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Abendausgabe

Nr. 31 40. Jahrgang Ausgabe B Nr. 16

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise Find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: S. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-295 Zel- breffe: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

Berliner Volksblatt

Preis 25 Mark

Freitag

19. Januar 1923

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Berlag Gmb. Berlin SW. 68, Cindenficaße 3 Fernsprecher: Dönhoff 2506-2507

Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Poincaré leugnet weiter.

Die Reichsregierung hatte durch ihren Geschäfts- Botschaftsrat von Hoesch in Paris ist beauftragt worden, träger in Paris unter dem 17. Januar die französische Re Herrn Poincaré folgendes zu antworten: gierung vorsorglich darauf aufmerksam machen lassen, daß die französisch- belgischen Truppen bei einem weiteren Bormarsch über Dortmund hinaus in das Gelände deut. scher Garnisonen fommen würden. Darauf hat Herr Boincaré dem Geschäftsträger folgende Note zugehen lassen: Sie haben mich durch Ihren Brief vom heutigen Tage wiffen laffen, daß die deutsche Regierung sich verpflichtet glaubte, recht zeitig die Aufmerksamkeit der französischen Regierung auf die Tat fache zu lenken, daß, falls die französischen und belgischen Truppen ihren Vormarsch auf deutschem Gebiete fortsetzen, sie auf Gebiets teile gelangen würden, wo sich Garnisonen deutscher Truppen

befinden.

Ich habe die Ehre, Sie zunächst daran zu erinnern, daß die von der französischen und belgischen Regierung unter Mitwirkung der italienischen Regierung getroffenen Maßnahmen, um Deutschland zur

Lieferung der an Frankreich geschuldeten Kohle anzuhalteri,

in feiner Weise den Charakter einer militärischen Operation tragen. Ich kann mich in dieser Hinsicht nur auf die Worte des Schreibens beziehen, das ich am 10. d. M. an Seine Exzellenz Herrn Dr. Mayer gerichtet habe.

Ich bin ferner verpflichtet, darauf aufmerksam zu machen, daß die auf Weisung der Reichsregierung eingenommene Haltung der Ruhrindustriellen es den alliierben Behörden unmöglich macht, auf gütlichem Wege vorzugehen, sie vielmehr zwingt, die zu liefernde Kohle zu requirieren und Umleitungen im erforderlichen Maßstabe vorzunehmen.

Die Alliierten haben im Augenblick die Pflicht, vor allem für

die Abwicklung der fälligen Reparationsleistungen sowie für die Bedürfnisse des Ruhr, und des linksrheinischen Gebiets zu forgen. Den anderen Teilen Deutschlands wird lediglich der danach ver. Sollte also durch die Schuld der deutschen Behörden oder In

bleibende Ueberschuß zugeführt werden können.

dustriellen die

Förderung unter die gegenwärtige Ziffer herabsinken, so würden dadurch möglicherweise alle( Sohlen) fendungen nach Deutschland verhindert werden. Ich bitte Sie, die deutsche Regie rung für alle Fälle hierauf aufmerksam machen zu wollen.

Die Beschlagnahme beginnt!

In Mainz , Wiesbaden , Worms , Bingen und Bonn sind auf Anweisung der interallierten Rheinlandtommission die Bestände der dortigen Reichsbankstellen beschlagnahmt und Zahlungen verboten worden. Nach einer weiteren Meldung ist in­zwischen die allgemeine Beschlagnahme aufgehoben worden, dagegen die Beschlagnahme der Guthaben der 3oll- und Finanz­ämter aufrecht erhalten und außerdem die Aushändigung

von Attien verboten worden.

Der Oberdelegierte der Interalliierten Rheinlandfommiffion für die Provinz Rheinhessen hat den Binger Wald, das Privat­eigentum der Stadt Bingen , einen der schönsten und prächtigffen Wälder des Rheinlandes, beschlagnahmt. Darin find einbe­griffen das gefchlagene und das auf Lager liegende Holz. Die Stadt­verordneten haben gestern eine scharfe Protestentschließung gegen die Beschlagnahme gefaßt, welche der Bürgermeister dem Kreisdele­gierten persönlich heute überreichen wird. Der Wald liegt zum Teil auch auf preußischem Gebiet.

Wie mtb. von unterrichteter Seite mitgeteilt wird, find fämt­liche auf der Fahrt von der Ruhr nach Mannheim befindlichen Kohlenschiffe des Mannheimer Kohlen- und Braunkohlensyndikates von Franzosen beschlagnahmt worden. Wohin die Schiffe geleitet worden sind, ist den Eigentümern nicht bekannt. Die Mann­ heimer Reedereien und Kohlenfirmen haben daher die Kohlenschiffahrt nach der Ruhr eingestellt.

