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Seilage öes vorwärts
Mittwoch. 13. September 1422
Die Teuerungsattion der Staöt.
In der Stadtverordnetenversammlung kam gestern die große Teuerungsdebatte zu vorläufigem Ende. Zwischen den Rednern der Linken und der Rechten wurde mit blonderer Heftigkeit um die Frage der Preisgestaltung md des fjöndlerge Winnes gestritten. Di« weitere Prüfunr der vom Magistrot beabsichtigten Maßnahmen und der Anträge der Frak- tionen wird im Ausschuß vorgenommen. * Die gestrige außerordentliche Stadtver ordneten- s i tz u n g begann wegen der Reichlichkeit des vorliegenden Arbeits- Pensums schon um 4 Uhr. Sie wurde vom Vorsteher Dr. C a s p a r i eröffnet mit der Mitteilung, daß bereits eine Dringlichkeits- vorläge betreffend die neue Erhöhung des Straßenbahnfahrpreises eingegangen ist. Den Preis der Einzelfahrt glaubt der Magistrat von 8 M. a u s 1 2 M. erhöhen zu müssen. Gegen die Absicht des Vorstehers, diese den Stadtverordneten eben erst bekanntgegebene Vorloge schon in der nächsten Sitzung am Donnerstag zur Beratung zu stellen, erhob Dr. W e y l(U. Soz.) Widerspruch. Am Donnerstag wird daher zunächst über die Frage der Dringlichkeit abgestimmt werden. Die in der vorigen Sitzung abgebrochene TeuerungsdebaHe wurde fortgesetzt. Zu dem Antrag der beiden sozialdemokratischen Fraktionen, betreffend die ausreichende Sicher st ellung der notwendig st en Lebensmittel, erklärte Merten (Dem.), für seine Freunde sei unannehmbar der Teil des An- träges, der gegen die von den Landwirten geforderte nachträgliche Erhöhung der Getreidepreise sich wendet. Die vom Magistrat in Aussicht genommenen Maßnahmen, über die in der vorigen Sitzung der Oberbürgermeister berichtete, und zu deren Durchführung eine Dringlichkeitsvorlage jetzt 2l18 Millionen fordert, seien zu billigen. Der Redner erörterte die Frage des Preis- wuchers und bekämpfte die Forderung, den Verkaufspreis nach den Gestehungskosten zu berechnen, wobei der Kaufmann unter Ver- lust seines Betriebskapitals„sich arm verkaufen' würde. Eine Wiedereinführung der Zwangswirtschaft sei unmöglich, weil die Bevölkerung sie sich nicht mehr gefallen lassen würde und die Organe zur Uebcrwnchung fehlen, so daß es, wie in der Kriegszeit, zu den schlimmsten Schiebereien kommen müßte. Müller-Franken(Wirtschaftspartei) sieht die Teuerung?- frage als eine»Frage der Produktion' an. Er warf den Arbeitern vor, daß zu wenig gearbeitet und zuviel Lohn ge» fordert werde.(Erregte Zurufe links.) Für die chändler forderte er selbstverständlich Freiheit, den Wiederbefchaffungspreis in den Verkaufspreis einsetzen zu dürfen. Die Wuchergerichte bezeichnete er al» K l a s s e n g e r i ch t«.(Lärm bei der Linken.) Genosse Paltloch(Soz.) wies es als Unfug zurück, alle Rot dieser Zeit immer wieder daraus erklären zu wollen, daß»nicht genug gearbeitet' werde. Das(im»Vorwärts' bereits gekenn» zeichnete) Vorgehen der Organisation deutscher Kolonialwarenhändlcr. die offen zur Verletzung der Vorschriften über die Preisbemessung aufgefordert habe, sei für die Ver- braucher unerträglich. Arbeiter, Angestellte und Beamte seien nicht in der Lage, die verlangten W u ch e r p r e I s e zu zahlen, weil sie mit ihrem Einkommen weit dahinter zurückbleiben. Die Erfüllung des Wunsches, den .wiederbeschaffungsprels' zur Grundlage der Preisberechnung machen zu dürfen,� würde