�Wissenschaft/ Der Göttinger Staatsrechtslehrer Professor v. Hippel schreibt in der„DAZ." einen Artikel gegen das Gesetz zum Schutz der Republik, wie er selbst betont, auf eine Aufforde- rung'der Schriftleitung hin, sich über das Gesetz„wissen- schaftlich zu äußer n". Wer ttim aber in seinen Aus- führungen irgendetwas erwartet, was auch nur im entfern- testen mit Wissenschaft zu tun hätte, der sieht sich sckwer ent- täuscht: sie entbalten nichts als ödestes nationalistisches Bier- bankgewäsch. Man betrachte z. B. die folgende Probe vom Standpunkt der Wissenschastlichkeit aus. Die Entstehung des Gesetzes erfolgte unter höchst bedenk- lichen Begleiterscheinungen. Regierung wie Reichstag standen unter dem Druck radikalster, auf einseitige Klassen Herrschaft gerichteter Forderungen.(Worin bestanden diese? Red. d. V.) So glaubte man leider vielsach, durch Annohme des Gesetzes„Schlimmeres zu verhüten", ein« sehr ver> fehlte Politik. Wer die Republik schützen will, der sorge mit allem ihm zu Gebote stehenden Einslutz dafür, datz die kriiiklosen,' verhetzten, seit Jahrzchnbm an grundsätzliche Opposition und Kampf gegen den Staat gewöhnten Massen zu staatstreuer Gesinnung und Unterordnung im Dienste der Republik erzogen werden.(Also die Arbeiter bedrohen die Republik , beileibe nicht die reaktionären Mörderbandenl R. d. SS.) Die chauptverantwortung in dieser Richtung tragen die Führer der Sozialdemokratie: denn sie haben den Haupt- nnfluß auf jene Massen. Sie haben bisher in dieser Richtung nur ganz Unzureichendes geleistet. Wenn dieses nasionalistische Demagogentum, das mit Vorurteilslosigkeit und Wahrheitserforschung ungefähr soviel zu tun hat wie Ludendorffsche Herresberichte mit objektiver Geschichtsschreibung, sich als Wissenschaftlichkeit ausgeben darf, dann steht es fürwahr traurig um die deutsche Wissenschaft. Aber solche Fälle stehen nicht vereinzelt da. In der „Kreuzzeitung " hat jüngst der Freiburger Professor v. B e I o w der Sozialdemokratie kurzerhand die Regierungsfähigkeit ab- gesprochen, weil sie in der Kriegsschuldfrage zwar nicht die � Alleinschuld der deutschen Regierung, aber auch nicht ihre! blütenweiße Unschuld behauptet, sondern ihr ein gewisses Maß von Mitschuld, zum mindesten von gröbster Fahrlässig- keit zur Last legt. In diesem Punkte gestattet nämlich ein Vertreter angeblich deutscher Wissenschastlichkeit keiner» lei kritische Forschung, sondern wer nicht blindlings auf die cngelsgleiche Unschuld des wilhelminischen Systems schwört, für den gilt der Verdammungsruf: anathenm sit (sei verflucht!)— Der Ruf der deutschen Wissenschaft kann durch Politikasterei, wie sie von den Professoren v. Hippel und v. Below unter zerschlissenem wissenschaftlichen Deck- mantel betrieben wird, wahrlich nicht gewinnen! Dos Güteverfahren. Durch das dem Reichstage zurzeit vorliegende Gesetz zur Ent- lastung der Gerichte wird dem aus den Kreisen der Justiz. obersekretäre hervorgehenden Iustizamtmann eine Reihe wich- tiger Arbeiten zugewiesen, die bisher vom Richter zu erledigen waren, zu deren Wahrnehmung es einer eigentlichen juristischen Vorbildung aber nicht bedarf. Das neue Organ der Rechtspflege, der Justiz- amtmann, hat jetzt den größten Teil der Grundbuchsachen, das Mahnverfahren, die Zwangsvollstreckung in Vermögensrechte, die gesamte Strafvollstreckung selbständig zu bearbeiten. Durch die liebertragung dieser Geschäfte erkennt der Gesetzgeber an, daß der Iustizamtmann befähigt ist, in weitgehendem Maße den Richter zu entlasten, was gerade heute dringend nötig ist. Die Reichstagsverhandlungen über das Entlastungsgesetz machten auch darauf aufmerksam, daß die rechtskundig« Erfahrung des Justizamtmanns noch auf einem anderen wichtigen Gebiete dem öffentlichen Wohle dienstbar gemacht werden kann. Wie der Hin- weis der verschiedenen Parteivertreter zeigte, macht sich schon lange namentlich in den Kreisen der Gewerbetreibenden das Ve» dürfnis nach einem Verfahren geltend, das dem Gläubiger die SNöglichkeit bietet, schnell, billig und ohne g.ffBtz e Um-
