Gebiets Poittevin, dem Bürgermeister von Reims Roche und(Crumbach.Der Bertrag ist ein M a n t e l v e r t r a g. Er verpflichtetden Verband sozialer Daubetriebe aur Lieferung von B a u-st o f f e n und Bauteilen aller Art, sowie zu Arbeits-l e i st u n g e n, die für den Wiederaufbau der zerstörten Ge-biete notwendig werden sollten. Z 1 des Vertrages verpflichtetbeide Teile:„alles zu vermeiden, was bei der Durchführungder Raturallieferungen den wirtschaftlichen, politischen odersozialen Interessen der beiden Länder schaden könnte".„Sie— die beiden Vertragsparteien— erklären außerdem, daß esdem Geiste dieses Vertrages widersprechen würde, wenn sieselbst oder wenn Gesellschaften oder Personen, die an der Durch-fllhrung des Vertrages beteiligt sein werden, sich Borteilesichern, die mit den Interessen der Geschädigten oder mit denInteressen des französischen oder des deutschen Volkes nicht ver-cinbar sind."Von diesem Grundgedanken ausgehend, hat sich die fran-zösische Vertragspartei damit einverstanden erklärt, daß allevon deutscher Seite zu bewirkenden Lieferungen zum fran-zösischen Tagespreis zu erfolgen haben. Dieser Tages-preis soll indessen durch eine dreigliedrige Kommission festgesetztwerden, wenn die privatkapitalististhen Mächte beider Länderdiesen Preis zum Schaden der Geschädigten und zum Schadendes Deutschen Reiches durch Vereinbarungen irgend-welcher Art künstlich erzeugen.Ebenso wie die von dem Aktionskomitee der zerstörtenGebiete geschaffene gemeinnützige Aktiengesellschaft, die alsEmpfänger deutscher Leistungen und Lieferungen auftritt, nachihren Satzungen alle ihr zufließenden Gewinne der G e s a m t-heit der Geschädigten zuzuführen hat, so ist der Ver-band sozialer Baubetriebe nach Z 9 des Vertrages verpflichtet,alle ihm über die Selbstkosten hinaus zufließenden Gewinnedem Deutschen Reich zur Erfüllung seiner Rcparations-Verpflichtungen wieder zuzuführen. Durch diese Bestimmungunterscheidet sich dieser Vertrag grundlegend von demVertrag Stinnes-Lubersac, der das Deutsche Reich einseitigmm Zählenden ohne Kontroll- und Einspruchsrecht und Herrnwtinncs zum Empfänger von Reparationsgewinnen macht.In Wahrung der Interessen des Deutschen Reiches habenwir die französische Vertragspartei nicht im unklaren darübergelassen, daß die Lieferung von Baustoffen und Bauteilenin größerem Umfange nur dann möglich ist, wenn die fran-zösische Regierung deutsche R e p a r a t i o n s k o h l e fürdie Erzeugung dieser Baustoffe und Bauteile deutschen Unter-nehmungen zur Verfügung stellt. Die französische Vertrags-partei erklärte, daß sie sich für eine Hergabe der Reparations-kohle bei dem Ministerpräsidenten' Poincartz und dem Wieder-aufbauminister Reibe! eingesetzt und die Zusicherung erholtenhabe, daß auch dem Aktionskomitee der zerstörten Gebiete be-stimmte Kontingente der Reparationskohle zur Weitergabean den Verband sozialer Baubetriebe zur Verfügung gestelltwerden sollen. Die erst in den letzten Tagen durch die Pressegegangene Nachricht, daß die französische Regierung bereit sei,monatlich 25 000 Tonnen Kohle für diese Zwecke zur Ver-sügung zu stellen, ist allerdings als ein Entgegenkommen derfranzösischen Regierung nicht zu bezeichnen. Ein derart ge-ringes Kontingent wäre eher geeignet, alle bisher abgeschlosse-nen Lieferungsoerträge zu einem zwar gut gedachten, aberwertlosen Dokument zu machen. Die Gesamtheit der Ge-schädigten hat von der Renarationskohle nur dann einen Vor-teil, wenn sie a n st a t t K o h l e den oft mehr als das Drei-faclje umfassenden G e g e n w e r t in der Form von Baustoffenzur Wiederausrichtung