wucherischen Händlern die Möglichkeit schaffen, auch ältere Ware trotz billigen Einkaufspreises zu höchsten Preisen zu ver- kaufen. Wo sind denn die Arbeiter, die Angestellten usw., deren Einkommen so gestiegen wäre, daß sie bei solchen Preissteigerungen mithalten könnten? Hätten die Arbeiter die Konjunktur aus- genutzt, dann hätten auch sie für Ihre Lohnforderungen den Dollar st and zum Maßstab genommen. SO M., 60 M. werden jetzt am Pfund Butter verdient, sogar von dem Handel, den man ehrlich nennt! Was mag dann von denen verdient werden, die ihre zurückgehaltene Ware zum»Wiederbefchaffungspreis' verkaufen! Die Bevölkerung versteht es nicht, daß der Kaufmann nicht mit ihr miffühlend an die Rot der Zeit denkt. Wir können nicht zulassen, daß ihm mehr als die Gestehungskosten und ein angemessener Zuschlag bewilligt wird. Zwangswirt-
! s ch a f t wollen auch wir Sozialdemokraten nicht, wenn nicht d i c Not sie erfordert. Wollen aber die Händler nicht hören, so wird zu Zwangsmaßnahmen geschritten werden müssen. Schmidt(Z.) begrüßte die Maßnabmcn des Magistrats. Dr. W e y l(U. Soz.) wandte sich im Schlußwort gegen die Ab- ficht des Magistrats, die von ihm zur Verfügung zu stellenden Mittel unter anderem auch durch die Erhöhung des Gaspreises zu beschaffen. Dabei sei immer noch nicht die Forderung erfüllt, den Minderbemittelten bei der Gaspreisbemcssung eine Ermäßigung zu gewähren. Er hob hervor, daß unker der Herrschafi des freien Handels, von dem man uns billige Preise versprach, diese furchtbare Teuerung über uns hereingebrochen ist. Durch Ankauf von Lebensmitteln könne die Stadt den Zwischenhandel ausschalten und preissenkend wirken. Ein Skandal sei es, daß an der Spitze der Ernährungsdeputation der Stadt ein d e u t s ch n a t i o- n a l e r Stadtrat steht, ein Mitglied derjenigen Partei, die das Recht und die Interessen der Verbraucher mit Füßen tritt. Eine Besse- rung der jetzigen Zustände habe man nur zu erwarten, wenn d i e Kreise, die darunter leiden, sich fest zusammenschließen und nicht länger einander zerfleischen. Nach den Schlußworten von Dr. Klinthard(D. Dp.), von Dörr(Komm.), der den Antrag der beiden sozialdemokratischen Fraktionen für belanglos und nur die Vorschläge der Kommunisten für durchgreifend erklärte, und von Dr. vander Borght(Dnat.), der die Händler und den deutschnationalen Ernährungsdezernenten Stadtrat Dr. Richter in Schutz nahm, wurde die Vorlage des Ma- gistrats samt allen Anträgen der verschiedenen Fraktionen zur Aus- schußberatung überwiesen. Die vom Magistrat vorgelegten Richtlinien für das Zusammen- arbeiten von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung bei Tarifvertragsverhandlungen wurden unter Ablehnung von Abänderungsanträgen angenommen.— Zu einer Anfrage der Kommunisten wegen des Planes einer Verlegung der Stadt- bücherei aus dem Mar st all erklärte der Magistratsvertreter, der Tausch mit den Räumen der Darmstädter Bank am Schinkel- platz sei durchaus vorteilhaft. Ein Antrag der Unabhängigen auf Belassung der Stavtbücherei im Marstall wurde abgelehnt.— An- genommen wurde ein von den Fraktionen der Linken und der Rechten gemeinsam eingebrachter Dringlichkeitsantrag, bei der P e n s i o n s- festfetzung der Privatlehrer auch die Altpensionäre mit entsprechender Erhöhung zu berücksichtigen.— Einer neuen Er- höhung der Bäderpreise wurde zugestimmt.
