Nr. 51839. Jahrgang Ausgabe A nr. 255
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
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Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands
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Donnerstag, den 2. November 1922
Für aktive Währungspolitik!
Die Gewerkschaften an den Reichskanzler.
In einer Denkschrift an den Reichskanzler, an die Reichsministerien und an die Parteien schlagen die Spigenver bände der deutschen Gewerkschaften aller Richtungen Mittel zur Berhütung des meite ren 3erfalls der Markwährung vor. Die Dentschrift hat folgenden Wortlaut:
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Havensteins Vorstoß.
Die Veröffentlichung der Rede des Reichsbankpräsidenten Dr. Havenstein, die bereits am 28. Oktober gehalten wurde, gerade an dem Tage, an dem die Verhandlungen mit aller Verbraucher sowie das Schicksal des deutschen Staates ver in Bug gekommen, hat die innere Debatte über dieses Problem der Reparationsfommission wegen der Stabilisierung der Mart fnüpft. Eine Stüße der deutschen Mark würde u. a. erreicht werden neu eröffnet. Aber nicht nur diese leicht vorauszusehende Wir durch die Einführung einer wertbeständigen inneren Anleihe, die fung spricht für einen fast unbegreiflichen Mangel an allen Teilen der Bevölkerung zugänglich sein und für die eine sichere Urhebern. Denn die Veröffentlichung ist außerdem auch gepolitischem Verantwortungsgefühl bei ihren Dedung geschaffen werden muß. Ob diese sichere Dedung herbeiDie verheerenden Wirkungen des Marksturzes haben zuführen ist durch Heranziehung eines Teils der Reichsbanfgold- eignet, die Verhandlungen mit den ausländischen Unterhändeinen Grad erreicht, der nicht mehr zu ertragen ist. Nicht nur scheis reserven oder durch eine den Geldwertschwankungen sich anpassende, lern, die wahrscheinlich nicht leicht sein werden, wesentlich zu tert jeder Versuch, das Lohneinkommen der Arbeitnehmer der zu reservierende Steuer oder durch eine Solidarhaft der deutschen erschweren. Sie raubt aber auch der deutschen Deffentlichkeit sprunghaft fortschreitenden Verteuerung aller Lebensnotwendig. Crwerbsstände, ist besonders zu prüfen. Kein Versuch, die Mart- den ohnedies geringen Glauben, daß ihre Interessen in den richtigen Händen liegen. feiten anzupassen, sondern den Gewerkschaften wird es immer mehr währung zu retten, darf unterbleiben, der Erfolg verspricht. Herr Havenstein ist einer der zu Verhandlungen mit der erschwert, überhaupt noch Lohnverhandlungen Im weiteren muß eine Gesundung der Staatsfinanzen auf dem zu führen und tarifliche Vereinbarungen zu treffen. Gebiete der Steuererfaffung verlangt werden, die dem Reparationskommission beauftragten Sachverständigen. Neben Schon nach Kriegsbeendigung mußten die ehedem mehrjährigen weiteren Notendrud vorbeugt. Es ist für Arbeitnehmer ebenso un- ihm wirken in gleicher Eigenschaft einige Bankiers und NaTarifabschlüsse durch halbjährliche ersetzt werden. Später zwangen verständlich wie unerträglich, daß ihnen die Steuerabzüge wöchent- tionalökonomen. Alle ohne Ausnahme stehen sie auf dem die Balutaschwankungen der legten Jahre, zu drei-, zwei- und ein lich oder monatlich vom Einkommen abgezogen werden, während Standpunkt Havensteins: nur beileibe nichts tun monatlichen Abschlüssen überzugehen. Auch diese Regel hat dem die Steuereinziehung bei den Unternehmern und und unter feinen Umständen den Goldschatz der Reichsbant raschen Wechsel der Verhältnisse nicht standgehalten. Halbmonat. den befizenden Klassen jahrelang auf sich warten läßt. Eine produktiv verwenden. Alle Sachverständigen, die anderer liche, ja felbft wöchentliche Lohnverhandlungen find Abführung der Steuersummen in fürzesten Perioden muß unter Meinung sind, sind ausgeschaltet. Wir glauben nicht, daß feine Seltenheit mehr. Die rasende Teuerung spottet selbst dieser allen Umständen durchgeführt werden. Für die zu spät eingehenden dieser Zustand, der den ausländischen Unterhändlern doc Bersuche, Schritt zu halten. Steuerbeträge müßten der Geldentwertung entsprechende Buschläge nicht verborgen bleiben kann, ihr zutrauen zu dem guten Willen Deutschland's erhöht. Und wir halten es für dringend erforderlich, daß diese bewußte Einseitigkeit in der Auswahl der Sachverständigen raschestens aufgegeben wird und auch diejenigen Männer zu Worte tommen, die, dem Willen der großen Mehrheit des deutschen Boltes en sprechend, pofitive Maßnahmen zur Stügung der Mark für erforderlich halten.