Die französische Regierung hat den Hinweis, daß die in das Die französische Regierung hat den Hinweis, daß die in das Ruhrgebiet eingedrungene franzöfifch- belgische Armee bei weiterem Vorrüden das Gelände deutscher Garnisonen betreten würde, mit einer Wiederholung der Behauptungen beantwortet, daß die von ihr gemeinsam mit der belgischen Regierung getroffenen Maßnahmen feineswegs den Charafter einer militärischen Operation hätten. Sie hat bei dieser Gelegenheit ferner mitgeteilt, daß sie durch die den Zechenbesitzern im Ruhrgebiet erteilten Weisungen der deutschen Re­gierurz zur Requisition der Kohle und zur Umleitung von Trans porten ge, vungen sei, und daß sie für das nichtbesetzte Deutschland nur denjenigen Teil der Produktion des Ruhrgebiets freigeben fönne, der nach Befriedigung der Reparationsforderungen und der Bedürfnisse des besetzten Gebietes etwa noch übrig bleiben würde. Die deutsche Regierung hält jede weitere Erörterung des Zweedes des französisch - belgischen Einmarsches für überflüffig. Sie kann nur ihrer. Berwunderung derüber Ausdruck geben, daß die franzöfifche Regierung den

vor aller Welt offenfundigen Charakter ihrer Affion auch jest noch ableugnen

zu fönnen glaubt.

Das Steuerunrecht.

Bon M. Kayfer.

stände des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes und In der Denkschrift zur Einkommensteuer, welche die Bor­des AfA- Bundes kurz vor Weihnachten dem Reichskanzler überreicht haben, ist eine in der Holzarbeiter- Zeitung" auf­ein Hamburger Tischler mit 2 Kindern im Jahre 1921 an Ein gemachte Rechnung erwähnt, in der nachgewiesen wird, daß fommensteuer den Lohn für 145,5 Stunden gezahlt hat. Wäre ihm die Steuer nicht vom Lohn abgezogen wor ben und wäre es ihm möglich gewesen, seine Steuerschuld für 1921 erst zu Anfang November 1922 zu begleichen, dann hätte der Lohn von 5,9 Stunden ausgereicht. Das Erempel ist so der Lohn von 5,9 Stunden ausgereicht. Das Erempel ist so lehrreich, daß es hier wiedergegeben sei. Unter Berücksichtigung stunden berechnet Bei der Berechnung des Stundenlohnes ist der Feiertage sind die in jedem Monat geleisteten Arbeits­Der an jedem Tage des Monats geltende Vertragslohn zugrunde gelegt, aus dem der Durchschnitt gezogen ist. Der Bestimmungen in Rechnung gestellt. Daraus ergibt sich ein Steuerabzug ist entsprechend den jeweils geltenden gesetzlichen Jahrseinkommen von 17 256,80 m. und eine Jahressteuer­fumme von 1067,10 m. für 1921.

Der vertragliche Stundenlohn, der im Durchschnitt des Monats Dezember 1921 11,75 M. betragen hatte, war Ende September 1922 auf 93 M. gestiegen; für den Jahressteuer­Die deutsche Regierung muß sich jedoch dagegen verwahren, daß betrag von 1067,10 m. brauchten also nur noch 11,5 Stunden die franzöfifche Regierung mit ihrer Begründung der ge- gearbeitet zu werden. Ende Oktober, bei einem Stundenlohn planten Requifitionen und anderen Zwangsmaßnahmen von 130 m. genügten 8,2 Stunden, Anfang November einen neuen Versucht macht, den wahren Sachverhalt zu verschleiern. bei einem Stundenlohn von 180 m. nur noch 5,9 Stunden. Die Unmöglichkeit, die Kohlen für Reparationszwede und für den Bedarf des besetzten Gebietes auf ordnungsmäßigem Wege zu liefern, ist nicht die Folge des Verhaltens der deutschen Regierung

oder anderer deutscher Stellen, sondern die

Folge des rechtswidrigen Einmarsches.

rapide fortgeschrittene Geldentwertung. Das Unrecht liegt An sich ist diese Feststellung nur eine Illustration für die darin, daß im Gegensatz zum Arbeiter, oder richtiger gesagt, zum Lohn- und Gehaltsempfänger, dem die Die französische Begründung läuft auf die Behauptung hinaus, daß dessen Einkommen also bis zum legten Pfennig erfaßt und in Steuer bei jeder Lohnzahlung abgezogen wird. fugt sei, weil das zuerst begangene Unrecht, der Ginmarsch in deut- werbetreibende seine Steuer erst viel später in start Frankreich deshalb zu immer gröberen Formen des Unrechts be- vollwertigem Gelde bezahlt wird, der selbständige Ge fches Gebiet, von Deutschland nicht unterstützt worden ist. entwertetem Gelde zahlt. So fommt es, daß die Ein tommensteuer, die das Rückgrat der Reichseinnahmen bildet, in machfendem Maße auf die Lohn- und Gehaltsempfänger abgewälzt wird. Von dem Gesamtaufkommen an Einkommen. Steuer entfielen auf den Steuerabzug von Lohn und Gehalt im August 1922 57,13 Broz, im September 58,33 Broz. und im Oftober waren es schon 71,97 Proz

Im übrigen weist die deutsche Regierung darauf hin, daß die Ausführung der Drohung, für Deutschland lediglich den ver­bleibenden Rest der Kohlenproduktion freizugeben, ein neuer Rechtsbruch sein würde.