Das eWige Lieö. Konzertumschau von Kurt Singer . Mahlers„Lied von der Erde " ist sein größtes, fein vollendetstes Bekenntnis zur Welt. In dieser von Leid zitternden Spielweise klingt immer die Sehnsucht nach der Natur an, in der stillen Wehmut dieses„Abschieds" lagert auch die hoffende Demut auf neue Lenzesblüte, neue Schönheit der Welt: und wenn der Einsame im Herbst an Schlaf und Tod denkt, so fragt er doch auch im Dunkel des Lebens nach der Liebessonne, die seine Tränen trocknet. Der Grundton des Licderznklus aus den weisen Büchern des Chinesen Li-Tai-Po ist Erkenntnis ohne Bitterkeit, Trauer, ge- mischt mit inniger Erwartung, ist Liebe, die mit letztem, umfassendem Blick nur die Schönheit sieht und dann, verzichtend, aufrecht, einsam ins Dunkel gleitet. Was in den Versen zart mit Strichen gezeichnet ist, zwingt Mahler in farbcntrunkene Bildhaftigkeit. Seine Musik durchläuft die große Skala vom triumphalen Lebensgenuß, vom Rausch der Freude und Trunkenheit, über die Lust der liebend reif Gewordenen bis zur Entrückung in die ewige Heimat, zum träumen- den Warten auf das letzte Lebewohl. So weltlich die Grundidee, so weltabgcwandt sein Schöpfer, lieber den Geistern, über Elementen und Geschöpfen schwebt die Musik, rein und klar und von mystischer Begnadung. Die Zerrissenheil des Juden Mahler ging zugrunde an diesem nicht mehr blutenden, aber erkenntnisschweren, gläubigen, pantheistischen Hochgestmg von Erde und Jrdischkeit. Kein Kampf um dieses Meisterwerk: wer Liebe, Trost und Läuterung ersehnt, beugt sich demütig und siegreich diesem Lied. Bruno Walter weiß das, erfühlt es und hebt die letzte Distanz ans, die etwa noch einem Abschnitt des Werks gegenüber bestände. Sein Nachzeichnen der schweren Part'tur darf als authentisch gelten. Und wenn an der Vollendung eines ganz großen, aufrüttelnden Erlebens etwas fehlte, so kam es nur auf Rechnung der Solisten. Zwar sind beide, Fritz Kr a u ß und Maria O l z e w s k a, reich an starken und schönen Tönen. Aber nur die Altistin, und auch diese nur in dem letzten Abschiedsglciten, ließ das Ueber-der-Weli-Stehen ganz erkennen und verstehen. Für diesen großen Augenblick schien Kraft und Innigkeit dys Erlebens aufgespart. Und so blieb Ergriffenheit in unserer Erinncruna, für die wir dankbar sind. Ergriffenheit ist nicht, was ein B a t t i st i n i- Konzert hinter- läßt. Staunen und Verwunderung lassen das Gemüt nicht zum Ausruhen, die Phantasie nicht zum Ausschweifen kommen. Man bleibt im Bann einer künstlerischen Sensation, gefesselt v'on dem Können eines Meisters des bei anto, der eben dieses Können noch mit 70 Jabren einem dramatischen, einem Spielwillcn Untertan macht. Welch mächtige Stimme, welch klangvolle Mittel- und Tiefen- läge(oben wird's gedrückt), welch eine Sprache und Sprachbehand- lung, welcher Wohllaut und welcher Atem! So denkt man und staunt und tobt im Beiiall mit und ruft: Sehet da, ein Wunderl Es ist nicht immer beste Kost, die uns Battistini vorsetzt(neben Verdi und Rossini steht belauglos-wirkungsvoller Franchetti): rbcr in solchen Schläuchen wird ja bekanntlich saurer Grüneberger zu süßem Falernerwein. Größte Konkurrenz des L*dgesanges: der Geigenton. Wer nicht singen kann, kann auch nicht geigen, und auch ein Stradiwarius klingt leicht Seele wieder, wem» nur die Hände mechanisch arbeiten.
