Einzelbild herunterladen
 

Wicklung befinden. Besonders die Gewerkschaft der Lehrer mit über 6000 Mitgliedern steht völlig auf dem Boden der Partei und bildet eine ihrer größten und berechtigsten Hoff- nungen für die Zukunft. Im Mittelpunkt des Parteitages standen die Verhandlungen über die Stellung zur Internationale. Schon während meiner Begrüßungs- rede, die ich zu einem Referat über die internationale Situation gestaltete, schien die Stellung des Parteitages festzustehen, und als ich am Abend des gleichen Tages in einer großen Volks- Versammlung über dasselbe Thema sprach, war ich sicher, daß auch die Arbeiterschaft dem bisherigen Zustand ein Ende machen wollte. Als auf dem Parteitag dann der Beschluß zum Eintritt in die 2. Internationale einstimmig gefaßt wor- den war, kam es zu fortgesetzten stürmischen Ovationen für den internationalen Gedanken. Wirtschaftlich leidet Bulgarien furchtbar unter den Folgen des Krieges. Daneben ist es die ungelöste mazedonische Frage, die nun schon fest mehr als 30 Iahren das politische Leben der Bevölkerung verpestet. Sicher sind es italienische Einflüsse und Geldmittel, die hier am Werke sind, um die Aufmert- samkeit von den italienisch-jugoslavischen Fragen abzulenken. Die mazedonische Bevölkerung selbst hat nur eine große Sehn- sucht: die einer ruhigen Entwicklung. Darin sind Villgaren, Türken, Griechen und Wallachen einig. Sie benützen jede Gelegenheit, um das zum Ausdruck zu bringen. So erschien in Sofia neben einer Vertretung der Armenier, die von der Internationale Hilfe für die ihre Vertreibung aus Konstant!- nopel erwartenden Armenier erbeten, eine Delegation der mazedonischen Föderation aller dort lebenden Nationen. Ihr Ziel, in dem ste die Unterstützung der Internattonale erwarten, ist die Autonomie Mazedoniens , gegebenenfalls unter dem Protektorat des Völkerbundes. Der freie Durchgang zum Meer durch ihr Land würde die serbischen Wünsche erfüllen und Bulgarien den im Friedensvertrag von Neuilly zugesagten, aber bis" heute noch nicht gegebenenkommerziellen Zugang" zum Meere sichern. Aus meinen Eindrücken ergibt sich das eine: Der sozio- listische Gedanke hat im Balkan nicht nur Wurzel geschlagen, er ist auch stark: denn er beherrscht die Kreise der gebildeten Arbeiterschaft. Vor allem aber ist die internationale Sozial- demokratie auch dort die große Hoffnung oller Unterdrückten. Für mich wird der Besuch bei den bulgarischen Sozialisten, wo ich soviel Liebe, Freundschaft und Begeisterung gefunden habe, wie bisher nirgendwo, in ständiger Erinnerung bleiben.

Veutschnationale tzelöengrö'ße. Die Deutschnationalen, die bekanntlich das Vertrauen zum Parlamentarismus verloren haben und das Hauptgewicht ihrer Tätigkeit auf die außerparlamentarische Arbeit verlegen wollen, belästigen seit einiger Zeit die Parlamente mit kleinen Anfragen, über deren Qualttät und Daseinsberechtigung man nur einer Meinung sein kann. In einer dieser Anfragen wurde gerügt, daß der Landrat des Kreises Calau am 27? Juli auf dem Marktplatz in Senftenberg aus Anlaß einer sozialistischen Protestkundgebung eine aufreizende Ansprache ge- halten habe, die zu Plünderungen des Kaufhauses der Ilse-Wohlfahrtsgesellfchaft sowie mehrerer Geschäfte geführt habe. In seiner Antwort stellt Innenminister Severing fest, daß die Plünderungen erst zwei Tage nach der Ansprache be- gannen, daß ein ursächlicher Zusammenhang also nicht vor- liegt. Im G e g e n t e i l hat sich der Landrat unter Einsetzung seiner eigenen Person um die Verhinderung der Ausschreitun- gen bemüht und nicht wenig dazu beigetragen, noch Schlim- meres zu verhüten. Das konnte der deutschnationale Herr, der die Anfrage lanciert hat, natürlich auch selbst feststellen, wenn ihm daran gelegen war. Aber es scheint, daß es den Deutschnationalen mehr auf Massenverhetzung als auf etwas anderes ankommt. Oder ist es etwa nicht aufteizend, wenn es in derS ch l e s i- schenZeitung" heißt:Der deutsche Bürger wird sich nach

