beiterschaft gewährleistet, oder wir wenden unsere Gewalttat auch gegen die Regierung. Wenn die armen bedrängten Fascisten nicht einmal das Recht haben sollen, Arbeiter- kammern und Volkshäuser anzuzünden und die Arbeiter- führer niederzustechen, dann verlassen sie diese„legale Taktik", um auch die Rcgierungsgebäude in den Bereich ihrer Handgranaten und die Beamten und Richter in den ihres Messers zu ziehen. Wehe! ruft das„Giornale d'Jtalia" im Tone der Kalsandra, wenn man den Fascismus von dem Wege der Gesetzmäßigkeit abdrängen sollte: leider sagt das edle Blatt nicht, wie man dieses Kunststück fertig bringen könnte. Wenn die Rechte keine„Reaktion" will, sondern den „freien Bürgerkrieg im freien Staate", so weiß die in vielen Farben schillernde Linke überhaupt nicht, was sie will, eine Eigentümlichkeit, an der sie schon vor dem Kriege litt. Diese Linke, die offiziell die bürgerliche Demokratie vorstellt, strebt vor allem danach, sich irgend etwas wie Eigenart zu bewahren. Da sie in drei, mit den Reformisten in vier Parteien zerfällt, hat sie immer mit der Gefahr zu rechnen, von der klerikalen Volkspartei ganz in die zweite Linie gerückt zu werden. Auf alle Fälle wird diese Linke die M i n i st e r stellen müssen. Man spricht von einem neuen Ministerium Orlando . Die Namen besagen nachgerade nichts mehr, weil die Linke als solche längst kein eigenes Programm mehr hat, sondern es empfängt, je nachdem sie bei den Klerikalen, bei der Rechten oder bei den Reformisten ihr Rückgrat sucht. Die Krise findet unsere Partei uneins und un- orientiert. Der„Avant!" stellt eine ähnliche Alternative, wie sie Mussolini in der Kammer gestellt hat, mit dem Unterschied, daß Mussolini die Freiheit für eine außerhalb der Gesetze stehende Betätigung seiner Partei forderte, während der „Avanti" die Anwendung der Gesetze zum Schutz des Prole- tariats fordert. Wie Mussolini sieht auch der„Avanti" keinen andern Weg als den des bewaffneten Aufftandes. Im ganzen Piemont ist der Generalstreik zum Protest gegen die fascistische Gewalttat proklamiert worden: ebenso in Mailand . Unser Zentralorgan schreibt:„Wir fordern für uns keine Vor- zugsbehandlung. Uns gilt die Regierung, jede Regierung, als Feind. Wir fordern aber, daß sie uns außer den Mitteln der Repression, über die die Bourgeoisie im Staate gebietet, nicht über ein außer dem Gesetz stehendes Heer verfügt, dem die Gewißheit der Straflosigkeit und die Mitschuld der Regierung Mut und Frechheit verleihen." Was die kollaborationistische Gruppe innerhalb; unserer Partei betrifft, die für ein Zusammenarbeiten mit den bürgerlichen Parteien ist, so ist nicht anzunehmen, daß sie einen entscheidenden Einfluß auf die Lösung der Krise gewinnt, ob- wohl es schwerlich ohne ihre Haltung jetzt zur Krise gekom- men wäre. Den Ausschlag geben heute die Klerikalen mit ihren 110 Stimmen, wie ihn die sozialisUsche Partei geben könnte, wenn sie einig und geschlossen wäre. Die Kleri- kalen haben erklärt, weder bis zu den Sozialisten noch bis zur Rechten gehen zu wollen. Von einen: kollaborationistischen Experiment dürfte also jetzt n i ch t die Rede fein. Bürgerliche Blätter wollen wissen, daß Turati bereit sei, einem Ruf zum König(der sich während jeder Krise mit den Parteiführern beraten muß) Folge zu leisten. Man hat den Eindruck, daß dem Provisorium Facta ein neues Provisorium folgen werde. Im parlamentarischen Leben hat man eine große Vorliebe für provisorische Zustände, die den Aspiranten ein Türchen offen lassen. Gerade heute bietet aber dieser Zustand des ewigen Zuwartens eine große Gefahr, weil eine Regierring ohne Autorität ihre Exekutivorgane immer schlaffer'im Zügel hält. Man vergegenwärtige sich, wie sehr die innere Lage sich seit der vorigen Krise verschlechtert bat: die Klerikalen haben die Zeit benutzt, die geistigen Po- sitionen des Landes zu besetzen, während die Reaktion immer ausschließlicher über Polizei, Beamte und Gerichtsbar- keit gebietet. Je länger man mit proisorischen Lösungen weiter wurstelt, um so mehr wird die unvermeidliche Abrechnung mit dem Fascismus das Land vor die Alternative stellen: Militärdiktatur oder Bürgerkrieg.
