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Nr. 406> 30. Jahrgang

Heilage öes vorwärts

Dienstag. 20. �dguft1022

Iuf üem Serliner Zentralviehhof.

L<e Riesenstadt hat einen ewig hungrigen Magen. Sie ist un- unersättlich, weil sie leben und arbeiten will. Sie hat in all ihrer Hast nicht Zeit, sich um das Heranschaffen ihres Nahrungsbedarfes zu kümmern. Wenn sie erwacht, will sie essen, und sie wird un- ruhig und sehr ungemütlich, wenn die Lebensmittelzufuhr nicht zu ihrer Zufriedenheit arbeitet. Welch ungeheurer Apparat muß in Tätigkeit gesetzt werden, um vier Millionen' Menschen satt zu machen, die auf einem Flecken(Erde zusammengedrückt hausen wie Ameisen in ihrem Bau. Dieser fabelhafte Apparat bedient sich der Eisen- babnen, Schiffe und Wagen. Krane und Winden, Maschinen, Men- schen und Tiere wuchten die Lasten in die Lagerhäuser und Speicher, bringen sie in die Warenhäuser und Krämerläden, bis sie endlich in den Küchen der Großstadt enden. Die Schlachthäuser. Im Berliner Osten liegt der Zentralviehhof, Schon von ferne hört man das Brüllen der dem Tod geweihten Tiere, die, von der Eisenbahn herangeführt, alsbald in dem weiten, sich zwischen der Frankfurter und Landsberger Allee dehnenden Gelände des Vieh- Hofes oerschwinden. Mittwochs und Sonnabends ist Markttag da draußen, und dann weht in der Nähe des Verwaltungsgebäudes stolz die Fahne der Republik . In den Verladebuchtcn drängen sich zahlreiche Tiere. Die Vcterinärpolizei untersucht sie auf Seuchen- erkrankungen, die hier bei der großen Menge der Tiere besonders gefährlich sind. Die untersuchten Tiere aber werden alsbald in die großen, blitzsauberen Hallen getrieben. Für jede Tiergattung sind besondere Hallen errichtet; Firmenschilder zeigen die Besitzer an. Engrosschlächtcr gehen mit prüfenden Blicken umher. In der Börse" aber sind die Agenten, die Vermittler zwischen Be­sitzer und Großschlächtcr. Ein Prozent der Kaussumme ist ihr vor- geschriebener Gewinn. Das verkaufte Vieh tritt seinen letzten Gang in die Schlachthäuser an. Gemächlich kommt ein Rind zur Richtstätte. Plötzlich packen es zwei kräftige Männer, reißen seinen Kopf hoch und im nächsten Augenblick ist es von einem sicheren und wuch- tig geführten Hammerschlag gefällt. Rotes Blut rinnt in quadrat- förmige Kästen. Alsbald hängt der schwere Tierkörper an einem der zahlreichen Haken und Stangen, die die Schlachthäuser durchziehen. Ganz ähnlich wird in den Schweine- und übrigen Kleinviehschlächt- Häusern gearbeitet. Hammel und Schafe scheinen geradezu von Todessehnsucht ergriffen zu sein. Sie drängen sich, an den Schlacht- tisch heran. Mit wahrer Engelsgeduld lasten sie alles mit sich ge- schehen. Sanitäre Maßnahmen. Di« geschlachteten Tierkörper mit sämtlichen Eingeweidcn werden nun von den städtischen Tierärzten nach den Ausführungs- bestimmungen des Bundesrates zum Reichsslcischbefchaugesetze ein­gehend unkersuchk. Je nach dem festgestellten Befunde wird jetzt verfahren. Erkrankte Eingeweide, deren Genuß für Menschen ge- sundheitsschädlich ist. werden beschlagnahmt und in verschlossene Konfiskgtkasten gebracht. Das Fleisch erkrankter Tiere wird je nach Befund für minderwertig oder bedingt tauglich erklärt, dement- sprechend gekennzeichnet und zur Verwertung der Freibank überwiesen, wo der Verkauf den gesetzlichen Vorschriften gemäß in rohem Zustande bei minderwertigem, oder in gekochtem bei be- dingt tauglichem Fleische erfolgt. Zum Genüsse für Menschen untauglich befundenes Fleisch wird ganz aus dem Verkehr gezogen, das tauglich befundene freigegeben und mit dem bekannten runderk Tauglichkeitssiempel versehen. Schweinefleisch wird noch einer besonderen Untersuchung auf Trichinen unterzogen. Zu diesem Zweck schneiden dieprobeentnehmer" vom Nierenzapfen jedes Tieres zwei Stücke ab, die sie in einer besonderen numerierten Büchse verwahren. Die Tierkörper werden zur Kontrolle mit. der Nummer der betreffenden Büchse gekennzeichnet. Im Schauamt untersucht der Beschauer mit dem Mikroskop und dem Trichinoskop den Büchseninhalt. Ueber das Ergebnis wird sorgsam Buch ge- führt. Zehn Jahre lang werden diese Aufzeichnungen aufbewahrt.

