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Nr. 555 ZH. Jahrgang

Seilage öes Vorwärts

Ireitag. 24. November 1422

Das/lbfti'mmungsverfahrenimStaötparlament Die Sozialdemokraten fordern mehr Unterstützung für die Armen.

Die Stadtverordnetenversammlung, die so oft mit den Umständlichkeiten der Abstimmungen ihre Zeit hat vertrödeln müssen, beschloß gestern einige Aenderungen des Ab st im- mungsversahrens� Aber ein Versuch der Deutschen Volks- Partei, kleinen Fraktionen die selbständige Herbeiführung nament- licher Abstimmungen unmöglich zu machen, wurde durch die ver- einigte sozialdemokratische Fraktion vereitelt. Der von unseren Genossen eingebrachte Gegenantrag, die Unterschriftenzahl nicht auf 25, sondern auf 15 zu beniesten, drang mit knapper Mehrheit durch. Wie sehr im übrigen das Verfahren bei namentlichen Ab- st i m m ii n g e n in anderer Hinsicht längst abänderungsbedürftig war, sah man gerade gestern bei der Abstimmung über den deutsch - nationalen Antrag zu dem vielerörterten deutschnotional-kommu- nistischen Zirkuskrawall. Dieser Antrag wurde gegen die Linke mit ganz knapper Mehrheit von den bürgerlichen Parteien angenommen, aber hinterher stellten einige unserer Genossen fest, daß bei der Protokollierung sonderbare Irrtümer vorgekommen waren. Die Abstimmung wird in der nächsten Sitzung wiederholt werden müssen. » In der gestrigen Sitzung wurde zunächst in der Fortsetzung der Beratung der Anträge betr. die in der Frage der Besoldungs- ordnung vom Magistrat erlassene Sperrversügung ein Antrag der Sozialdemokraten angenommen, der mit Rücksicht auf die durch dos Schreiben des Oberpräsidenten geschaffene neue Si< tuation die Zustimmung zu den vom Magistrat daraufhin getroste- nen Maßnahmen ausspricht, für die weitere Klärung der Rechtslage ober neuerliche Verhandlungen in einer gemischten Deputation in Aussicht nimmt. Nachdem Genoste Dr. L o h m a n n diesen Antrag empfohlen, um dadurch die sofortige Auszahlung von Bezügen an di« Beamten zu ermöglichen, ließ der Magistrat durch den Stadt- syndikus Lange die Bereitwilligkeit zu weiterer Verhandlung erklären. Die Redner des Zentrums, der Deutschen Volkepartei und der Deutschnational-m sprachen sich für den Antrag aus. Den Antrag der Deutschen Dolkspartei, statt der Auszählung Zettelabgabe einzuführen und gleichzeitig die Unterstützung für den Antrag aus namentlich« Abstimmung auf 25 Mitglieder festzusetzen, be- gründete der Vorsteher Dr. C a s p a r i. Don den Sozialdeniokratvn war die Herabsetzung von 25 auf 15 Mitglieder beantragt. Mit dieser Aenderung, welche"der Möglichkeit vorbeugt, die Kommunisten- fraktion, wie Dörr fürchtete, auf diesem Gebiete zu entrechten, gelangte der Antrag der Deutschen Volkspartei zur Annahme. Die Dringlichkeitsvorlage des Mogistrats auf Aufnahme«iner 21 n« leihe von 300 Millionen zum Ausbau der Fleifch-Groß- Markthalle ging an den Hauptausschuß. Mit 95 gegen 93 Stimmen nahm die Versammlung dann in namentlicher Abstimmung den Antrag der Deutschnationalen auf Sicher- stellung der Versammlungsfreiheit lim Anschluß an die Borgänge vom 15. Oktober am Zirkus Bulch) an, worüber am 16. November die Versammlung