der zerstörten Wohnhäuser erhält.Wir wollen hoffen, daß es den auf französischer Seiteam beschleunigten Wiederaufbau interessierten Organisationengelingen wird, die Widerstände aus deni Wege zu räumen,die sich heute noch der Verwirklichung der abgeschlossenen Ver-träge entgegenstellen. Jedenfalls wird der Verband sozialerBaubetriebe und die hinter ihm stehenden Gewerkschaften esan Mühe nicht fehlen lassen, um dem soeben erst abgeschlosse-nen Vertrage Blut und Leben zu geben.Der Verband sozialer Baubetriebe ist für die ihm durchden Vertrag zugewiesenen Aufgaben gerüstet. Seine eigenefinanzielle Stärke stützt sich nicht nur auf die 25 MillionenMark Stammkapital, mit dem er heute arbeitet, sondern auchauf die mehr als 200 Millionen Mark, die in seinen Tochter-gesellschasten, den 19 Bauhüttenbetriebsverbänden und den200 Baubetrieben arbeiten. Mit seinen mehr als 20 000 Kopf-und Handarbeiter umfassenden Betrieben stellt der Verbandsozialer Baubetriebe heute das größte bauwirtschaftlicheUnternehmen dar, das es in Deutschland gibt. In knapp zweiJahren aufgebaut, hat dieses soziale Unternehmen im laufen-den Jahre einen Umsatz von 2 Milliarden Mark be-wältigt und sich eigene Baustoffbctriebe, wie Ziegeleien, Säge-werke, größere Tischlereien, Schlackensteinfabriken, Sandgrubenund selbst eine Schiefergrube angegliedert. Diejenigen Stellen,die in dem abgeschlossenen Treuhändervertrag ein unliebsamesHindernis für das individualistische Gewinnstreben sehen,werden leicht geneigt sein, das von den Kopf- und Hand-arbeitern des Baugewerbes geschaffene, sozial tätige Groß-unternehmen herabzusetzen und ihm Mangel an Leistungs-fähigkeit und Erfahrung zuzusprechen. Nun. es müssen in derTat wenig erfahrene Kräfte sein, die in zwei Jahren aus demNichts und in fchärsster Konkurrenz mit den privaten Bau-betrieben ein Unternehmen aufgebaut haben, das 2 MilliardenMark Umsatz hat und 20 000 Arbeiter beschäftigt und mit diesenZiffern alle Privatunternehmungen ähnlicher Art weit hintersich läßt. Wohl wisien wir. daß die Durchführung des ab-geschlossenen Vertrages diemoralischeUnterstützungder gesamten deutschen Arbeiterschaft vor-aussetzt und daß.sie auch die bereits zugesagteUnter st ützung der Reichsregierung findenmuß. Wir wollen darüber hinaus aber auch alle diejenigenKräfte zur Unterstützung an dem Wiederaufbauwerk aufnifen,die gewillt sind, in ehrlichem Bemühen an der wirtschaftlichenund politischen Verständigung mit Frankreich mitzuarbeiten,und die auch gewillt sind, ihre Unternehmungen in den Dienstdes Deutschen Reiches wie in den Dienst der nun schon seitvier Iahren auf den Aufbau ihrer Heimstätten wartenden Ge-schädigten Frankreichs zu stellen.�ergts Kampfansage.„Wir sind fertig mit dem Parlamentarismus."Die Rede, mit der Herr Hergt als Partcivorsitzender dieGörlitzer Tagung der Deutfchnotionalen Bolkspartei eröffnete,begann als Kampfansage gegen die R e g i e r u n g, sie steigertesich zu einer Kampfansage gegen die A r b e i t e r s ch a f t, umschließlich als Fanfarenstoß gegen Verfassung undParlamentarismus zu enden.Herr Hergt begann mit der Außenpolitik und redetelanges und breites über die Entwertung der Mark. Nachseiner Ansicht sind es natürlich nicht die Arbeiter, die unterder Geldentwertung leiden, sondern der Mittelstand.Seiner Besserstellung soll das Streben der Deutschnationalengelten, und zwar aus rein parteipolitischen Gründen. HerrHergt betonte nämlich:Die Mittelstandepolitik im neuen Sinne gill den nolleidendenmittleren Kreisen. Es sind dies vorwiegend deutsch-national? Kreise, zugunsten derer wir uns mit allenMitteln einsetzen