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Sellage des vorwärts
5rettag. 4. Mguft1422
wie das märkische Land entstand. Die Stadt Berlin auf Salzgrund. Wer des Siztmtags oder während der Ferien hinauswandert in[ Rät, durch Letten, Ton« und Mergel vertreten ist. die zur Kach l- di« nähere und fernere Umgebung Berlins , in dem wird auch der. Herstellung abgebaut werden.? In dieser Rötzeit begann sich da- Wunsch rege, den erdgeschichtlichen Aufbau des durchwanderten Ge- Land zu senken. Don Süden her. drang�das Meer ein, dos m einer
biets kennen zu lernen. In der Natur ist nichts unveränderlich! „Alles fließt", sagte schon ein altgricchischer Philosoph. So ist denn auch das Landschaftsbild, wie wir es schauen, ein anderes, als es vor- dem war und nachdem fein wird. Diese Veränderungen gehen in der Mark Brandenburg so überaus langsam vor sich, daß sie nur im
mäßig tiefen Bucht die Schichten des Muschelkalks absetzte. Namen hoben dies« Schichten von den Mu'>sln, die sich als Der- steinerungen im Kalk zahlreich finden. Much Haisischzähne und Saurierknochen kommen miiunter vor. Der Muschelkalk Rüde s- dorfs l>at eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung erlangt. Die eisten Kalksteine wurden um t2Z0 von den Mönchen des Feisklosters
Laus langer Zeiträume wahrgenommen werden können. Aber die Kogel bei Rüdersdorf gebrochen. Seitdem wurde der Steinbrech �..... � betrieb ständig erweitert bis zu der Ausdehnung, die er heute besitzt. Die rohen Kalksteine werden als Bausteine verwandt. In der Haupt- fache wird der Kalkstein jedoch in den Kalksandstein- und ZeMent- sabriken sowie in den Zuckerfabriken und Eisengießereien gebraucht. Aus den Kalkab'ällm wird gewaschener Schotter, Kalksteinsand und Ton gewonnen Der Schotter wird bei der Herstellung von Beton an Stell« des Kieses benutzt. Der Kalksteinsand dient infolge sein:s hohen Gehalts an kohlensaurem Kalk(8S Proz.) als Düngemittel und der Ton wird zur Ofenkachel- und Fliesenherstellung verwandt. » Auf den Muschelkalk folgte als jüngstes Glied der Trias die Keupcrzeit, in der die Mark Festland war. Hierauf kam die Jura- formation mit Meeresbedeckung. Schichten aus diesen Formationen sind in der Mark nur erbohrt worden. Am Schluffe der nun folgen- den Kreidezeit, die ebenfalls dem Mittelalter der Erdgeschichte, und zwar als jüngste Unterabteilung, angehört, überflutete das Meer wieder den märkischen Boden. Dieser Zeit entstammen di« Kreide- vorkommen, die im nördlichen Teil der Uckermark, bei Schmölln und Grimme, erschlossen wurden. Die Schuhten sind nicht sehr mtsge- dehnt, jedoch lohnt auch hier ein Abbau, viel gewaltiger« Kreide- ablagerungen weist Rügen auf, von denen Stubbenkammer und Ar- kona am bekanntesten sind.