beschlußunfähig geworden war. Heber die Satzungen nebst Richtlinien für das Zlachrlchienwesen der Stadt Berlin berichtete ausführlich F l a t a u(Soz.). Der Ausschuh hat dem am 6. März 1922 vorgelegten Entwurf zugestimmt und eine Anzahl von Erweiterungen empfohlen, die besonders die Ausgestaltung des Gcmeindeblattes betreffen. Genosse Dr. W e y l zollte der tüchtigen Arbeit des Ausschustes und seines Unterausschustes alle Anerkennung, empfahl daneben dem Magistrat für seine Verordnungen und Der- fügungen eine bessere, klare und einfach«, leicht ver- ständlich« Srach« und verlangte von ihm, daß er auf Angriffe gegen den Magistrat alsbald durch das Rachrichtenamt amtliche Berichtigungen folgen laste. Von Thomas(DVp .) wurde die vom Ausschuß befürwortete Einrichtung eines Inseratenteils beim Gemeindeblatt bekämpft, von R u t s ä tz sDnat.) tunlichste Sparsamkeit auch auf diesem Zweige der städtischen Verwaltung (�fordert und demgemäß die Schaffung neuer journalistischer Amts- tellen abgelehnt. Dave(Dem.l und Lange(Z.) sprachen di« Zustimmung zu den Ausschußoorlchlägen aus, von denen sie, ohne sich Illusionen hinzugeben, ein besteres Funktionieren des Noch- richtenamts sich versprechen. Bürgermeister Ritter hielt es für unmöglich, von Ausnahmefällen abgesehen, dem Verlangen des

Dr. Wenl zu entsprechen, ebenso sei die Forderung der journalisti- schen Ausgestaltung des Gemeindeblattes zu beanstanden, schon au- finanziellen Gründen. Dr. W e n l hielt den Rednern der Rechten' entgegen, daß die Vertreter der Rechten im Ausschuß für den Inst- ratenteil gestimmt hätten; gegen den Magistratsvertreter machte er geltend, daß es sich nicht um persönliche Empfindlichkeiten, sondern um das Slnsehen der Stadt Berlin handle. Die Ausschuhfassung wurde unverändert angenommen. Die Einrichtung von verkausshäuschen auf öffentlichen Plätzen, wozu der Ausschuß die bezüglichen Verträge mit 3 Unternehmern zu genehmigen beantragt, machte Linke (Dnot.) zum Gegenstand eines Einspruchs; wieder einmal habe der Magistrat die Versammlung llnks liegen gelassen und sie vor ein loit accompli gestellt. Auch Ka s e l o w s k'y(D. Vp.) verwahrt« sich dagegen. Ebenso protestierte die Wirtschaftspartei durch K i n s ch e r. Genoste P a t t l o ch(Soz.) hielt den drei Protestlern vor, daß die Gegnerschaft sich sehr einfach daraus erkläre, daß bei der öffentlichen Ausschreibung der eine oder der ander« ausgefallen sei. Am Alexanderplatz habe die Stadt Millionen dadurch gespart, daß dem betr. Reflektanten die unter- irdische Anlage der Bedürfnisanstalt auf seine Kosten zur Bedingung gemacht sei. Von Verschandelung könne ebensowenig mit Recht gesprochen werden wie von einem Herabgehen der Konjunktur. Der Demokrat R o s e n t h a l hielt den Gegenstand auch nicht für geeignet, zu einer Stoatsaktion aufgebauscht zu werden. Di« Vorlage und die Verträge wurden genehmigt. Dr. Steiniger (Dnat.) beantragte, die Borlage wegen Ausgabe von 2 Milliarden Berliner Notgeld an einen Ausschuß zu überweisen. Kämmerer Dr. K a r d i n g stellte fest, daß es sich dabei nicht um Aufnahme einer schwebenden Schuld, noch um Beschaffung von Betriebsmitteln handelt, sondern