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Die Wirtschaftskatastrophe, die wir in diesen Tagen erleben, wirkt stch fast unmittelbar auf die finanzielle Lage der Stadt Berlin aus. Die notwendige Erhöhung aller Löhne und GeHölter und die Beschaffung von Rohmaterial für die werbenden und sozialen Betriebe der Stadt zu den sprunghaft emporschnellen- den Preisen verlangen Barmittel, die auch eine weitblickende Verwaltung in diesem Umfange nicht bei der Aufstellung ihres chaus- haltplanes vorhersehen konnte. Soll die Verwaltung nicht einfach stillgelegt werden, sollen nicht Tausende von Arbeitern ihr Brot verlieren, sollen nicht alle Stätten sozialer Hilfe in dieser Stunde größter sozialer Rot ihre Pforten schließen, so müssen schleu- nigst, lieber heute als morgen, bare Gelder in der Höhe von vielen Millionen flüssig gemacht werden. Bgitationsphrasen. Kein Mensch von einigem Verantwortungsgefühl wird sich auf den Standpunkt stellen wollen, den gestern der Wortführer der Wirtschaftspartei im ständigen Haushaltsausschuß vertrat: Wir lehnen alles ab, Lohnerhöhungen, Tariferhöhungen, Steuern: der Stadt ist doch nicht mehr zu helfen, also soll der Bürger der Stadt wenigstens nicht zugrunde gehen. Denn diese A g i t a t> o n s. phrafe kann sich natürlich nur eine Partei leisten, in deren Hand glücklicherweise nicht das Schicksal dieser Stadt liegt. Sonst würde auch der Blödeste sehr bald einsehen, daß mit der Stadt auch ihre Bürger zugrunde gehen. Man kann ebenso wenig mit den Vertretern der k o m m u n i st i- s ch e n Partei die erhöhten Ausgaben bewilligen und die erhöhten Einnahmen ablehnen. Denn selbst ein kommu- nistischer Stadtverordneter würde in einige Verlegenheit geraten, wenn man ihm zumuten würde, die solchergestalt beschlosienen Löhne nicht nur zu bewilligen, sondern auszuzahlen. Und die städtische Arbeiterschaft würde ihn zum Teufel jagen, wenn er den ihu zustehenden Lohn statt in Hundertmarkscheinen- in Wechseln auf die Zukunft auszahlen wollte. Es ist also die Frage, ob die Städte und ob insbesondere Verlin sich in der jetzigen kritischen Situation überhaupt noch selb st zu Helsen vermag. Der Gedanke liegt nahe, die Hilfe in der Not bei dem großen Bruder Reich zu suchen. Und in der Tat steht ja der deutsche Städtetag seit langem in Verhandlungen mit dem Reich« über die Wege, die zu einer Milderung der Finanznot der Kommunen führen könnten. Der Hauptausschuß des Deutschen Städtetages hat sogar dem Reichsfinanzminister schon die Pistole auf die Brust gesetzt und erklärt, vom 1. Oktober ab ein« Reihe von Reichs- und Landes- gesetzen nicht mehr ausführen zu können, wenn den Städten vom Reiche keine Darmittel zur Verfügung gestellt würden. Die Verhandlungen sind augenblicklich soweit gediehen, daß das Reich in drei Punkten wesentliche Zugeständnisse an die Kom- munen gemacht hat. Das Reich und die Gemeinden. Einmal sollen die Vorschüsse, die das Reich bisher schon für die Erhöhung der Personalaufwendungen der Kommunen zahlte, von den Beamten auch auf die Arbeiter in nichtwerbenden Betrieben ausgedehnt werden. Sodann will das Reick einen Teil des Einkommensteuersolls von 1K20 den Gemeinden schleunigst al» Barvorschuß zur Verfügung