend und wohl auch am Sonn­

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Das Urteil, das in diesem Falle von einem deutschen   Feldkriegs­gericht gegen zwei Vertreter der Aristokratie gefällt wurde, muß jedem gefunden Rechtsempfinden ins Gesicht schlagen. Die hier ge­des deutschen   Volkes" in der glorreichen Zeit", die durch ihre Ver­fennzeichneten Etappenhelden gehören zu jener Sorte von Führern werfenheit mit dazu beigetragen haben, die Stimmung der in ent­behrungsreichen Kämpfen fich verblutenden Truppen und des in der Heimat schaffenden Boltes herabzudrücken, und die das deutsche   An­fehen, auf das ja gerade in diesen Kreisen so überaus hoher Wert ge­legt wurde, schändeten.

Waffenfunde auf dem Schlesischen Bahnhof  .

Der Herr im Haufe" hat nichts gewußt". Gestern wurde auf Beranlaffung des Bezirksbetriebsrats der Eisenbahndirektion Berlin  , der durch den örtlichen Beamtenrat des Polizeipräsidiums ersucht, die in den dortigen Diensträumen befind Schlesischen Bahnhofs benachrichtigt war, die Abteilung la des lichen Waffen zu beschlagnahmen. Die Feststellung der Kriminalbeamten ergab, daß im Materialienmagazin 14 Ge­wehre mit der dazugehörigen Munition im Schrant persteckt waren. Wie uns mitgeteilt wird, war gerade der Chef des Eisenbahn­tag vormittag trocken und ziemlich heiter bleiben betriebsamts, Herr Regierungsbaurat Dr. Steinbrecher, dem und die Erwärmung noch zunehmen. Nachmittags der Personenbahnhof unterftellt ist, anwesend. Dieser Herr wollte oder abends ist jedoch am Sonntag neue Trübung den beiden vom Polizeipräsidium entsandten Beamten die Be und wieder etwas Regen wahrscheinlich. fchlagnahme verbieten und erklärte ihnen, daß er nur auf zur Seite, und der Präfekt überblickte nochmals die Infassen des Wagens, die Teilnehmer an der Expedition. Der Bank­direktor und der Schriftsteller saßen in der Fahrtrichtung, wäh rend Doktor Jordan den Rückenfiz erhalten hatte.

,, Wenn es gefällig ist!" rief der Präfekt, der voraneilen wollte, dem Faltin jedoch den Weg vertrat, worüber Herr Tu­dolin einigermaßen verblüfft war.

,, Sie vergessen," klärte der Schriftsteller ihn auf, daß er den Befehl erhalten hat, uns zu führen, daß er das Bersprechen gegeben, gehorsam zu sein, und daß er infolgedessen auch von Ihnen, Herr Präfeft, in seiner Pflichterfüllung sich nicht stören lassen.will!"

19.

Faltin eröffnete den Zug, der über die Treppe hinabschritt und den Herr Tudolin im Barterre verließ, da er allenfalls noch zwei Leute zur Bedeckung mitnehmen wollte. Als Gar­bislander von der Absicht Tudolins erfuhr, bat er ihn, Zivil­agenten und keine Schuyleute heranzuziehen, da es doch galt, vorerst größeres Aufsehen zu vermeiden. Während der Prä­feft die zunächstliegende Tür geöffnet hatte und dort einge­treten war, hatten die anderen ihren Weg fortgesetzt, bis sie das vor dem Tor wartende Automobil erreicht hatten.

,, Da wir sechs Personen sind, fönnen wir unmöglich in einem Wagen untergebracht werden!" rief der Arzt. ,, Richard Faltin muß sich auf jeden Fall neben mich sehen," erklärte der Präfekt, der inzwischen die Gruppe erreicht hatte. Was fällt Ihnen ein?" unterbrach ihn Doktor Jordan. Faltins Plaz ist neben dem Chauffeur!" Nichts anderes wollte ich sagen, da ich doch selbst chauffiere."

,, Und ich benüße mit den Agenten einen zweiten Wagen," entschied Herr Ljubatschow, der die beiden stämmigen Männer, die der Präfekt zur Bedeckung der Gesellschaft ausgewählt und eingereiht hatte, in ein Gefährt einsteigen hieß, das er in zwischen herbeigewinkt hatte und in das er als letzter nach folgte, nachdem er dem Lenter eingeschärft hatte, sich dem vor anfahrenden Automobil auf den Fersen zu halten..

Der Chauffeur hatte inzwischen seinen Play verlassen und ihn dem Bräfekten abgetreten, vor dem er ehrerbietig die Mütze 30g, die Herr Tudolin ihm in der nächsten Sekunde aus der Hand nahm, um sie auf den eigenen Kopf zu sehen, worauf er auch seinen Stadtpelz gegen das Lederjakett des Chauffeurs vertauschte, der den Wagen flint anfurbelte, während Tudolin, hinter dem Volant sigend, die Handschuhe über die Finger streifte.

Inzwischen befand man sich in voller Fahrt. ,, Sehen Sie nur, wie Faltin unsern Führer dirigiert flüsterte Direktor Roos, der faffungslos erstaunt war.

,, Was wundert Sie daran?" fragte der Arzt. In Ge­danken versunken?" wendete er sich unvermittelt an den Schriftsteller, der, die schmalen Lippen aufeinandergepreßt, schweigend dasaß. Da er feine Antwort erhielt, sendete er den Blick durch das Seitenfenster auf die Straße, über die sich die ersten Schatten einer früh und vorzeitig einfallenden Dämme­rung fenften. Das Getriebe, das hier im belebten Stadtteil herrschte, war bunt und lebendig. Ameisen gleich tribbelten die Bassanten über die Steige und Straßen, und von einer hastigen, zugleich zwecklosen Geschäftigkeit schienen sie erfüllt. Allmählich wurde es stiller und die Wogen der Fußgänger ebbten ab oder schlugen doch nur seltener über die eine oder die andere Passage.

Unter den legten elektrischen Lampen, deren Helligkeit die mit billigem Borstadttand geschmückten Schaufenster in ihrem fümmerlichen Glanz erstrahlen ließ, spazierten ge­schmückte Frauen, die an den Straßeneden wartend standen und einander zuriefen. Soldaten, junge Leute gingen, die Weiber mit einem feden Lächeln musternd, vorbei; die Gefich ter im hochgeschlagenen Mantelfragen geborgen, als ob sie ge­radeaus schauten, dennoch ständig blinzelnd und die Augen verdrehend, stolperten und stelzten vielerlei Gestalten vorüber. Frauen gingen da und dort, Schrittmachern gleich, voran und verschwanden hierauf in trüb beleuchteten Hauseinfahrten. Seide raschelte, Pelzwerf glänzte, Straßentot fäumte Spizen­unterröcke; Hochgewachsene waren da, rot geschminkt, puppen­haft, mit überhängenden Haaren, die durch grellfarbige Bän der gehalten wurden, wie bei zwölfjährigen Mädchen. Aus ausgeschnittenen Lackschuhen erwuchsen dünne Beine, von Seis denstrümpfen umspannt, die Röde fielen nicht viel weiter als über das Anie, die Brüste waren an den Rörper gepreßt, mo= durch eine kindhafte, eben erst in Entwicklung begriffene Jus gendlichkeit vorgetäuscht wurde, die natürlich zu der heraus­fordernd bemalten Frake in traffem Widerspruch stand. Ein füßlicher Geruch von Parfüm und Schweiß schwamm über ( Fortsegung folgt.)

Der Motor ratterte und fnatterte, der Chauffeur sprang dem Ganzen...