darum, dem Mangel anklein ein" Papiergeld abzuhelfen, wogegen Sicherheit in barem Gelds von den beteiligten Firmen zu hinter- legen sei. Möglich sei ja, daß nicht alles Notgeld nach 2lblauf der Umlaufsfrist zurückfließe, sondern daß etliche Millionen dabei für die Stadt erübrigt werden. Daraus hin zog Dr. Steiniger seinen Antrag zurück, und die Dersammlung nahm die Vorlage gegen den Widerspruch der Kommunisten einfach zur Kenntnis. Ein« G e- schäftsordnungsdebatte entstand, als Dr. Hertz(Soz.) konstatierte, in der Abstimmungsliste über den Antrag der Deutsch - nationalen betr. die Versammlungsfreiheit irrtümlich mi�Ja" statt mitRein" aufgeführt zu fein. Stadto. S e i p k e(Soz.) stellt« fest, daß er laut und deutlich mitRein" gestimmt habe, während in der Liste ein Abstimmungsvsrmerk bei feinem Namen fehle. An- dererfeits wurde mitgeteilt, daß Herzog(Dnat.) als mitNein"' stimmend ausgeführt ist, während er unzweifelhaft mitJa" ge- stimmt habe. Nach einigem Hin und Her wurde das Ergebnis da- hin berichtigt, daß der Antrag mit 96 gegen 95 Stimmen an- genommen sei. Der Ausschuß zur Beratung d«r Verträge über die Nordsüdbahr. hat den Gesellschaftsvertrag mit der Hochbahn abgelehnt, so daß der schon früher genehmigte Betriebsvertrag bestehen bleibt; der Strom- lieferungevertrag wird genehmigt, dem Vertrag zwischen der Stadt und der Nordsüdbahn-A.-G. wird zugestimmt. Von Dörr lKomm) wird hierauf erklärt und von Koch kDnat.) bestätigt, daß auch D i t t m a n n(Soz.) in der Liste als fehlend aufgeführt ist, während er mitNein" gestimmt hat. Unter diesen Umständen nimmt der Vorsteher die Wiederholung der Abstimmunq für die nächste Sitzung in Aussicht. Dem..Phil» harmonischen Orchester" wird eine weitere Beihilfe von 700 000 M. gewährt. Für die Errichtung einer Stadtschulinspektor- stelle in Treptow trat Genosse Dr. Lohmonn ein, während Dr. E a s p a r y besonders aus finanziellen Erwägungen für Ab. lehnung auch dieser Stelle plädierte, da von einer eigentlichen Schul- austicht hier keine Rede sei. Oberstadtschulrat P a u l s e n gab sich große Mühe, den Posten für Treptow bewilligt zu erhalten; Schul- Verwaltung und Schulaufsicht müßten in einer Hand liegen. Dr. Löwen st« in(Soz.) wies darauf hin, daß die Erfparnistaktit der Deutschen Dolkspartei sich nur im Groß-Berliner Osten bewähre, aber z. B. in Charlottenburg nicht geübt worden sei. Die Stelle für Treotow wurde mit 91 gegen 83 Stimmen abgelehnt. Die Borlage wegen Erhöhung der Gewerbe- st euer ging an den Ausschuß zurück. Di« Versammlung be­

willigte schließlich den vom Magistrat angeforderten Betrag von 6 8 Millionen für die Verstärkung des Etats der offenen Armenpflege aus Anlaß der Teuerung und nahm gleichzeitig einen Antrag Heymonn-Dr. Wenl an, der die vom Magistrat in Aussicht genorn. mensn erhöhten Unterstützungshöchstsätze beträchtlich weiter erhöht. Schluß HIO Uhr.