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Nr. 16 40. Jahrgang Ausgabe Afr. s

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Telegramm- Abreffe: Sozialdemokrat Berlin

Morgenausgabe

Vorwärts

Berliner Volksblatt

45 Mark

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Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei Deutfchlands

Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Redaktion: Dönhoff 292-295

Verlag: Dönhoff 2506-2507

Donnerstag, den 11. Januar 1923

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3 Bankkonto: Direktion der Diskonto- Gesellschaft, Depositenkasse Lindenstraße 3.

Postscheckkonto: Berlin 375 36

Die Einmarsch- Note überreicht.

Der französische Botschafter und der belgische Geschäfts träger übergaben gestern Mittwoch nachmittags dem Reichs minister des Auswärtigen gleichlaufende Noten folgen­

den Wortlauts:

Auf Grund der von der Reparationsfommission festgestellten, von Deutschland begangenen Richter füllung in der Ausführung der Programme der Reparationskommission hinsichtlich der Liefe­rungen von Holz und Kohle an Frankreich und gemäß den Be­stimmungen von§ 17 und 18 der Anlage 2 zu Teil VIII des Ver­trages von Bersailles hat die franzöfifche( belgische) Regierung be­schlossen, eine aus Ingenieuren bestehende und mit den er­forderlichen Bollmachten zur

Beauffichtigung der Tätigteit des Kohlensynditats versehene Kontrollkommission ins Ruhrrepier zu entfenden, um durch die von ihrem Vorsitzenden an dieses Syndikat oder an die deutschen Verkehrsbehörden erteilten Befehle die stritte An­wendung der von der Reparationsfommission festgesetzten Pro­gramme sicherzustellen und alle für die Bezahlung der Re­parationen erforderlichen Maßregeln zu ergreifen.

Die Bollmachten dieser Mission werden durch die bei liegenden Urfunden bestimmt. Die deutsche Regierung wird ge beten, dieselben den beteiligten Behörden zur Kenntnis zu bringen und sie mit den erforderlichen Weisungen zur genauen Befolgung der darin enthaltenen Borschriften zu versehen. Die italienische Regierung hat gleichfalls beschlossen, italienische Ingenieure an dieser Mission teilnehmen zu lassen. Die französische Regierung legt Wert darauf zu erklären, daß sie

gegenwärtig nicht daran denti, zu einer militärischen Operation

oder zu einer Besehung politischer Art zu schreiten. Gie entfendet einfach ins Ruhrgebiet eine Mission von In­genieuren und Beamten, deren 3med deutlich umschrieben ist. Sie muß dafür sorgen, daß Deutschland die im Vertrag von Versailles enthaltenen Berpflichtungen achtet.

Sie läßt ins Ruhrgebiet nur die zum Schuhe der Mission und zur Sicherstellung der Ausführung ihres Auftrages erforder lichen Truppen einrücken.

Reine Störung, feine Veränderung im normalen Leben der Be­völkerung wird also erfolgen. Sie fann in Ruhe und Ordnung weiter

arbeiten.

Diese Pläne haben insbesondere die vollständige Liefe[ Mayer in Paris und der Gesandte Landsberg werden rung der vorgesehenen Mengen für die Länder der Entente und für die befesten linkscheinischen Gebiete zu umfaffen und müffen cusreichend sein, um die Bedürfnisse der neu befesten Gebiebe zu befriedigen.

Unter diesen Borbehalten ändert sich im Grundsah nichts an der allgemeinen, jezt in Kraft befindlichen Verteilung der Brennstoffe. Falls Uebertretungen obiger Borschriften durch das Syndikat oder die Zechen festgestellt werden, oder falls die gelieferte Qualität zu wünschen übrig läßt, würden schwere Strafmaßnahmen

ergriffen werden, ohne Rüdsicht auf die Umleitungen im Eisen­ bahn - oder Wasserstraßenverkehr, welche von der industriellen Mission" angeordnet werden könnten.

ben vornehmen, um sich zu vergewissern, daß die Anordnungen Die Ingenieure der Mission werden häufige Stichpro des Kohlensynditats forreft gegeben und genau befolgt find.

