fit. 24 ♦ 40. Fahrgang
Seilage öes Vorwärts
Dienstag, 10. Fanuar 1023
Zeuchtigkeit auf allen Wegen. E«it Monot«, herrscht graues Wetter, Tag für Tag, nicht gerade geeignet, die graue Stimmung, die über ollen lastet, aufzuhellen. Man denkt: so ein ganz gelinder Frost zwischen 1— 2' Grad wäre noch zu ertragen. Dann schiene doch die Sonne, die vielleicht auch ein paar von den dicken Sorgen mit hinwegnähme. Aber nichts da- von. Alle Tage schwer« feucht« Lust, recht so ein Wetter, in dem sich in den feuchten Wohnungen alle Tuberkel- und sonstigen Bazillen entwickeln können. Und dann kommt endlich so ein ganz klein bißchen Frost, wie mn Sonntogmorgen, und die Sonne scheint«in paar Stunden, gerade so lange, daß die Demonstrationen sich ihrer Zroecke erfreuen können. Dann aber ist? wieder vorbei. Der Gimmel grau und dick. Schnee! Wes weiß. Aber auch Schnee ist will- kommen, wenn er nur liegen bliebe. Wenn.... Der Kundige merkt«s am schweren Niederfallen der Flocken und an dem Aue- weichen, wenn der Fuß daraus tritt, daß es«in feuchtes Weiß ist. Und richtig, es dauert gor nicht lang«, da breitet sich unendlicher Morast in den Straßen aus. Alle Weichen werden verstopft. Die Straßenbahnen kommen nicht vorwärts. Aber es fällt weiter vom Himmel, und es entsteht ein Streit, ob es Schnee, ob es Regen ist. Die«inen behaupten Regen mit Schnee, die andern Schnee mit Regen. Auf all« Fälle Feuchtigkeit, Nässe, Schmutz ohne Ende. In der Straßenbahn erzählt«in«r: Im Schworzwald liegt der Schnee anderthalb Meter hoch. Ein anderer brummelt: Nu, wenn schon! Don den Hutkrempen ergießen sich beim Neigen und Biegen des Kopfe» klein« Rinnsal« auf den Ueberzieher des Nebensitzenden und von dort auf den Fuhboden, wo sich allmählich auch ein kleiner Sumpf bildet. Also wieder überall Feuchtigkeit! Dunkel! Grau! Regen! Was hilft dagegen? Di« einen zwinkern schlau: Innere Erwärmung! Es Hilst aber auch ein klein wenig Humor, den man nicht verloren hat und ein wenig Dertrauen darauf, daß eines Tages doch wieder die Sonn, scheint!__ MoröprozeK Neißer. Vit verkeldigung gegen die Kriminalpolizei. Unter außerordenttich starkem Andränge des Publikums begann gestern»storgen vor dem Schwurgericht des Landgerichts II der mehr- mal» vertagt« Prozeß wegen des im Jahr« 192l) an dem Teppich- Händler Reißer in der Steglitzer Straße verübten Raubmordes. An- geklagt wegen Mordes und Raubes sind der Drogist Gustav P a s s a r g«. der Mechaniker Harry S e l z» r, genannt„Matrosen- willy" und die Frau Helene Spanter geborene Newalsli. Am Morgen des 3. Juli 1920 wurde der in einem Seitenflügel des Haufe» Steglitzer Str. 2 3 wohnhafte Teppichhändler Alfred Neißer tot aufgefunden. Di« Leiche lag völlig be- kleidet auf dem Fußboden in einem auch als Berkmilsraum benutzten Zimmer. Der Verdacht der Täterschaft lenkte sich schließlich gegen die jetzigen drei Angeklagten. In der Vernehmung der Angeklagten zur Person stellt sich heraus, daß der AngeNagte Pasiarge trotz seiner Jugend, er ist 29 Jahre alt. bereits über sechs Jahre Gefängnis vcr- büßt hat wegen Betruges, Diebstahls, Hehlerei usw. Auch der An- geklagte Selz« ist bereit, erheblich vorbestraft. Frau Spanier ging in ihrer Vernehmung zur Sack)« weitschweifig auf die bereits bekannten Vorgänge