____ Winter vor der Tür. Die Skunks, die Nerz , die Nutria-Pelze haben schon Hochsaison. Damen schwelgen im Glücke ihrer äußerlichen Schönheit und die Herrenwelt begeistert sich an der Pracht der Kostbarkeiten. Man hat das Gefühl, als seien wir Deutsche«in reichbegütertes Volk, und alle Pelzträgerinnnen und-träger täuschen sich über das pofi« tive Elend hinweg, etwa wie ein bankerott gegangener König. Die Welt muß sich selbst täuschen, um bei guter Gesundheit zu bleiben. » Noch haben wir im' Zimmer wonnige Wärme. Jene Wärme, die Sybariten gebrauchen, um sich wohl und mollig zu fühlen. Draußen geht ein eisiger Wind, so wie der Winter ihn aus- zuweisen hat und Tausende frieren im Gegensatz zu dir und mir. Das ist kein fybaritisches Leben, dos jene führen, das sind die Spuren einer zerrissenen Zeit. Zerrissen sind die Fetzen ihrer Kleider und in Stücke gegangen ist das arme, gequälte Gehirn der Obdachlosen, der Parias. Der Winter steht vor der Tür und graues Entsetzen wandert wie ein hohläugiges Nachtgespenst durch die Straßen der Großstadt, während Pelzverbrämte die frische, kalre Luft als gesundheitförderndes Mittel betrachten. * Die Schaufenster grinsen vor Wohldehagen... Das sind die Berge der Glückseligkeit... Warme Stoffe, Kleider, Mäntel, Pelzel Und geschickt geschichtet tausend Magenherrlichkeiten... Gibt es eine Not und wo ist das Entsetzen? Leierkastenton! Zwei Töne fehlen... Die Lunge des Instrumentes ist rissig, genau wie beim Besitzer. Flickt den Leierkasten, flickt den Bettler! Der Wind weht scharf und die Woltenschwaden jagen dahin; der Wind schlägt die kaligewordene Brust des Mannes und quält Gesicht und Händ« mit seiner rücksichtslosen Peitsche... Ein Bein von Fleisch und ein hartes, hölzernes! Der Magen knurrt und revolutioniert. Einer aus dem Asyl des Elends. Mensch!... Wärme, Imbiß... Das Wenige mir... man ist genügsam wie der Hund an des Reichen Tür... Der Winter lauert hinter der Ecke; die Menschen reden schon von der stillen Nacht, von der heiligen Nacht... sie rüsten mit Bienenfleiß... * Und Frauen und Männer in weichem Pelz gehen vorüber wie des Glückes Auserwählte. Was liegt ihnen an den Anderen?! Und durch den winterlichen Herbstabend tönt der Leierkasten mit der Zerfetzten Lunge... Hegen üen Kohlenwucher. Eine bemerkenswerte Verordnung hat am gestrigen Tage der Landrat h es Kreises Teltow erlassen. Der Landrat Le» stimmt, daß Kohlenhändler eiwa auf Lager vorhandene Brikett» mengen, die von den Gruben noch vor dem 16. November 1922 abgeholt sind und mithin zum alten Preise eingekauft waren, auch noch zu diesem Preise verkauft werden müssen. Die neu«intreffenden Lieferungen sind getrennt von den alten Beständen einzulagern. Die neuen Kohlen- preis« sind auch erst mit dem heuligen Tage in dem Kreise Teltow in Kraft gelreren. Der Landrat gibt bekannt, wer gegen diese Verordnung verstößt, wird mit Gefängnis oder mit 200 000 Mark Geldstrafe bestrafl; auch wird dem Händler der Fort« berrieb des Handel« mitKoblen sofort entzogen. Hoffentlich wird diese Verfügung bei der nächsten Preiserhöhung auch seitens der Berliner Behörden in ganzer Schärfe zur An- Wendung gebracht. Berufung in die wucherabkeilung. Der sozialdemokratische LandtagSabgeordneie Gärtig-Breslau ist zum Regierungsrat ernannt und der Wucherabteilung des Berliner Polizeipräsidium« zugewiesen worden.

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Die Welt ohne Sünde. Der Roman einer Minute von vicki Baum.