Das untauglich befundene, zur Vernichtung bestimmte Fleisch wird in besonders eingerichteten Wagen nach der städtischen Ileischvernichlungsanstalt in Rüdnitz . Kreis Oberbarntm, gebracht, wo es für technische und chemische Zwecke weiter verarbeitet wird. * Der Zentraloiehhof besitzt ein eigenes Elektrizitäts- und Wasser- werk. Das letztere bewältigt augenblicklich 1 Million Kubikmeter Wasser, und nun soll seine Leistung um S0 Proz. gesteigert werden. Man ist eifrig dabei, die dazu nötigen Erweiterungsbauten fertig- zustellen._ Serlins Milliarüenanleihe. Die Berliner Stadtanleihe von 1319(409 Millionen Mark) und 1920(200 Millionen Mark) umfaßt den Anleihebedarf Alt-Verlins, die Anleihe von 1922(480 Millionen Mark) den Bedarf der mit Berlin zusammenschlostenen Gemeinden bis 1920. Die vor- läufig durch schwebende Schulden zu bestreitenden Anleihc-Aufwcn. düngen der Rechnungsjahre 1921 und 1922� müssen in eine neue Anleihe zusammengefaßt werden, um bei geeigneter Gelegenheit durch eine feste Anleihe gedeckt zu werden. Der Bedarf der Bezirksverwaltungen beläuft sich auf rund 110 Mill. Mark, namentlich für das Grundstücks- wesen, für Krankenhaus- und Straßenbauten. In der Zentralver- waltung erfordern an Anleihen das S i e d l u n gs w es e n K7, der W e st h a s e n 38, das Hafen zwciggleis 12, die I n d u- st r i e b a h n Neukölln 48 Millionen Mark. 6,4 Millionen Mark entfallen auf den Gemeinschaftsbahnhof Nollendorf- platz. Der große Bedarf der Straßenbahn zur Erneu- erung ihrer Betriebsmittel(Gleise, Oberleitung, Wagen) ist bekannt. Von dem Verluste der Kriegsverwaltungen von. 465 Millionen Mark sind noch 365 Millionen Mark durch Zlnleihe zu bestreiten. Der dem Ausgleich vorübergehender Spannung zwischen Einnahme und Ausgabe dienende Betriebsfonds der Stadthaupttasse muß den veränderten Geldverhältnissen angepaßt werden. Die Verzinsung der Anleihe soll der Vorortanleihe gleichen: 4 iVt Proz. bei Ausgabe von Schuldverschreibun­gen auf den Inhaber, bis zu 5 Proz. bei Aufnahme von Darlehen gegen Namens-Schuldscheine. Der Tilgungssatz wird mit Rücksicht auf die hohe Beteiligung der Werke und die (unproduktive) Kriegeausgabe auf 3 Proz. zu bemessen sein. Den Anregungen der Banken folgend, empfiehlt sich eine Stückelung bis zu 20 000 M. Solange die Anleihe nicht begeben wird, soll sie als Pfandunterlage für die Beschaffung flüssiger Geldmittel dienen. Es Es ist daher beabsichtigt, bis zum Ausdruck der Anleihe Zwischen- scheine im Werte von 10,5 und einer Million Mark auszustellen. Unä darum keine Seflaggung. In Nr. 399 rügten wir, daß am Tage der Derfassungs- s e i e r ein Gebäude der Stadt Berlin , das Haus der König - städtischen Oberrealschulr, ohne Flaggenschmuck geblieben war. Hierzu schreibt Uns jetzt Prof. I u n a ck, der den zurzeit unbe- setzten Direktorposten als Vertreter inne hat:Als Leiter dieser Anstalt teile ich Ihnen mit, daß das Flaggen