stellen, und endlich soll durch eine Erhöhung der Reichsumsatz st euer oder durch einen kommu- nalen Zuschlag zu dieser Reichssteuer(etwa M bis 1 Proz.) eine neue Einnahmequelle für die Städte geschaffen und gleichzeitig der Anteil der Länder und Gemeinden an der Reichseinkommen- st e» e r von Proz. auf 75 Proz. erhöht werden. All das sind sicherlich wertvolle Hilfsmittel, die zu einer allmäh- lichen Gefundung der Fiananzverhältnifse der Städte beitragen werden, aber sie haben den einen Nachteil, daß sie in ihrem wesent- lichsten Teile der augenblicklichen katastrophalen Lage nicht gerecht werden. Wenn einem dasWasseramHalse steht, fragt man nicht, wie man später einmal schwimmen lernen kann, sondern fucht zunächst einmal herauszukommen. Und so ist auck für die Städte die Frage der künftigen Balanzierung ihrer Haushaltspläne fürs erste zurückgetreten hinter der Gegenwartsaufgabe, für die gewaltigen Ausschüttungen von entwerteten Papiermarks für Löhne und Materialkäufe die notwendigen Barmittel flüssig zu machen. Es dürfte nicht allgemein bekannt sein, daß einzelne Städte die Juli-Erhöhung des Gehalts ihrer Beamten schon nickt mehr auszahlen konnten, weil ihnen tinfach das Bargeld dafür
fehlte, und daß diese Beamten erst jetzt nach der inzwischen einge- tretenen Entwertung in den Genuß ihrer damals fälligen Bezüge treten. Andere Gemeinden haben sich die in den letzten Monaten erforderlichen Gelder aus privater Hand zu beschaffen versucht und hierfür 8, ja 10 und noch mehr Prozent Zinsen in den Kauf nehmen müssen. Berlin , dem das Reich noch immer die Anteile an der Reichseinkommenstcuer aus früheren Jahren schuldet, hat be- kanntlich nicht einmal die. Steuerbeträge für das Reich in voller Höhe abführen können, wenn es sich nicht von allen Barmitteln entblößen wollte. Selbhilfe der Staöt. Bei dieser ernsten Sachlage muß e i n Grundsatz unter allen Umständen aufrecht erhalten werden: die Werke und Be- triebt der Stadt müssen ihren Bedarf aus sich selb st decken und müssen darüber hinaus den bisherigen prozentualen Anteil an den Kosten der Gesamtverwaltung weiterhin aufbringen. Die städtischen Werke und ihre Produkte können sich nicht aus dem— ganz gewiß verhängnisvollen— Kreislauf der Wirtschaft loslösen, ohne selbst zu erliegen und die Stadt in ihren Bankrott mit hineinzureißen. Es klingt gerade jetzt, wo die Teuerungswelle über dem Heer der Arbeiter und Festbesoldeten zusammenschlägt und ihnen den Atem zu rauben droht, außerordentlich volksfreundlich, wenn man gegen Tarif- und Gebührenerhöhungen wettert, deren größte Last ja die Arbeiterschaft tragen muß. Aber gerade darum muh es die ein- sichtige Arbeiterschaft lauter als je diesen Demagogen und Nichts- als-Agitatoren ins Gesicht schreien: Die Stadt muß leben, damit wir leben können! Pas Schicksal des arbeitenden Volkes ist auf Gedeih und Verderb mit dem Schicksal der Stadt und ihrer Werke und Betriebe verbunden. Die Tariferhöhungen für Gas, Wasier, Elektrizität, Straßen- bahn, die Gebührcnerhöhungen in sozialen Betrieben, die sich auto- matisch aus der fortschreitenden Geldentwertung ergeben, müssen cbenfo bewilligt werden, wie die Erhöhung der Löhne und Gehälter und ihre sofortige Auszahlung, die