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Nr.356 39.Jahrgang Ausgabe A nr. 174

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

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und 2506-2507

Sonntag, den 30. Juli 1922

Drei völkische Briefe.

III.

Sontag an Ludendorff .

den 19. Juli 1922.

Von dem Direktor des Deutschen Abendblattes", Herrn Sontag, erhalten wir ein Schreiben, in dem er entschieden bestreitet, daß der Plan eine völkische Freiheits= partei zu gründen, von ihm ausgeht. Weiter verneint Herr Sontag, mit Ludendorff in engerem Berkehr zu stehen. Sr. Erzellenz dem Herrn General der Infanterie Ludendorff, Da wir uns ein Urteil über die Pläne und Beziehungen des Herrn Sontag nicht gestatten zu dürfen glauben, fommen wir seinem Ersuchen um Beröffentlichung des Schreibens gerne nach. Von anderer Seite gehen uns gleichfalls Anschreiben mit der Bitte um Bekanntgabe zu. Auch dem glauben wir aus Gründen der Loyalität Folge leisten zu sollen. Die Schrift stücke lauten:

I.

Contag an den Vorwärts".

Berlin , 28. Juli 1922.

Sehr verehrliche Schriftleitung! Benn auch nicht unter Berufung auf den§ 11 des Reichs- Breß­gefeges, so bitte ich Sie doch unter Appell an Ihre Loyalität, in

Ihrem Blatte von den nachstehenden Feststellungen freundlichst Kenntnis geben zu wollen:

München , Heilmannstr. 5. Hochzuverehrender General, Ew. Exzellenz

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Verlag, Haupterpedition u. Inseraten­Abteilung: Dönhoff 2506-2507

Unsere Berliner Partei.

Zum heutigen Bezirkstag.

Heute findet der Bezirtstag der Sozialdemo= tratischen Partei Groß- Berlins statt. Es gilt, den Jahresbericht entgegenzunehmen. Er hat mehr als nur örtliche Bedeutung. Berlin ist die Reichshauptstadt, in ihr werden die Organisationen der Arbeiter von jedem Impuls der vereinigen sich viele politische und wirtschaftliche Kräfte, hier Politik sofort berührt, hier spigen sich Auseinandersetzungen am ehesten auf das schärfste zu. Sie verlangen gute Schulung der Parteigenossen. Das mag nicht mißverstanden werden beehre ich mich ergebenst mitzuteilen, daß gestern abend der Vor- Der Berliner organisierte Arbeiter ist auf sein Berlinertum stand der Deutschnationalen Bolfspartei den Aus- nicht übermäßig eitel. Er ist sich klar darüber, daß es draußen schluß Hennings aus der Fraktion beschlossen hat. Gegen im Reiche auch noch Genossen gibt, die wissen, was sie wollen diese Maßnahme stimmte eine fleine Minderheit, die sich aus den und die ihr Teil leisten. Er ist sich aber dessen bewußt, daß Abgeordneten v. Graefe, Bulle, Graf Westarp und Lawerrenz zutes Gewicht bekommen durch ihre Auswirkung. Oft hier in der Reichshauptstadt alle seine Schritte vermehr­sammensetzte.

Graefe Goldebee und Wulle werden nunmehr die genug im vergangenen Jahre noch hat es der Berliner sozial­Konsequenzen dieses Beschlusses ziehen, sich mit Henning solidarisch demokratische Arbeiter am eigenen Leibe gespürt, was es heißt, im Brennpunkt aller Ereignisse, berührt von jeder, auch der erklären und ebenfalls aus der Graftion ausscheiden. fleinsten Welle politischer Erregung, im Strome stehen und fest stehen zu müssen.