müssen, damit diese Kerntruppen desOrdnung» st aates nicht aus wirtschaftlichen Sorgen zumErliegen kommen.Also nur für die Deutschnationalen soll gesorgt werden,getreu dem Grundsatz:„Das Vaterland über die Partei!"Natürlich verlangt Herr Hergt die endgültige Abkehrvon der ErMungspolitk, predigte aber selbst etwas, was derErfüllungspolitik so ählich sieht wie ein Ei dem anderen. Erforderte nämlich einen großzügigen Plan für den Wiederauf-bau Frankreichs, von dem er sagte:Je großzügiger und für Frankreich Erfolg verheißenderder Plan wird, um so höher dürfen wir unsere Ziele stellen, nämlichdie völlige Freiheit der deutsch:« Wirtschaft undschließlich auch des deutschen Gebietes. Freilich ein Pfand dafür,daß seine Interessen gebührend gewahrt werden, kann Arauircichverlangen, dieses Pfand liegt einmal in der neu zu begründendenLeistungsfähigkeit einer freien deutschen Wirtschaft undzweitens in dem freien, aber ernsten und unabänderlichen Willens-entfchluß Deutschlands zur Mehrarbeit und endlich drittens inden Garantien, die i n n e r p o l i t i s ch für die ungehinderte Durch-führung dieses Entschlusses gegeben werden.Herr Hergt, der angebliche Vorkämpfer der nationalenSelbständigkeit, ist also gern bereit, sich von FrankreichGarantien vorschreiben zu lassen, wenn diese Garantien nuri m Sinne des deutschnationalen Programmsliegen, nämlich Verbot jeder Zwangsbcwirt-schaftun g, Abschaffung des achtstündigen Ar-beitstages, Einschränkung der Demokratie.Das nämlich ist Herrn Hergts positives Programm, doser unter dem schönen Namen„entschiedene Produktionspolitik"zusammenfaßt. Wir zitieren die Kernsätze:Es ist eine Kurzsichttgkeit ohne gleichen, daß man der deutschenLandwirtschast im Zwangswege angemessene Preise voren'hält.Es muß endlich einmal eine Partei geben, die das Problem desachtstündigen Arbeitstages mit Namen nmnt. DiesePartei müssen und können nur wir sein. Das Gebot der Stundeheißt:Mchrarbeik auf Kosten des Achtstundenlazcs.Und diese Mehrarbeit sollen die Arbeiter bewilligen ausFurcht vor der--- Arbeitslosigkeit! Man staunt überHerrn Hergts sozialpolitische Einsicht. Es kann uns nur cbren.wenn Herr Hergt zu der Erkenntis gekommen ist,„daß esmit der Sozialdemokratie keine politische Gemein-s ch a f t geben kann". Bitter beklagt sich Herr Hergt über dieanderen bürgerlichen Parteien, weil sie statt der Sozialdemo-kratie die Deutschnationale Partei isoliert hätten. Eine dickeTräne weinte er der Deutschen Volkspartei nach, die ihremonarchischen Grundsätze ganz und gor in die Eckegestellt habe.Ueber den Rathenau-Prozeß, der nach Hergts Ansichtdie Deutschnationale Partei glänzend gerechtfertigt haben soll,kam dann Herr Hergt zur Reichspräsidentenwahl.Hier bot sich ein« Gelegenheit, eine gutbürgerliche Lösung zu-stand« zu bringen. Es gab einen Mann, der das Steuerruder desStaaizs wieder herumreißen konnte, Hindenburg!Durch stürmischen Beifall zu diesen Worten dokumentierteder Deutschnationale Parteitag das Maß einer politischenEinsichtslosigkeit. Als dann Herr Hergt davon sprach, dag mandas Boll in der Präsidentenfrage um seme Entscheidung ge-bracht habe, ertönten neue stünnische Rufe„Pfui, Ver-fassungsbru ch!" Diese deutschnationale Versassungs-begeisterung hätte ja nun eigentlich Herrn Hergt zu einemfröhlichen Gelächter veranlassen müssen, aber die gah ihm denMut zu folgendem gutaemimten Entrüstungsausbruch:Das Volk über alles! Aber da» Volk wird sprechen. Wirwerden unsere Tätigkeit aus dem Reichstag ins Volk hinsrs ver-legen.