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Nr.614 39.Jahrgang Ausgabe A nr. 303

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Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

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Sonnabend, den 30. Dezember 1922

Bonar Laws acht Punkte.

Im Laufe des gestrigen Tages ist der Holzkonflikt gen versucht, die neue englische   Regierung werde dem französischen  erheblich in den Hintergrund des öffentlichen Interesses gerückt. Sanktionsplan zustimmen. Tatsache sei, daß die englische Regie Die Rückwirkungen des Beschlusses der Reparationskommission rung der Besetzung der Ruhr oder der Errichtung einer Zollgrenze und des Auslegungsfommuniqués über den Begriff vorsätz- im Ruhrgebiet   nach wie vor ablehnend gegenübersteht. Bonar lich" dauern zwar in allen beteiligten Ländern noch an, das Law gehe nur aus dem Grunde nach Paris  , um Hauptinteresse aber fonzentriert sich jetzt auf den Repara- feinen Standpuntt Poincaré   tlar auseinander­tionsplan Bonar Laws, den wir weiter unten be- 3 useßen. sprechen. Die Times" schreiben: Frankreich   fucht offensichtlich die Be Das von uns in der gestrigen Morgenausgabe veröffent- deutung der Sanktionen herabzumindern dadurch, daß es diese lichte und besprochene neue Kommuniqué der Reparationsfom- allein zu ergreifen beabsichtigt. miffion, wonach die Verfehlung Deutschlands   bei den Holz- Die Daily News" erklärt: Frankreich   trage gegenwärtig eine lieferungen doch vorsäglich" gewesen sein soll, erfährt ungeheure Berantwortung. Es werde von der Ergrei­von zuständiger Seite" eine scharfe Zurückweisung, die vom fung der Sanktionen abhängen, ob Amerika   sich an den euro­BTB. gerade zu einer Zeit verbreitet wurde, in der die Abend- päischen Angelegenheiten interessiert oder sich davon endgültig zu ausgaben der meisten Berliner   Blätter bereits gedruckt werden. rückziehen werde. Wir möchten bei dieser Gelegenheit die Pressestelle der neuen Reichsregierung darauf hinweisen, daß ihr Lebenszwed nicht darin bestehen kann, ihre Mitteilungen regelmäßig und justa­ment zu solchen Stunden zu verbreiten, in denen die Redaf­tionen nichts mehr damit anfangen können.

31. Juli d. J.:

Danach hat Deutschland   aus vorhandenen Beständen und durch Abtretung von Eigentum aller Art im In- und Ausland insgesamt 36 610 450 000 Goldmark

entrichtet. In dieser Summe find u. a. enthalten die Ansprüche, die Deutschland   an feine ehemaligen Berbündeten hatte und auf die es verzichten mußte, der Wert des abgelieferten Eisenbahnmaterials, der Saargruben, des Reichs- und Staatseigentums in den abge­

tretenen Gebieten und der ausgelieferten Handelsflotte. Dazu kom men Sachlieferungen im Werte von 1847 Millionen Gold mart   und Barzahlungen in Höhe von rund Milliarden Cpbmart.

Der Daily Expreß  " fordert den Rückzug der englischen Truppen aus dem Rheinlande, nicht, um dadurch die Haltung Frankreichs   zu mißbilligen, sondern um Frankreich   zu zeigen, daß England ihm die volle Berantwortung für seine Ganttions­politik überlasse.

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Ueber diesen Plan, den Bonar Law   gestern dem britischen Kabinett unterbreitet hat, veröffentlichen die liberalen Daily News" folgende bemerkenswerte Einzelheiten:

Dieser Plan habe noch keine endgültige Gestalt angenommen. Seine Hauptgrundzüge tönnten jedoch mit einiger Sicherheit an­gedeutet werden:

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1. Herabsehung der Reparationsverpflichtungen Deutsch­ lands   auf eine Summe, die innerhalb der Leistungsfähigkeit Deutschlands   liege, und energische Maßnahmen für den Fall eines deutschen   Verzuges.

2. Zusammenfassung der deutschen   Verpflichtungen gegenüber den Alliierten in einem einzigen 3ahlungsplan.

3. Befreiung Deutschlands   von allen Zahlungen während der ersten drei oder vier Jahre und Ermäßigung der Zahlungen während einer weiteren furzen Periode.