ein. Sie bestritt wie in allen bisherigen Ver- handlunaen. Neißer jemals gesehen oder gekannt zu haben und will zu der Zeit de» Mordes überhaupt nicht gewußt haben, wo die Steglitzer Straß« ist. Die Vernehmung des Kriminal- kommissar» Trettin nahm mebrere Stunden in Anspruch. Trettin ging auf oll« Einzelheiten der Mordsache ein. Er blieb auch in seiner gestrigen Aussage dabei, daß Frau Spanier krimi» naliftisch schwer belastet sei. Er erwähnte u. a. den Fall de» Althändlers Thiel, zu dem Frau Spanier mehrfach Hingegang«» war und den sie mit Ehlorofcrm hatte betäuben wollen. Nur dem Zugreifen der Kriminalpolizei sei es zu danken gewesen, daß Thiel nicht auch hätte sein Leben lassen müssen. Weiterhin bezog sich Kommissar Trettin auf den Fall des Konsuls Meyer, den Frau Lvonier in ihre Wohnung gelockt habe und mehreren Leuten den Auftrag gegeben haben soll, während seines Schlafes seine Kleider auszuplündern. Rechtsanwalt Dr. P i n d a r begann dann ein« lange und äußerst hesttig« Attacke gegen Krtminalkommisiar
Trettin. Er wies darauf hin, daß Frau Spanier im Fall Thiel doch nichts Strafbares begangen habe, da der Staatsanwalt selbst mitgeteilt Hab«, daß das Berfahrcn gegen Frau Spanier wegen Mangels an Beweisen niedergeschlagen worden sei, und fragte den Kommissar, woher und weshalb denn die Presscortikel über die „große Verbrecherin Frau Spanier" gekommen seien. Zeuge Trettin: Für die Kriminalpolizei war eben doch etwa? an der Sache. Rechtsanwalt P i n d a r wies darauf hin. daß in den Akten folgender Vermerk des Kriminaloberwachtmcisters Moritz sich befindet: Die Sache Neißer hat ihre Erledigung durch das Geständnis Passarges gefunden. Der Angeklagte Pasiarge.habe ge- standen, sein Geständnis widerrufen, wieder aestanden und wider- rufen, jetzt fein Geständnis erneut, mit der Begründung, daß er bei seiner polizeilichen Vornehmung durch alkoholische Getränke widerstandslos gemacht worden sei. Rechtsanwalt Bahn fragte Kommissar Trettin. ob denn dos Geständnis Pasiarges, eines Säufers, für ihn Glaubwürdigkeit gehabt habe. Kommissar Trettin gab an, nicht gewußt zu haben, daß Pasiarge ein Säufer von solchem Grade sei. Landgerichtsrat M o t w a r d gab bei seiner Vernehmung auf eine Frone des Verteidigers Dr. Frey zu, daß weder dem Ge- stöndnis Pasiarges noch seinem Widerruf für ihn irgendwelche Glaubwürdigkeit beizumessen sei. Die Verhandlung wurde daraufhin auf heute vertagt.__ Ab Mittwoch 100 M. auf der Straftenbahn. Die VerkebrSdeputation stimmte gestern nach Ablehnung weiter- gehender Anträge der Straßenbabnverwaltung einer Erhöhung des StraßenbahntariiS auf 109 M. für die einfache Fabrt zu. Es war das erstemal, daß die Herren Stadtverordneten sich bei der Be- ratung eine Diskussion schenkten. ES besteht die tröstliche Absicht, im Januar keine weitere Erhöhungen vorzunehmen. Wieder Letter bei Sarotti . Die Gefahr beseitigt. Auf dem Grundstück der Sarotti-Gesellschaft in T e m p e l h o f, die vor einem Jahr bekanntlich von einem ge- waltigen Brande heimgesucht worden ist, brach am gestrigen Man- tag ein Feuer aus, dos, obwohl im ersten Augenblick di« Lag« recht bedrohlich erschien, durch di« vereinten Anstrengungen der um- liegenden Wehren bald abgelöscht werden konnte. In der Südostecke