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Nr. 521 39. Jahrgang Ausgabe Br. 253

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Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

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Freitag, den 3. November 1922

Die Börse im Taumel.

Der Dollar springt auf 6500!

Die pessimistischen Ausführungen des Reichsbankpräsiden- scheinlich keine Aenderung in der gegenwärtigen englischen Politik ten über die finanzielle Lage Deutschlands wirken immer noch herbeiführen wird, hatte sie doch günstigen Eindrud auf die fran ungünstig auf die Bewertung der Mark im In- und Auslande ein. Gestern wurde in New York die deutsche Mart bereits zu Kursen gehandelt, die einem Dollarftande von 5714 Mr. entsprechen. Heute fette daraufhin in Berlin eine beispiel. lose Hausse am Devisenmarkt ein; der Dollar wurde gegen Mittag mit 6450 m. gehandelt.

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Politik oder Brot?

Zu den deutsch - polnischen Wirtschaftsverhandlungen. Bon Dr. Alfred Nossig.

Wir geben den folgenden Aufsatz, der interessante außenpolitische Perspektiven enthüllt, wieder, ohne uns mit allen seinen Einzelheiten zu identifizieren. Red. d. Borw.". ösische öffentliche Meinung gemacht. In Berlin fanden wir den Kanzler und den Finanzminister bereit, alle Anstrengungen zu Mehrfach hat der Borwärts" seine Leser darüber unter­machen, um der Reparationsfommission Einblid in die genaue Lage richtet, daß die deutsche und die polnische Re­Deutschlands zu geben. Das Problem selbst ist außerordentlich gierung, in richtiger Erfenntnis der verzweigten wirtschaft­[ chwierig. Das Hauptproblem liegt darin, einen Weg zu finden, um lichen Interessen, welche ungeachtet aller politischen Konflikte wird erst dann erwogen werden, wenn das Problem gelöst sein wird. handlungen über alle gemeinsamen Wirtschafts- und Verwal­die Mark zu stabilisieren. Eine internationale Anleihe die beiden Nachbargebiete eng miteinander verknüpfen, Ver­Eine Anleihe ist unmöglich ohne Stabilisierung der Mark. tungsfragen in Dresden eröffnet haben. Für diese Berhand­lungen, denen weite Ziele gesteckt wurden- darunter der Ab­schluß eines umfassenden handelsvertrages-, ist ein großer Delegierten und Beamtenapparat geschaffen worden. Seit etwa zwei Monaten arbeiten nun in Dresden die ver­schiedenen Kommissionen. Das Ergebnis ist aber bis jetzt ein recht mageres, obwohl, wie rückhalilos zugegeben werden soll, beide Vertretungen von ernstem und aufrichtigem Verständi­gungswillen erfüllt sind.

An der Effektenbörse geht die katastrophale Hauffe in be­fchleunigtem Tempo vorwärts. Die Kurssteigerungen ließen Als ich vor einigen Wochen einen Plan vorlegte, um die finanziellen fich gegen Mittag noch längst nicht übersehen. Ernste Beob- Schwierigkeiten Deutschlands zu lösen, war die Situation noch viel beffer. Die Mart stand damals 200 zum Dollar; heute steht fie achter der Vorgänge an der Börse sind allerdings der Meinung, 6000. Deutschland borgt täglich vier Milliarden Mart von der daß sehr bald diesem Hauffetaumet ein um so furchtbarerer Reichsbant aus. Das ist schredlich. Es will mir scheinen, als Rückschlag folgen fann. Vorläufig dauert aber unter der Ein- ob das deutsche Budget nur durch brastische Maß­wirkung des neuen Marksturzes die Kauftätigkeit des in- und nahmen wieder ins Gleichgewicht gebracht werden fann, und wir ausländischen Publikums an. Wirtschaftliche Momente finden wollen solche Maßnahmen suchen. so gut wie gar keine Berücksichtigung mehr. Es spielt sich an der Börse eine wahnsinnige Flucht vor der Mark ab.

Bradburys Befürchtungen.