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3

Postscheckkonto: Berlin   375 36 Bankkonto: Direktion der Diskonto- Gesellschaft, Depofitenkasse Lindenstraße 3 Laws und dem Gemisch von Deflamationen, Paragraphen reiterei und gewalttätigen Gesten, aus dem die Politik Poincarés besteht, so ungeheuer groß, daß man kaum zu hoffen vermag, er fönnte auf der Pariser   Konferenz überbrückt werden. Ein voreiliger Optimismus ist daher leider nicht am Platze. Aber wir halten es für notwendig, daß die Reichs­regierung deutlich zum Ausdruck bringe, daß die acht Punkte Bonar Laws auch für sie eine Grundlage bilden, auf der eine Verständigung leicht zu erreichen wäre. Mussolini   meidet Paris  .

Mussolini   läßt offiziell bekanntgeben, daß er der Pariser  Ronferenz nicht beiwohnen wird. Er begründet diesen Entschluß mit den ungenügenden diplomatischen Vorbereitungen der Konferenz, die eine rasche Einigung nicht erhoffen ließe. Vielmehr habe die Haltung Frankreichs   in der Holzfrage wieder einmal die französische   Politik in einen entschiedenen Gegensatz zur englischen gestellt. Außerdem wolle er nicht, daß seine Anwesenheit im Aus­lande Kundgebungen hervorrufe, die die Ruhe des gastgeben­ben Landes stören könnten. Hier liegt der Hase im Pfeffer: Mussolini  , der sich bereits auf der Reise nach London   in Paris   nicht aufgehalten Seite, da in Paris   viele Tausende von italienischen Arbeitern, dar­unter zahlreiche Anarchisten, wohnen. Noch vor wenigen Tagen ist in Paris   ein italienischer Fascist von Landesgenossen auf offener Straße ermordet worden. Italien   wird auf der Konferenz durch den Botschafter della Torretta pertreten sein.

hatte, befürchtet offenbar Attentate von fascistenfeindlicher

Dagegen wird Lord Curzon Lausanne   verlassen, um Bonar Law   zumindest bei Beginn der Konferenz in Paris   zu unterstützen.

Das Franzosenmilitär im Saargebiet. Eine straflose Verfehlung.