vöikijchs Studenten und völkij�es Deutfth Hon Joseph Roth . Den Studenten ist es verboten, in Marburg zu„tagen". Sie „tagten" also in Wlirzburg. Sie behaupten in Mulles„Deutschem Abendblatt", daß„die Mehrzahl der Einberufer zwar das völkische Problem hochhalten"— eine akrobatische Leistung—, daß aber auch „die Andersdenkenden Sitz und Stimme haben", was allerdings leichter ist als das Hochhalten eines Problems. Es berührt die Studenten„seltsam", daß die Studentenschaften, die„vom Kul- tusminister öffentlich anerkannt sind"(auf Grund einer Verordnung des Ministers Haenisch), plötzlich nicht mehr„tagen" dürfen— und sie haben überdies„keine Deranlasiung", den Minister Haenisch„An- tisemit zu nennen". Und der Zweck des Studententages ist kein anderer,„als einen neuen Versuch zu machen, die Einigkeit wieder herzustellen". Die akrobatischen Leistungen steigern sich: denn ist es schon sehr umständlich, ein Problem hochzuhalten, so übertrifft die Fähigkeit, gleichzeitig auch die Einigkeit wiederherzustellen, alles bisher im Variete Dagewesene. Ich habe nie begriffen, wozu deutsche Studenten auch noch „tagen, da sie doch ohnehin müde sein wüßten von den vielen durchwachten Nächten. Jetzt aber wissen wir es: sie wollen die Einigkeit wiederherstellen, und sie haben eine„Mehrzahl, die das völkische Problem hochhalten". Vom Standpunkt der deutschen Grammatik ist die„Mehrzahl"(auch eine völkische) zwar' eine Ein- zahl, die also ein Problem(und wäre es noch so schwer) nicht „hoch halten", sondern hoch hält. Da ober die Kenntnis der deut- sehen Sprache gewöhnlich jenen„Andersdenkenden" eigen ist, die nur„Sitz und Stimme" haben und ferner all jenen Unterrichtsmini- stern, die die Studenten„Antisemit zu nennen keine Veranlassung haben", wollen wir diesmal die körperliche Geschicklichkeit, die sich im Hochhalten des Problems kundgibt, statt jeder sprachlichen Ge- nauigkeit gelten lassen,— vorausgesetzt, daß die Studenten von ihren Verfiichen,„die Einigkeit wiederherzustellen", schleunigst ablassen. Allein, sie werden nicht! Sie verwahren sich dagegen, daß ihnen „zerstörende Gedanken untergeschoben werden". Wie soll man da noch ein Problem hochhalten, wenn einem fortwährend ein zerstö- render Gedanke nach dem andern untergeschoben wird? Die Mehr- zahl, um im Stil des Völkischen zu bleiben,„halten" das nicht aus. Die Mehrzahl„tagen" also und maen redlichch den Versuch, die Einigkeit wiederherzustellen. Welche Einigkeit? Mit den„Anders- denkenden"? Mit der deutschen Sprache? Mit den„alten Herren"? Etwa Einigkeit zwischen dem Rektor der Berliner Uninersität und der Republik ? Zwischen den akademischen Behörden und dem wegen einer Feier für die Republik relegierten Studenten? Zwischen Düh- ringer und Mulle? Zwischen Biert'mpfl, dem Defraudanten— der alle seine Kameraden übertraf, indem«r, völkisches Problem und Kasse hochhaltend, den Rektor fast genau so empört hat, wie eine republikanische Demonstration,— und den Hohenzollern ? Einigkeit zwischen Rosner und den Antisemiten? Welche Einigkeit wollten die Studenten in Mürzburg wiederherstellen? Waren wir schleckt informiert? Gab es denn überhaupt ein« Uneinigkeit zwischen Ankermann und dem dcutschnationalen Parteibureau? Irgendeine Uneinigkeit muh da gewesen sein, denn die Studenten schreibe«: Interesse des Staatskommissars für