st S n d e zu einem vollstreckbaren Schuldtitel zu gelangen. Ein hoher Prozentsatz der jetzt bei den Gerichten anhängig gemachten Prozesse hat Forderungen zum Gegenstande, über deren Richtigkeit kein Streit besteht. Weshalb asso muß da erst die Tätigkeit des Richters in Anspruch genommen werden? Eine Einrichtung bei Gericht, die es ermöglicht, daß Gläubiger und Schuldner das Schuldverhältnis festlegen und gegebenenfalls die Zahlungsbedingungen vereinbaren, würde dem Bedürfnis vollkommen genügen. Wieviel Prozesse wür- den außerdem vermieden werden, wenn die Parteien vorher unter sachkundiger Leitung einen E i n i g u n g s v e r f u ch machten! Eine ähnliche Einrichtung besteht schon seit langem in anderen Ländern, z. B. in Italien , wo die Parteien zum„Friedensrichter" gehen und dort ihre Angelegenheit schlichten. Für deutsche Verhältnisse würde die Bestimmung zu treffen sein, daß jedem Prozeß ein Güteverfahren vorauszugehen hat, das den Zweck verfolgt, einem kostspieligen und langwierigen Prozeß vorzubeugen und den Streitfall gütlich beizulegen. Das Gütever- fahren mit dem Iustizamtmann als Organ der Rechtspflege liehe sich sofort einführen, ohne daß dadurch Kosten— Schaffung von Beamtenstellen, Herrichtung von Räumen usw.— entständen. Im Gegenteil würde durch die Verminderung der Prozesse eine er- hebliche Entlastung der Gerichte herbeigeführt.
tzUfsaktion für üie Gemeinöen. Die allgemeine SSersteifung des Geldmarktes, dessen Mittel mit der fortschreitenden Entwertung der Mark nicht Schritt zu halten vermögen, macht sich besonders fühlbar im Bereich der Gemeinde- Verwaltungen. Die planmäßigen Einnahmen aus eigenen Steuern und aus den Ueberweisungen von feiten des Reiches und der Länder bleiben naturgemäß weit zurück hinter den Anforderungen für die sachlichen und zumal die persönlichen Ausgaben, die sich im voraus heute kaum noch für einige SWochen mit Sicherheit übersehen lassen. Der Ausweg der Anleihe ist der Mehrzahl der Gemeinden im Augenblick so gut wie verschlossen. Die Folge sind Z a h l u n g s- s ch w i e r ig k e i t e n, die eine ernste Gefahr nicht bloß für die : einzelnen Gemeinden bilden. Mit Rücksicht auf das immer beträcht- ! lichere Anwachsen des Notstandes hat sich daher, wie den PPN. von zuständiger Stelle mitgeteilt wird, der Reichsminister der Finanzen zu einer Hilfsaktion entschlossen, die angesichts der eigenen Finanz- läge des Reiches ein ganz außergewöhnliches Entgegenkommen be- deutet. Das Veranlagungssoll der Einkommensteuer für 1920 be- trägt rund 28 Milliarden. Da dieser Betrag aber erst zum Teil ein- gegangen und an die Länder und Gemeinden ausgeschüttet ist, so sind die Oberfinanzkassen der Lindesfinanzämter telegraphisch ange- wiesen worden, die Hälfte des gesamten Veranlagungssolls für 1920 ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Einzahlungen den einzelnen Landesregierungen nach Maßgabe ihrer Beteiligung als Bor- f ch u ß für die Gemeinden zu überweisen. Die Ueberweisung hat inzwischen bereits überall stattgefunden. Zur Unterstützung der Gemeinden