Der teure Schuljunge. Die Taffach«, daß Kinder viel Geld kosten, Ist noch nie eine Weisheit gewesen. Daß sie heute fast ebensoviel kosten, als ein Er- wachsener zum Leben braucht, ist eine Tatsache, die kinderreiche Familien an den Rand des Elends führt. Soviel Freude man an seinen Kindern haben mag, sobald sie, besonders die Jungen»(die Mädchen sollen ja etwas weniger an Kleidung gebrauchen), mit zer- rissenen Schuhen und Hosen erscheinen, da wird die Freude zum Aergcr. Kleine Reparaturen wollen die Schuhmacher überhaupt nicht mehr ausführen, es lohnt das gar nicht, und zu großen fehlt es an Geld. Und dann die kleinen Wünsche: der süße Kaffee oder die Sehn- sucht nach einem Apfel oder einem Bonbon, alles das muß sich die Jugend von heute verkneifen. Wer das Glück hat, schulpflichtige Kinder sein eigen zu nennen, der weiß mehr davon zu singen und zu sagen, was Kinder heute kosten. Federn, Bleistifte, Federhalter, Schreibhefte, Bücher, Mappen, alles das, was früher ohne merk- liche Belastung des Haushaltungsetats mit Leichtigkeit angeschafft werden konnte, alles das kostet heute Summen, die für einen nicht gerade mit Glücksgütern und Bankdircttoreneinkommen Gesegneten sehr ins Gewicht fallen. Wenn man für Schulmappen gegen tausend Mark zahlen muß, die vor dem Kriege mit S M. zu haben waren. wenn ein Schreibheft, von dem einst das Dutzend zu einer Mark gekauft werden tonnte, heute über 17 M. kostet(ich habe mir sogar sogen lassen, daß vielfach 25 M. und darüber für ein Schreibheft be- zahlt werden müssen, wenn eine einzige Feder heute 2 M., ein
Bleistift 10 M., so sind das Zustände, die dringend einer Ab- änderung bedürfen. Der Staat ist bei der heutigen Finanzlage nicht imstande, die für den Schulbetrieb unbedingt erforderlichen Mate- rialien den Schülern zu liefern, von den Eltern aber sind nur wenige in der Lage, die Anschaffungskosten aufzubringen, zumal es sich um Dinge handelt, die dauernd abgenutzt und immer wieder neu angeschafft werden müssen. Und wenn sie dann noch das auf- bringen, was erforderlich ist, damit das Kind nicht ohne Hemd, ohne Schuhe und ohne Oberbekleidung herumläuft, dann bleibt für das Uebrige doch nichts mehr übrig. Unter diesen Zuständen muß ein geregelter Schulbetrieb auf die Dauer leiden. Es ist wirklich notwendig, daß sich die Oeffent- lichkeit dieser Dinge annimmt, und daß hier etwas geschieht, um den Familien die furchtbaren Lasten, unter deren Gewicht sie zusammen. zubrechen drohen, nach Möglichkeit zu erleichtern.