Jede Neuregelung fommt verspätet, wenn die Preise im Handumdrehen in die Höhe schnellen.
erhoben werden.
Die Devisenordnung bliebe ein Schlag ins Wasser, wenn sie nicht durch eine praktischere Ausgestaltung der Devisenkontrolle er. Ein Tarifabschluß, der beim Infrafttreten schon überholt ist, ver gänzt würde. Es bleibt zu prüfen, ob nicht auch die wirtschaftlichen liert immer mehr praktische Bedeutung. Verbände der Arbeiter und Angestellten zu dieser Kontrolle heran gezogen werden könnten.
Endlich erwarten wir, daß die Verhandlungen zur Nichts hat uns im In- und Auslande bisher so start geErreichung einer Auslandsanleihe zweds Stabilisierung der Mark mit erneutem Nachdruck aufgenommen und durchgeführt gnation unserer maßgebenden Wirtschaftsschadet, wie unsere Tatenlosigkeit, verursacht durch die Resiwerden. Sie werden aber nur dann zu einem Ergebnis führen, freise. Nach ihrer Auffassung ist der Sturz der Mart unwenn zuvor alle Anstrengungen gemacht werden, um der weiteren vermeidlich und das Eindringen fremder Bahlungsmittel in Entwertung der Mark eine Grenze zu ziehen.
Es fann nicht ausbleiben, daß, wenn die Gewerkschaften außer ftande find, die Lohnverhandlungen für die Arbeiter zu führen, sich der Arbeiter eine Unraft bemächtigt. Schon lange leidet die Erzeugung unter den fortwährenden Lohnverhandlungen, an denen die Arbeitnehmer in den Betrieben nicht bloß feelisch, sondern vielfach tätig Anteil nehmen. Die Arbeiten der Betriebsräte häufen sich und die Arbeiter und Angestellten tommen aus den Lohn- und Gehaltserörterungen nicht mehr heraus. Hoffnungen wechseln mit Die Gewerkschaften verkennen nicht, daß nach wie vor das deutlichsten ist diese Auffassung ausgedrückt in einer Zuschrift Enttäuschungen, fein Ergebnis fann sie mehr befriedigen, denn schon Hauptbestreben der Regierung darauf gerichtet sein muß, die uns aus Hamburger Handelstreifen, die das„ Berliner Tageblatt" Die Gewerkschaften verkennen nicht, daß nach wie vor das die deutsche Wirtschaft ein naturgemäßer Prozeß. Am allerbeweisen neue Geldentwertungen und Preistreibereien feine Unzu erträgliche Reparationslast, als die Hauptursache des Wäh- aus Hamburger Handelskreifen, die das„ Berliner Tageblatt" länglichkeit. Der berechtigte Ruf nach Produktionssteigerungszerfalls, auf ein wirtschaftlich erträgliches Maß herabzusehen vom 1. November veröffentlicht: rung bleibt unerfüllt, solange diese Produktionshemmung und zu einem Zwangsvergleich mit der Entente zu kommen Die „ Mit unwiderstehlicher Folgerichtigkeit nimmt dieser Ber fortbesteht. Gewerkschaften verlangen außerdem von der Regierung die Herbei brängungsprozeß der Reichsmart durch wertbeständige Baluten Unsere Wirtschaft bricht zusammen, wenn es nicht gelingt, bald führung einer größeren Durchsichtigmachung der Kartelle, Synditate feinen Fortgang und wird erst beendet sein, wenn nahezu alle wieder ruhige Verhältnisse zu schaffen, vnd Trusts, die teilweise durch eine volfswirtschaftlich schädliche produzierenden und handeltreibenden Kreise die geordnete Verhandlungen und feste Lohnvereinbarungen