steht damit ein einmaliger Vorschuß von insgesamt 14 Milliarden zur Verfügung. Die Verteilung erfolgt durch die Landesregierungen, die um besondere Beschleunigung ersucht worden sind. Die Girozentrale droht mit Kreditentzichung. Der Hilfsaktion des Reiches für die Gemeinden war ein Be- schluß der Girozentrale, die mit den Sparkassen die wichtigste Kreditgeberin der Kommunen ist, vorausgegangen. Diese? Beschluß kommt einer Drohung mit der Sperrung des Kredits sehr nahe. Die Girozentrale betont die Gründe der Kreditansprüche der Kommunalverbände, erklärt weiter, daß der Geldzufluß zu der Girozentrale infolge der Lähmung der Spartätigkeit stark nachgelassen habe, daß ein nachhaltiger Erfolg zur Erschließung neuer Hilfsquellen nur zu erwarten sei, wenn die Kommunalver- bände u. a. folgende Maßnahmen zur Unterstützung ergreifen: Vermeidung aller ungedeckten Ausgaben, auch bei der Durchführung bereits angefangener Unternehmungen, monatliche Gehaltszahlungen, Borstellungen bei der Reichsregierung, um rasche weitere Abzahlungen auf die Steueranteile und sofortige Auszahlung des Ersatzes für den Steuerausfall der Ge- meinden bei der Einkommensteuer zu erreichen, Verstärkung
Im ersten Sonntagskonzert des Blüthner -Orchesters war Lambinon Solist. Und das Programm war das übliche. Wir bitten zu bedenken, daß seit 1918 auch das Sonntagspublikum über Beethoven , Wagner, Brahms hinaus Ansprüche stellt. Nicht Sehn- sucht nach Besserem— wo wäre das!—, aber Lust an Anderem. Unsere beiden großen Sinfonieorchester sind imstande, Schwerstes und Allerschmerftes vom Blatt herunterzuspielen. Das Programm: Ouvertüre, Konzert, Sinfonie, erstarrt. Altes vermodert, Neues stirbt vor der Geburt. Stellt Originelles, Apartes, Modernes, Anti- quiertes. Skurriles, Gewagtes, Revolutionäres auf den Plan! Da beginnt das eigentliche Verdienst, und dann erst, im Vergleich mit dem Urbestand der Orchesterliteratur, läßt sich Edles von Banalem, Vergängliches von Dauerhaftem trennen. Die Verleger werden das nicht ungern sehen, und die Schaffenden erst recht nicht. Heraus mit den Partituren! Andreas Weiß gerb er hat die gesellschaftliche Spielart bei- behalten und sich doch zu einem denkenden, Innerlichkeit vermitteln- den Künstler herangebildet. Der Ton der Händelschen E-Dur-Sonate war trotz Steifigkeit des Handgelenks frei und groß. Statt des plumpen Flügels hätte man hier wie bei Bach einen alten Kiel- Flügel oder ein Cembalo gewünscht. Noch einmal: sorgt für Abwechslung! Eddy Brown tut's wenigstens mit ein paar eleganten Salonstücken eigener Bearbeitung. Die spielt er mit virtuoser Laune und mit einer Bogcneleganz, die geradezu an Kreisler erinnert. Eine schöne Begabung Ast die kleine Geigerin Maria Marco, die mit Sander am Flügel sehr resolut und treffsicher ihr Instrument Hand- habt. Mehr beseelt ist der Ton noch nicht; wenigstens klang er un- lebendig in dem Konzert op. 8 eines Brahmsianers, der sich auf dem Programm als kein Geringerer als Richard Strauß entpuppte. Nun: er hat ungarisches Lied und Melodie der Zeit anders gesungen!