doch auch nur auf dieser selben Geldentwertung beruhen. Wer auch nur eine leise Ahnung von den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen der Gegen- wart hat, der muß einsehen, daß das eine ebenso sehr im I n t e r- esse der Arbeiterschaft liegt wie das andere. Wer es aber nickt begreifen sollte, der möge sich einmal vergegenwärtigen, was geschehen würde, wenn die Stadt Berlin zunächst mangels der erforderlichen Darmittel die Arbeiten der Nordsüdbahn und des West- Hafens zum Erliegen brächte— die Gefährde st ehtbereits—, sodann die städtischen Werke aus demselben Grunde an das P r i- vatkapital veräußern müßte und endlich eines Tages die Löhne und Gehälter der städtischen Arbeitnehmerschoft nicht mehr auszahlen könnte. Dahin würde uns unweigerlich und rettungs- los einePolitikderEinnahmever Weigerung, wie sie die Kommunisten auch jetzt wieder scheinen durchführen zu wollen, in ganz kurzer Zeit bringen. Wer mit uns der Ueberzeugung ist, daß eine solche Politik arbeiter feindlich und arbeiter verderbend wäre, der wird es auch einsehen, aus welchen Gründen die beiden sozialdemokratischen Fraktionen bereit sind, die Tarife der städtischen Werke ebenso wie die Löhne der städtischen Arbeiterschaft der wachsenden Geldent- wertung anzugleichen. Richard Lohmann.
Die fiäötifthen Lohn- und Tariferhöhungen. Im großen Stadtvcrordnetensitzungssaal trat gestern(Freitag) vormittag der ständige 5)oushaltsausschub der Berliner Stadtver- ordnetenversammlung zusammen, um gemäß der ihm erteilten Vollmacht zu den Lohnerhöhungen für die städtischen Arbeiter und Nichtständigangestellten Stellung zu nehmen und über die erforder- lichen Deckungsmittel zu beschließen. Stadtrat Koblenzer er- stattete Bericht über die von uns bereits mitgeteilten Lohnerhöhungen für die Monate Juli und August, die für diese beiden Monate eine Mehrbelastung von 100 Millionen Mark bedeuten. Di« Notwendigkeit dieser Lohnerhöhungen wurde ollgemein an- erkannt. Der Vertreter der �Wirtschaftspartei erklärte jedoch, daß er auch die Lohnzülagen für gerechtfertigt ansehe, er könnte ihnen aber nicht zustimmen, da diese Erhöhung nur.auf
Kosten des erwerbstätätigen Bürgertums� gezahlt werden könne: dieses Bürgertum sei aber heute völlig erschöpft. Der Strompreis soll von der Septemberberech- n u n g ab für Licht von 13 aus 1 6 M., für Kraft von g auf 1 2 M. erhöht werden. Für die Gaswerte wird, wie bekannt, der Preis von dem Gaswerksausfchuß auf Grund der Kohlenklausel erhöht. Der Haushaltsausschuß stimmte mit großer Mehrheit bei Stimmenthaltung der Deutschnationalen der Erhöhung des Elek- trizitätstarifs zu, der vom 15. September ab gilt. Bezüglich der Straßenbahn teilte Baurat N i tz s ch« vom Verkehrsamt mit, daß die Verwaltung schon bei der letzten Erhöhung auf 5 M. einen Fehlbetrag von 247 Millionen Mark bis zum 31. März d. I. errechnet habe. Dieser ermäßige sich durch«ine ge- ringere Verkehrsabwanderung um 182 Millionen: im übigen seien aber vom 1. September ab für Löhne. Gehälter, Material- und Strompreissteigerung usw. SOO Millionen Mark mehr erfordelich. Der Einzelfahrpreis müsse von 5 auf S M. erhöht werden; dann verbliebe immer noch ein Defizit von 108 Millionen. Di« Verwaltung