unterbleiben muhte, weil die Schule keine geeignete Fahne besitzt. Nachdem ich der Anordnung, am Beisetzungstage von Rathenau zu flaggen, nicht Folge leisten konnte, habe ich bereits am 28. Juni der Behörde das FehlA, einer Fahne mitgeteilt und den Antrag gestellt, für die An- stalt eine solche zu beschaffen" Prof. Iunack fügt hinzu:Es ist mir und dem Kollegium bisher gelungen, unsere Schule frei von aller Politik und allem Parteifanatismus zu halten," und er macht dann noch ein paar schulmeisterlich mißbilligende- Bemerkungen darüber, daß wir vor der Veröffentlichung nicht ihn um Auskunft gebeten hätten. Ja, warum sollten wir denn das, da ja die Angabe, daß auf dem Schulhaus die Flagge gefehlt Hatte, richtig war! Die Frage, wer der Verantwortliche und Schuldige sei, wurde von uns mit keiner Silbe berührt und der Schulleiter blieb gänzlich unerwähnt. Wir empfahlen aber dem Magistrat, sich mehr um die Schulhäuscr der Stadt zu kümmern. Ist denn das dem ungnädigen Herrn Professor nicht recht?, Jetzt wird noch ein anderer Fall bekannt, bei dem gleichfalls ein

Schulhaus der Stadt am Verfassungstag den Flaggenschmuck ver» missen ließ. Es handelt sich um die L u i s e n st ä d t i s ch e Ober» 7 e a l s ch u l e. DieDeutsche Liga für Menschenrechte" beschwerte sich darüber und erhielt folgende seltsame Antwort, die in derWelt am Montag" neröffentlicht wird: Auf Ihr Schreiben vom 2a, S, teile ich im Auftrage des stellvertretenden Direktors Herrn Prof. H i l l e r ergebenst mit, daß am 11. d. M. nicht geflaggt werden konnte, weil die Fahnenstangenschnur gerissen ist. Auf schriftlichen Antrag an den Magistrat betreffs Anbringung der Schnur ka:.> der Bescheid, daß die Reparatur wegen der hohen Kosten noch zurück- gestellt werden müßte. I. A.: Penert, Schulwart." Wir ent- halten uns einstweilen jeder Kritik dieser van dem Schulwart im Auftrage des stellvertretenden Direktors mitgeteilten Begründung. Der Magistrat wird gewiß nicht unterlassen, sich zu den beiden hier wiedergegebenen Briefen, dem des Professors Iunack und dem des Schulwarts Penert, zu äußern. Kriminalpolizei für alle! Unterscheidung zwischen großen und kleinen Diebstählen. Berlin steht im Zeichen der Diebstähle, heute mehr denn je. Es vergeht kein Tag, wo nicht größere Einbruchsdiebstähle gemeldet werden oder valutastarke Ausländer um oft erhebliche Geldwerte bestohlen werden. Kurzum, bei der Polizei besteht Hochkonjunktur.' Sie ist bemüht, die Täter festzustellen, und es gelingt ihr in vielen Fällen, das gestohlene Gut dem Eigentümer wieder zu verschaffen. Ein Leser unseres Blattes macht uns nun darauf aufmerksam, daß die Polizei wohl auf ihrem Posten ist, wenn es gilt größere Diebstähle auszudecken, etwas anderes fei es aber, wenn es sich darum handele, das ärmliche Eigentum Minderbe- m i t t e l t e r zurückzuschaffen. Der Einsender schreibt: Im vergangenen Winter wurden den einzelnen