Theater in der Aommandontenstrasse:„Der Tänzer unserer lieben Frau"—„Der Fremde". Man spielte eine Eulenspiegelei „D e r Fremde" des vertriebenen Essässers Fritz Lienhard, der aus seiner Heimatliebe ein Gewerbe, der aus seinem Patriotismus ein Hausieren macht, der sich etwas darauf einbildet, zusammen mit Adolf Bartels die sogenannte Heimatlunst erfunden zu haben. Nein, die Heimatkunst wurde nicht von diesen Matadoren erfunden. Sie ist stets in allen ordentlichen Dichtern, deren Ohr wirklich am Munds Gottes lag und nicht bloß an dem Großmaul irgendwelcher Flug- blattpolitik gepflegt und gehegt worden.— Bei diesem sogenannten Schelmenstück Lienhards handelt es sich um eine beinahe blöde und mittelmäßige Sache. Aber alles ist mit sogenanntem Gemüt und einer redseligen Blumigkeit ausstaffiert. Die Leute auf der Bühne sollen fröhlich sein, sie sollen herzlich scheinen, sollen überzeugende Liebesworte sprechen, und dabei ist alles ein beinahe anwidernder Unsinn und«ine Duselei der Empfindung, die gar nicht von ernsten Menschen zu genießen ist. Die Geschichte des StücAeins ist ein Liebesabenteuer des Faxenmachers Till Eulenspiegel , der eines Nachts ins Wirtshaus kommt und dem verliebten Bauernjungen ver- spricht, daß er ihm die spröde Kunigunde als Gattin ausliefern wird, «he es Mitternacht ausgeschlagen hat. Ebenso schlimni steht es um das Marienspiel des jungen I o- Hannes Weinrich. Eine der schönsten Marisnlegenden, um- gebogen in ein wundervolles Kleinod durch die Poesie Gottsried
der Betriebsmittel für die kommunalen Werke durch Einziehung einmaliger Beiträgs von den Abnehmern und Einstellung der Zahlung von Teuerungszulagen, für die nicht die Mittel durch das Reich vorher überwiesen sind. Diese beiden letzteren Forderungen tragen einen starken politischen Einschlag. Sie zeigen, daß das Vorgehen der Girozentral« nicht nur durch die Kreditnot bedingt ist. Offenbar gibt sie sich dazu her, die Bestrebungen des Privatkopitals nach der Herrschaft über die kommunalen Betriebe zu unterstützen und den alten Gegensatz zwischen Gemeinden und Reich zu verschärfen, indem man die Ge- haltsempfängcr leiden läßt. Es ist um so bedauerlicher, als damit die Girozenttale ihre eigene Angelegenheit und die der Kommunen nicht gerade fördert.