fluf üem Wege zur Einheit. Der Provinzialausschuß des Bezirksverbandes Brandenburg der Unabhängigen Partei befaßte sich am Sonntag mit der poetischen Lage und nahm nach ausgedehnter Diskussion folgende Resolution einstimmig an: „Der Provinzialausschutz der USP. für die Provinz Branden- bürg und die Grenzmark, bestehend aus den Vertretern der ein- zelnen Kreise, den Abgeordneten und Sekretären, billigt die von der Zentralleitung und der Reichstagsfraktion feit dem Rothenau-Mord eingeschlagene Politik. Der Prooinzialausschuh erblickt in den gemeinsam geführten Kämpfen die einzige Gewähr für den wirklichen Schutz der Repu- blik und den endgültigen Sieg über die erstarkte monarchistisch- militaristische Reaktion. Der Provinzialausschutz erkennt, daß zur Stunde«ine Ein,- gung mit der K P-D. unmöglich ist, da die KPD. unter der Direktion der Moskauer Sowjetregicrung steht und als deren Werkzeug keine den tatsächlichen deutschen Machtverhältnissen ent- sprechende proletarische Posstik machen kann. Deshalb sind die Verhandlungen der Zentralleitung unserer Partei mit der Zentrale der SPD. zwecks Schaffung einer großen, gesunden, ans dem Boden des Klassenkampfes stehenden sozialistischen Partei aufzunehmen. Vor dem Parteitag und auf diesem selbst ist dann Bericht zu geben und das zur Diskussion zu stellen, was als organi- satorifch« und programmatische Grundlage der zu verschmelzenden Parteien gelten soll." Nur auf dem Wege der zentralen Verhandlungen ist die organisatorische Vereinigung der sozialdemokratischen Parteien zu schaffen. Wir wären vielleicht längst dem Ziele näher, wenn diese Erkenntnis schon früher nicht nur bei der Sozialdemo- kratie vorhanden gewesen wäre, und wenn nicht der Glaube, die Einigung könnte über die Köpfe der Führer hinweg herbei- geführt werden, nicht allzu viele Unabhängige irregeführt hätte.
LVo bleibt wulle? Rätselhaftes Verschwinden einer Tageszeitung. Als Herr Wulle, aus der„Deutschen Zeitung" unfreiwillig ausgeschieden, sein„Deutsches Abendblatt" in die Berlin «- Zeitungs - weit einführte, kündigte er diese Neuerscheinung mit den verheißungs- vollen Worten an:„Jede Nummer ein politisches Ereignis". Das interessanteste politische Ereignis war jedoch jene Nummer des neuen ! Blattes vom Sonnabend, die nicht mehr erschien. Das„Deutsche Abendblatt" war mit einem Male verschwunden, wie vom Erdaoden weggeblasen, und bis heute fehlt von dem Verschollenen jede Spur. Man glaubte zuerst an ein polizeiliches Verbot. Ein solches war aber nicht ergangen und wäre auch nicht gerehticrnzt gewesen. Denn ähnlich wie die Kommunisten soviel damit zu tun haben, die Sozialdemokratie totzuschlagen, daß sie an den Kapitalis- mus gar nicht herankomnien, waren die„Völkischen " neuerdings so sehr mit der dcutschnationalen Parteileitung besch's- tigt, daß sie gor nicht dazu kamen, sich um republikanische Minister,! Juden und andere Aergernisse zu kümmern. Dos Gesetz zum Schuy der Republik würde aber Verbote, die nur darum erfolgen, weil die deutschnational« Parteileitung einer herben Kritik unterzogen wird, nicht rechtfertigen. In unserer Sonntagsausgab« meldeten wir auf Grund zuver- lässiger Mitteilungen, daß das Verschwinden des Wulle-Blattes auf deutschnationales Betreiben zurückzuführen fei. Wenn jetzt die„Deutsche Tageszeitung" erklärt, sie, beziehungsweise ihre Druckerei sei es nicht gewesen, die dos völkische Büffelhorn zum Schweigen gebracht hat, so sehen wir darin keinen Grund zur Aen- derung unserer Auffassung, die sich wie gesagt, aus zuverlässige Mit- teilungen stützt. Die Polizei ist es nicht gewesen, und die Druckerei der„Deutschen Tageszeitung" ist es auch nicht gewesen— wer war nun der Täter? Und wo ist dos edle Blatt geblieben? Wir bleiben bis zum Beweis des Gegenteils bei der Bbhaup- hing, daß es die deutschnationale Partei selbst mar, die sich ihr eigenes„Schutzgesetz" geschaffen hat und dieses nun unborm- herzig zur Anwendung bringt. Die deutschnationale Press« hüllt sich in Schweigen. Nur die„Kreuzzeitung " ringt sich den lapidaren