Spuren, die wir aus früheren erdgeschichtiichen Zeiten finden, sei es durch Tiefbohrungen oder. durch Aufschlüsse in Steinbrüchen und Bergwerken, sind zahlreich igenug, um uns ein einigermaßen beut- liches Bild jener fernen lffage zu geben. Der Boden unserer engeren Heimat war zu den verschiedenen erdgeschicht.ichen Zeitabschnitten bald vom Meere überflutet, bald Festland. So sind denn auch die Ablagerungen, die den einzelnen Abschnitten entstammen, durchaus verschieden voneinander. Das älteste Gestein. Dl« Erdgeschichte oder Geologie unterscheidet von der Zeit an, da sich die erste fest« Kruste auf dem Erdball bildete, vier Hauptab- schnitte: Urzeit, Altertum, Mittelalter, und Neuzeit. Aus der Ur- zeit sind Ablagerungen in der Mark noch nicht gefunden worden. Die ältesten Gesteinsschichten, die hier anstehen, gehören dem Altertum an. Sie bezeugen uns, daß zu jener Zeit auch die Mark, wie der größte Teil Deutschlands , vom Meere bedeckt war. Der Unter- abteilung des Silur(nach dem keltischen Dolksstamm der Silurer in England benannt) gehört die aus Grauwacke bestehende kuppe des Koschenbergs bei Senflenberg nah« der Südgrenze der Mark an. Sie ist das älteste zutage tretende Gestein in der Mark. Ander« gleichaltrige Gesteine sind in der Gegend nördlich vom Koschenberg in 170 und 268 Meter Tiefe erbohrt worden. Die Kosihenberger Grauwacke wird in einem Steinbruch abgebaut und liefert besonders Schotter für Chausseen und Eisenbahnen. Gips und Steinfalz. Einer jüngeren Unterabteilung des Altertums der Erdgeschichte, dem Zechstein (von zach— zäh, also„zäher Stein"), gehört der Gips von Sperenberg südlich Zossen an. Der am Nordufer des Krummen Sees gelegene, etwa 27 Meter hohe Schloß- oder Weinberg besteht aus Gips. Er ist gebildet worden, als das Meer die Oberstäche der Mark und Norddeutfchlands bedeckt. Es stand mit dem Weltmeer in Verbindung, wurde jedoch durch ein« Landhebung von ihm ab- geschnitten und in einen Binnensee verwandelt. Bei dem zu jener Zeit hier herrschenden warmen Klima verdampfte das Wasser, und die in ihm enthaltenen Stoffe wurden ausgeschieden. So lagerten sich Steinsalz, Anhydrit(wasserfreier schwefelsaurer Kalk) und Gips (wasierhaltiger schwefelsaurer Kalk) übereinander ab. In Speren- berg sind Anhydrit und Steinsalz nur erbohrt worden. In den Iah- ren 1867 bis 1871 wurde hier vom Fiskus eme Bohrung vorgenom- men, die bis in«ine Tief« von 1272 Metern ging. Während der letzten 1183 Meter stand die.Dcchrung im reinen Steinsalz. Dieses gewaltige Steinsalzlager ist auch im Untergrunde von Berlin sowie bei hermsdors und bei Rüdersdorf erbohrt worden. Aus dem Sperenberger Bohrloch quellen große W-assermengen empor, die etwa drei Hundertteile Salz enthalten. Das Wasser wird in den Krummen See gepumpt, der dadurch so stark salzhaltig geworden ist, daß ihn alle Fische mit Ausnahme der Aale verlosten haben. Ein reger Stcinbruchbetrieb auf Gips geht auf dem Slbloß- oder Wein- berg um. Der Gips wird in die am Bahnhof Sperenberg gelegene Fabrik befördert und hier zerkleinert und gebrannt. Früher benutzte man ihn auch als Baustein, wie noch an einzelnen Häusern Speren- bergs zu sehen ist. Die Sperenberger Gipsbrüche sind über 350 Jahre alt. Der nützliche Kalkstein. Dem Mittelalter der Erdgeschichte gehören die Rüdersdorfer Ablagerung« an. Als die letzten Reste des Zechsteinmeeres verschwun- den waren, brach eine Wüstenzeit an, die Trias. Der Name bedeutet „Dreiheit", weil dieser Zeitabschnitt drei Glieder umfaßt, von denen jedoch nur di« beiden älteren bei Rüdersdorf zutage kommen. Das öltest« Glied Ist di« Duntsandsteinformation, deren obere Schicht, der