Mitbewohnern unseres Hauses Kohlen aus dem Keller gestohlen. Ich selbst meldet« Anfang April d. I. der Polizei auch einen Kellcreinbruch an. Ein Herr bequemte sich zwar, von dem Diebstahl persönlich Kenntnis zu nehmen. Da ich aber meinen Bsrdacht nicht beweisen konnte, verlief die Sache im Sande. Im Juni dieses Sommers wurde am Tage Wäsche vom Trockenboden gestohlen. Auch hier sagt« man denLeidtragenden": Haben Sie begründeten Verdacht? Auch ein Berusskollege erzählte mir, daß nach Anmel- dung eines Wäschediebstahls die Kriminalpolizei sich nicht großes Kopfzerbrechen gemacht hat. Dergleichen geschieht alltäglich, so wird man abgespeist. Was soll erst im nächsten Winter werden. Da man die wenigen Kohlen in der Wohnung hat, wird man sich an die Böden machen und zur Heizung stehlen, was nur irgend dafür brauchbar ist. Es liegt mir fern, einen Dieb, der große Stoffballen oder kostbare Edelsteine gestohlen hat, in Schutz zu nehmen. Man wird mir aber zugeben müssen: Wer sich in heutiger Zeit Pelze, echte Perser, Taselsilber, auserlesensten Schmuck usw. kaufen konnte, wird diese Dinge, so bedauerlich ein Diebstahl ist, leichter vermissen können als ein Proletarier einige Zentner Kohlen, Karlosfeln oder Hemd und Unterhose. Was ich anführte, ist kein Einzelfall. Man halte nur im Norden, Nordosten, Osten und Südosten nach dieser Richtung hin Umschau. Die Erbitterung i st groß. Wir vomVolke" haben nur ein sehr bedingtes Zu- trauen zu unserer Kriminalpolizei. Es wäre dringend zu wünschen, daß man einem bestohlenen Arbeiter mit gleichem Eifer zu helfen bestrebt ist wie einem Schieber, vornehmen Reichen aus dem Westen oder einem �Ausländer! Soweit der Schreiber dieser Zeilen. Es wäre ganz interessant, wenn sich die zuständtgen Stellen der Kriminalpolizei zu diesem Thema recht bald äußern würden. In der Vannmeitc. Mit den Worten:So geht es einem, wenn man die Republik verteidigt", betrat der Arbeiter P u c a l k a die Anklagebank, um sich wegen des Vorwurfs, die Bannmeile des Reichstags verletzt und an einem Auflauf sich beteiligt zu haben, zu rechtfertigen. Am 25. Juni, dem Tage nach der Ermordung Rathenaus, hatte der Angeklagte an der großen Demonstration im Lustgarten teilge- nommen und war mit seiner Braut dann zum Reichstag gegangen. Dort hatte sich vor dem Portal 2, dem Eingang für Minister und Ab- geordnete, eine zahlreiche Menschenmenge angesammelt, die nach An­gabe des Polizeileutnants allmählich aus über 1000 angewachsen war. Auf wiederHolle Aufforderung des Polizeileutnants und den 5)inweis auf die Bannmeile hatte der Angeklagte nur die Antwort:W i r wollen die Republik schütze n". Als dann ein Arbeiter fest- gestellt wurde, erklärte er:Dann nehmen Sie mich nur auch gleich mit". Seinem Wunsche wurde entsprochen. Er wurde festgestellt

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Der Sprung in die Welk. Ein Fungarbeiterroman von Artur Zickler.