Satz ab:„Das Nichterscheinen des völkischen Blattes des Abgeard� neten Wulle hängt mit einem Verbot, nicht zusammen." Und der nächtliche„Tag" erklärt, die Druckerei habe sich „wegen fi'nanz�tller Differenzen" geweigert, die Ar- beit fortzusetzen. Merkwürdig, daß diese„finanziellen Differenzen" in dem Augenblick entstunden, als das Blatt auf die deutschnatinnale Parteileitung zu schimpfen begann. Uebrigens wollten die Völkischen es in einer anderen Druckerei„auf eigene Kosten"(auf wessen Kosten erschien es denn bisher?) weiter erscheinen lassen. Also, man darf doch noch hoffen! Rebellion im dcutschnationalen Lager. Wie die.„Kreuzzeitung " mitteilt, hat der Dertretertag des Be» zirksverbandes Osnabrück der Deuffchnationalen Partei zwei Resa- lutionen angenommen, von denen die eine dem ausgeschlossenen Abg. Henning einstimmig unbedingtes Vertrauen ausspricht, während die zweite es scharf tadelt, daß der Ausschluß ohne An» hörung der Wählerschaft erfolgt ist. Das Arbeitsrecht in Gberfchlesien. Das deutsch -polnische Abkommen über Oberschlesien sieht für seine Durchführung auf dem Gebiete des Arbeitsrechts die Ernennung eines deutschen und eines polnischen Bevollmächtig- ten für Arbeirsfragen vor. Zum deutschen Bcoollmächiigten für Arbeitsfragen hat die Rcichsregierung den früheren Regierungs» rat im Reichsarbeitsministerium, Dr. Mar Brahn, ernannt. Dr. Brahn ist Oberschlesier und aus seiner Tätigkeit im Reichsarbeits» Ministerium mit arbeilsrechtlichen Fragen vertraut. Nach dem Abkommen hat der deutsche Bevollmächtigte in allen Fällen der Verletzung von Bestimmungen des Abkommens über die den Arbeit- geber- und Arbeitnehmervereinigungen gewährleistete Bereinigung?» und Versammlungsfreiheit auf Beschwerde für Abhilfe zu sorgen. Gelingt chm dies nicht durch Verhandlungen mü dem von der polnischen Regierung ernannten polnischen Bevollmächtigten für Arbeitsfrogen in Oberschlesien , so muß er die Beschwerde dem deutschen Staatsvertreter zur Borlage an die Gemischte Kommission in Oberschlesien abgeben. Der deutsche und der polnische Bevoll- mächtigte haben gemeinsam die Befugnis, zwecks Zustandekommens gemeinsamer Tarifverträge für beide Teile des ehemaligen Ab- ftimmungsgebiets Schlichtungsstellen einzusetzen, deren Schieds- sprüch« für verbindlich zu erklären und die Allgemeinverbindlich- erklärung gemeinsamer Tarifverträge für beide Teile des ehe- maligcn Abstimmungsgebiets auszusprechen. Im übrigen ist der deutsche Bevollmächtigte Referent des deuffchen Staatsvettrcters in allen arbeitsrechtlichen Streitigkeiten vor der Gemischten Kommission und dem Schiedsgericht in Oberschlesien . Dr. Brahn wird sich um- gehend nach seinem Amtssitz BemHen(O.-S.) begeben und dort mit den Beteiligten Fühlung nehmen.
Versagung von Erwerbslosenunterstützung. Ein Erlaß des Ministers für Volkswohlfohrt besagt: In den Fällen, in denen die Erwerbslosenfürsorge eingestellt worden ist, weil sie die zulässige Dauer erreicht hat, ist die Unterstützung mit Ablauf von weiteren 2<i W o che n wieder zu gewähren. sofern die allgemeinen Voraussetzungen der Fürsorge vorliegen. Diese Bestimmung gewinnt erhöhte Bedeutung, seit oie Lage des Arbeitsmarktes gestattet hat, die zeitliche Beschränkung der Für- sorge allgemein durchzuführen. Für ihre Aiwendung ist dos Fol- gende zu beachten: Zwar verlangt die Verordnung nicht aus- drücklich, daß der Erwerbslose, der die Fürsorge wieder in An-. spruch nimmt, in der Zwischenzeit ständig georbeiter hat.' Die Fürsorgeträger werden aber, ehe sie die Unterstützung wieder gewähren, sorgsam.zu prüfen haben, ob und wie lange der Er, � werbslose in den 26 imterstützungssreien Wochen Arbeit geleistet' hat. Hai er nicht oder nur mit Unterbrechungen gearbeitet, so muß der Fürsorgeträger die Gründe feststelle i, aus denen dies geschehen ist. Ein Erwerbsloser, der. bei der Lage des Arbeits- Marktes, wie sie seit dem Herbste besteht, in dem größeren Teil der 26 Wochen nicht gearbeitet hat, wird in der Regel nicht die Arbeitsfähigkeit oder nickt die A r b e i t s w i l l ig k ei t besitzen, die gegeben sein müssen, damit die Erwerbslosensürsorge wieder für ihn eintreten kann. Ihm wird also in oller Regel die Unterstützung versagt werden müssen.