vogelsterben. Auch eine??olge d?S ungünstigen Wetter?. Das regnerische Wetter der letzten Zeit ist der Berliner Vogel- welt sehr schlecht bekommen. Ein starker Gewitterretzen stört unsere lieblichen Wald- und Feldfänger in der Regel bei ihrem Brutge- schäst nicht, selbst ein anhaltender Landregen ist hierbei in seinen Auswirkungen nur selten verderbenbringend. Wenn aber, wie das in den vergangenen Wochen wiederHoll der Fall war, der Regen ununterbrochen Tage und Nächte hindurch herabrieselt, weicht er das im Büsch oder auf freiem Felde angelegte Nest so vollständig auf, daß di« Vögel dieses verlast« müssen. Tropfen auf Tropfen rinnt an Zweigen und Gräsern nieder bis in das Nest hinein'und die arm« Tiere können Eier und Junge mit ihr« ausgebreiteten Flügeln schließlich nicht mehr schütz«. Tausende von Neste« sind deshalb in diesem Sommer verlast« ward«, die Eier lieg« ver- darben, die Jungen tot in den Nestern. Am schwerst« Hab« die im Rohr unserer Sümpfe und Flüste angebaut« Brutställm durch das Wetter gelitten. Die muntere Rohrdrossel und der kleine fleißige Rohrfänger bau« ihr kunfwolles Nest zwischen den Rohr Halmen, etwa 25 Zentimeter über dem Wasser, so daß es völlig in d« Halmen hängt, an d«en es so be- festigt ist, als ob es.angenäht" wäre. Der Reg« ssckert nun aber an den Halmen bis zu der Nahtstelle hinab, wird durch diese am weiteren Abwärtsgleiten verhindert und dringt in das Nest ein, auch wmn es von oben durch die Flügel des brütenden Weibchens be» deckt wird. Die Vernichtung der Brut ist die unabwendbare Folge. Doch auch nicht im Frei« brütend« Vögel haben durch das naß- kalte Wetter erheblich gelitten, weil es ihnen selbst oder ihrer Brut an der nötigen Nahrung fehlte. Zu dies« zählt vornehmlich unsere allbekannte Turmschwalbe, die ihre Nahrung nur in höher« Luft- region« sucht. Sie nistet in Berlin meistens w Lücken unter den Däche« oder über d« Dachrinnen zwischen den Häusern. Der Dauerregen hiett die Insekt« aus den Lüften fe« und die nütz- lichm Vögel mußt« ihre Jungen in den Neste« vielfach vorhungern lassen.
§olgen öer Geldentwertung. Ein Sparprogramm des Berliner Magistrats. Das rapide Sinken des Markwertes trifft die Stadt Berlin in ihrer augenblicklich ohnedies sehr schwierig« Finanzlage besonders hart. Der Berliner Magistrat hat sich daher zu folgenden Beschlüssen genötigt gesehen: Die katastrophal« Geldcntwerluna der letzt« Wochen zwingt zur größten Sparsamkeit und Rückstellung aller nicht unbedingt erforderlichen Arbeiten. Zur Prüfung der dazu geeignet« Maßnahm« wird ein RIagistratsansschuß von sieb« Mitgliedern eingesetzt, welcher Sachkundige für die verschiedenen Gebiete zuzieh« soll. Der Ausschuß soll nam«tlich prüf«: 1. Welche einmaligen Ausgol!«, Reuanlagm und Baut« des Haushalls ISZZ abgebrochm und zurückgestellt werd«. 2. Erhebliche Ersparnisse an Heizungskost« durch Kohlcnfen« in den Doch« der strengsten Winterkäite. Z. Ersparnisse im Schulwes« durch Iusamm«Iegung der gering besuchten Obcrklasim. 4. Ersparnisse im krank«hauswes« durch Einführung der getrennt« Diensszeit oder Einstellung einzelner Krank«anstalten. S. Die Einstellung von Beihilfen an Bereine, die auch mit der noch möglichen städtischen Unterstützung ihre Ausgab« nicht mehr erfüll« könn«.— Der Ausschuß soll dem Magistrat baldmöglichst berichten. Der Ausschuß wird«ine sehr schwierig« Aufgab« zu bewältigen haben. Man wird sich besonders hütm müssen, bei den beabsichtig- ten Erlpa«ifl« im Schul- und Krankenhauswefen zu weit zu geh«. Auch in der Frage der Abbrechung von Bauten wird man die sehr schwerwiegend« Folgen erörtern müssen, die sich, um nur eins her- auszuhebm, z.B. bei der in der Bollendung begriffenen Nord-Sü''- bahn, technisch und finanziell notw«dig ergeben müssen.