Der Pfarrer lächelte.Sie sind also Sozialisten.." Er hob abwehrend die Hand:... oh, glaubt nicht, daß ich euch das verdenke, weil ich es nicht bin. Es kommt ja darauf an, wie ihr es seid. Daß ihr es aus der Liebe heraus seid, aus der Kraft und ans der Gerechtigkeit. Es ist schön, junge Menschen zu sehen, die empört sind und einen Mut und einen Willen haben, die Welt zu verändern. Wenn die Jugend über uns komm! und uns ablöst, so soll es recht sein, denn nicht« außer Gott hat ewigen Lestand, und den Jrdischkeiten ist t geboten, zu wechseln und zu Berglen . Was ich furcht», fft, dan die Städte mit ihren Dämonien und mit ihrer sinn- losen Gewalt und mit ihrem Fluten von Haß und Verderbt- heit, mit ihrer Verlorenheit die Völker ins Verderben reißen ich fürchte den Krieg der Maschinen, sehe endlose Reihen von Massengräbern, Ströme von Llut, Entfesselung der Bestialität, den Krieg Aller gegen Alle. Ich weiß, daß Gott in den Städten nicht mehr ist, als( eben auch eine Firma. Das ist entsetzlich, wenn die äußeren Gewalten so stark sind und der Mensch ihnen nichts anderes entgegenzusetzen hat, als nur sich selbst. Menschen ohne Gott sind schwach wären sie es nicht, wie hätten sie so kläglich in die Gewalt der Dämonen kommen können? Gott ist groß und unfaßbar, er ist in jedem beflammten Menschen, der treu und innig das Gute l »ill. lebendig. Also auch in euch." Sie stiegen hinab in den Garten. Der Regen war ver- jgangen. die Blumen, atmeten Frisäie und Duft, der Tag war tun Scheiden. Die Gehilfin des Pfarrers trug das Abend­essen ins Freie, und der Gastgeber bewies, daß er kein Feind irdischer Labsal war. Nach der Mahlzeit erzählte er noch von seinen Blumen und Gewächsen. Als es zu kühl wurde, gingen sie ins Haus, der Pfarrer setzte sicb im dunklen Zimmer an das Klavier, der Schein der Nacht fiel durck die Fenster. Die Melodien wanderten und verklangen. Die Haushälterin brachte die Lamve und sagte, das Zimmer �für die jungen Freunde fei bereit. Der Pfarrer erhob sich und schüttelte ihnen die Hand.? Friede sei mit enchk*.

Als Hans schon im Bett lag, stand Rudi noch am Fenster und sah in die Nacht hinaus. Dann setzte er sich zu Hans auf den Bettrand. Hans, was wird noch aus uns werden?" Hans gab ihm die Hand und schwieg. Stockend fuhr der andere fort: Geht es dir auch so, daß dich manchmal eine heftige Angst packt vor der verrinnenden Zeit? Vor dem Rätsel der Zu- kunft? Ich fühle, was ich noch vor mir habe, was ich durch- messen muß, ehe ich mich vollenden darf; ich bungere nach Schmerzen und Freuden, nach Gefahren und Kämpfen, nach allen Formen, die ich durchwachsen muß bis zur letzten der heiteren Gelassenheit und der guten Kameradschaft mit dein Tode. Nun denke ich mir, daß ich nur wenige Jahre Zeit habe, um fertig zu werden: denn ich will die Klarheit haben, solange ich noch jung bin, so simg wie unser Gastgeber. Wenn ich bedenke, wie hoch diese Forderung ist, bange ich um ihre Erfüllung. Es gibt nur eine Kraft, diese Furcht zu überwinden.. Und..." ..... das ist die Kraft, in voller Ruhe damit zu rechnen, daß jede Stunde die letzte sein kann!" Rudi stand wieder auf und öffnete das