dem Vorbild der Fascfften rühren müssen, da in diesem Winter feine Wehrhaftigkeft jedenfalls auf die Probe gestellt werden wird." Aehnlich derR e i ch s b o t e", der in sehr durchsichtiger Verdrehung der Tatsachen der Sozialdemo- k r a t i e die Gewallpolitik der K o m m u n i st e n unterschiebt und daraus die Schlußfolgerung zieht: Wer an die Gewalt appelliert, muß damit rechnen, daß ihm eines Tages wieder Gewalt entgegengesetzt wird. Terror kann nicht mit parlamentarischen Mitteln überwunden werden, sondern nur dadurch, daß man auf einen Schelmen anderthalbe setzt." Was das heißen soll, ist jedem ersichllich, der die deutsch - nationale und deutschvölkifche Psyche kennt. Man predigt den Terror, verleumdet tapfer und stellt sich entrüstet, wenn der Gegensette ein derbes Wort entschlüpft. Das alles enffpricht ganz dem Porträt deutschvöltischer Heldengröße, wie wir es zur Genüge kennen. « Breslau , 2. November. (TU.) Die erste Strafkammer des Breslauer Landgerichts verurteilte den Redakteur derSchlesi, schen Volks stimme* Alfted Müller wegen Vergehens gegen Z 8 des Gesetzes zum Schutze der Republik zueinemMonotGe- f ä n g o i s. Der Angeklagte halle in Nr. 26 des genannten Blattes vom 3v. Juni d. I. unter der SpitzmarkeZwangserziehung zur Republik" undDie Tage der Schmach und Schande" einen Lell- arttkel veröffentlicht, der nach der Anklage eine Beschimpfung der Regierung und insbesondere des Reichskanzlers enthielt. Der Staats- anwalt halle 5 Monate Gefängnis beantragt. Schwerinüuftrie unü sächsischer Wahlkampf. Die BreslauerVolkswacht" veröffentlicht ein Schreiben, das der deutsche Industrieschutzverband an eine Reihe schlesi- scher Industrieller gerichtet hat. Es ist vom 17. Oktober datiert unh hat folgenden Wortlaut: An unser- außersächsischen Mitglieder! Der diesmalig« Landtagswahlkampf in Sachsen ist von außer- gewöhnlicher Bedeutung. Die Wahl wird dafür entscheidend sein, ob die bisherig« reinsozialistsche Regierung, die maßgebend von der kommunistischen Landtagsftaklion bennflußt wird, weiterbestehen bleiben kann. Gewerbe und Industrie, alle Arbeiter haben ein ungemein große, Interesse am Ausfall dieser Wahl, und zwar nicht nur die sächsischen, sondern auch die außersächsischen Betriebe. Denn auch die Rcgierungspolllik im Reiche wird durch das Besteh eu rein sazia- listischer Regierungen in einzelneu wichtigeren Ländern in erheb­lichster weise beeinflußt. Schon die Tatsache, daß die sächsischen, thüringischen, braunschweigischm und anhaltischen Stimmen im Reichsrat nach den Weisungen sozialistischer Regierungen abgegeben werden, ist geeignet, den an sich schon überstarken Einfluß der so- zialdemokratischen Mitglieder der Reichsregierung noch erheblich zu verstärken. Die Sozialdemokratie sucht natürlich ihr Bollwerk Sachsen unter allen Umständen zu hallen und von ihrer Seite fließen'desHall, für den sächsischen Wahlkampf ungeheure Geldmittel aus dem ganzen Reich« zu. Es müssen deswegen ebenso reichliche Mittel von amisozialistischer Seite aufgebracht wer- den, wenn der Wahlkampf für sie erfolgreich verlaufen soll. Deshalb gestatten wir uns, auch an unsere