schlug ferner folgende Erhöhungen vor: Einzel- fahrscheine aus den ehemaligen Vorortbahnen von 4 aus 5 M., für Sinder und Lehrlinge von 3 auf 4 M.. Umsteigefahrscheine auf den Stammbahnen und mit der Hochbahn von 8 auf 14 M., im Binnenverkehr der Stammbahncn von 4 auf S M.: Monatskarten der Stammbahnen: eine Linie 500 M., zwei Linien KS0 M.. drei Linien 840 M., alle Linien 1320 M.: Monatskarten der Vorort» bahnen: eine Linie 300 M., alle Linien 880 M., Schülerkarten 150 M. Im weiteren Verlauf der Verhandlung machte Oberbürger- meifter B ö ß vertraulich« Mitteilungen über den Ernst der städtischen Finanzlage. Unter dem Eindruck dieser Mit- teilungcn vertagte der ijaushaltsmisschuh die weiter« Aussprach« über den Straßenbahntarif aus heute vormittag 9 Uhr, nachdem vorher auch wiederum die Frage des Staffeltarifs berührt worden war. Hierzu hatte der Magiftratsvertreter eine im allge- meinen ablehnende Erklärung abgegeben, da die Durch- fchnittseinnahme sich nur ganz unwesentlich über der untersten Stufe bewege. Verpflegungssätze in den Krankenhäuser». Der Magistrat Hot beschlossen, die Kur- und Verpflegungskosten. sätze in den städtischen Krankenhäusern zu erhöhen, und zwar für einheimisch« Erwachlene in der 3. Klasse von 75 M. auf 120 M., in der 2. Klasse von 150 auf 240 M., in der 1. Klass- von 2S0 auf 600 M.; für einheimisch« Kinder in der 3. Klaffe von 18 auf 30 Mk., für einheimische Kinder mit akuten Infektionskrankheiten und mit Tuberkulose in der 3. Klasse von 12 auf 20 M., in der 1. und 2. Klosie zwei Drittel der Sätze für Er- wachsen«. Auswärtige zahlen in allen Klaflsn die d o p p e l- ten Sätze. Ausländerfätze werden besonders fest- gesetzt. Nichtversicherte selbstzahlcnde einheimische Kranke mit eigenem Einkommen und deren Angehörige ohne eigenes Ein- kommen zahlen in der 3. Klosi« die Hälfte der Verpflegungssätze für Erwachsen«, wenn das Einkommen 75 000 M. nicht übersteigt. Für Entbindungen Einheimischer in den städtischen Kranken- Häusern ist«in« Gebühr von 150 M. neben dem Kurkostensatz zu entrichten: Auswärtige zahlen 300 M. neben dem Verpflegungssatz. Für gesunde Reu geborene in den ersten acht Tagen wer- den 10 M. pro Tag erhoben: für kranke Säuglinge der für Kinder bestimmte Verpflegungssatz. Di« Deputation für das Gesundheit-- wesen wird ermächtigt, in Uebereinstimmung mit dem Kämmerer die Kur. und Verpflegungskostensätze nach der jeweiligen Reichs- Indexziffer automatisch zu erhöhen. Diese Sätze treten sofort in Kraft. Die Sätze für Irrenanstaltspflege(ebenso bei Hospitälern und Heimstätten) und die beim Rettungswesen erhobenen Sätze werden entsprechend erhöht. Er wollte fich noch einmal satt essen. Der 18jährig« Landarbeiter Hans S ch a f h a u s c n auS Biesenthal machte gestern abend in einem Lokal in der Münzstraße eine Zeche von 207 M. AIS er bezahlen sollte, ging er auf den Abort und versuchte, sich mit seinen Hosenträgern zu erhängen. Er wurde noch rechtzeitig abgeschnitten und nach der Rettung?- stelle 2 gebrockt. Nachdem er fich erholt hatte, übergab man ihn, da er weder Barmittel noch eine Wohnrmg halte, dem Polizei- Präsidium.
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Der Sprung in die Welk.