ver König Ser Sahara. ZNit dem Kopf durch die Aensierscheibe. Eine Großstadthyäne schlimmster Art wurde von der Kriminalpolizei wieder unschädlich gemacht. Es handelt sich um einen gewerbsmäßigen Verbrecher Hermann Stahl , der schon wiederholt die Strafbehörden beschäftigte und der als gewalttätiger Mensch bekannt ist. Stahl, der den Spitznamen»Lecke' führt, spielt, wenn er ver- haftet wird, immer den wilden Mann. Zuletzt wollte er bei der Gerichtsverhandlung der„König der Sahara" sein, und er mußte zur Beobachtung seines Geisteszustandes einer Anstalt überwiesen werden, aus der er später dann entwich. Er kam wieder nach Berlin , und hier lernte er eine gewisse Frieda Müller kennen, die er durch Drohungen und Schläge dazu zwang, für ihn auf die Straße zu gehen. In einem Keller in der Auguststraße mußte sie dann jeden Morgen ihr Geld abliefern. Da sie ihm nicht genug verdiente, mißhandelte er sie durch Faustschläge und Fußtritte so schwer, daß sie nach dem Virchow-Kranken- hause gebracht werden mußte, wo sie bald nach der Einlieserung verstarb. Zwischendurch hatte Stahl noch eine ganze Reihe anderer Verbrechen ausgeführt. Ais er bei einem Groß- kaufmann nicht die erhoffte Beute fand, begab er sich mit einem ge- wissen Lämme ganz dreist in die Wohnung des Bestohlcncn und erklärte ihm, daß er wisse, wo sich sein gestohlenes Gut befinde und er es ihm wiederdeschaffen könne. Im Laufe des Gesprächs zog er dann plötzlich einen Revolver, setzte diesen dem Bestohlenen auf die Brust und erpreßte sich so eine größere Geldsumme. Als ihm endlich der Boden in Berlin zu heiß geworden war, und da er nun auch wegen des Totschlags gesucht wurde, verließ er Berlin und verlegte sein Tätigkeitsfeld nach Hamburg . Bon dort war er vor wenigen Tagen wieder nach Berlin zurückgekommen. Kriminal- Wachtmeister D e t t m a n n, der sich auf einer Streife in vcrschie- denen Lokalen der Friedrichstadt befand, sah plötzlich den-ihm be- kannten Stahl, der gern den Lebemann spielte, in der„A u g u st< diele' sitzen. Aber auch Stahl erkannte den Beamten und ging, als er ihn sah, sofort auf diesen los. Der Beamte überwältigte jedoch den Verbrecher und wollte ihn abführen. Auf der Straße versuchte. sich dieser gewaltsam loszureißen. Als ihm auch das nicht gelang, spielte er sofort wieder den wilden Mann. Er schlug mit großer Gewalt mit seinem Kopf gegen die Schaufenster- s ch e i b e eines Kolonialwarengefchäftes, so daß diese in T r ü m- mer ging. Erst nach Alarmierung des II eberfall- tommandos gelang es, den gewalttätigen Verbrecher zur Polizei- wache zu bringen._ Das Diebesgut des Dberpostassistenten. Bei dem Patetpostamt in Köpenick kamen seit dem Jahre ISIS zahlreiche Lebens Mittelpakete und andere Sen- düngen fort, ohne daß man den Dieb ermitteln konnte. Eine ein- gerichtete Kontrolle hatte lange Zeit keinen Erfolg, bis eines Nachts ein Zufall den Täter verriet Der Oberpostassistent Gustav Großmann, der gleichzeitig Hausverwalter des Postamts war, wurde nämlich eines Nachts um %2 Uhr dabei beobachtet, als er einen Sack aus der Packkammer herausholte und in seine Wohnung schaffte. Dieser merkwürdige Vorgang veranlaßt« die Behörde zu einer Haussuchung bei G., und man fand nun den Inhalt zahlreicher abhanden gekommener Sendungen. Aus allen Branchen hatte Großmann Waren in seiner Wohnung, und der Umfang der Diebereien ließ lich gar nicht mehr feststellen, da schon vieles davon oerkauft bzw. gestohlene Lebens- mittel aufgegessen worden waren. Der Wert der noch ermittelten
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Sachawachiak der Eskimo.
von Ejnar Mikkelfen.