Morötateu bei Potsdam . In Deetz an der Havel bei Potsdam wurde die Frciii eines Viehändleri Brandt unter Haferstroh versteckt mit ein« geschlagenem Schädel aufgefunden. Der Tat dringend ver- dächtig ist der bei dem Viebhändler beschäftigte Knecht, der noch Hamburg abgereist ist.— In der Potsdamer Gegend wurde der Oberforstmeister Kowalski von einem Wilderer durch Dum« Dum-Geschosse niedergestreckt. Der Täter wurde von dem am Boden liegenden Kowalski, dem beide Unterschenkel zerschmettert waren, kampfunfähig gemacht und kurze Zeit darauf verhastet._ örotsupxe mit Rattengift. Die geheimnisvolle Fremde. Unter der Anklage des versuchten Morde» hatte sich gestern die ISjährlge Hausangestellte Klara L. vor der Ferienstraf- lammet des Landgericht« Hl zu verantworten. Die Angeklagte war bei einem Apotheker Otto B. in einem märkischen Städtchen als Hausangestellte in Stellung. Als sie eine« Tages für die Familie Brotsuppe kochte, fiel der Frau B. der eigentümliche Geruch der Suppe auf. ES stellte sich heraus, daß der Suppe 24 Gramm eines scharf wirkenden Rattengiftes beigemengt war«. Da nur die Angeklagte als Täterin in Frage kommen konnte» sagte man ihr Mordversuch auf den Kopf zu. Das junge Mädchen gestand weinen?: Eines TageS sei auf der Straße eine schwor,- gekleidete, tiefverschleierte Danie an sie herangetreten und habe ibr gesagt, fie wolle an der Familie B. furchtbare Rache üben. Di« Unbekannte gewann ein« unheimlichen Einfluß auf sie und unter diesem Einfluß habe sie sich zu der Tat verleiten lassen. Diese Aussage wiederholte das 14jährige Mädchen auch in der gestrig« Verhandlung, wobei eS einen sehr absonderlichen Eindruck machte, so daß Rechtsanwalt Dr. Grünwald als Verteidiger der Angeklagt« Bedenken gegen die geistige ZurechnungS- f ä h i g k e i t erhob mit dem Hinweise, daß e» völlig rätselhaft sei. wie eine Vierzehnjährige zu einer so ungeheuerlichen Tat kommen könne. DaS Gericht beschloß, die Angeklagte erst durch den Sanitäts- rat Dr. Li p p m a n n auf ihr« Geisteszustand beobachten zu lassen und vertagte dementsprechend die Verhandlung.
Der Sprung in die Welt.