Keine Anleihe ohne Stabilisierung der Mark. Paris , 3. November. ( EE.) Der englische Vertreter in der Reparat onstommission, John Bradbury, erklärte dem Ber. treter der Chicago Tribune": Wenn die Reparationstommiffion fein Auskunftsmittel findet, um die Mart zu stabilisieren und das Gleichgewicht ins Budget zu bringen, so fürchte ich, daß

Deutschland denselben Weg wie Oesterreich gehen wird. Die Atmosphäre bei ben gegenwärtigen Berhandlungen ist nicht ungünstig. Obwohl die Demiffion Lloyd Georges wahr

Bonar Laws Außenpolitik.

Für ein Einvernehmen mit Frankreich . London , 3. November. ( WTB.) In seiner gestrigen Rede erklärte Bonar Lam noch, über die Beziehungen zwischen Frankreich und England sprechend: Es besteht tein Zweifel darüber, wie diese Beziehungen sein müssen. Wir haben wirklich gemeinsame Ziele, obgleich in der Zukunft ebenso wie in der Bergangenheit große Meinungsverschiedenheiten bestehen können mit Bezug auf den Weg, diese Ziele zu sichern. Bir können Frankreich flar machen, daß wir seine Freunde sind und daß wir einsehen, daß jeder Bruch des Einvernehmens zwischen den beiden Ländern für beide und für die Welt verhängnisvoll fein würde. Wir können versuchen, ein Uebereinkommen zwischen den Franzosen und uns zu erzielen, da wir erkennen, daß, wenn wir ein Uebereinkommen nicht erzielen tönnen, ein Chaos in Europa die Folge sein wird.

Ueber Italien sagte Bonar Lam, er habe eine freundschaft. liche Mitteilung des neuen Oberhauptes der italienischen Regierung erhalten und sie namens Englands erwidert. Es fei Englands Pflicht, da, wo es tönne, Italien praktisch seine Freundschaft und feine Sympathien zu beweisen.

Mussolini gegen den Terror.

Rom , 3. November. ( TU.) Mussolini hat gestern die Anführer der fascistischen Miliz zu sich berufen und später auch die Vorstände der Polizeiverwaltungen und Truppen, um ihnen strenge Anweisung zu erteilen, daß den fascistischen Ausschreitungen gegen Sozialisten und Kommunisten ein Ende gemacht werden müsse. Jeder, der sich noch eine Ausschreitung zuschulden kommen lassen werde, werde Streng bestraft werden.

Bradbury erklärte meiter, daß es notwendig wäre, die Berantwortlichkeit zwischen der Reparationsfommiffion und der deutschen Regierung zu teilen. Wenn die Reparationskommission eine Kontrolle von Paris aus ausüben würde, so entständen zwei Gefahren. Die eine wäre die, daß Deutschland erklären würde, daß die Ratschläge der Repara­tionskommission unmöglich erfüllt werden könnten. Wenn aber Deutschland diese Ratschläge annehme und wenn diese dann zu feinem Erfolg führten, so würde man der Reparationstommiffion die Schuld hieran zuschreiben. Infolgedessen solle die Reparations­tommission ihren Siz nach Berlin verlegen, um im Ein­verständnis mit der deutschen Regierung eine Kontrolle herbei­zuführen.

fei überzeugt, daß die Interessen des Friedens und der Zivilisation cm besten gefördert werden könnten durch loyale Freundschaft und Bufammenarbeit zwischen den Regierungen der alliierten Mächte.

Jugoslawische Besorgnisse.

Gewiß liegt dies zum großen Teile an dem äußerst tom­plizierten Charakter der erörterten Materien und den tech­nischen Schwierigkeiten, welche Verzögerungen bedingen. Aber es spielt auch noch ein anderes hemmendes Moment mit. Bor­wiegend in Polen , in gewissem Sinne aber auch in Deutsch­ land machen sich seit einiger Zeit gewisse politische Einflüsse geltend, die die angebahnte wirtschaftliche Verständigung zu hintertreiben, zum mindesten aber tunlichst hinauszuschieben versuchen, und zwar unter dem Vorwande, daß das An­fnüpfen enger wirtschaftlicher Beziehungen mit einem an= deren Lande vorteilhafter wäre.