Fenster. Mit der Nachtkühle kam das Rauschen des Rheins ins Gemach. Lange saß Rudi auf dem Fensterbord, ehe er sich wieder zu Hans wandte und ihn küßte.Ja," sagte' er,du hast recht..." Ein heißer Tag! Die Luft zitterte in der Mittagsglut. Müde neigten sich die Gräser. Heiß strahlte der Boden das Sonnenlicht zurück, das steil� nicderlobte auf den glitzern- den Strom, auf gleißende Dächer, auf hängendes Laubwerk. Träge, mit schweißigem Fell zog ein Ackerganl den Pflug. Hans und Rudi marschierten schweigsam den Feldweg längs des Wassers entlang. Da rief eine muntere Stimme hinter den Userbüschen. Hallo, Kunden!" Kleiderbündel tauchten auf. nacktes Mannsvolk tummelte sich im Wasser, planschte und winkte. Run man runia mit det Hemde und rin in't Vagniejen. et kost' nischt!" Und ein anderer schrie:Ihr ward eich doch nich särch- den, es is bloß naß, un Bollezeier gibd's hier geene.«

Die Freunde lachten und zogen sich aus. Eine Wasser- schlacht begann zu toben, in der keiner der beteiligten Lands- Mannschaften der anderen etwas nachgab. Rudi war der erste, der das Treiben aufgab und ein Stück den Strom hinaus- schwamm. Hans verlor ihn für kurze Zeit aus den Augen,' dann sah er ihn schon mehrere hundert Meter weit entfernt mitten in der Strömung. Hans rief und winkte, Rudi hob den Arm, der weiß in der Sonne leuchtete darauf war er nicht mehr zu sehen. Hans lief besorgt aus dem Wasser, die Uferböschung hinauf, von wo aus der Blick über den Strom leichter war, doch von Rudi war stichts mehr zu erblicken. Ein heftiger Schreck packte Hans nach dem Herzen. Er rief die andern herzu, und nun rannten sie das User hinunter, schrien und suchten... Nach zwei Stunden hatten sie Rudi mit Hilfe«imger Schiffersleute geborgen. Jetzt lag der schlanke, kräfitge Körper, von der Nachmittagssonnr beschienen, im Usergrose, still und ohne Leben und war doch noch eben ein fröhlicher Mensch gewesen. Hans starrte auf den Toten wie in einem gräßlichen Traum, de« er nicht zu fassen vermochte. Grauen schüttelte ihn das konnte doch nicht möglich sein, mußte ab- sollen wie ein böser Alb, wenn man sich reckt. Aber es war alles wirklich: das weiße Sonnenlicht, das ziehende Wasser, das müde Gras und der tote Freund. Ein stumpfes Messer wühlte in der Brust, gegen das kein Aufschrei half, ein ge- waltiger, grauer, wütender Haß stieg ins Gehirn, preßte das erlösende Weinen nieder. Fast war es Neid auf den Toten, in dessen Gesicht tiefer Frieden lag: der Freund war durch das dunkle Tor gesprungen und hatte überwunden, mos' Hans höllisch brannte. Die Bahre wankte den Feldweg entlang, mit hängenden Köpfen trollten die Kunden hinter ihr drein. Wie bleich der Glanz über der Landschaft! Reißt denn keiner den blauen Himmel mitten entzwei, wirft niemand die Kulissen dieses grauenooll-sinnlosen Welttheaters übereinander, um den Weg in die Sphäre freizumachen, in der der Kamerad wartete, lächelte und winkte... Im Dorfe war das Unglück ruchbar geworden, lästige Neugier schob sich heran, eme armselige Glocke läutete, traurig wie vor kurzer Frist die Stimme des geliebten Menschen: Hans, was wird wohl noch aus uns werden?". (Fortsetzung folgt.)