Durch den unglaublich törichten Beschluß, der zweifellos von dem Wunsche eingegeben ist, bei einer Abstoßzung der Völkischen in die bürgerliche Arbeitsgemeinschaft eintreten und damit den Weg Die in Ihrer heutigen Morgenausgabe wiedergegebene Mit- 3u den Ministerfeffeln für Hergt und Genossen eröffnen zu können, teilung, daß der Plan( der Gründung einer völkischen Freiheits- wird für uns ja nun eine außerordentlich klare Sachlage gefchaffen, partei) vom Direktor des Wulle- Blattes, Herrn Sontag, ausgeht, die ich besonders auch im Hinblick auf unsere Konferen3 am der mit Ludendorff in intimem Verkehr steht", entspricht in feiner nächsten Sonnabend begrüße. Denn mußten wir den Ge­Beise den Tatsachen. Weder ist jener vermeintliche Blan, danken an eine völlische Partelgründung" zugunsten eines mehr von dem Sie und Ihr Gewährsmann übrigens eine recht irr- bundesähnlichen Gebildes solange zurückstellen, als die prononziert tümliche Vorstellung haben, von mir angeregt worden, noch habe völlischen Vertreter im Parlament fich der Neugründung verjagten, ich auf seine Verfolgung eine irgendwie maßgebende Einwirkung so haben wir nunmehr freie Bahn, statt des geplanten Freiheits- Lager zu treiben schien, drohte immer gewaltiger zu werden. genommen. Ebenso wenig ist auch General Ludendorff , wie es in Ihren Ausführungen angedeutet wird, nach meiner Kennt­nis der Dinge mit der geistigen Urheberschaft oder der weiteren Be­

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handlung jenes Gedankens in Verbindung zu bringen. Mag Seine Exzellenz immerhin gelegentlich von dieser Absicht oder von ähnlichen Plänen gehört haben, so hat er es doch jedenfalls unterlassen, nähere Stellung zu ihnen zu nehmen.

Im gleichen Zusammenhange darf ich mich dann auch gegen die

von Ihnen gewählte Bendung eines intimen Berkehrs" zwischen Sr. Exzellenz und mir verwahren, da dieser Ausdruck allzu­sehr den Unterschied verkennt, der zwischen der überragenden Größe Sr. Exzellenz und meiner eigenen Wenigkeit besteht. Darüber hin­aus hat Sie Ihr Gewährmann jedoch auch insofern falsch unter­richtet, als zwischen dem Herrn General und mir eine engere Verbindung nicht besteht. Insonderheit bin ich, im Gegen­faz zu Ihrer Annahme, nicht sein journalistischer Ver­trauensmann", wie denn für Se. Erzellenz bei der von ihm geübten politischen zurückhaltung ein Bedürfnis nach einem solchen Vertrauensmanne vermutlich überhaupt nicht vor­liegen dürfte.

Indem ich Ihnen für die Veröffentlichung dieser Zeilen im pornhinein verbindlichen Dank jage, zeichne ich mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung als

Ihr sehr ergebener

II.

Ludendorff an Sontag.

Sontag.

Heilmannstr. 5, 28. Juli( 1921?) Lieber Herr Sontag!

bundes eine Freiheits- Partei mit ausgesprochenem völfifchen und sozialen Charakter zu schaffen.

Ich hoffe demgemäß, daß wir bei dieser veränderten Sachlage am Sonnebend zu positiven Ergebnissen kommen werden, über die ich mir gestatten werde, Ew, Crzellenz sofort zu unterrichten. Sollten Ew. Exzellenz nach dieser Richtung irgendwelche Wünsche haben, so würden sie mich bis zum Sonnabend rechtzeitig erreichen.

Daß ich die neuliche Anfrage bezüglich der Dena nicht persönlich beantworten konnte, wollen Ew. Erzellenz nicht für ungut nehmen. Ich war durch die Vorbereitung unserer ersten Besprechung so in Anspruch genommen, daß ich die Erledigung an unseren Hauptschrift In aufrichtiger Verehrung und Treugesinnung verbleibe ich Ew. Exzellenz gehorsamster

leiter weitergeben mußte.

gez. Sontag.