Das Spiel ist recht verwickelt, da die wirtschaftlichen Inter­effen verschiedener Mächte einander gegenüberstehen und jeder Schachzug durch einen gegnerischen durchkreuzt wird. So tann hier nur auf die Hauptmomente hingewiesen werden.

Ein starker Gegensatz besteht zunächst zwischen Frank­ reich und Deutschland . Frankreich will es nicht ruhig mit ansehen, daß Polen , sein politischer und militärischer Bundes­genoffe, fich wirtschaftlich vorwiegend an Deutschland anlehnt. Der französische Einfluß in Warschau ist also den deutsch­polnischen Verhandlungen jedenfalls nicht günstig. Dieses Belgrad , 2. November. ( WTB.) Anläßlich des Fascisten. Moment hat aber in der legten Zeit an Schärfe ein wenig ver­einfalles in Suschat und der Verlegung der Grenze Südslawiens loren, da das Ringen zwischen Frankreich und Deutschland um fand ein Ministerrat statt, in welchem über die Maßnahmen beraten die wirtschaftliche Expansion nach Osten sich nunmehr auf ein wurde, welche notwendig feien, um neuerliche Berlegungen der anderes Reich erstreckt, nämlich auf Rußland . Grenze zu verhüten. Die Armeefommandanten in Agram und Die Sowjetdiplomatie hat es verstanden, in Frankreich Sarajewo wurden beauftragt, die nötigen Borkehrungen für mög- die Ueberzeugung zu wecken, daß England in Verbindung mit liche Zwischenfälle zu treffen. Inzwischen besuchte der hiesige Deutschland die wirtschaftliche Exploitierung Rußlands mono­italienische Geschäftsträger den Minister des Aeußern und gab der polisieren würden, wenn Frankreich nicht rechtzeitig ebenfalls Berficherung Ausdruck, daß die italienische Regierung von dem auf den Plan träte. Daher die Reise Herriots nach Wunsche durchdrungen sei, mit den Nachbarstaaten freundschaftliche auf den Plan träte. Daher die Reise Herriots nach Beziehungen aufrecht zu erhalten.

Untersuchung gegen Konstantin.

Athen , 3. November. ( WTB.) Wie die Blätter melden, soll der frühere König Konstantin, dessen Verantwortlichkeit für den zu fammenbruch in Kleinafien festgestellt ſei, ersucht werden, vor bem Untersuchungsausschuß zu erscheinen, widrigenfalls er mit der ersten Gruppe der Angeklagten Gunaris, Stratos, Baltazzi usw. vom Kriegsgericht in Abwesenheit abgeurteilt werden soll. Der Pro deß gegen die Angeklagten foll im Laufe der nächsten Woche beginnen.

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Pogromagitation in Litauen .

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Ein unmöglicher Finanzminister. Litauen Bogrome gegen die jüdische Bevölkerung Kowno , 3. November. ( Eca.) Unser Freind" meldet, daß in wiederum im Gange find. Die antefemitische Propaganda hat nach der Melbung einen solchen Umfang angenommen, daß sich eine be Graf Sforza nach Rom berufen. sondere jüdische Delegation an den Finanzminister wandte und ihn Paris , 3. November. ( EE.) Graf Sforza wurde von Mussolini um Erklärungen und Beruhigung der jüdischen Bevölkerung bat. bringend nach Rom berufen, um mit dem Ministerpräsidenten zu Der Minister Petrulitsch antwortete wörtlich: Bogrome müssen fonferieren. Er wird heute abend abreisen. Erst nach der Kon- fein und werden sein, und wenn die blinden Massen Ihre Geschäfte ferenz wird es sich entscheiden, ob die Demiffion Sforzas als end. plündern und ausrauben, werde ich nicht einen Finger rühren, um gültig angesehen werden muß. Dem römischen Matin"-Rorrefpon- Euch zu retten!" Diese Erklärung des litauischen Ministers rief be­Denten zufolge würde Graf Sforza, falls er es weiter ablehnen sollte, greiflicherweise unter der jüdischen Bevölkerung eine ungeheure Auf mit der gegenwärtigen Regierung zusammenzuarbeiten, vor den regung hervor. Obersten Gerichtshof gestellt werden. Kowno , 3. November. ( Eca.) Die polnischen, jüdischen, deutschen, Paris , 3. November. ( BTB.) Nach einer Meldung aus Rom russischen und weißrussischen Minderheiten haben gemeinfam be­schlossen, ihre Bertreter aus dem Sejm zurückzuziehen, so daß in dem hat Graf Sforza Muffolini geantwortet, er habe den Entschluß, tommenden litauischen Sejm nur bie litauische Bevölkerung vertreten feine Demiffion einzureichen, infolge der Erflärungen gefaßt, die fein wird. Muffolini in seiner Rebe in Neapel abgegeben habe. Er fei von dem Bunfche befeelt gewesen, der Regierung feine Verlegenheiten zu Die amerikanischen Wahlen. Nach einer Blättermeldung aus