er Preispolitik den Berfoll der Währung fördern. Ferner ist zu for- ihr Betriebsfapital in wertbeständiger Baluta möglichen. dern, daß mit der schon so oft verlangten und angekündigten angelegt haben." Kann man sich bei solchen Auffassungen, die ja geradezu Die Hauptquelle der Teuerung bildet die ständige Entwertung Sparsamfeit und Vereinfachung in allen öffentlichen des deutschen Geldes. Alle Versuche, die einheimischen Warenpreise Betrieben und Verwaltungen endlich schleunigst Ernst den weiteren Sturz der Mark herbeisehnen, darüber wundern, den Weltmarktpreifen anzupaffen, müssen aussichtslos bleiben, da gemacht wird. Schließlich erwarten die Gewerkschaften von der daß in den Kreisen der hier in Berlin anwesenden neu. deutsche Verbraucher solche Waren nicht mehr faufen Reichsregierung die baldige Borlegung eines großzügigen Pro- tralen Sachverständigen die Auffassung entstanden fönnen. Die Anpaffung der Löhne an den Weltmarkt würde aber duftionssteigerungsplanes, der die Befriedigung der ist, die Depreffion der Mark sei die Folge der Depression der deutschen Wirtschaftstreife? die Wirtschaftskatastrophe nur beschleunigen. Aus diesem Dilemma lebensnotwendigen Bedürfnisse des Volkes sichert. müssen wir durch eine
Stabilisierung der deutschen Mark herauskommen. Sie herbeizuführen ist die dringlichste Pflicht des Reichstages und der Reichsregierung. Die Einschränkung des Devisenhandels durch die Verordnung vom 14. Oftober 1922 war nur ein erster Schritt zu diesem Ziel und würde erfolglos bleiben, wenn nicht weitere ernste Schritte getan werden. Die deutsche Mark als Zahlungsmittel und Wertmesser darf nicht preisgegeben werden, denn mit ihrer Erhaltung ist das Lebensinteresse der arbeitenden Bevölkerung und das Wohl und Wehe
Rom eingereicht.
Die gemeinsam unterzeichneten Gewerkschaften beschwören Wir fürchten, daß diese Auffassung durch die Rede des die Parteien des Deutschen Reichstages und die Reichsregierung, Herrn Havenstein neue Nahrung erhält. Deshalb ist es notnicht länger zu zögern, um der Ratastrophe der völligen wendig, darauf hinzuweisen, daß nicht nur die Vereinigte SoMartentwertung, die zum Zusammenbruch unserer Wirtschaft zialdemokratische Partei und die hinter ihr stehenden Massen führen muß, Einhalt zu tun. der Bevölkerung den Sturz der Mark für aufhaltbar ansehen,
Die Dentschrift trägt folgende Unterschriften: Allgemeiner sondern daß diese Meinung geteilt wird auch von den ArDeutscher Gewerkschaftsbund: gez: Th. Leipart. Allge- beiterschichten, die der Zentrumspartei und der Demokratischen meiner freier Angestelltenbund: gez.: W. Stähr. Deutscher Partei naheftehen. In einer Denkschrift der gemertGewerkschaftsbund: gez.: F. Baltrusch. Gewerkschafts- fchaftlichen Spizenverbände aller Richtun bund Deutscher Arbeiter, Angestellten- und Beamtenverbände gen an den Reichskanzler, die in diesen Tagen übergeben ( H.-D.): gez.: G. Hartmann. wurde und die wir an anderer Stelle zum Abdruck bringen, find die sozialdemokratischen Forderungen zur Stabilisierung der Mart fast wörtlich enthalten.