Der Lärm verebbt. Willige Hände ziehen die steifen Segel ein, die Nahen werden Vierkant gebraßt, die Boote be- mannt, niedergefiert, und, den Harpunierer im Achter, das scharfgebaute Walfischfängerboot mit einem langen Ruder steuernd, den Kapitän auf der Achterbank und sechs kräftigen Männern an den Rudern, schießen die leichten Fahrzeuge dem Lande zu— dorthin, wohin die Kajaks schon gesteuert sind, wo die Frauenboote liegen und Ruwuks Bevölkerung ver- sammelt ist. Es geht lebhaft zu hier auf dem nördlichsten Handelsplatz der Welt, wo sich die Borposten der Zivilisation mit der Ur- bevölterung begegnen: aber der Tag ist der Freundschaft und nicht dem Geschäft geweiht— man geht umher und begrüßt alte Bekannte. Wettergebräunte, breitschultrige Seemänner mit langem Haar und Bart gehen umher und sehen sich um. Sie nicken allen Eingeborenen, die sie treffen zu, reden ein oder zwei Worte mit den Männern und kitzeln die Frauen neckend unterm Kinn, sie stecken ihre Köpfe ungeniert in die Zelte und werfen sich ohne weiteres im Kreise der Eskimos nieder, wo. sie ganz offenkundig die nur allzu willigen Eskimomädchen � herzen— was tut das? Es ist ja nur das Recht des weißen Mannes im Berkehr mit den Eingeborenen. Es geht lebhaft zu an Land: das Wunderwasser der Weißen fängt allmählich an seine Wirkung zu tun. Es wird fleißig von den Fremden eingeschenkt und ihre Gabe wird j sowohl von den Eskimomännern wie den Frauen begehrlich! entgegengenommen, selbst die Kinder bekommen etwas ab.' Lange dauert es nicht, bis man jede Rücksicht beiseite wirft, und Orgien werden in der bellen Polarnacht gefeiert. Man schlägt, man zankt sich, längst vergessene Streitig- leiten werden wieder ausgegraben. Ein rasender Eskimo läuft mit blutunterlaufenen Augen hin und her— mit dem Speer j in der Hand jagt er einem Manne nach, der im täglichen � Leben fein Kamerad ist, ihn aber einmal vor langer, langer � Zeit gekränkt hat. Sie treffen sich, der Speer saust durch die, Luft-- ja. es ist gefährlich in Ruwuk, wenn der Brannt- � Min seinen Einzug gehalten hat— er jührt Blut mit sich.>
die Rahen herunterhängen— der Aranntwein hat unter zusammengewürfelten Besatzung der Walfischfängerflotte
Die weißen Seeleute schlagen sich untereinander oder mit den Eskimos— mit gekränkten Männern, deren Frauen zu willig gewesen waren oder den Geschenken der Weißen nicht hatten widerstehen können. Die Hölle ist ausgebrochen in dem friedlichen Ruwut— die Eingeborenen sind verwandelt: aber endlich erstirbt der Larm, Männer und Frauen liegen vom Branntwein betäubt auf der weichen Moosdecke ausgestreckt, schlafen schwer und unruhig— den Schlaf der Trunkenen. Und draußen auf den Schiffen, die ruhig vor Anker liegen, tönt heiseres Geschrei, ein Schuß hie und da.— Es ist alter Brauch, die Ankunft in Ruwuk mit Müßiggang und Saufen zu feiern. Bierundzwanzig Stunden lang läßt die eiserne Walfischfängerdisziplin nach, und den Tag darauf gleiten ein oder auch zwei längliche Bündel aus Segeltuch in das Meer, «ahrend�auf allen Schiffen die Fahnen�auf Halbmast wehen und">" der feine Opfer gefordert Aber kaum ist das letzte Aufklatschen verklungen, so schießen die Fahnen in die Höhe—:„So. auf Leute, braßt die Rahen Vierkant! Das Fest ist vorbei, die Plackerei fängt wieder an." Eine Woche lang liegt die Walfischfängerflotte bei Ruwuk, und an Land wird gehandelt. Boot auf Boot rudert von den Schiffen nach dem Strande, wo