außersächsischen Mitglieder hierdurch die Bitte zu richten, uns Beiträge dafür zur Verfügung stellen zu wollen, wir werden die bei nns eingehenden Beträge zugunsten derfenlgen Parteien, die den Sozlaldemokralen gegenüberstehen, verwenden nnd sie deren Wahlfond» zuführen. Bsiträgs ufw. Das Schreiben zeigt, welche Bedeutung man in bürger- lichen Kreisen der sächsischen Landtagswahl beimißt. Die Schwerindustrie scheut kein Opfer, um die sozialistische Mehr- heit im sächsischen Parlament zu brechen. Ein Parteiunterschieb im Lager der Bürgerlichen soll nicht gemacht werden. Man geht zur Generaloffensive gegen die Sozialdemokratie über und hofft bei einem Wahlsieg in Sachsen auch auf die Ent- wicklung im Reich und in anderen Ländern einen Einfluß ge- Winnen zu können. Es ist selbstverständlich, daß sich die

Sozialdemokratie nicht vom schwerindusttiellen Kapital zurück- drängen lassen darf. Die ungeheuren Geldmittel. die chr in dem Schreiben angedichtet werden, stehen ihr zwar nicht zur Verfügung, um so energischer wird aber ihr g e i- stiger Abwehrkampf sein. Es wäre interessant zu er- fahren, welche bürgerlichen Parteien in Sachsen für die Ein- heitsfront des rollenden Dollars zu haben sind. Auf diesem Prinziv läßt sich ein vortreffliches Programm für eine bürger- liche Ärbeitsgemeinfchast aufbauen. Die Gelüfammlungen für Techow. Wie bereite ftt der Presse verschiedentlich mitgeteilt worden war, hatte die Inhaberin eines Ladengeschäftes in der Nähe der Technischen Hochschule, Charlottenburg , durch Aushang zu einer Listenzeichnung zugunsten de§ wegen Beihilfe an der Er- mordung des Ministers Tr. Raihenau zu Jahren Zuchthaus verurteilten Ernst Werner Techow aufgefordert. Dem Amt» lichen Preußischen Pressedienst zufolge hat die Abteilung I» de? Berliner Polizeipräsidiums sogleich daS Strafverfahren gegen die GeschäftSinhaberin wegen Vergehens gegen Ziffer 8 des ß 7 des Gesetzes zum Schutze der Republik eingeleitet, nach dem die Aussetzung von Belohnungen auf Gewalttätigkeiten gegen Mit- glieder einer republikanische» Regierung deö Reiches oder eines der Länder mit Gefängnisstrafe von S Monaten bis 6 Jahren, resp. mit hohen Geldstrafen bedroht werden. Außerdem ist die Zeichnungsliste beschlagnahmt worden, ebenso auch daS darauf gesammelte Geld._ Anfange einer Jusiizreform. In der ersten Sitzung der Kommission zur Ausstellung eines Entwurfs einer neuen Zivilprozeßordnung führte Reichsjustizminister Dr. Radbruch in einer einlellenden Ansprache über die Zille des Gefetzgebungswerkes u. a. aus: Der aus einem vergangenen Zeitpunkt geborene Prozeß fei in seiner Schwerfällig- kell und Langsamkell dem Volke völlig entfremdet. Der Unwille weiter Kreise richte sich aber nicht gegen da» Prozeßgesetz, sondern gegen die, die es anwenden, gegen die Justiz. Ebenso wie gegen die Strasrechtspflege der Vorwurf der Klassenjustiz werde gegen die bürgerliche Rechtspflege derjenige der Weltfremdheit der Richter erhoben, der doch eigenllich und wesentlich nur der Zeit» - fremdheit eines überalteten Gesetzes gelte. Aus solchen Stimmungen i heraus ergebe sich die Flucht aus der ordentlichenJustiz, 1 die wir jetzt mit Besorgnis erlebten, die Flucht der kleinen Objekte in die Sondergerichtsbarkeit und die der großen Objekte in die Schiedsgerichtsbarkeit. Die ordentlich« Gerichtsbarkeit drohe zu einer Ruine zu werden, gerade noch gut genug, um daraus Steine zu brechen für den daneben zu errichtenden Renbau der Sonder- g e r i ch t e. Gerode die Gebiete, die der ordentlichen Justiz ent- zogen werden