des Grundstücks brach gegen S Uhr in einer 25 Meter langen Baubaracke, die den in der Fabrik noch immer beschäftigten Bauarbeitern als Aufenthalt dient, aus unaufgeklärter Ursache Feuer aus. Die Fabrikfeuerwehr der Sarotti-Werke, die noch dem großen Unglück im vorigen Jahr wesentlich verstärkt war- den ist, griff sofort ein, und nach wenigen Minuten war auch die Tempelhofer Feuerwehr zur Stelle. Branddirektor Stiepeldey alarmierte auch die Feuerwehren in Martendorf und Neukölln, da bei dem herrschenden Nordwind«in Ueberspringen des Feuers auf die Fabrik selbst zu befürchten war. Man be- kämpfte den Brand mit sechs Schlauchleitungen, und bald konnte die Gefahr als beseitigt gelten. Die Direktion der Werke hatte di« Arbeiter, um jede Gefahr zu verhindern, zum Verlassen des massiven Gebäudes aufgefordert, doch konnte schon nach einer Stund« d e r gesamte Fabritationsbetrieb wieder aufgenom- m e n werden. Der durch den Brand angerichtete Schaden ist un- bedeutend._ Die Sonntag-Kunügebungen. Von den am Sanntag stattgefundenen sozialdemokratischen Kundgebungen gegen die militaristischen Gewaltmaßnahmen der französischen Machthaber tragen wir noch die folgenden nach: Im Bezirk Mitte , Prenzlauer Berg . Friedrichshatn, war der Garten der Brauerei Friedrichshain schon lange vor Beginn gefüllt. Rote und schwarzrotgoldene Fahnen leuchteten über den Massen oder wurden den Abteilungen vorangetragen. , Von der Gartenbühne herab sprach Genosse Dr. Her tz. Di« Im- ! periÄisten Frankreichs haben einen Gewaltstreich gegen«in wehr- loses Volk verübt, wie es in der Geschichte fast ohne Beispiel ist. | Vier Jahre nach dem Friedensschluß dringt ein bis an die Zähne bewaffneter Gegner in die Herzkammer der deutschen Wirtschaft, um , die„Kontrolle" über die deutschen Kohleniieferungen auszuüben. Glaubt man mit Gewalt«in paar Tonnen Kohle mehr zu bekommen? ! Wo Militarismus herrscht, ist Desorganisation, ist . keine schöpferische Tat. Und das ist das Furchtbor« an diesem Ge- 1 waltstreich, er richtet sich nicht gegen das ehemalige kaiserlich« Deutsch-
land. sondern gegen die Republik und ihre Träger, gegen uns, gegen die dsutscki« Arbeiterklasie. Bringt die deutsche Arbeiterklasse nicht seit Jahr und Tag Opfer, weiter nichts als Opfer. Was ober tun die Schreier von der anderen Seite? Das erste Zeichen ist nach de? Besetzung die Erhöhung der Kohlenpreise, di« alle bis- herigen Erhöhungen in den Schatten stellt. Not und Elend wuchsen. Nur wenn w i r zusammenhalten und den Glauben nicht verlieren, brauchen wir nicht bange zu sein um die Zukunsi der deutschen Republik.(Lebh. Beifall.) Nach Annahme der Resolution schloß der Lorsitzend« mit einem dreifachen Hoch aus die Völkerverständigung die Versammlung. Auch in den Außenbezirken hatten die Versammlungen starken Besuch aufzuweisen. So die des. 9. K r e i stii s(Wilmersdorf ). wo im vollbesetzten Saal des Viktoriagartens Gen. Meyer, M. d. L., unter starkem Beifall auch in der Frage der Ruhrbosetzung für eine Verständigung mit dem Proletariat und den Sozialisten aller Länder plädierte. In Lichtenberg fand in überfüllter Versammlung nach Ausführungen des Gen. Künstler der gegen die junge deutsche Republik gerichtete Gewaltakt schärfste Verurteilung. In C ö p e n i ck legte Gen. Bre.uer vor einem Kreis von Zuhörern Verwahrung ein gegen den Protest der Hergt und Helffe- rich, die doch gerade gegen die Erfüllungspolitik gewesen sind. In Niederschöneweide beleuck>teie Gen. Schlegel den Ehr- geiz der Franzosen , mit militaristiscfen Mitteln'.u erreichen, was auf legalem Wege sich nicht ermöglichen lasse. Die Ausführungen fanden den regen Beifall eines bis auf den letzten Platz besetzten Saales.