bereitwillige Hände große Stoffbündel, kostbare Mehlsäcke, Waffen, Perlen. Spiegel und viele viele andere Dinge an Land tragen, hin zu den Kapitänen, die jeder, unter Beistand eines Steuermannes, mit einem halben Hundert Eingeborener bandeln und feilschen. Sie haben eine langsame Art zu handeln: denn jeder gibt seine Meinung zum besten, selbst wenn er gar nicht an dem Handel beteiligt ist: aber es geht doch allmählich, und die Boote nidern zu den Schiffen zurück, gefüllt bis zum Rande mit Barten, Tran und Fellbündeln. Fern von den anderen sitzt Sachawachiak, allein,- nur Igluruk ist bei ihm und dann ein halbes Dutzend Weißer. Er handelt auch, aber mit mehr Verstand. Seine Stirn ist ge- runzelt, er schwitzt bei der ungewohnten Arbeit— zu denken, doch es iff notwendig, denn er hat weitaus die meisten Bar- ten und Felle und muß mit Vernunft handeln. Er muß ein halbes Hundert Männer im nächsten Jahre unterhalten, er muß Waren kaufen, die er mit den Eingeborenen tauschen kann, wenn die Walsischfänger fort sind— da heißt es, nichts
zu vergessen. Wenn die Schiffe Ruwuk verlassen haben, dauert es wieder ein Jahr, bis man die Herrlichkeiten des weißen Mannes bekommen kann. Bund auf Bund von Barten und Fellen geht durch die Hände, während sich hinter Sachawachiak Mehl und Zucker, Schiffszwieback, Stoff, Messer, Sägen, Waffen, schreiend bunte Perlen und Spiegel häufen, ja, selbst eine Harmonika ist bei dem Haufen, der alles enthält, was für einen Eskimo begehrenswert ist. Und jedesmal, wenn der Handel beendet zu fein scheint, kommen mehr Felle, mehr Barten hervor, bis Sachawachiak endlich seine Vorräte erschöpft hat. Darauf er- hebt er sich, nickt den versammelten Seeleuten zu und geht, gefolgt von Iglunik, in sein Zelt— der Handel ist beendet. Zurück auf dem Strande bleiben die zehn Kapitäne mit ihren Steuermännern— sie sehen sich an. stumm— dann erhebt sich einer von ihnen langsam, streckt seine Glieder— ein Satanskerl, dieser Sachawachiak, denn jedes Jahr wird es schwieriger, mit ihm zu handeln— was für eine Menge Bar- ten er besitzt, es hat eigentlich keinen Sinn, daß ein Ein- geborener so viel verdient! Alle sind müde, erschöpft von dem vielen Handeln, Trinken und Bummeln und ganz froh darüber, daß es nichts mehr zu handeln gibt. Morgen geht die Flotte auf Walfischfang bis an dag Packeis, das man in guten Sommern gerade am Hori- zont wahrnehmen kann: aber vorher ist Schmaus an Bord. die ganze Bevölkerung Ruwuks ist zum Fest auf die Schiffe geladen, Männer wie Frauen, besonders die Frauen. Da wird gezecht an Lord , die ganze Nacht lang. Familien werden voneinander getrennt, Männer können ihre Frauen nicht finden, Mütter nickt ihre Kinder: es ertönt Schreien und Heulen an Bord, die Vorposten der Zivilisation lehren die Eingeborenen Sitte und Brauch des weißen Mannes. In Kajüten und Logis werden wilde Orgien gefeiert— Seeleute find schlimm, Walnschfänger sind schlimmer, der schlimmste Abhub, fast, sämtlich arme, gepreßte Leute, die eines schönen Morgens in einem dumpfen Walfischfängerlogis mit bohrendem Kopfschmerz erwachen— zu einem Leben erwachen, so hart, so roh und brutal, daß viele über Bord springen, bevor die Fahrt zu Ende ist. Sie sind schon so lange tyrannisiert worden, daß sie sich freuen, andere tyrannisieren zu können— sie zwingen die widerstrebenden Frauen, ihnen zu Willen zu sein und schlagen die sich dagegen wehrenden Männer zu Boden. .(Fortsetzung folgt.)