(Stürmischer Beifall.) wir sind fertig mit dem Parl men.tansmn»(erneuter Beifall), mit diesem Parteiunwesen, wir be-krachten den Reichstag nicht mehr als unseren poli.ische« tr::npf-platz. Die großen polllischen Debatten werden wir einschränken.wir wollen dieses Theater nicht mehr mitmachen.(Erneuter lob-hofier Büfall.),Es ist scheinbar niemand von den begeisterten deutsch-nationalen Hensschaften ausgefallen, daß die gleichen Worteunter dem gleichen stürmischen Beifall auf einem k o m m u-n i st i s ch e n Parteitag hätten gesprochen werden können.ONach Herrn Hergt sprach Prof. Dr. H o e tz s ch, wenigstens inder Form würdig, über die Grenzmarken und die auswärtigePolitik, darauf hielt der thüringische Rcichstagsabgeordnete G rä füber das Thema„Verfassung und Rechte in der Deutschen N:-publik" eine Hetzrede niedrigsten Ranges, der wir zu viel Ehre er«weisen würden, wenn wir auf sie eingingen.Mkehr von Wzmeken.Von ArturZickler.Der«Fall Wyneken" ist juristisch beendet. Nach erneuter Ver-Handlung vor der Rudolsiädter Strafkammer ist das Urteil derersten Instanz bestätigt worden. Wyneken will es dabei bewendenlassen, der ehemalige Leiter der Freien Schulgemeinde Wickersdorfwird also für ein Jahr Gefängnisinsasse werden. Das ist peinlich,aber für einen ausgewachsenen Mann, der eine heroisch« Lebensaus-faisung vertritt, nicht besonders rragisch. Schlimmer ist schon, daßjetzt eine neue Proustwellc Ansetzt, als gäbe es nichts Trostloseresin der Welt, als N- /ierarreilung Wynekens: dabei ist sein„Fall"bedeutend kleiner als fein Fall: nämlich der aus der Höhe seinesWollens in die Niederungen seiner Allzumenschlichkeit. Es ist nichtmeine Absicht, das zur Unsitte gewordene Pvotestgeschrei(„Izeraus...!") um sein Reckt des Totlausens zu bringen, aber ausanderen Gründen muß und darf jetzt gesagt werden, daß Wynekenvor einem gewichtigeren Richtmaß als dem von Rudolstadt nichtbestanden hat: dem eigenen! Das ist ein schwerer Vorwurf:doch keiner, der Wyneken gekannt Hai, wird ihn sich und Wynekenersparen können, um der Wahrhaftigkeit willen, um die es dochnoch immer geht, nicht wahr, Gustav Wyneken? Wäre es nur derin Deutschland stark diskreditierte Iustizbetrieb, wäre es nur derSpießer, die über ihn den Stab gebrochen hätten— Wyneken hätteein gutes Recht, mit einem Lächeln zu antworten. Doch es stehtschlimmer. Ich bin in den letzten Tagen mit Leuten zusammen-gewesen, deren Namen etwas gelten und die Wyneken sehr nahe-gestanden haben. Ihr Urteil war eindeutig: er ist gerichtet durchsich selbst!Was hat er getan? Wyneken hatte aus freier Wahl ein hohesFühreramt übernommen, sein Name war zum Schild einer Jugendgeworden, die sich nicht ausleben, sondern verpflichten wollte. Ziel-setzung und Lebensform kamen vom tiefen männlichen Seinsgrundeher, sollten heroisch, nicht dionysisch, dem Asketischen näher al» demFaunischen sein. Wyneken sprach von Selbstzucht und Ritterlichkeit,ron der Verantwortung und dem schweren Beruf des Führers.Dann schuf er Wickersdorf, mehr als sein Werk, weithin sichtbaresSynibol neuen Schöpferwillcns am edelsten Objekt» dem jungenAenscheii. Darüber sein Name, für den er mehr bürgen mußte alsfür ein Persönliches, wie ein Fahnenträger für sein heiliges Tuch.Wenn man eine solche Verantwortung und einesolche Lehre vertritt, tut man nicht das. wasWyneken getan hat! Dabei ist es ganz gleichgültig, ob diebegangenen Handlungen an sich unedel sind oder nicht. WennWyneken eiii rechter Mann war. dem nichts, aber auch nichts übersein Werk ging, so mußte es ihm mehr gelten als seine Neigungen.mußte er streng gegen sich sein, sei es auch nur darum, das Werkder Jugend vor Mißverständnissen zu schützen. Wyneken hat dasGeheimnis, daß