— Ich Schloß W e i ß e n f e e hatten sich über 1009 Per- fönen eingefunden, die den Worten des Gen. A. Stein, die sich gegen die„nationale.Einheitsfront" richteten und den internatio- nalen Kampf des Proletariats in den Vordergrund stellen, regen Beifall spendeten. Auch die Protestoersammlung in Trebbin , in der der Land- tagsabgeordnete Gen. EmU K l o d t das Referat kielt, war außer- ordentlich gut besucht. Der Redner sprach über die voraussichtlichen Folgen der Besetzung des Ruhrqebiets. Die in den Berliner Ver- sammlungen angenommene' Protestresolution fand einstimmig« An- nähme.__ Ein Berliner Unhold in Düsieldors verhafkes. Ermordet und beraubt wurde, wie wir seinerzeit ausführlich berichteten, in ihrer Wohnung in der Wrangelstraße eine Frau Hertel, geborene Treqant, während ihr Vater auf seiner Arbeitsstelle war. Der Verdacht fiel bald aus«inen Mann, der sich der Ermordeten unter dem Namen Robert Fröhning genähert hatte. Jetzt wurde der Mörder im Asyl zu Düsseldorf ermittelt und festacnommen. Bei dem eingehenden Verhör durch die Düsieldorfor Kriminalpolizei legte er"ein Ge- ständnis ab.__ Die oberfchlefifche Bcrgwerkskalastrophc. In der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag wurden von den aus der Abwehfgrube zu Tode Gekommenen drei Bergarbeiter geborgen. Die Bergung der übrigen 43 Toten ist vorläufig unmöglich, da das Brandfeld abgedämmt werden mußte.
GroK-Serliuer Parteinachrichten.
103. Olbt. Adlcr-h-s. Heute, Dienstag, den 10. Januar, T.i Uhr, Lokal Wöllstein, Bismarckstraße 73, groß- Kundgebung st-g-n Friedens. bruch und Sowalthcrrsckzaft. Ref. Den. Brdaktcur Rauch.
7.«rei». ckharloti-niurg. Mittwoch, d-n 17. Januar, 7>,) Uhr, Arbeitcr- jua-ndh-im, Rostn-nstr. i, vorn 1 Trsppo, Funitioniirsißung der„Freien Lchulgemeinbr". Jede Schul« muß vertreten sein. >. ftrn«. SBilmerrtorf. Miitmocii, den 17. Januar, 7 Uhr, Kreisdclegiertcn» Versammlung im Restaurant Stadtporl, Inhaber Rohr , Kaiser-Allee 31—32. Stellungnahme»um Bezirkstag. Neuwahl des Porstandes und Anträge. 13. Kreis. Mittwoch, den 17. Januar, 71h Uhr, Kreisvorstandssttzung mit den Abteilunaslritern in der Nauen Schule, Rudower Straße. 18. Kreis. Weistensee. Mittwoch fällt dl« Slternbairatsflßuna aus. dafilr Diens. tag, den 23. Januar, im Konferenzzimmer der Weitlichen Schule. 18. Kreis. Mittwoch, den 17. Januar, 7 Uhr, Sitzung der Bildung!! kommission im Jugendheim, Breite Straß« 32. heule, Dienstag, den 1ö. Januar: A. Abt. Reul-lln. Bezirk« 58, 31. 82, 33 714 Uhr llnterhaltungsabend Ideal- klaule. Marelchstr. 13. Zungfozialifte». Ernnn« Lichtenberg . 714 Uhr Jugendheim Parka»« 10. Ar- beitsg« mainschaft:„Rechtsfragen". Ref. wen. Felgentreu. Arauenveranstallung am Dienstag, den 1ö. Januar: 104. Abt. Niebarfchlneweid«. Der Frauenabend findat nicht Dienstag, sondern Mittwoch statt.