Uebrigens enthält die lange Erwiderung der zuständigen Selbstverständlich fehlt es auch nicht in Frankreich   selbst Stelle nichts, was wir nicht bereits in unserer gestrigen an Stimmen, die diesen neuen Fehler der französischen   Regie­Morgenausgabe zur Widerlegung der juristischen Purzelbäume rung auf das schärffte fritisieren. So schreibt das Pariser Ge­des Herrn Barthou ausgeführt hatten. Mit Recht betont aber werkschaftsblatt Peuple", der von Barthou   erzielte Spruch darüber hinaus die offiziöse WTB.- Meldung, daß selbst im fönne nur die Ueberzeugung verstärken, daß Frankreich  Falle einer vorfäßlichen Verfehlung Deutschlands   die Alliierten fänder und teine Reparationen wolle und daß noch immer nicht das Recht zu territorialen Sant- es mehr Interesse an einer Gewalthandlung als an tionen befäßen. Der Versailler Vertrag sieht für diesen Fall einer Einigung befize. Saarbrüden, 29. Dezember.( Mtb.) Eine Denkschrift der ausschließlich Maßnahmen wirtschaftlicher oder finanzieller Irgendeine Gefahr, daß Frankreich   wegen der Holz- Landesratsfraktionen, auch der sozialdemokratischen, an den Völker­Art vor. geschichte felbständig Maßnahmen ergreife, besteht jedenfalls bund stellt fest, daß Fassung und Anordnung der Bestimmungen Bei der Gelegenheit dieses Beschlusses der Reparations- bis zum Ausgang der Pariser   Konferenz nicht. Es ist übrigens des§ 30 der Anlage zu Abschnitt 4 des Vertrages von Versailles  fommission, aus dem Frankreich   wegen einer Holzmenge im anzunehmen, daß die Angelegenheit auf der Konferenz nur eine ergeben, daß die Regierungskommission ihre allgemeine Verpflich­Werte von etwa zwei Millionen Goldmark das Recht zu groß- untergeordnete Bedeutung haben und Frankreich   feineswegs tung, Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten und den Schutz der zügigen Sanktionen herleiten möchte, veröffentlicht der" So- zum Borteil gereichen wird. Vielmehr hat Bonar Law   französischen Gruben zu sichern, nur mit solchen Mitteln erfüllen zialdemokratische Parlamentsdienst" eine interessante 3u- die Absicht, einen neuen vollständigen Repara darf, die nicht mit den Sonderbestimmungen der Absätze 1 fammenstellung der bisherigen Gesamtleistungen des tionsplan vorzulegen und er wird dabei sicherlich wenig und 2 dieses Paragraphen in Widerspruch stehen. Besonders die Deutschen Reiches seit dem Waffenstillstandsabkommen bis Neigung verspüren, seine Zeit mit Telegraphenstangen und französischen und englischen Texte, in denen die Worte ,, seule une ähnlichem Zeug zu vertrödeln. gendarmerie local" und ,, only a local gendarmerie" durch Vor­anstellung hervorgehoben sind, schließen die Möglichkeit, irgendein Militär im Saargebiet aufrechtzuerhalten, vollständig aus. Der Bölkerbundrat hat am 20. Juni 1921 dieselbe Auffassung vertreten, indem er in einer Entschließung der Regierungskommission ausdrück­lich die Verpflichtung auferlegte, die Anwesenheit der französischen  Truppen nicht zu einer Dauereinrichtung werden zu lassen, son­dern sobald als möglich die örtliche Gendarmerie auszu bauen. Die Regierungskommission habe aber tatsächlich diese örtliche Gendarmerie nicht ausgebaut und in 2% Jahren nur 155 faarländische Gendarmen eingestellt. Wenn die Regierungs­tommiffion eine Sicherheitstruppe von mindestens 4000 Mann für das kleine Gaargebiet verlange, so liefere sie selbst damit den Be Zur Erfüllung des Friedensvertrags hat Deutschland   außer meis, daß ihre Politik nicht vom Vertrauen der Bevölkerung diesen Summen bis zum 31. Juli über 56 Milliarden Papiermark getragen wird. Die Denkschrift fragt, mit welcher Begründung heute gezahlt, von denen allein 14 Milliarden auf das Konto der Be­noch französische Gendarmerie im Saargebiet vorhanden sei fahungstruppen entfallen. Zur Begleichung der laufenden Aus­und besondere Berwendung bei der Grenzüberwachung, Paßkontrolle, gaben, die durch den Friedensvertrag notwendig wurden, mußten 4. Diese Befreiung brauche nicht ein vollständiger Erlaß zu sein. polizeilichen Bernehmungen und der politischen Ueberwachung der 5. Eine Summe von 50 milliarden Goldmart, ver- Bevölkerung, ferner bei der Kontrolle des Schulbesuchs saarländi­Verpflichtungen von 186 Milliarden Papiermarf eingegangen wer­den, davon allein 151 Milliarden Mart in der Beit fellt auf eine gewiffe Zahl von Jahren, könne als angemessen gelten. fcher Rinder in den französischen   Volksschulen Verwendung von 1. Mai d. I. bis zum 31. Juli Bom 1. Auguft bis 6. Deutschland   müsse durch günstige Distontierungsver- finde, mit welcher Begründung außerdem die französischen   Mili­30. November b. 3. mußten ferner über 139 Milliarden neuer einbarungen, die möglicherweise den gegenwärtigen Wert der tärgerichte noch heute Zivilpersonen aburteilen. In einem vom schwebender Schulben aufgenommen werden, um die zur Erfüllung gesamten Summe auf die von einer bekannten franzöfifchen Finanz- Völker band verwalteten Gebiet