Ein Jungarbeiterronuin von Artur Zickler . Gegen zehn Uhr brachen die beiden Freunde auf und gingen zum Zeitungshause, wo sie bei der Expedition der um Mitternacht gedruckten Sonntagsausgabe des General- anzeigers als�Helfer tätig waren. Diese Arbeit machte ihnen den meisten Spaß. Der Betrieb begann manchmal erst später, als er angesetzt war, dann veranstalteten die Zeitungsfahrcr Radrennen um den Häuserblock, bis die Lampen im Rotations- maschinensaal in voller Helle aufflammten und die letzten Blei- stocke in die Druckriesen gehoben wurden. Die Maschinen- meister drückten die Schalthebel hoch, die Motore begannen zu singen und bald verstand man im Gebrüll der Kolosse sein eigenes Wort nicht mehr. Die Zeitungsstöße häuften sich und die Jungen schleppten die Ballen zum Aufzug. Im Morgen- grauen tappten die Freunde hundsmüde ihren Betten zu. Am Bahndamm wehte das junge Grün des Frühlings. In den Siedlergärten wimpelten bunte Fähnchen. Hans und Rudi hockten auf einem Zaun, und Hans las aus dem Carnegie vor, einem Buche, das beide heftiger interessierte als der Große Katechismus des Pfarrers Schneider. Andrew Carnegie , der es, ein Ausläufer wie sie, zum amerikanischen Stahlkönig ge- bracht hatte, wurde chr leuchtendes Borbild, die Verkörperung ihrer Hoffnungen und Sehnsüchte, und sie zweiselten nicht daran, daß ihre Lebensfrische und ihr Wagemut ausreichen würden, das gleiche Ziel zu. erreichen. „Wir müssen Kaufleute werden, Rudi, und feste lernen. Cs wird ein paar Jahre dauern, aber wir klimmen doch nach oben. Wenn wir ausgelernt haben, gehen wir in fremde Län- der. Wir packen alles an, wie es komint, und schmeißen es. Wir müssen nur immer Energie haben, dann kann nichts schief gehen. Wenn wir dann unsere eigenen Fabriken haben, fahren wir nach Hause und holen die Alten. Wir sagen zu ihnen: „Es ist alles nllrixht" und schleppen sie mit, natürlich im Auto. Und alle von der Bande, die zi: uns gehalten haben. kriegen Posten in unseren Werken: sie müssen dort natürlich richtig arbeiten, aber wir werden sie sehr anständig bezahlen. Wenn wir auf der Höhe sind, werden wir auch heiraten, aber nur reiche Mädchen, und wenn sie hübsch sind. Unsere Eltern bekommen ein Haus auf dem Lande, und Sonntags fahren wir mit unseren Frauen und Kindern zu ihnen hinaus. Sie WOcda» dann sogen- ,Jhr seid große Lausejungen gewesen
und wir hätten nicht gedacht, daß ihr euch so herausmacht— jetzt aber sind wir stolz auf euch!" Was denkst du darüber?" Rudi blinzelte.„Natürlich— aber es wird schwer halten. Du weißt doch, daß die Göbels in die Kolonien gegangen sind. Der lange Max Göbel, den du auch noch gekannt hast, wollte dort eine Farm gründen. Er hat seine Mutter, die ihre Krä- merei vertaust hat, und seine Schwester mitgenommen. Nach einem Jahre ist er am Fieber gestorben, und die beiden sind bettelarm wiedergekommen. Ich habe die alte Göbel vor acht Tagen getroffen und sie meinte, man sollte im Lande bleiben und sich redlich nähren. Wenn sie den erwische, der ihrem Max die Fliege in den Kopf gesetzt habe, spucke sie ihm ins Gesicht. Das braucht uns nicht zu hindern, reich zu werden, doch ich denke, man muß sich alles reiflich überlegen. Wir brauchen jedenfalls nicht in der heißen Zone anzufangen, an die man sich so schwer gewöhnt." „Darüber wollen wir uns jetzt den Kopf nicht zerbrechen," sagte Hans,„die Hauptsache ist, die Alten herumzukriegen, daß sie uns Kaufleute werden lassen. Mein Bater ist kein großer Freund davon. Was sagen deine Eltern dazu?" „Mein Vater kümmert sich nicht viel darum, meine Mutter sähe es ganz gerne, wenn ich etwas Besseres werde und nicht immer nach Mist stinke, wie mein Bater, der es beim Dünger- cxport nur aushält, weil er vom Lande