Reichsminister Dr. v. Rojenberg erklärte, daß die Reichsregie­rung sich ihre Antwort vorbehalte, daß er indessen fchon jetzt gegen die angekündigte Affion Protest erhebe, weil sie einen Bruch der Verträge und des Bölferrechts bedeute.

Der diplomatische Mitarbeiter der Agentur Havas begleitet die Ueberreichung der vorstehenden Note mit der Hervorhebung, daß die Note erklären merbe, daß die Mission von Truppen zu einem absolut friedlichen 3wed, nämlich dem, die Sicherheit der Mission und die Ordnung da aufrechtzuerhalten, wo sie ihre Tätigkeit ausübe, begleitet werde.

**

Mit Infanterie, Artillerie, Kavallerie, Geschützen, Ma­schinengewehren, Tanks und Flugzeuggeschwadern rüdt Frant­reich in das Ruhrrevier ein. Dies ist jedoch, so werden wir belehrt, eine vollkommen friedliche Maßnahme. Nur ein ganz böswilliger Feind Frankreichs fönnte die Ansicht vertreten, es handle sich hier um eine militärische Attion.

abberufen, die diplomatischen Beziehungen aber nicht abge­brochen. Das Missionspersonal bleibt unter Führung der ersten Sefretäre an Ort und Stelle.

Die Absicht der deutschen Regierung, die diplomatischen Beziehungen nicht abzubrechen, ist zu billigen. Ihr Abbruch ist leicht vollzogen, ihre Wiederherstellung ist schwerer. Ihre Aufrechterhaltung ist ein Zeichen dafür, daß Deutschland ge­willt ist, seinen schweren Konflikt mit der gegenwärtigen fran­ zösischen Regierung auf gewaltlosem Wege auszu­tragen. Gewalt zu üben und sich damit vor den Augen der ganzen Welt noch tiefer ins Unrecht zu setzen, möge der an­deren Seite überlassen bleiben.

Die vorliegenden Nachrichten sind schon schlimm genug. gefaßt machen. Wir müffen uns für die nächsten Tage auf noch schlimmere Der französische Militarismus, brut.= idiotisch wie jeder andere, wird, wo sich ihm passiver Wider­stand entgegenfeßt, ja, wo er ihn auch nur vermutet, zu Re­preffalien schreiten. Seine Willfür und damit auch die Er­bitterung gegen ihn hat noch nicht den höchsten Grad erreicht.

So drohen uns schwere Gefahren auch im Rücken. Eine eiferne Disziplinierung der Geister tut not. Kein größeres Unglüd tönnte Deutschland widerfahren und Herrn Poincaré tönnte fein größerer Triumph bereitet werden, als wenn sich die berechtigte Erbitterung in ziellofen Gewalttaten gegen Ausländer schuige oder unschuldige äußern würde. Jeder Schlag, der einen Franzosen trifft, ist Sperrn Poincaré Millionen wert. Jeder Schlag aber, der gegen einen anderen Ausländer geführt wird, Milliarden. Boincaré braucht Leute von der Gegenseite, Deutsche , die noch größere Dummheiten begehen, als er selber. Er braucht Fremden­pogrome in Deutschland . Wer liefert sie ihm?

Die Deutsche Zeitung" liefert sie ihm, das völkisch­deutschnationale Blatt, das nach Gewalttaten schreit, obwohl es von deutschen sich für national haltenden Industriellen und nicht von den französischen Trusttönigen bezahlt wird. Die deutschen Behörden, Industrie und Handelsunter- braucht nicht jeder ein getaufter Agent des französischen Im­nehmungen und Zivilpersonen find freundlichst eingeladen, perialismus zu sein, der Zwischenfälle" arrangieren will. diefem friedlichen und rechtlichen Unternehmen der franzöfifchen Es gibt Leute, die so entsetzlich dumm find, dies umsonst au Regierung jeglichen Beistand zu gewähren. Allerdings, sollten tun und die darauf als auf eine nationale Tat noch stolz find. Die Deutsche Regierung hat das größte Interesse an der Erfie die Pflichten des Gehorsams gegenüber den neuen Herren Können wir uns vor ihrer verbrecherischen Dummheit leichterung der Arbeit der Mission und an der Unter- verlegen, so werden ihnen die äußersten Unannehmlichkeiten schützen, fo brauchen wir nicht zu verzweifeln. Die Gewalt bringung der zu ihrem Schuhe bestimmten Truppen. hat ihr Spiel noch nicht gewonnen. Wirtschaftliche und diplo­matische Umstände, die ihr das Handwerk erschweren, werden nicht ausbleiben. Poincaré und die Poincaristen sind in Frankreich eine Minderheit, fie sind zweifellos eine kleine Minderheit in der Welt.