Ein Zungarbeiterroman von Artur Zickler. Irgendwo übte ein Chor, Stimmen wanderten und tanzten durch die Kreuzgänge, schwangen sich hinauf ins Gewölbe und kehrten zum Ohr zurück. In den Beichtstühlen knieten Gläubige und flüsterten leise durch die Gitter, hinter denen die Beichtväter lehnten, horchten und nickten. Sinnend blickten die gemalten Kirchenväter aus ihren Ornaten. Hinter dem Altargitter blitzten Gold und Silber, feiner Modergeruch mischte sich mit dem süßlichen Duft des Weihrauchs, der durch das einfallende Licht seine Schwaden zog. Der Fremde wußte viel zu erzählen, er tat es nicht lehrend, durchsetzte vielmehr die alten Legenden und Berichte mit dem Humor einer Skepsis, die Hans von dem Verdachte abbrachte, die neue und bislang angenehme Bekanntschaft könne mit einem Bekehrungsver- suche enden. Sie traten wieder in das weiße Licht des Tages hinaus, der Fremde ging mit ihnen in ein Lokal zum Kaffee- trinken. Während er bisher die ganze Unterhaltung fast ganz allein bestritten hatte, ließ er sich setzt von der Freunde Fahrten. Meinungen und Erlebnisse berichten und gab ihnen dann eine Reihe Ratschläge für die weitere Reise. Dann mahnte er zu neürm Aufbruch und führte sie in die Kapelle der ollen Je- suitenschule, von da in andere Kirchen und Kapellen, die Stunden vergingen im Fluge. Gegen Abend füllten sich überall die Gotteshäuser, Weihrauch und der eintönige Gesang der Messen schlugen auf die Straßen heraus, die von der unter- gehenden Sonne mit Gold überschüttet wurden. Wieder lud sie der fremde Mann, dessen Namen sie nicht einmal kannten, zum Esten ein. diesmal in eine Bierstube, wo es lustig berqing und auf eine gute Kü-ste geHallen wurde. Nach dem Esten fragte der Fremde:„Wollen wir nocb einen S�avven Wein trinken?" unb ließ dr-i Römer funkelnden Rdeinweines bringen. Der Wein ließ sich nach dem guten Esten präcktiq an; den anderen Gästen war anscheinend nicht weniger wohl zumut, an allen Tischen wurde geprostet und gesungen— eine fröhlich« Stadt! In der kühleren Lust der Straße erst merkte Hans, daß nicht nur bei Rudi, sondern auch bei ihm das Gleichgewicht etwas unsicher geworden war, der Gastgeber meinte:„Na, ihr Welteroberer, ich glaube, der Wein ist stärker als ihr!"—
worauf sich die beiden zusammenrissen, um klaren Kurs zu segeln. Sie waren an einem Schaufenster stehen geblieben, als Hans von einem jungen Arbeiter am Aermel gezupft wurde, der ihn bat, ein paar Schritte beiseite zu kommen. „Ihr seid Zugereiste?" „Ja..." „Seid ihr organisiert?" Hans nickte und griff nach der Drusttasche. Der andere winkte ab. „Laß man. ich glaube es schon. Eine wichtige Frage: kennt ihr den Mann, der bei euch ist?" „Nicht besonders. Er hat sich uns heute nachmittag ange- schlössen und hat sich sehr anständig gezeigt. Warum fragst du danach?" „Ich kenne den Mann besser als ihr. Nehmt euch vor ihm in acht— ich warne euch. Habt ihr schon Quartier für die Nacht?" Hans schüttelte den Kopf. „So geht zu Josef Jmhoff an den Perlgraben, dort findet ihr bestimmt ein gutes Unterkommen. Vielleicht treffen wir uns in der Gaststube, ich bin heute abend bestimmt dort. Servns!" Rudi und der Fremde warteten in einiger Entfernung. Hans bedauerte den Zwischenfall, denn wenn sie auch den neuen Freund erst wenige Stunden kannten, war ihm doch klar, daß sie es mit einem vornehmen Menschen zu tun hatten, ' der nichts Gemeines gegen sie im Schilde führen konnte. „Was wollte man von Ihnen?" „Wir sollen uns vor Ihnen in acht nehmen...