Die Werlte üer Kn'egsblmöen. Vom Bund erblindeter Krieger wird uns geschrieben: Die Rentcnbezüge, die die Kriegsblinden heute erhalten, richten sich wie die der übrigen Kriegsopfer nach den Bestimmungen des Reichsversorgungsgesetzes vom 12. Mai 1929. Danach beträgt die Grundrente eines 199 Proz. Erwerbsbeschränkten, und hierzu ge- hören die Kriegsblinden, jährlich 2499 M., hinzu kommt die Schwer- befchädigtenzulage mit 999 M., zusammen 3399 M. Fällt der Kriegsbeschädigte dabei unter die Gruppe der h o ch q ua l i f i z i e r- t e n Arbeiter, so hat er Anspruch auf die erhöhte Ausgleichs- zulage, die die Hälfte der oben genannten Summe beträgt. Fällt er unter die Gruppe der gelernten Arbeiter, so beträgt die Ausgleichszulage ein Viertel dieser Summ«: als ungelernter Arbeiter, und darunter fallen hauptsächlich die auf dem Lande wohnenden Kleinbauern und das landwirtschaftliche Dienstpersonal und Tagelöhner pp., steht ihm überhaupt keine Ausgleichszulage zu. Nach der so erhaltenen Summe wird dann die Ortszulage be- blinden zustehenden Führerhund werden ihm.in Ortsklasse A 39 Proz., in Ortsklasse C 29 Proz., in D 19 Pro)., während die Ortsklasse E, also wiederum das flache Land, ohne Ortszulage ausgeht. Die Kriegsblinden erhalten dazu noch die Pflegezulage, die in der Regel S99 M. pro Jahr beträgt. Für den dem Kriegs- blinden zustehenden Führerhund werden ihn in Ortsklasse A jährlich 309 M., in Ortsklasse B und C 249 M., in Ortsklasse O und E 189 M. als Unterhaltskosten vergütet. Sind unterhaltungs- Pflichtige Kinder vorhanden, so bezieht der Kriegsbeschädigte für jedes Kind 19 Proz. der Vollrente eines Beschädigten, jedoch ausgenommen die Pflegezulage. Die Rente eines Kriegsblinden mit 2 Kindern in Ortsklasse E, der unter die Gruppe der ungelernten Arbeiter fällt, beträgt danach nach den heute geltenden SVestimmungen 7958 M. jährlich oder 663,20 M. monatlich. Im Falle völliger Erwerbslosigkeit stehen demselben Kriegs- blinden auf Grund des Gesetzes über Teuerungsmaßnahmsn für Militärrcntner vom 21. Juli 1922 ein Teuerungszuschuß von 2499 M. für sich und 1959 M. für seine beiden Kinder zu, so daß ihm dadurch ein Gesamtmonatseinkommen von 4113,29 M. zur Verfügung steht. Hat er durch Korb- oder Bürstenmacherei pp. einen N e b e n v e r d i« n st, der innerhalb eines Monats den SLe- trag von 2669 M nicht übersteigt, so beträgt der ihm zustehende Teuerungszuschuß 2859 M., so daß ein 5)öchstjahresein- kommen von 13 468 M. oder ein Höchstmonatseinkom- men von 1122 M. herauskommt. Hierbei muß auf ein Kuriosum hingewiesen werden, das darin besteht, daß im Falle der Er- zielung eines Monatseinkommens von 2669 M. auf der einen Seite durch die Wirkung des% 63 und der dazu im Mai d. I. erlassenen Ergänzungsverordnung mehrere Zehntel seiner gesetzlichen Renten- bezüge ruhen, während er auf der anderen Seite wieder als Teue- rungszuschußcmpfanger in Betracht kommt, woraus sich die Unhalt- barkeit der Vorschriften des ß 63 in bezug auf die Schwerstbeschä- digten ohne weiteres ergibt. Beträgt sein Monatseinkommen mehr als 3429 M., so steht ihm ein Teuerungszuschuß überhaupt nicht mehr zu. Es ist ohne weiteres klar, daß diese Sätze auch im entferntesten nicht für ein noch so kärgliches Leben ausreichen, und daß vor allem die Kriegsblinden auf dem Lande, von denen vielfach fälschlich angenommen wird, daß sich die Agrarier ihrer an- nehmen, in eine Lage geraten sind, die unhaltbar ist. Die Parka- mente sollten sich deshalb sofort nach ihrem Wicderzusammentritt nachdrücklich für eine zeitgemäßere Versorgung der Kriegsopfer einsetzen und von der Regierung die alsbaldige Vorlage der für den Herbst in Aussicht gestellten Novelle zum Reichsversorgungsgesetz erwirken.