öffentliche Ordnung müssen wir annehmen, daß seinen Schritten völlig falsche Informationen durch eine Seite zugrunde liegen, di« daran interessiert ist, die Zerrissenheit andauern zu lassen." Den Schritten des Kommissars liegen also durch eine Seite Informationen zu- gründe! Wie können Sie da noch schreiten, Herr Weismann?...
Zum Kapitel der Sexualmorde, über die Hans Hyan in Nr. 336 einen interessanten Artikel gebracht hat, mochte ich— schreibt uns ein Mitarbeiter— einen Beitrag liefern in einem Falle, dcn auch der gefeierte Kriminalist Anselm von Feuerbach m seinen Sammlungen merkwürdiger Kriminalrechtsfälle verwertet hat. Im Beginn des Z9. Jahrhunderts lebte in Regendorf nah« ll'egens- bürg mit seiner Ehrfrau der Tagelöhner und Häusler Andreas Bichel, ein Mann von mittlerem Alter, blassem Aussehen, stillem, friedlichem Wesen, solide, nüchtern und hochgradig kirchlich. Man wußte, daß er erhebliche Kenntnisse besaß und bereitwillig Aus- künfte erteilte. Und doch war er nicht beliebt. Sein ganzes Wesen hatte etwas Scheues, Hinterhältiges. Auch erzählte man sich, er treibe magische Künste mit einem„Erdspiegel", mittelst dessen er Mädchen und Frauen die Zukunft wahrsagte. Tatsächlich suchte er unter solchem Vorgeben junge Weiber in sein Haus zu locken, wobei sie eine möglichst große Anzahl ihrer besten Kleidungsstück« mitbringen mußten. Wie oft ihm solches gelungen ist, wissen wir nicht. Zu Tage gekommen sind nur zwei Fälle. 1806 verschwand in seinem Hause seine Verwandte Barbara Reifinger, 1808 die Kellnerin Katharina Seidel. Als Frau Bichel Sachen der letzteren verkaufte, richtete sich der Verdacht gegen sie und ihren Mann und führte zu Bichels Verhaftung, während gegen die Frau nichts er- heblich Belastendes zu Tage trat. Im Holzschuppen des Bichel- schen Hauses wurden die arg verstümmelten Körper der beiden Mädchen vergraben gesunden und an ihnen ein« förmliche Ab- schlochtung nachgewiesen. Bichel leugnete anfangs alles, verwickelte sich aber bald in Widersprüche und wurde namentlich durch den grausigen Anblick der Leichen zum Geständnis gebracht. Wie er berichtete, liehen sich die beiden Mädchen in Erwartung wunder- barer Erscheinungen gutwillig auf einem Stuhle festschnüren und sich die Augen verbinden. Bichel versetzte ihnen darauf den töd- lichen Messerstich in den Hals und schlitzte ihnen den Leib auf, dies auch in rasender Begier, das Innere des Körpers zu schauen, auch wandelte ihn die Lust an, bei Katharina, die beim Aufschlitzen noch zu leben schien, ein Stück herauszunehmen und roh zu ver- zehren. Doch stellte er als Motiv seines Verbrechens das Ver- langen nach dcn schönen Kleidern hin. Cr wurde im Februar l30S vom Appellationsgerichte in Neuburg zum Tode durch eis Rad ver- urteilt, diese Todesart in Enthaupten oerwandelt, und so endete er unter dem Beile des Henkers. Feuerbach entwirft eine eingehende Charakteristik von ihm und stellt als Hauptzüge seines Charakters Feigheit, Tücke, Rachsucht und kleinliche Habsucht hin. Letztere hauptsächlich mußte auch ihn zum Raube der Kleider geführt haben. Wir aber möchten das Hauptmotiv entschieden in sadistischer Wollust sehen. Dazu paßt auch gerade das Verlangen nach den schonen Kleidungsstücken, worin sich wohl sicher ein hochgradiger Fetischis- mus bekundet, wie- ihn Sadisten oft an den Taq legen, und ebenso das Verwenden des Erdspiegels. Jk>m liegt offenbar der Sexual- Mystizismus zugrunde, der ebenfalls im Treiben pervers Der- anlagter oft eine Rolle spielt. M. Sch.