sollten, seien ober diejenigen, aus denen sich am ehesten die Erneuerung ihres sozialen Geistes ergeben könne. Nur eine kräftige und schnelle Reuordnung der Justiz könne ihrer fort- schreitenden Aushöhlung durch die Sondcrgerichtsbarteit und die Schiedsgerichtsbarkeit Halt gebieten. In der zweitägigen Beratung besprach die Kommission die wich- tigsten grundsätzlichen Fragen der Reform. In einigen Wochen wird die Aussprache fortgesetzt werden. Außer dem Referenten des Reichsjustizministeriums und Vertretern der preußischen und bayerischen Justizverwaltung gehören der Kommission an Reichs- gerichtsrat Dusch- Leipzig, Oberlandcsgerichtsprösident Dr. L e n i n, | Draunschweig, Professor Stein- Leipzig, Iustizrat Dr. Magnus- Berlin und als korrespondierendes Mitglied Rechtsanwalt Fuchs- Karlsruhe. Dem Brannschwllgischen Landtag ist«in Initiativantrag der Bürgerlichen Vereinigung aus Abänderung der braun- schwei gischen Versassung, sowell sie sich aus den Land­tag bezieht, zugegangen. Donach soll die Landesversammlung künftig nur aus 36 Abgeordneten bestehen. Ein Antrag Käfer (D. Dp.) fordert die Herabsetzung der Zahl der Abgeordneten von 60 aus 40. Da» Kartell Republikanischer verbände veranstaltet am 9. Ro- vember, nackmitlag« 4 Uhr, auf dem Dönhoffplotz eine Massen- kundgebung für die Republik und die Opfer de« Weltkrieges.

Der vergiftete Schlaf. Don Emil R a t h- Schönholz. Diebe. Ehrabschneider, Ehebrecher bestraft man mit Gefängnis, Kupple? und Kupplerinnen, Giftmischer, Raubmörder und andere ihrer Zunft mll Zuchthaus aber keine Strafe kennt da» Gesetz für jene, die uns den Schlaf morden. Nicht eine Nacht, nein, in hundert, tausend Nächten. Nicht den Schlaf eines Menschen, nein, den von Millionen. Auch ichschlief einst still und harmlos", wie nur Jugend schlafen kann: einen tiefen und doch leichten Schlaf, umsäumt von Vignetten luftiger, lichter, goldener Träume. Oft kehrte mir ein Traum wieder. Blauer Himmel spannte sich' unendlich weit, und unter ihm grüne, blumengefprenkelte Wiese und ich wanderte mit offenen Augen und offenem Herzen durch Sonne und Singen, durch Blumen und Blau. Und wenn mich das Erwachen wieder in den Tag trug, zehrte mein Herz bis zum Abend von seinem stillen Traumglück. Und setzt? Bald träume tch, ich fitze wiederum auf der Schulbank. Und ob ich schon einer der Begabtesten war: eine gräßliche Angst, etwas vergessen zu haben, stecken zu bleiben, foltert mich, wirft mich im Schlaf von einer Seite auf die andere, treibt mir Schweißperlen kalt und unbarmherzig auf die Stirn und ich segne da« Erwachen. Oder: ich bin im Traum wieder Soldat, eingezwängt in den lustigen bunten" Rock , die Freude und Sehnsucht der Mädchen von einst. Wäre ich wach, würde ich dieses Soldatspielen lächerlich finden: stall der Gewehre tragen wir Spazierstöcke, und während der Feld, webel nach altgewohnter Weise brüllt und wettert, singt der Unter» ofsizier vor mir ein gröhlend unzüchtiges Lied. Aber dann kommen die Griffe und mit ihnen die Herzensangst: wehe dir, wenn du einen Griff vermurtsestl Und das Unglück ist geschehen: der Spazierstock entgleitet meinen Händen, und wie eine feurige Wildsau kommt schnaubend derSpieß" angebraust, hebt die Hand zum Schlag ich halte abwehrend den Fuß vor, er brüllt:Warte, du Schwein, heute abend* Ich kann mir diese Drohung nicht deuten, aber sie ist hier der Inbegriff eines furchtbaren Schicksals, das damokles- schwerthast über mir hängt. Und dann Kompagnieexerzieren(will denn der Traum gar kein Ende nehmen? Ich weiß, daß ich träume und werde nicht wach...).i,, Kompagniefront links mar­schiert auf marsch, marsch!" Ich laufe wie besessen ich kann nicht mehr. Und dann wieder die schneidende Stimme:Wer nicht Richtung hält, wird heute abend erschossen!"... Boll sei Dank, ich bin wach. Und dann wieder die Frontträume... Granatenheulen. Todes- angst, Verwundetengestöhn. Fiebergekreisch... und Erwachen in schweißdurchtränkten Kissen... Wenige Tage vor dem Ausbruch de»reinigenden Stahlbad es"