Kellers, wird von diesem radebrechenden Ekstatiker verhunzt. Auch kein Funken von Talent, obgleich der Volksbühnenbund, die Or- ganisation der Volksbühne katholischen Glaubens, sich dieses Dichters mit Inbrunst annimmt. Nein, die Acsthetik wird umgestülpt, wenn Männer, die starken politischen Einfluß ausüben, solchem Schund irgendwelchen Krmstwert zusprechen. Man muß diese Gesinnungs- dichtung entlarven. Sie wird zur Pest, mit der die deutschen Bühnen verunreinigt werden. Denn schon wird in manchen Teilen Deutschlands kaum etwas anderes Modernes geduldet, das sich irgendwie ernsthaft mit dem Leben abfindet. Nur dieses Halb«, nur dieses Hohle wird gefördert, und es geschieht nur, weil der söge- nannte Dichter sich bequem zum kulturellen Kampf gebrauchen läßt. Nein, nicht mal im Experiment darf derartiges gezeigt werden. Es ist klarer Schund, obwohl ein hoffnungsvoller Schauspieler, Herr Florian Kienzl, dabei mitwirkt. Dieser junge Schauspieler ist noch etwas dickflüssig in Sprache und Bewegungen, aber die Inbrunst adelt ihn. Und man entdeckte auch in der Dilettanterei Lienhards Baldermann, der durch Frische, tönende Kehle und energische Bewegungen überraschte. M. H. Walhalla-Theater:„Die Kinokönigin". Es wurden in der letzten Zeit in Berlin „nur" zwei Operetten von Gilbert gleichzeitig aufgeführt. Um diesen: skandalösen Mangel abzuhelfen, hat die neue Direktion des Theaters am Weinbergsweg ein langst in Ver- gessenhcit geratenes Gilberlsches Werk ausgegraben, das den Namen „Operelte" trotz einzelner sehr hübscher Weisen und Walzer kaum verdient, sondern höchstens den einer mäßigen Posse mit Gesang. Kann man es aber den Direktov-n verübeln, daß sie zu solchen Mitteln greifen,»m ihre Kassen zu füllen, wenn das Publikum bei guten, ernsten Stücken versagt? Der Beifall und die gute Laune der Zuhörer bei der übrigens recht gelungenen Neuausführung der„Kino- königin" ist ein wenig erhebendes Zeichen der Zeit. Die Ausstattung war luxuriös, das Ensemble besserer Durchschnitt, unter den „Sternen" glänzten besonder- Kaliger, Lüppschütz und M i a Hellmuth. Und nun wird man den ganzen Winter hindurch und vielleicht darüber hinaus„In der Nacht, in der Nacht.. wieder zu hören bekommen, sowohl im Walhalla-Theater wie van jeder Kaffeehauskapelle. Na, es soll uns in diesem Winter nichts Schlimmeres widerfahren! Sch. Die Rorddeuksche Vsqelwarke Rostock ist vor kurzem durch das tatkräftige Eintreten von Dr. Horst Wachs-Nostock begründet worden. Zwei deutsche Vocielrvarten nennen wir schon unser. Die Vogelwarte R o s s i t t e n weit im Osten, Helgoland im Westen, beide an bevorzugten Plätzen des Vogelzugs"gelegen. Aber von der Kieler Bucht bis hinauf nach Danzig gab es bisher keine Stätte, die die Vogelwelt unserer Heimat in ihrer wissenschaftlichen und Wirtschaft- lichen Bedeutung behandeln könnte. Und doch stellen gerade diese Teile Norddeutschlands, die Küste mit ihren Inseln und Duchten und das seenreiche Mecklenburg und Pommern die reichsten Bogel - gebiete Deutschlands dar: all unser« großen Formen, Wildschwan, Rohrdommel und Graugans, Kranich und Trappe nisten hier noch: Langenwerder bei Poel ist eine der schönsten Mövenkolonien der Ostsee , die Lewitz die letzte Zufluchtsstätte anderwärts ausgestorbener Formen, wie Schreiadler und Wespenbussard , Seeadler und Schwarz- specht. Im Herbst und Frühjahr streichen die Wandervögel die Küste