der lieben muß. der erziehen will, zum öffentlichenim gemeinsten Sinne gemacht, hat keusche Wahrheiten tn die Sphäre0 des Delikts geraten lassen, hat im vollen Doppelsinne seinenEr o o verraten!Es i't selbstverständlich, daß wir Wyneken nicht die sogenannte. Perversität" zum Vorwurf machen. Obwohl selbst ohne jede Inver-sionsneigung, hat der Verfasser dieser Zeilen viel dasür getan, umVerständnis für die„Andersartigen" und die Aufhebung der törich-ten Paragraphen zu erreichen, im Gegensatz zu— Wyneken, der sichsehr intolerant über die Homosexuellen geäußert hat. Wir setzenalso die gleichgeschlechtliche Neigung nicht dem Wesen nach, aber infeiner„Unschuld an sich", der vom Manne zum Weibe gleich, lassendemnach die Frage, ob in diesem Falle die vox populi eine x>x ä-ioder eine vox Rindvieh ist, dahingestellt, um dem Kern des Vor-wurf» nahezukommen, daß Wynekens Verhalten auch auf der nicht-juristischen, sogar auf der wynekenschen Ebene— ein Delikt bedeutet. Jeder Eros hat seine Würde: lieben kann man alles, abernicht ohne Scham. Die Forderung wird lebendig, wenn der psychisch«Eros zur körperlichen Vereinigung und zur physischen Erlösungdrängt, und sie heißt: Reife des Partners! Wenn einerKnaben liebt, so ist es seine Sache— solange es seine Sache bleibt.Man bricht keine Knospen auf, selbst wenn sie sich zuneigen. Als Päd-ogoge kann man, ja muh man um diese Zuneigungen wissen, manweiht sie dein Werk, doch man beutet sie. nicht für sich ausl Diejugendlichen Zeugen berichteten von der schweratmenden ErregtheitWynekens— man leuchtet, Wyneken, aber man erregt sich nicht!Wenn man Führer der Jugend ist... nun wird der Lorwurfnoch schwerer. Wyneken war Autorität, freilich nicht imbürgerlichen Sinne, viel freier, höher— desto verpflichtender.Mockiten ihn die Jungen? wirtlich heftig lieben, so war esdie Liebe zum Helden, und die hat eine Tragik und ein Gesetz:sie zerbricht mit der Distanz. Das mußt« Wyneken wissen:zum mindesten dann, als Ihn die Lieblinge preisgaben. So unrechtdas war, metaphysisch gesehen ha? Wyneken nichts anderes verdient.Und noch mehr. Er war nicht nur vorher nicht, wie man ver-langen dürft«, hart gegen sich selbst, auch hernach nicht. Das Vorherkonnte man ein Irren nennen, das Hinterher nur mehr ein Sich-drücken. Sein Buch„Eros" ist mit Recht von einem bedeutendenVerleger, der einmal zu Wyneken stand, mit der Bepründung ab-gelehnt worden, daß es„verlogen" sei. Mit tausend schönen Wortenund hundert Behauptungen, die alle an sich richtig sind, zumeist welloffene Türen einrennen, geht er um den Kern der Sache wie umeinen heißen Brei herum. Mit diesem Kern könnte er auf einerhalben Druckseite fertig werden, wenn er einen Mut hätte, doch erhat ihn nicht. Er verteidigt seine Stimmungen, als ob die nicktauch Hans bei seiner Trine spürte, bestellt Sokrates zum Ent-lastunaszeugen, als ob das nötig wäre, verleugnet seine Sekrete, umdas Maß der zu einer Verurteilung notwendigen„Tatsachen" zuverkleinern, spricht viel zu lange, viel zu eifrig für ein reines undklares Herz, darum glaubt man ibm zum Schluß nicht reckt, daß ihmdas Urteil gleichgültig sei. Er ist zu selbstvcrliebt. Seine Männ-lichkeit ist mehr Wunsch als Wirklichkeit, es bot nicht gereicht. Imgroßen und ganzen scheint Wyneken. wenigsten» vorläufig, einhoffnungsloser Fall zu sein. Für die Jugendbewegung aber bestimmtein sehr peinlicher. Sie soll oersuchen, ihn zu vergessen, dieweil sichdoch Wrmeken im Grunde nur in bezug auf sich selbst geirrt hat.Mann über Bord— die Fahrt geht weiter!Streik im Deulichen Opernhaus. Das Orchester des DeutschenOpernhauses teilt