hatte meine Mutter zwei kleine Träume: Kletterrosen bluteten stell an einer hohen Wand hinauf, daß sie in Glut versank. Und: sie schritt durch ein unermeßliches, reifes Aehrenfeld. Da kam ein Reiter, ritt stolz an ihr vorbei, und die Häupter der Nehren sanken schwer zu Boden, ohne sich wieder zu erheben. Meine Mutter glaubte, daß nach sieben mageren Iahren sieben fette kommen würden. Nein, Mutter: jener Reiter war der Krieg, und die zertretenen Aehren, die vor uns den dunklen Weg gingen, sind der gemordete und oergiftete Schlaf von Abermillionen

Don Pasquale ". Diese köstliche Buffo-Vper Donizettis haben wir oor Jahresfrist von den Münchenern unter Bruno Walter ge- hört und waren von Stil, Aufführung und italienischer Singkunst entzückt. Nun bringt die Große. Volksoper mit Fleiß ein nicht mehr ganz erkennbares, unbeschwingtes Operchen heraus, dessen leichtes Tempo und blühendes Leben von einem ernsten Orchester, von einem steifen Tenor(E i s e n b e r g), von einer gezwungen spielenden und gezwänkt trillernden Soubrette ertötet wird. H ö ß- l i n ist für diese Partitur ein zu schwerfälliger, zu wenig nachgeben- der Dlngent, die Normo der Valerie Do ob ist ganz fehl am Ott. Sie kennt gerade die Noten, und wenn es hlxy hergeht im Spiel und Gesang, ist sie in Verlegenheit und macht ein bitterböses Gesichtchen. Es ist ein anderes, auf dem Podium Arien zu singen, ein anderes, auf der Bühne gleichzeitig menschlich, schelmisch, ge- wandt, biegsam und gelenkig zu spielen. Die Ivogün kann das. Valette Doob singt mit den Blicken am Kapellmeister und verhaspelt sich in den Koloraturen. Mit dieser entscheidenden Rolle ist die Aufführung leider gettchtet: wer erst im vorletzten Bild und nicht gleich bei der berühmten ersten Glanzarie in Beifall untergeht, hat versagt. Ganz im Till aufgegangen ist Ludwig Montier, der verlorene Sohn, den man mit all seinen scharfen Nuancierungen und seinem klaren Gesang wieder lieb gewann. Auch Wilhelm Guttmann ist zu preisen: sein Malatesta war ein Labsal an weichen Tönen und beredter Schauspielkunst. Er band und verband die auseinanderfallenden Teile der Szene wie ein guter, kluger Re- gisseur, ein Weltmann und ein Sänger von Geschmack. St. S. Brunnbr ade? Wie dieTelegraphen-Union"«rfähtt, ist der literarische Sachverständige im Berliner Polizeipräsidium Prof. Karl Brunner vom Amte suspendiert worden. Als Grund wird ange- geben, daß nach dem Muster der Berliner Polizei auch andere Polizeiämter eine sogenannte schwarze Liste von Büchern angelegt haben und daß an der Spitze der Frankfurter Liste ein Buch von Brunner steht. Prof. Brunner ist bereits nach Bayern abgereist, wo er künftig seinen Wohnsitz nehmen will. Eine Bestätigung dieser Nachricht war gestern abend ntcht mehr zu bekommen. Hoffentlich ist nicht der Wunsch allein der Vater der Nachricht. Daß der Reigen-Vater nach Bayern verziehen sollte, wäre ein gutes Symbol für seinestaatserhaltende" Tätigkeit. Und daß der Betämpfer der Unsittlichkeit und Schundliteratur über seinen eigenen Schund gestürzt wäre, sogar ein guter Treppenwitz der Standalgeschichte.