Die Genossen draußen im Reich wissen es heute zumeist, daß es die Träger der politischen Organisation in Berlin schwerer gehabt haben, als gemeinhin angenommen wird. Es gab 3eiten in Berlin , und sie liegen gar nicht so weit zurüd, gab 3eiten in Berlin , und sie liegen gar nicht so weit zurüd, dazu, sich zur Sozialdemokratie zu bekennen. Und die Kern­da gehörte in jo manchem Betrieb persönlicher Mut truppe der politischen Organisation Groß- Berlins, fie hat es getan. Manchem schien es mitunter, als harre er nur noch auf verlorenem Posten aus, der Strom, der die Maffen in andere Wir können heute mit Stolz davon sprechen: Die Genossen hielten dennoch aus. Bir dürfen jezt aber noch ein wei­teres aussprechen: Nur wenige waren so optimistisch, zu glau­ben, daß schon jetzt der positive Erfolg, der sichtbare Beweis für die Richtigkeit ihrer Stellungnahme zu erbringen sei. Heute stehen die Berliner sozialdemokratischen Arbeiter im großen und ganzen vor dem Ende des Bruder­ampfes, der ihnen das kann offen ausgesprochen mer­den von allem, was in den leztvergangenen Jahren zu leisten war, am schwersten gefallen ist. Die werdende Eini­gung mit der USP. ist der Schlußstrich unter einer Zeit, die feiner zurückwünscht.

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Sie liegt nicht so weit hinter uns, als heute viele schon wieder denken. Der politische Tageskampf läßt wenig Zeit für Erinnerungen. In der Berliner politischen Organisation spricht man kaum mehr davon, daß vor wenigen Jahren alles zerschlagen war, daß von Grund auf aus dem kleinsten Bayerische Rechtfertigungsversuche. heraus die gesamte Parteiorganisation neu aufgebaut werden mußte. Man spricht nicht einmal mehr davon, daß die So­Aus Kreisen der bayerischen Gesandtschaft in Berlin wird einem zialdemokratie in Berlin noch während des Jahres, über das Mitarbeiter der Dena" mitgeteilt, daß die Entscheidung in heute der Sozialdemokratische Bezirksverband auf seiner Ta­der Krise zwischen Bayern und dem Reich voraussichtlich nicht so gung Bericht erstattet, die schwersten Kämpfe gegen links schnell fallen werde, wie man scheinbar in Berlin annehme. Graf und ganz links zu bestehen hatte. Wir erinnern uns kaum Lerchenfeld habe den Brief des Reichspräsidenten den Parteien noch der Märzputschheze von 1921; damals hielt die unterbreitet, und vor Mittwoch oder Donnerstag der kommenden neuaufgebaute Organisation der Sozialdemokratie einen ihrer Woche sei kaum an ein Ergebnis zu denken. Ganz ohne Zweifel schwersten Stürme aus, als sie gegen den kommunistischen hätten der Brief des Reichspräsidenten und die Zurückhaltung der Generalstreit aufstand. Es gab aber noch mehr Belastungs­Reichsregierung auf die Stimmung in Bayern einen besänftigenden proben. Eisenbahnerstreit und Gemeindear= Eindruck ausgeübt und weit besser gewirkt, als wenn 3. B. der beiterstreit, fie wurden für die Sozialdemokratie Berlins Reichstag einberufen worden wäre. Andererseits sei es aber falsch Prüfungen auf Festigkeit und Zielflarheit. In solchen Tagen General Hoffmann hat sich ein Interview mit einem So gegen irgendwelche Garantien ohne weiteres jüngsten Mitglied der Partei die Kraft gab, gegen plötzlich an­zu glauben, daß die bayerische Landesregierung auch entschied sich, ob politischer Weitblick auch dem letzten und So- au an­zialdemokraten geleistet. Er ist frankhaft ehrgeizig, steht nach geben würde. Da die Barteien noch beraten, kann über die schwellenden, scheinbar alles niederreißenden Strom zu ganz unter dem Einfluß seiner jüdischen Frau, geborene Stern, Haltung der bayerischen Staatsregierung zurzeit nur wenig gesagt schwimmen. Auch das gelang. hat bei einem Gettgelage im Januar einen Schlaganfall gehabt und werden, aber das eine ist sicher, daß auch der Brief des Reichs- Berliner Barteiorganisation von Ein- und Austritten, von Wo gehobelt wird, da fallen Spähne. So ist auch die fcheint noch mehr in die Hände von Frau Cornelie Irene präsidenten die bayerische Regierung durchaus nicht davon verschiedenen Lokalrebellionen nicht verschont geblieben. Das gekommen zu sein. Vielleicht ist er noch frant. Seine Frou hatte im überzeugt hat, daß sie im Unrecht ist. Frühjahr 1918 einen politischen Salon, in dem Erzberger Wenn der ordentliche Professor des Staatsrechts in München , Bartei. Es darf ja auch nicht vergessen werden, daß die Mil­ift aber ein Beweis nicht gegen, sondern für das Leben in der und Solf beides Reichsverderber verkehrten. Hindenburg Dr. Karl Rothenbücher, die Handlung der bayerischen Regierung als lionenstadt Berlin mit ihren bisher in heftiger Fehde lebenden perbot auf meine Bitte den Salon. Dieser Frau schreibt er nach der Reichsverfassung unzulässig ablehne, so müsse er anderer- verschiedenen Arbeiterpartein und Briefe von einer Bedeutung, daß fie aufgehoben werden! Während feits doch zugeben, daß der bayerischen Regierung die Anwendung Gruppen und Grüppchen, daß der Zustrom politisch eben erst danebenher kläffenden es verboten war, wichtige Mitteilungen zu machen. So fann man bes Artikels 48 der Reichsverfassung zustehe ,,, wenn Gefahr im erwachter breiter Schichten, ihr rascher Richtungswechsel, ihre fich nicht wundern, menn unsere Maßnahmen bekannt wurden.") Berzuge ist". Diese Gefahr bestehe aber in Bayern ! mitunter nahezu plöglich wiedereintretenve Interessenlosigkeit Bie er über mich spricht, ist nicht sehr schön, aber meinethalben In Bayern fenne man nicht die fchroffen lassen für den Aufbau der Organisation einen steinigen Weg be­erlegen sind meine Kriegserinnerungen nicht, sondern durch und gegensäge(??) wie in den großen Industriezentren und alle deutete. Dennoch ist die Berliner Sozialdemokratische durch wahr. Was hätte die Linke angefangen, wenn sie mir Fehler Gesetzesmaßnahmen, die im Sinne einer Minderung dieser Gegen- Partei- und darauf fönnen ihre Mitglieder am ehesten stolz hätte nachweisen fönnen. Auch der Untersuchungsausschuß hat dies fäge vorgenommen werden, stoßen naturgemäß in Bayern auf eine fein- heute wieder eine Organisation der breiten Ich bitte also, scharf Stellung zu nehmen. Troß seiner Kriegs- gewisse Berständnislosigkeit. Eine bayerische Regierung, die den Maffe, im besonderen der Arbeiter und kleinen Leute. verdienste wirft jetzt 5. als Echädling, der in echt jüdischer Weise würde, tönnte in Bayern niemals Bolfstümlich feit und Anweisungen Berlins in allen Fällen nach kommen paterländische Werke zerstört. Brief des Reichspräsidenten , die Berhandlungen der bayerischen Bar Ansehen erlangen. Die Zurückhaltung der Reichsregierung, der teien mit der Landesregierung und vor allem die Zeit, die über alledem vergehe, seien durchaus dazu angetan, diese Erregung etwas