l Nachdruck verboten. Dar Malik-Prrlag, Berlin .) Drei Soldaten. 11] Von John do» Passos . Au» dem amerikanischen Manugript übersetzt von Julian Gumperz . Ein Mann neben Fuselli spuckt« sorgfältig zielend in die Kiste mit Sägestaub in der Mitte des Kreises regungsloser Soldaten. Di« Gitarre spielt« den Ragtime noch einmal, schnell, fast spottend. Der Reger sang in tiefen, vertraulichen Tönen. O die Frauen und die Kinder, sie sanken in di- S«e. O die Frauen und die Kindel, sie sanken in die See. Um den kalten Eisberg— Roch«he er geendet hatte, tönt« ein Horn in der Fern«. W- zerstreuten sich. Fuselli und Bill(Brey gingen schweigend zu ihren Baracken zurück. „Es muh furchtbar fein, in der See zu ertrinken," sagte Bill Grey. als er sich in sein« Tücher einhüllte.«Wenn eines dieser gräulichen U-Boot«..."_ „Mir sind die ganz egal," sogt« Fuselli prahlend. Als er im Bett lag und in die Dunkelheit starrte, lieh kalter Schrecken fei»« Glieder plötzlich erstarren. Er dachte einen Augenblick daran, zu desertieren, zu behaupten, er sei krank, irgend etwas, was ihn davor bewahrt hätte, den Transport mitzumachen. O die Frau«n und die Kinder, sie sanken in die Ste, Um den kalten Eisberg — Er fühlte schon seinen Körper in eisigem Wasser versinken.„Es ist entsetzlich, einen dort hinüber zu schicken, um zu ertrinken," sagte er zu sich selbst, und er dachte an die bergigen Ströhen von San Franzisko und an das glühende Abendrot über dem Hafen und an die Schiffe, di« durch das „Golden« Tor" hinein kamen. Sein Bewuhtsein wurde lang- sam leer, und er begann zu schlafen. Di« Kolonne sah aus. wie irgendein seltsamer, kakhi- fvrbener Teppich, der den Weg, so weit man sehen tonnte, bedeckt«. In Fusellis Kompagnie standen die Leute da. schoben sich von einer Seite auf die ander«, um sich ihr« Last zu erleichtern und murmelten, es fei ein« Hölle, hier warten zu müssen. Bill Grey neben Fuselli stand gebeugt, um sich das Gewicht seines Gepäcks zu erleichtern. Sie befanden sich «m einer Wegkreuzung auf etwas erhöhtem Terrain, so dah sie die langen Barackenreihen des Lagers in allen Richtungen sth ausdehn«» sehen konnten, in langen, langen Reihen, die
nur dann und wann durch ein graues Exerzierfeld unter- brachen waren. Bor ihnen- dehnte sich die Kolonne nach einer letzten Biegung des Weges hin, wo sie auf einem Hügel unter senfbraunen Vorstadthäusern verschwand. Fuselli.war aufgeregt. Er dachte noch immer an die vergangene Nacht, als er dem Sergeanten geholfen hatte, die „eiserne Portion" zu verteilen und Haufen harten Brotes herumgetragen und sorgfältig, ohne einen Fehler, die Ratio» nen abgezählt hotte. Er war so voll des Wunsches, etwas zu tun, zu zeigen, was er wert sei.„Donnerwetter," sagte er zu sich selbst,„dieser Krieg ist eine gute Sache für mich. Im Laden von R. C. Vickers u. Eis. hätte ich fünf Jahre bleiben können, ohne vorwärts zu kommen und hier im Heer habe ich eine Gelegenheit, fast alles zu tun." Ganz unten am Wegende begann die Kolonne sich in Bewegung zu setzen. Stimmen, die Befehle schrien, schlugen hart durch die morgendliche Luft. Fusellis herz hüpfte. Er war stolz auf sich selbst und aus die Kompagnie — die beste der ganzen Expeditton. Die Kompagnie vor ihnen bewegte sich scbon. Jetzt war die Reihe an ihnen. „Vorrwärrts... marsch!" Sie verkoren sich in dem monotonen Stampfen der Füße, Staub stieg von der Straße auf, auf der wie ein