Mostau.

Gleichzeitig aber operiert die Sowjetdiplomatie sehr geschickt in Warschau mit dem wenig verhüllten Zweck, Bolen zu veranlassen, seine alten, engen wirtschaftlichen Be verfügbaren Hilfsquellen dem Aufbau Rußlands zu ziehungen zu Rußland wieder aufzunehmen und alle widmen. Damit verbinden sich Bemühungen, die darauf ab­zielen, Bolen vom Abschluß des Handelsvertrages mit Deutsch­ land zurückzuhalten. Insbesondere wird Polen vor der Ge­währung des Transits an Deutschland gewarnt, da Deutschland bei einer Erleichterung des Transports Rußland mit seinen Waren überschwemmen und der polnischen Industrie

auf den russischen Märkten den Absatz streitig machen würde. Diese Suggestion hat in Bolen starten Widerhall gefunden und sogar zu einer viel bemerkten Rundgebung gegen die Dresdener Berhandlungen geführt.

land. Es versucht, Deutschland zu bewegen, die mit ihm ge­Und noch auf einer dritten Klaviatur spielt Sowjetruß troffenen wirtschaftlichen Vereinbarungen auch auf alle mit ihm föderierten Republiken, wie die Ukraine , Grufien, Asser­beidschan, Tschita , Turkestan usw. auszudehnen.

Bei dem gegenwärtigen Stande der deutschen Produktion und der valutarischen Lage ist es aber taum möglich, daß Deutschland sowohl Polen als auch den mit Sowjetrußland föderierten Republiken gegenüber umfassende wirtschaftliche Verpflichtungen übernähme. Es muß den Hauptteil feines Exportes für die valutastarken Länder reservieren und hin­sichtlich des für den Osten verfügbaren Restes eine Ent­che i dung treffen. Die Erfahrungen, welche es bis ießt mit Sowjetrußland gemacht hat, ermuntern Deutsch­ land feineswegs zu einer sofortigen Ausdehnung des wirtschaftlichen Abkommens auf das ganze Gebiet der Sowjetföderation. Washington sind die Wahlen für die Erneuerung eines Drittels der Es mag vielleicht dem auf weite Sicht arbeitenden und Mitglieder des Repräsentantenhauses und des Senates auf den felbst ein Risiko bei eventuell hohen Gewinn nicht scheuen­7. November festgesetzt worden. den Großtapital erwünscht erscheinen, sich in den russischen London , 3. November. ( WTB.) Auf die Begrüßungstelegramme Mussolinis haben Bonar Law und Curzon geantwortet, sie hat die Arbeiterpartei bei den Gemeinderatswahlen in London fifern, denen die neueste französische Orientierung Sowjet­Die englischen Gemeinderatswahlen. Nach den letzten Berichten Föderativrepubliken zu engagieren. Es mag dies auch Poli­teilten Mussolinis Wunsch nach fortdauernder Solibarität und 220 Gige verloren. Bei den Wahlen in den Provinzen sind bis rußlands nicht zu denken gibt, als vorteilhaft gelten. Mit den Freundschaft zwischen ihren belden Ländern. Die britische Regierung gestern abend von 574 Arbeiterfandidaten 350 unterlegen. berechtigten Interessen des arbeitenden Volkes

bereiten.

England und Italien .