werde eine Truppenmacht ge= des Friedensvertrags notwendigen Devisen zu beschaffen. Benn autorität vorgeschlagenen 30 milliarden vermindern könnte, halten, die nicht dem Völkerbund, sondern dem französischen   Kriegs­man weiter berücksichtigt, daß Deutschland   mit der Abtrennung jeder Beweggrund gegeben werden, felne Verpflichtungen richtig zu minister untersteht und überdies noch Wohnungsnot hervorruft und großer Gebietsteile fast ein Drittel seines Bermögens erfüllen. Dies könne Deutschland   natürlich nur mit Hilfe von ganze Schulgebäude beschlagnahmt hält. Der wahre perloren hat, dann fommt man zu dem Ergebnis, daß äußeren Anleihen fun. Grund der Anwesenheit der französischen   Truppen sei die Unter­7. Frankreichs   besondere Rolle bei einer Regelung würde in stüßung der französischen   Propaganda und der aller­der Annahme deutscher   Reparationsbonds, vielleicht folcher einer dings zur Aussichtslosigkeit verurteilte Versuch, durch Ein­besonderen Kategorie, analog den Bonds der Serie C, zum Zwede schüchterung die Bevölkerung reif für den Anschluß an Frank­Selbst angenommen, diese Zahlen, insbesondere die der Bezahlung der alliierten Schulden an Großbri- reich zu machen. Daraus erfläre sich die Bereitwilligkeit Frank­lettere, mären etwas zu hoch gegriffen und müßten bei einer tannien bestehen und vielleicht außerdem auch darin, daß ihm reichs, die großen Unterhaltungskosten zu tragen. detaillierten Nachprüfung etwas herabgesetzt werden, so steht seine Schulden teilweise gestrichen werden. Mit Bezug Dorten an die Reichsregierung. es außer Zweifel, daß Deutschland   seit Kriegsende Vermögens- auf die nichtgestrichenen Schulden tönne eine Abänderung des merte abgetreten hat, die in der Weltgefchichte einzig da Grundfahes der Balfour  - Note, wodurch eine gewiffe Be in dem er ihre Unterstühung für seine Losreißungs. Herr Dorten hat an die Reichsregierung einen Brief gerichtet, stehen und die es jedenfalls von dem Vorwurf freifprechen, ziehung zwischen den Zahlungen an Amerifa und den Forderungen bestrebungen erbittet. Um bei der Reichsregierung für seine mit dem die französischen   Staatsmänner und Journalisten an die alliierten Schuldner gefchaffen werde, angenommen werden. Pläne Snmpathien zu gewinnen, verfichert er, er molle nichts gegen täglich operieren, wonach es nichts bezahle". Gegenüber 8. Frankreich   müsse feinerseits ebenfalls bis zu einem gewissen das Reich unternehmen, sondern nur die Rheinlande von dem hab­diesen ungeheuren Summen, von denen ein Bruchteil bei maße die ihm von seinen europäischen Alliierten geschuldeten Sum. gierigen und raubsüchtigen Preußen loslösen, was der Reichss einwandfreier Verwendung schon genügt hätte, um die men erlaffen. regierung doch nur fympathisch sein könne. Shä en in en zerstörten Gebieten wiedergutzumachen, ist es besonders kleinlich und empörend, daß die Reparationstom Londoner Ultimatum vom Mai 1921 einen ungeheuren Die acht Punkte Bonar Lams bedeuten gegenüber dem Neue Verhaftungen in Warschau  . mission auf Betreiben Frankreichs   einen derartigen Beschluß Fortschritt und ihre Aufstellung allein ist ein greifbarer, Warschau  , 29. Dezember.  ( Mtb.) In den letzten Tagen wegen einer so nebensächlichen Angelegenheit gefaßt hat. Das bedeutender Erfolg der Erfüllungspolitit wurden noch mehrere Berhaftungen im Zusammenhang mit der gleiche Empfinden teilt die ganze englische öffentliche Meinung, der früheren Reichsregierung. Sie berücksichtigen nicht nur in Ermordung des Staatschefs vorgenommen. Es handelt sich dabei wie nachstehendes Telegramm beweist: genügendem Maße das Verlangen Deutschlands   nach Ge- um Offiziere und Studenten, die fascistische Stoßtrupps führten. währung eines mehrjährigen Moratoriums, son­dern sie entsprechen ungefähr dem, was die Regierung Fehren bach- Simons in leider sehr unklarer und ungeschickter Form im März 1921 in London   angeboten hatte.

bisher Leistungen in Höhe von 100 Goldmilliarden

zur Erfüllung des Friedensvertrags aufgebracht wurden.

Condon, 29. Dezember.  ( EP.) Die Morgenpresse fette ihre Angriffe gegen Frankreich   fort. Daily Telegraph  " schreibt, daß es ein schwerer diplomatischer Fehler von seiten Frant reichs sei, die Frage der Sanktionen aus Anlaß der Nicht Iieferung einiger Telegraphenstangen aufzuwerfen. Es sei bedauerlich, daß man dem französischen   Publikum beizubrin­

Allerdings ist der Gegensaz zwischen diesem vernünftigen, realpolitischen, auf Verständigung abzielenden Plan Bonar

Dabei hat man mehrere Gewehre und Revolver fomie tausend auch der Organisator der Staatstruppen der fascistischen Jugend Batronen beschlagnahmt. Dem Przeglad Wieczornn" zufolge foll verhaftet worden sein. Das nationalistische Blatt Mysl Narodowa" ist wegen Störung der öffentlichen Ordnung tonfisziert worden. Be­anstandet wurde ein Artikel des Pfarrers Lutoslawski  . Die verant wortlichen Redakteure sollen vor Gericht gestellt werden.