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nicht gemacht.

erwähnen.

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Ich bitte, aus sich heraus zu schreiben, nicht meine Anregung zu Die Angelegenheit, von der wir neulich sprachen, geht gut Die Angelegenheit, von der wir neulich sprachen, geht gut Mit freundlichem Gruß

weiter.

Ludendorff.

*) Diese Briefe, wenn sie im Geiste des Interviewers geschrieben find, mögen eine schöne Geschichtsquelle fein. Herr H. ist flug.

abzuflauen.

Das Mitglied der Deutschen Volkspartei , Reichsminister a. D. von Raumer, hatte gestern eine lange Unterredung mit dem Berliner bayerischen Gesandten Don Preger, und man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß diese Besprechung den Charakter einer Vermittlungsaktion trug.

fationsgebietes der Partei an den Bezirksverband Branden­Im Vorjahre entfiel ein Teil des alten Berliner Organi­Martenumfah gerechnet d. h. also vollzahlende Mit­burg. Danach hatte der Bezirksverband Berlin , nach dem glieder- 41124. Beim diesjährigen Abschluß sind es 44 462. Troß der wirtschaftlich den Arbeiter schwer drücken­den Zeiten, troß aller Bekämpfungen und troß aller Erschwer­nisse: die Bartei konnte sich in Berlin halten, sie ist wieder am Anfang einer ihr sehr notwendigen Weiterausdeh­nung.

Wer ist in Berlin politisch organisiert? Die Berufs= statistik des Bezirksverbandes vom Frühjahr 1922 erfaßte