Die französische Regierung

rechnet auf den guten Willen der Deutschen Regierung und aller Behörden, welcher Art sie auch seien.

Sollten die Maßnahmen der Beamten der Mission und die Unterbringung der sie begleitenden Truppen durch irgendein Manö. Der behindert oder in Frage gestellt werden, und sollten die örtlichen Behörden durch ihre Tätigkeit oder durch ihre Untätigkeit irgend welche Verwirrung im materiellen Leben und in der Wirtschaft des Gebietes herbeiführen, so würden alle für erforderlich erachteten 3wangs oder Strafmaßnahmen unverzüglich ergriffen

werden.

Befugnisse der Kontrollkommission.

Der erste Absatz ist finngemäß der gleiche wie in der Note felbft. Die Ingenieure und Beamten dieser Mission sollen bevollmächtigt sein, von den Verwaltungsorganen, Handelskammern, Arbeitgeber­und Arbeitnehmerverbänden, Industriellen, Kaufleuten usw.

alle statistischen und sonstigen Auskünfte einzufordern, deren Einholung fie für nüglich halten. Sie sind berechtigt, die besetzten Gebiete ihrere ganzen Ausdehnung nach zu bereisen, haben 3utritt zu allen Bureaus, Bechen , Fa briten, Bahnhöfen usw. und fönnen dort alle Dokumente, Rechnungen und Statistiken einsehen.

Das Personal der deutschen Verwaltung sowie die Bertreter der Industrie- und Handelsverbände haben sich

unter Androhung schwerer Strafen

für den Weigerungsfall den Mitgliedern der Kontrollkommission bei Ausführung ihres Dienstes völlig zur Verfügung zu stellen und fich gegebenenfalls nach den Befehlen zu richten, bie fie vom Chef der Kontrollfommission erhalten. Dieser ist berechtigt,

jede beliebige Menderung hinsichtlich der Verteilung der Brennstoffe und jegliche Umleitung der mit Brennmaterial beladenen Eisen­bahnwagen und Rähne anzuordnen. Die Ingenieure und Beamten der Mission find mit einer von ihnen von den Militärbehörden Fe­sonders ausgestellten Geschäftsanweisung versehen, die ihnen als Per­sonalausweis dienen soll.

Kontrolle der Kohlenverteilung.

Ab 11. Januar 1923 unterliegen die vom Kohlensyndikat auf. geftellten oder ausgeführten Berteilungspläne für Kohle und Rots der Genehmigung der Industriellen Ruhrkommission", die fie, wenn fie es für notwendig erachtet, abändern kann.

angedroht.

Die Heuchelei hat drei Grade. Im ersten erzielt sie gewisse Erfolge. Im zweiten wirkt sie lächerlich. Im dritten schlägt fie zu widerwärtigem Stumpfsinn um. Dieser dritte Grad ist hier erreicht.

Der französische Einmarsch ist ein Gemaltstreich. Die deutschen Behörden und Zivilpersonen find auf Grund feines Rechtes der Welt verpflichtet, von Leuten, die wider rechtlich eingedrungen find, Befehle entgegenzunehmen. Nicht einmal auf Grund des Kriegsrechts, denn der Strieg ist gar nicht erflärt es handelt sich ja um eine voll­fommen friedliche Aktion".