graubrauner Wurm die Kolonne vorwärts kroch. Ein widerwärtiger Geruch machte ihnen das Atmen fast unmöglich. „Schicken sie uns hier hinunter?" „Wäre froh, wenn ich das müßte." Sie stiegen in langen Linien die Leitern hinunter in den entsetzlichen Abgrund: es war das Innere des Schiffes, in das sie verladen werdön sollten. Jeder hatte eine blaue Kart« mit einer Nummer darauf in der Hand. An einer schumme- rigen Ecke, wo es aussah wie in einem leeren Warenhaus, stoppten sie. Der Sergeant rief: „Das werdsn nun unsere Gräben sein. Müssen'mal sehen, was wir daraus machen können." Dann verschwanh er. Fuselli sah sich um. Cr saß auf der niedrigsten von drei Lagen von Bettkästen, die ganz roh aus neuem Fichtenholz gebaut waren- Elektrische Birnen, die hier und da ange- bracht waren, gaben einen schwachen, roten Schein, nur an den Leitern waren große, hohe Kraftbivnen, die ein helleres Licht ausstrahlten. Der ganze Platz war voll strampelnder Füß«! Dröhnen erfüllt« den Raum von dem Gepäck, das von den endlosen Reihen von Soldaten, die an jeder Leiter hin-
unterströmten, auf die Bettkästen geworfen wurde; irgendwo am Ende des Ganges schrie ein Offizier mit schriller Stimme: „Macht schnell, macht schnell!" Fuselli saß auf seinem Bettkasten, sah sich die erschreckende Konfusion an, war darüber erstaunt und fühlte sich gedemütigt. l Wieviele Tage würden sie in diesem dunklen Loche verbringen ! müssen? Plötzlich fühlte er Wut. Sie hatten kein Recht, einen so zu behandeln. Er war doch ein Mensch, nicht ein Haufen Heu. das man herumrollen konnte, wie es einem beliebt. „Und wenn wir torpediert Werden! Hier unten ersaufen wir wenigstens gründlich," sagte er laut. „Oben haben sie Wachen aufgestellt, um uns zu ver- hindern, an Deck zu gehen," erwiderte irgend jemand. „Verflucht nochmal. Sie behandeln einen ja wie Schlacht- vieh, das abtransportiert wird." „Du bist ja auch nicht mehr, als Fleisch für ihre Kanonen." Ein kleiner Mann, der in einem der oberen Bettkästen lag, sprach plötzlich und zog sein schmutziges Gesicht in einem seltsamen, verbissenen Ausdruck zusammen, als ob die Worte aus ihm herausgebrochen feien, trotz seiner Anstrengungen, sie zurückzuhalten. Alle sahen ihn ärgerlich an. „Diese Drecksau Eisenstein," murmelte jemand. „Na, bindet doch di« Sau draußen vor der Tür fest!" rief Bill Grey gutmütig. „Dummköpfe!" knurrte Eisenstein, wandte sich herum und vergrub sein Gesicht in den Händen. „Was, zum Donnerwetter, riecht denn so komisch hier unten?" rief Fuselli. Fuselli hotte sich lang auf Deck ausgestreckt und den Kopf aus seine gekreuzten Arme gelegt. Wenn er gerade hin- auf sah, konnte er den bleifarbigen Mast hin- und Hersegen sehen, am Himmel voll lichtgrauer und silbriger und grauroter Wolken, die nach den Rändern zu gelb ausliefen. Während er seinen Kopf etwas nach der einen Seite drehte, konnte er Bill Grcys schweres, farbloses Gesicbt und di« dunklen Stoppeln seines unrasierten Kinns und seinen etwas schiefen Mund, aus dem eine Zigarette heraushing, sehen. Ueberall waren Köpf« und Körper zusammengedrängt; eine , Gasse von Kakhiüberziehern und Rettungsringen. Und wenn die rollend« See das Deck herumwarf, konnte man groß« grüne, sich bewegend« Wellen sehen und einen grau und weiß gestreiften Dampfer und den Horizont, eine schwarze, steife Linie, die hier und da von den Spitzen der Wellen unter- krochen war.(Fortsetzung folgt.)