Abends, beim Schichtwechsel, warf die Fabrik Menschen aus ihrem Tor. In der Stadt wachten die Ruinen auf. Im Dunkel strich es zackige Gassen hin. klomm Treppen auf, lun- gerte um di« gotischen Winkel der großen Kirche. An d«n Staatsmagazinen pfiff«iner laut. Die Tore waren ver- schlössen, obwohl es keine Diebe mehr gab. Ein helles Fenster- auge blinzelte auf die Straße und den Platz. Vielleicht stand sogar ein Posten im Schatten.... Bernward pendelte unten durch die Straßenschlucht, er war vergnügt und am Arm hing ihm«ine Dame, ein unbc- greiflich vergesienes Wesen aus Rockrauschen, Schleierslattern, Fedeniwippen, Parsüm.Heilige und Propheten!" sagte Bernward.Hier wird man eine Gedenktafel errichten; bei diesem Stückchen feuchten Pflasters, über das du gehst, meine Schönste; hier ist zum erstenmal gemordet worden in dem ge- fesneten Paradies von Anselmus Gnaden. Nun fangen wir die biblische Geschichte von vom« an. Seligkeit, Radieschen- züchten und Grasfresssn laß deine Nasenflügel in Ruhe, Isabell, ich kann dieses Gesicht nicht schen. Wann reist du mit mir in die Welt?" Das weiß ich heute nicht. Bielleicht morgen. Oder viel- leicht gar ns." Eine ausgezeichnet« Antwort, Liebchen. Es hat eine 'Zeit gegeben, wo man Theater baute und Opern aufführte, und in den Opern gab es weibliche Wesen, die ein ähnliches umfassendes Programm ihres Wesens entwarfen. Wann also, Isabell, Liebchen?" Ich heiße nicht Liebchen" Aergcrt dich das? Hübsch. Wo warst du die Woche lang? Höre"sagte Isabell und blieb stehen.Ich tue muner, lvozu ich Luft habe. Ich gehöre dir nicht und nie- tttandem» merke es dir. Heute bin ich bei dir. Porige Woche war ich anderswo. Anderswo. Es geht dich nichts an. Ich bin frei.". O nein. Liebchen, nicht frei. Arbeitest du? Rein. Dienst du? Rem. Du bist keine Grasfresterm, du nicht. Wo- von willst du leben, süßes Drohnchen?. Wir sind ein aeord- peter Staat sagt Anselmus/

Isabel! lacht« eine kurze blitzende Rakete.Ich�ache und man gibt mir, was ich brauche. Ich kann«ine Kunst, die ihr alle nicht könnt; Anselm nicht auf seine neue Art und du nicht auf deine alte Art. Ich kam glücklich machen sage, du. kann ich glücklich machen? Weißt du nicht, daß sie da hinterm See ein senhastes Haus für mich bauen? Michael wird es bauen. Der Freuds, steht über dem Tor. Ich werde drinnen wohnen wenn ich will. Bern , wenn ich will. Ich und die andern, die so sind wie ich." So wie du sind keine andern." sagte Bernward, ver- finstert vor zorniger Begierde. Ilabell sah seine Zähne an und das Muskelspiel an den Schläfen.So mag ich dich" sagte sie leiser.Das ist schön, das liebe ich so sehr; euch ohne Maske zu haben. Sonst bist du nur ein Narr, Bern , wie Anselm«in Narr ist; aber das in euren Augen mag ich. Es treibt mich zu vielen Männern: wenn ich einen sehe, dann denke ich, wie ist er, wenn er küßt? Eure Augen dann und eure Stimme, wenn ihr euch selbst vergessen habt das ist schön. Einer schreit, wenn er mich spürt und einer zittert unll einer ist ganz stumm das liebe ich an euch, ihr starken Tiere Du bist schamlos," murmelte er mit Schleiern vor den Augen. Ich bin schamlos? Gut. Laß häßliche Frauen Scham