Wer sich der fremden Gewalt fügt, schüßt sich damit vor schlimmeren Gewaltmaßregeln. Wer sich ihr nicht fügt, ist vollkommen in seinem Recht. Wenn ihm dafür auch nur ein Haar gefrümmt wird, so gibt es teine Regel des Bölker­rechts, rit der die Schädigung, die ihm zugefügt wird, gerecht­fertigt werden könnte.

Es geht um eine große meltgeschichtliche Entscheidung. Es handelt sich darum, ob das unbewaffnete Recht sich im Kampf gegen erzgepanzerte Gewalt behaupten kann. Alle Friedens­freande, alle sozialistischen Arbeiter der Belt und vor allem auch Frankreich sind berufen, diesen Kampf mitzufämpfen, den Krieg zu Boden zu werfen, dem Frieden einen unblutigen Sieg zu erfechten und ein neues Europa zu schaffen, in dem das Recht gilt.

Deutsche Verwahrung vor der Welt.

WIB. meldet: Die Reichsregierung hat die deutschen Bertreter im Ausland angewiesen, bei den fremden Regie­rungen unter eingehender Darlegung der Sach- und Rechts­lage gegen die Vertrags- und völkerrechtswidrige Gewaltpolitik Frankreichs und Belgiens Berwahrung einzulegen.

Das festzustellen, ist heute Pflicht eines jeden Friedens­freundes, eines jeden Politikers, der die Verständigung mit einem Frankreich erstrebt, das sich vom Poincarismus be freit hat und mit rechtmäßigen Mitteln feine Interessen vertritt. lichem bewaffneten Ehrengeleit nach dem Ruhrrevier begeben, Die französischen Kontrollingenieure, die fich mit so statt­werden dort eine Ueberraschung erleben. Das Kohlen fyndikat ist ausgeflogen, es hat seinen Siz nach Hamburg verlegt und seine Funktionen bis auf weiteres ein- hat der Gesandte Landsberg in Brüffet erhalten. gestellt. Die Wirtschaftsregierung des Ruhrreviers hat ähnlich gehandelt mie die Reichsregierung beim Anmarsch der Kapp­Rebellen. Sie hat ihren Apparat dem unrechtmäßigen Zugriff| der Eindringlinge entzogen.

Abberufung Mayers und Landsbergs.

WIB. meldet: Botschafter' Dr. Mayer iff telegraphisch angewiesen worden, die Geschäfte an den Botschafterrat abzu­geben und Paris zu verlassen. Eine entsprechende Weisung

Das ist eine Maßnahme, die politisch begründet ist. Sie darf aber nicht zur dauernden Auflösung des Syndikats und zur freien Kohlenwirtschaft führen! Darauf zu achten, liegt im Intereffe der Arbeiter, besonders der Bergarbeiter, aber auch der Fertigindustrie. In diesem Augenblick jedoch ist ein Streit darüber, ob unsere Kohlen frei oder gebunden be­wirtschaftet werden sollen, müßig. Sie werden zunächst ge bunden bewirtschaftet werden

aber von Frankreich .

Die deutsche Regierung läßt durch ihre Botschafter alle fremden Regierungen von dem vollzogenen Vertragsbruch der französischen Regierung offiziell verständigen. Der Botschafter

die

Der Protest Amerikas .

Washington , 10. Januar. ( Reuter.) Der Präfident hat amerikanischen Truppen vom Rhein zurückgerufen. Condon, 10. Januar. ( WEB.) Dem New Yorker Bericht­erstatter des Daily Telegraph " zufolge ift die Mißbilligung Washingtons bezüglich der franzöfifchen Besetzung des Ruhrgebietes Frankreich offiziell durch den amerikanischen Botschafter in Paris errid übermittelt worden. Es fei jedoch kein formeller Protest erhoben worden.

London , 10. Januar. ( TU.) Die News Agency " meldet, daß das militärtransportschiff St. Mihiel " den Befehl bekommen hat, morgen von New Yor? abzufahren, um die letzten Truppen aus Europa zurüdzuholen. Es find ungefähr 1500 Mann.