Botschafter Frassati zurückgetreten. Hissung der italienischen Flagge gezwungen. In ganz Italien wurden Racheatte gegen zahlreiche Sozialisten und Kommunisten Herr Havenstein hat erneut die durch die Verwendung Wie wir bereits angedeutet haben, ift Graf Sforza nicht der verübt. Die Arbeitstammer von Rom wurde in Brand gesteckt des Goldfchazes der Reichsbant zur Stühung der Mark enteinzige Bertreter 3taltens im Auslande, der nicht Herrn Muffolinis und die fommun stischen Stlubs wurden verwüstet, wobei es brei stehende Gefahr des Verlustes dieses Goldes Botschafter fein will. Von der hiesigen Italienischen Boffchaft geht Tote gab. In verschiedenen Orten Apuliens wurden mehrere an die Band gemalt. Demgegenüber ist schon unzählige Male dem WTB. folgende Meldung zu: Gleich nach der Bildung des neuen Arbeitsfammern zerstört, wobei eine Berfon getötet und mehrere pon uns dargelegt worden, daß die Verwirklichung der sozialtalienischen Kabinetts hat Seine Exzellenz der italienische Botschafter verlegt wurden. Im Laufe der Nacht haben viele Fascisten Rom demokratischen Pläne in feiner Weise die Beggabe des In Berlin , Senator Frassati , in Anbetracht der veränderten voll- verlassen Bei einem Zwischenfall in Brescia , wo eine Gruppe Goldes der Reichsbont bedeutet. Denn der Devisenfonds, ber fifchen Lage felne Demission beim Minifter des Auswärt gen in von Fascisten mit Bomben beworfen wurde, gab es einen Toten zur Stügung der Mart erforderlich ist, fann bereits und einen Berlegten. Die Fafciften verwüsteten hierauf die durch die Verpfändung eines Teiles des Reichsbantgoldes, etwa in der Form, die bereits bei der Lösung des Nach einer Havasmeldung aus Rom hat Muffolini die Demiffion foz aliftischen Bereinslokale der Stadt. belgischen Abkommens mit 3uftimmung der Reichsbank anGraf Sforzas mit einem Telegramm beantwortet, in dem es u. a. Kein Parlament aber Börse! gewandt worden ist, gebildet werden. Die von Herrn Havenheißt: Ich muß Ihren Entschluß, zurüdzutreten, bevor Sie mein außenpolitisches Programm fennen gelernt haben, als eine wenig treifen wird die Nachricht von der sofortigen Wiedereröffnung der und man wird den Eindruck nicht los, daß er und das ReichsMailand, 1. November. ( EP.) In Industrie- und Börsen- ftein geschilderten Gefahren sind also gewaltig übertrieben. freundschaftliche und zeitgemäße Handlung ansehen. Börse mit lebhafter Befriedigung aufgenommen. Diese Maßnahme bankdirektorium fich vor allem aus Gründen, die mit dem Mein Programm der Außenpol tik werde ich vor der Kammer auseinanderiezen, und es wird auf alle Fälle nicht eine Summe von Beige, daß die neue Regierung die Krise als überwunden Eigenintereffe der Reichsbant unmittelbar verknüpft sind und mit den voltswirtschaftlichen Interessen der Gesamtheit nichts zu tun haben, gegen die produktive Verwendung des Goldfchazes wenden.
Gefühlen und Empfindlichkeiten sein, wie Sie zu Unrecht annehmen. Ich fordere Sie in aller Form auf, m Amte zu bleiben und der Regierung, die im Augenblick den höchsten Ausdruck der nationaten Gefühle darstellt, teine Schwierigkeiten zu machen.
Heldentaten.
Rom , 1. November. ( EP.) Nach der Parade haben Fascisten bas britische und das amerikanische Generalfonfulat zur
betrachte.
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Der Staatsgerichtshof verwarf in der letzten Sigung die Be. Ihwerde gegen die Auflösung der Jugendvereinigung Die nappfchaft" in Kaffel. Das Verbot der Monatsschrift„ Bolt und Vaterland" in Frenstadt( Niederschlesien) ermäßigte er auf brei
Monate
Alfred Capus , der politische Leiter des Figaro" und sehr be. tannte Luftspielbichter, Mitglied der Akademie feit 1914, ist im Alter von 64 Jahren nach einer Operation gestorben.
Ein solcher Standpunkt ist im gegenwärtigen Augenblick äußerst gefährlich, besonders dann, wenn er von feinerlei besseren oder auch nur anderen Vorschlägen begleitet ist. Denn mit Recht verlangt das Ausland von uns weitere BorSchläge. Es will wissen, wie wir uns die Stabilisierung der Mart denten, es will sehen, daß wir etwas tun, um Besserung