haben." Jsabcll warf die Arme in die Luft, ihre Hüsten schwangen sich unmerklich in beredter Drehung.Komin." sagte der Mann erstickt. Schwarze Tarwölbung schluckte sie auf. In der nächtlichen Stadt pfiffen Schatten Signale, rattengleich über Ruinen huscheich. In dieser Nacht lag Anselmus wach und weinte lautlos in Lindes warmes Haar. Bor geschlossenen Augen sah«r den Mond, der über die Stadt wanderte und einen Augen- blick lang sein grünes Licht im dunkelfeuchten Blutmal der Straße widerspiegelt«. Die Fabrik lud Apparate und Börries-Ersindungen in die geleerten Salzschiffe, di« grenzwärts fuhren. Schon trieb ein plötzlich einbrechender Frühwinter ihnen erste Eisschollen ent- gegsen, flußabwärts und bis an die Ruinen der großen Brücke, an denen noch immer unkenntlicher Auswurf des Flusses sich staute. Freiwillige bargen dort Tpeibholz. das naß und grün daherfchaukelte, kostbar im holzarmen Land, sonst faul und wenig nütz. In den Hütten froren sie. Bei der Kohlenzuteilung stand wieder das Murren auf wie am

Tag des Salzes. Anselmus, von einer Schlaffheit gestreift, leerte die Magazine, teilte alles aus; abends stieg Rauch aus allen Hütten, er atmete tief und konnte schlafen. Der kleine Staat fraß Kohlen. Die Fabrik fraß Kohlen, die i Herde im Dorf, die Krankenhäuser und Baracken am Stadtrand. Leonhardt der Doktor tauchte auf, seine Brillengläser waren vom Frost beschlagen. Er erzählte von Kindern, die hohes Fieber hatten und dabei frieren mußten. Anselmus gab ihm Kohlen. Christina erschien und war ernst, obwohl ihr rundes Kugelgesicht nicht anders tonnte als lachen, mit Backen, die glänzten und kleine Lichtreflere auffingen. Das Mutterhaus war im Spätherbst fertig ge- worden, da lagen nun Wöchnerinnen und Neugeborene, da gab es Kinder ohne Eltern und Mütter ohne Mann, alles wurde aufgenommen, das schutzlos war und gebar oder ge- boren wurde. Anselmus gab die letzten Kohlen dahin und ließ das Magazin dann offen stehen. Bernward strich vorbei und pfiff sich ein kleines Liedchen. Das Auto trompetete sich durch das Land. Bcrnward hatte«ine Dame neben sich, die hinter Mütze und Brille verborgen war. Das Auto kam wieder. An dem Tag, da eine Kolonne von tausend neuen Frei- willigen nach dem Kohlenwerk wanderte, wo die sechsstündige Schicht um zwei Stunden herausgesetzt werden mußte, wurde damit begonnen, neben Bernwards Haus ein Fundament aus- zuheben. Ich baue«in Hotel," verhieß Bernward. Bermvard baute also ein Hotel, mitten in den Trümmern der zerbrochenen Stadt. Es arbeiteten zuerst zwanzig Män- ner für ihn. dann fünfzig, auch Frauen fanden sich ein. schlepp- ten Ziegel an und rührten in zischenden Kalkgruden herum. Mau lud Bernward vor. Man sagte ihm:Das Gesetz ver- bietet, andere für sich-arbeiten zu lasten, weißt du das?" Gewiß. Ich baue ein Haus, das kann ich nicht allein. Auch ihr habt euch bei euren'Hütten geholfen." Unsere Helfer arbeiten steiwilliz." Meine Helfer auch." Der Staat gibt seinen Helfern für ihre Arbeit, was sie brauchen: Land, Saat, Heizung, Kleidung" Run also. Wohlan. Auch ich bezahle meine Helfer/ Das Gefetz verbietet Geld, Zahlmittel und bezahlte Arbeit." Kortschnug folgt.)