ist." Die Turnhalle der Gemeindeschule war festlich geschmückt. Durch die hochliegenden Fenster siel das Frühlingslicht in goldenen Garben. Ein Harmonium präludierte, der Gesang des Mädchenchores suchte jubelyden Ausweg ins Freie. Mutter Onfreder faß weinend unter den sonntäglich gekleideten An- gehörigen der Konfirmanden, die den Hintergrund der Halle füllten. Sie weinte immer bei feierlichen Anlässen. Im Vorder- grund saß die Jugend, deren Eintritt in den„Ernst des Lebens" heute verkündet wurde, steif und befangen, in neuen, ungewohnten Kleidern. Der Direktor der Schule hielt eine Ansprache: er war ein dicker, wenig beliebter Mann, und die väterliche Güte, die er in seine Stimme zu legen versuchte, klang erzwungen, aber das merkten die wenigsten. Gesang beendete die Feier, die Lehrer stellten sich an den Ausgang und gaben jedem ihrer bisherigen Schüler zum Ab- schied die Hand. Druaßen schössen Schwalben über den Schulhof. Mutter Onfreder wischte sich die letzten Tränen vom Ge- ficht und küßte Hans, dam: ging sie schwer und eifrig neben ihm her.„Vergiß das nicht, 5)ans, was der Direktor euch zum Abschied gesagt hat, werde ein braver Mensch. Deine Jugend
ist nicht besonders schön gewesen und deine Eltern sind arme Leute, aber Schlechtes hast du nicht bei uns gesehen. Du bist gesund und gescheit und die Jungensjahre sind jetzt für dich vorbei. Unser Leben ist schwer, und wir haben noch deine jüngeren Geschwister, denen du nun ein Beispiel sein mußt." Jetzt blieb sie stehen, weil sie schon wieder weinen mußte. Da sah Hans seinen Bater über die Straßenbreite herüber- kommen, der hagere Mann zeigte sein hellstes Gesicht.„Na— hat es der Herr Sohn geschafft! Jetzt wollen wir in eine -Kaffeestube gehen und Kuchen essen." Der Ausschank des Volksvereins war fast leer. Onfreders Bater wählte einen Tisch am Fenster und holte drei Töpfe Kaffee und einen Teller in Streifen geschnittenen Kuchen beran. Die Mutter aß am wenigsten, sie war noch blaß und bewegt. Der Vater erzählte ein heiteres Erlebnis aus der Werk- statt, kaute vergnügt und strich sich dpn kleinen, blonden Schnurrbart.„Jetzt müssen wir uns auch darum kümmern, was aus Hans werden soll," sagte die Mutter,„damit er nicht ins Bummeln kommt. Er will Kaufmann werden." Der Vater wurde ernst, sogar ein wenig ärgerlich.„Ich kann die Stehkragenproletarier nicht leiden, das sind alles dünkelhafte Hungerleider. Sie werden schlechtr bezahlt als die Handarbeiter, und es kann mir einer sagen, was er will, ein Handwerk bleibt ein Handwerk." Hans wollte ihm in die Rede fahren, aber er fuhr fort„Ich weiß, was du sagen willst. du hast albern« Bücher im Kopfe, und was ich aus Erfahrung beurteilen kann, zählt bei dir nichts. Ick) weiß auch, daß du deinen Willen durchsetzen wirst, aber wenn der Zeitpunkt ge- kommen sein wird, wo du die Nase voll hast, werden mit weiter darüber reden. Dazu ist ein Vater schließlich da, daß er die Flausen seiner Kinder noch ein Weilchen auswetzt: ich will dir den Spaß nicht von vornherein verderben, weil es der meine nicht ist. Deine Mutter hast du ja auf deiner Seite, der kann der Herr Sohn nicht fein genug sein— daß aus dem Acker kein Weizen blüht, ist euch nicht einzureden. Was heißt denn Kaufmann? Ein Kaufmann wirst du nie, weil dazu Geld gehört, das wir nicht haben, und für einen Tintenkuli würde ich«ich an seiner Stelle bedanken. Ich sehe es doch an �>en Schreibern bei uns in der Bude, fie tragen Gummiwäschs, aber in der zweiten Hälfte des Monats knallen sie sich saure Gurken aufs trockene Brot. Wenn ein Kaufmann stellungslos wird, kann er sich aufhängen: denn das Arbeiten hat er in- zwischen verlernt und von sauberen Fingernägeln kann man nicht leben." tFortsetzung folgt.)