Tobias Pemberlein auf dem Breltl. Der rührige Direktor der Alhambra am Moritzplatz hotte seinen Gästen etwas ganz Be- sondsres angekündigt. Herr Pemberlein, dessen verkappte Phantasie uns in so unerwartete Gegenden lockt, daß wir fast an seiner Wirklichkeit zweifeln, sollte leibhaftig auftreten, und zwar auf den Brettern, auf denen sonst auf dem Kopf und mkt nackten Beinen getanzt und von Kraftmenschen geschwitzt wird. Alles war gespannt: der Direktor, das Publikum und Pemberlein selbst. Alle drei Parteien hatten es gut gemeint, ober der Mensch denkt und die Gewohnheit lenkt. Es war kein rechter Erfolg. Man soll die Perlen nicht... oder sagen wir lieber so: zu einem Eisbeinessen passen keine Austern. Wie auch Ehristion Morgenstern nicht von vornherein verstanden wurde, so braucht das Groteske an den Einfällen und am Spiel Pemberlein? sein« Zeit. Wenn wir seine Geschichten lesen, werden wir jeden Augenblick durch eine ganz unerwartete Idee, oder durch eine unerhörte Wendung von neuem überrascht. Mit innerlichem Wohlbehagen lesen wir die Stelle noch mal, und wenn wir fertig sind, lehnen wir uns zurück und kosten behaglich den Genuß aus. Auf der Bühne, noch dazu im Garten, verpuffen Feinheiten und Pointen. Das Publikum ahnte entfernt den über- wütigen Humor, und mancher lachte stillvergnügt in sich hinein, indessen siegt auch im Variete noch immer eine unmögliche Hose über die Literatur. E. D— r. Klara Meyer, das langjährige Mitglied des Berliner Schau- spielhaufes, ist im Alter von 74 Jahren gestorben. Nur die ältere Generation wird sich ihrer erinnem, denn seit Jahrzehnten hielt sie sich von der Bühne fern. Ihre Zeit waren die 70er und 80er Jahre, wo sie als erste Liebhaberin zu den sympathischsten Er- scheinungen des Hofthsoter-Ensembles gehörte. Sie war keine geniale oder irgendwie glänzende Darstellerin, ihre Kunst trug einen, man könnte sagen, gut bürgerlichcn Charakter. Sie brachte kpine künstlerischen Offenbarungen, aber in einer Zeit, wo markt- schreicrisches Virtucsentum die Szene beherrschte, hat Klara Meyer stets künstlerische Vornehmheit bewahrt, und sich trotz ihrer Beliebt- hcit niemals zu«ufdringlicher Solospielerei verleiten lassen. Ihre bekanntesten Rollen waren Gretche», bezähmte Widerspänstigc, Minna von Barnhelm, Julia, Emilia Galotti, Antigone. Seit 1871 hatte sie dem Schauspielhaus angehört, Zlnfang der 90er Jahre war sie von der Bühne zurückgetreten. Sandinsky, der Vorkämpfer und vorzüglichste Vertreter der sogen,„absoluten Malerei", ist als Lehrer an das Staatliche Bauhaus zu Weimar berufen worden. Schade, daß die preußische Kunswerwaltung diesen genialen Künstler und Theo- retiker, der vor einem halben Jahre von Moskau nach Berlin über- gesiedelt war, sich hat entführen lassen! Roch einmal„Ehnzbe". Man schreibt uns: Als alter Mit- arbeiter de-„Vorwärts" nehme ich mir die„Chuzbe", zu erklären, daß die Vorwärts-Redoktion durch ihre l.tzte Notiz in der„Chuzbe"- Frage eine— allerd'ngs begreifliche— beschämende Ungelahrthcit in hebräischen Dingen bekundet bat: dos Wort heißt nämlich richtilx „E h u tz p o h" Will man es nun in den deuischoölkischm Sprachgebrauch ausnehmen— wogegen nichts cinzuw-nden wäre— so nehme man es in feiner ursprünglichen Klangfülle, nicht aber klangt l« verstümmelt und verkrüppelt als„Chuzbe". K.