uns mit,„dast es sich mit großem Bedauern gezwungen gesehen hat, seine Tätigkeit zu unterbrechen. Intendanzund Aussichtsrat haben trotz monatelanger Verhandlungen sich nichtdarüber schlüssig werden können, in welcher Form und mit welche,Gehältern die Orchestermitglieder, deren zehnjährige Derträae m-tdem 1. Oktober abliefen, weiter zu verpflichten wären. Das Orchesterhat zuletzt am 19. d. M. der Belriebs-Aktlengssellschaft eine Fristvon sieden Tagen gestellt, welche diese verstreichen ließ, ohne einebestimmte Erklärung abzugeben, trotzdem das Orchester, dcr Be-triebsrat und der Deutsche Musikerverdand bis zum letzten Augen-blick vcrhandlunqsbereit waren. Die Ungelegenheiten, welche denBesuchern des Theaters durch den Ausfall der Vorstellung ent-standen, bedauert das Orchester aufrichtig, die Verantwortung hier-für muß es jedoch ablehnen."Dazu erhalten wir folgende Mitteilung: Als gestern abendgegen TVi Uhr die Vorstellung im Deutschen Opernhause beginnensollte, legten plötzlich die Musiker ihre Instrumente nieder und er-klärten, heute abend nicht spielen zu wollen. Da alle Verhandlungenscheiterten, wurde das Publikum ersucht, das Theater zu räumen.! Soweit es möglich war, wurde den Besuchern das Geld für die ge-■ lösten Billette sofort zurückgezahlt.Reue Veilragserhöhung der Volksbühne. Die Verwaltung derVolksbühne hat sich durch die anhaltende Steigerung oller.Mai erial-1 preise, Löhne und GeHölter gezwungen gesehen, vom 1. Novemberab die Beiträge für Nachmittagsvorstellungen auf 70 M, für Abend-Vorstellungen auf 100 M.(Oper 110 M.) zu erhöhen. Da die Fol-gen der katastrophalen Markentwertung wohl erst in einiger Zeitzur vollen Auswirkung kommen werden, so ist schon jetzt vorau--zusehen, daß man auch mit dieser Beitragserhöhung auf die Dauernicht wird auskommen können. Zu dem idealen Sinn und derOvferwilligkeit der Berliner Arbeiterschaft darf man trotzdem dasfeste Vertrauen haben, daß sie ihr Wert, die Volksbühne, in dieserschweren Zeit nicht im Stiche läßt.Ouer übe? Europa in Regen und Sturm. Der englische Krön-kurier, der für den General Harrington bestimmte Depcfcheu imFlugzeug von London nach Konstantinopel gebracht hat, ist soebenauf demselben Wege von Konstantinopel wieoer nach der englischenHauptstadt zurückgekehrt. Die Hin- und Rückreise erfol-tte unter denschwierigsten Wittcrungsverhältnissen: trotzdem traf der Kurier immernoch»24 Stunden früher ein, als es möglich gewesen wäre, wenn erauf seinem Weg« die Üblichen Lerbehrsmittel benutzt hätte. DerPilot des Flugzeugs schildert tie Reise als die schlimmste, die er jegemacht hat. Er verließ London auf der Ausreist cm 8. Oktoberund hatte ebenso wie auf der Rückreile beständig mit widmenWinden und mit heftigem Regenwetter zu kämpfen. Ueber Bnisstlging die Reise nach Köln, wo Nachtquartier bezogen wurde. Amnächsten Tage folgte dos Flugzeug dem Rheintal, wobei es sich an-gesichts der dickten Massen tiefziehender Welken und des Reeens inniedrigen Suchten holten mußte. Frankfurt wurde im hichststeitNebel überflogen. Nachdem in Nürnberg der Hoizstoff ergänzt worden war, ging die Reise unter strörßendem Regen weiter bis nachWien, wo bei der Landung der Propeller durch einen im Grase ver-steckten Stein beschädigt wurde. Nach dem deshalb nötig gewordene»zweitäaigen Aufenthalt setzt« da« Flugzeug die Reist über die un-a»nsche Tiesebene fort. Dos ganze Land war überschwemmt. a>-"•?!♦«ts wochenlang geregnet..'.Da ee unmöglich schien, die HSHeo zuüoerfliegen," berichr-le der Pttot,..so war ich gezwungen, südwärtsnach der Donau zu steuern, um zu versuchen, zwischen Berge» durch