* „Das habe ich mir gedacht. Es ist schade, aber nun müssen wir uns voneinander verabschieden.. „Wir haben volles Vertrauen zu Ihnen..." Der Fremde lächelt«:„Trotzdem— ich wünsche euch Glück und Gesundheit!" Er zog den Hut, schüttelte beiden die Hände und verschsdand im Straßcngetriebe. Die Straße von Köln nach Bonn war sehr langwellig gewesen. Ein heißer Tag, Rübetstelder— müde und bestaubt kamen sie um das Abendläuten in die Stadt.„Ein Tränke- lein, ein Fräßchen und ein Bettlein..." murmelte Rudi vor sich hin. Am Marktplatz stellte sich breitbeinig ein junger blonder Mensch von hohem Wuchs vor sie in den Weg, zeigte feine blitzenden Zähne und sagte fröhlich:„Servus, Käme- raden!" Er war in gutes Loden gekleidet und trug einen Rucksack wie die Freunde. Man beroch sich, und es stellte sich
heraus, daß der junge Mensch, der von außerordentlicher Schönheit war. Hannes Klöhn hieß und Technik studierte. Er war von Kiel zu Hause und hatte sich für zwei Monate freigemacht, um den Rhein hinuntcrzuwandern. Seit vierzehn Tagen unterwegs, war ihm noch keine rechte Kumpanei über den Weg gelaufen, die er offensichtlich in den Freunden ver- mutete. „Es soll uns recht fein", erklärte Hans, und sie wechselten Handschlag auf gute Kameradschaft. Dann suchten sie Kartier und fanden es in einem kleinen Gastbof, wo ehrsamMzono- ratioren am Wein saßen und von ihren kleinen Geschäfts- sorgen plauderten. Die frischgebackenen Freunde tranken noch ein wenig, Hannes erzählte Mädchengeschichten, die er mit Vorliebe zu erleben schien, bis sie der Hausknecht über den Hof führte, über eine hölzerne Stiege in ein großes ge- räumiges Zimmer. Sie erwachten durch den Gesang einer schmetternden Knabenstimme: „Es het sich Schmitzen Billa in Popelsdorf en Villa..." Die Morgensonne stand in der Stube, Hannes rannte ai das Fenster, riß es auf und schrie hinunter:„Holt din Mut!" Der Junge lachte und sang weiter, Hannes lachte mit. Ucber dem Waschtrog hing das Bild eines französischen Kürassiers: feine roten Hosen leuchteten wie frisches Blut. Hannes be- grüßte ihn durch eine flammende Ansprache in lauterem Fran- zcsisch, das aber bald unvermittelt in reines Kieler Plattdeutsch umschlug und schließfich im Waschbecken vergurgelte, als der Kieler sein blankes Gesicht hineinsteckte. „Du kannst so bleiben", meinte. Rudi anerkennend und, fuhr hastig in die Kleider, denn vom Hof herauf roch es nach Kaffee. Eine Stunde später war Bonn schon wieder binter den drei Gesellen, die Glocken riefen ihnen nach, es war Sonn- tag. Die Straße nach Mehlem war von Ausflüglern belebt, klingelnde Radfahrerherden überholten sie, pon den Rhein - Kämpfern wimpelten bunte Fähnchen. In Mehlem bogen sie zum Rheinufer hinunter und ließen sich nach Königswinter übersetzen, um zum Drachenfels emporzusteigen. Die Mäd- chcn in weißen Kleidern hatten es Hannes angetan, er tauschte verliebte Blicke und kam sich wie ein Löwe vor. Rudi, der neidisch war, verfiel in mißbilligende Redensarten. (Fortsetzung folgt.)