»Körperbau und Charakter"'. Der uralte Wunsch, aus dem Aussehen des Menschen seinen Charakter zu erkennen, scheint semer Erfüllung entgegenzugehen. In der Praxis wurden und werden schon immer Rückschlüsse vom Aussehen eines Menschen aus seine Vlych« gebildet, denn jeder bildet sich sofort ein« Meinung über sein Gegenüber. Ader was man bis jetzt an Theorien darüber hotte, war Empirie, waren unbegründele sich oft widersprechende Meinungen. Jetzt endlich bemächtigt sich die Wissenschaft dieses Gebietes, und zwar kommt die erste Arbeit von der medizinischen Seit«. Dr. Ernst Kretschmer , der Tübinger Neurologe und Psychiater, hat auf Grund der Beobachtungen an psychisch Erkrankten entsprechend den großen �rankheilsgebieten (manisch-depressiv und Dementia praecox) zwei Konsliculions- typen(pyknisch und schizophren) festgestellt. Er untersuchte die Temperamentsäuberungen, die Charaktere, die Naturanlagen dieser Typen, dehnte die Untersuchungen über den Kreis des Krankenhauses aus, und da ergab es sich, daß alle Menschen einen der beiden Typen an sich tragen, physisch und psychisch, so daß die Krankheit nur m, Pathologische gesteigertes Maß darstellt. Nun hat Kretschmer«inen Merkmalsbogen ausgearbeitet, der die physischen Unteffchied« und die Charakteranlagen eines jeden der beiden Konstitutionstnpen ent- Hält, so daß wir jetzt wstande sind, sowohl au» dem Aussehen de» Menschen seine allgemeinen Anlagen, wie au» den Ehorakteräuße- rungen auf seine Konstitution zu schließen. Kretschmer hat seine Untersuchungen in fesselnder Weise an der Hand zahlreicher Bilder in dem BuchKörperbau und Charakter"(Julius Springer , Berlin ) erläutert und dann sein System an Charakteren verschiedener berühmter Männer durchze- fühtt. Das Ergebnis ist«in« unzweifelhafte Parallelität zwischen Temperament und Körper, und zwar in folgender Art: den zwischen Heiter und traurig, zwischen beweglich und behäbig pendelnden, natürlichen, weichen, abgerundeten Typen entspricht der pyknisch« Körperbau. Dieser zeigt starke Umfangsentwicklung von Kopf, Brust. Bauch, Neigung zum Fettansatz, gedrungen« Figur: die Ge- slchtsform entspricht Cinem flQchen Fünfeck oder breuer Schildform. Im Gegensatz zu diesem Typus schwankt der Schizophreniker zwischen Ueberempfindlichkeit und Indolenz, zwtschen Zerfahrenheit und Zähigkeit, ist oerhalten, sprunghast, steif, und hat«inen entweder mageren, schmalaufgeschossenen, muskeldunnen Körper mit flachem Brustkorb oder ist ein Athlet mit derbem, ausladendem Körperbau, mit plumpen' Extremitäten(jedocy ohne die typische Rundlichreit des Pytmters). Sein Gesichtsprofit zeigt einen spitzen Winkel oder eine lange Nase. Der athletische Korper trägt meistens einen derben Hochkopf(Turmschädel). Das Gesichtsoval ist eine stelle oder eine oerkürzte Eiform. Was hier nun gegeben ist. ,st»a nur ein Anfang, ein« erst« auf wissenschaftlicher Untersuchung gewonnen« Merkmalstabell« für psycho-phystschen Zusammenhang. E» ist noch ein weiter Weg zu durchschreiten, bis man den Charakter au, dem Aussehen eindeutig bestimmen wird, aber die Wissenschaft wird den eröffneten Weg bi» zu Ende schreiten._ M C h a r o l. In der �iaatSoper tvird Varbara K e in v am i?onniaa in der .Rolent-valiett.Slutsüwing die Mersch-. Hin und m der kommenden»»ch« am Mittwoch w der.Mona Lisa ' die Titelpartte singen.