Kampf den Prassern.

Es ist nicht ganz leicht, den Vorteil zahlenmäßig nachzu Entsprechend dem Ernst der Zeit hat die Reichsweisen, den der selbständige Gewerbetreibende von der nach­regierung an die Landesregierungen zwei träglichen Steuerzahlung hat. In dem nachfolgenden Versuch Rundschreiben gerichtet, in denen der Schlemmerei und benußen wir als festen Wertmesser, wie beim Arbeiter dem Alkoholmißbrauch der schärfste Kampf angesagt wird. die Arbeitsstunde, beim selbständigen Gewerbetreibenden den Einschneidende Berfügungen werden in Aussicht gestellt, jedoch Dollar. Den Umstand, daß der Selbsteinschätzer bei der Gins fordert die Reichsregierung auf, nicht bis zum Erlaß dieser schätzung berechtigte und unberechtigte Abzüge in fehr Maßnahmen zu warten, sondern von den bestehenden Befug- erheblichem Umfange machen kann, lassen wir außer Betracht. nissen sofort den allerschärfsten Gebrauch zu Die Steuermogelei ist ein Kapitel für sich, das hier nicht machen. berührt werden soll.

Das zweite Rundschreiben richtet sich vor allem n die Oeffentlichkeit und fordert dazu auf, fich im öffentlichen Leben und in der ganzen Lebenshaltung die äusterße Zurück haltung aufzuerlegen. Der Kampf müsse sich vor allem richten gegen jede Art von Brunt, unfittlichkeit und Ausschreitungen. Er müsse sich richten gegen be­stimmtes Genre, wie es augenblicklich im Theater und bei anderen öffentlichen Vorführungen überhand ge­nommen habe. Private 3irfel, Presse und die gesamte Deffent. lichkeit sollen in dieser Richtung erzieherisch wirken.

Nehmen wir den selbständigen Gewerbetreibenden A, der im Jahre 1920 ein steuerbares Einkommen von 50 000 M. hatte. Bei einem Dollarkurs im Jahresdurchschnitt von 63 ent­spricht das einem Einkommen von 793 Dollar. Im Jahress durchschnitt 1921 betrug der Dollarturs 108,5 und das Ein fommen des 2 war in diesem Jahre auf 90 000 m. gestiegen, das waren 829,95 Dollar. Im Jahre 1922 mar der Dollarfurs auf durchschnittlich 1885,75 gestiegen und das Einkommen ent­sprechend auf 1 500 000 m. oder 795,43 Dollar. Auf Grund des Einkommens von 50 000 m. hatte 2 für das Jahr 1920 13420 M. Einkommensteuer zu zahlen. Diese Cachins Immunität aufgehoben. Steuereinschätzung für das Jahr 1920 ist maßgebend, für die Steuersumme, die A im Jahre 1922 für das Jahr 1921 zahlte. Stürmische Szene in der französischen Kammer. Je am 15. der Monate Februar, Mai, Auguft und November Paris , 19. Januar. ( WTB.) Die Kammer hat in einer Nacht- ist eine Vierteljahrsrate der Steuer fällig, und zwar fifung mit 371 gegen 143 Stimmen die Aufhebung der parlamen - wird diese Rate nach der letzten Steuereinschäzung berechnet. farifchen 3mmunität für den kommunistischen Abgeordneten Marcel Da die Steuereinschätzung ziemlich spät im Jahre erfolgt, ist Effen, 19. Januar. ( WTB.) Heute morgen ist mit der Be- Cachin befchloffen. Die Verhandlungen waren von einer Heftigkeit, für die Steuerzahlung im Jahre 1922 zunächst die Steuer­schlagnahme der staatlichen Bergwerte in Buer , wie man fie felten im französischen Parlamente erlebt hat. Die einschäzung für 1920 als die legte vorliegende mañ Westerholt und Horst- Emscher begonnen worden. Die Beschlag- Sigung mußte wiederholt unterbrochen werden. Zum Schluß tam gebend. Daß das steuerbare Einkommen des A im Jahre 1921 nahme ist in der Welfe vorgenommen worden, daß franzöfifche es fogar zum Handgemenge. Der Antrag des fommunistischen Ab- 90 000 m. betragen hat und daß er dementsprechend für das Truppen alle wichtigen Positionen der Bergwerke befeht haben. geordneten Ernest Lafont , die Dokumente, die der Anflage gegen Jahre 1921 28 100 m. Einfommensteuer schuldet, gelangt erit Mehrere Direttoren sind verhaftet worden, u. a. Ober- Cachin: Attentat gegen die Sicherheit des Staates" zugrunde liegen, recht spät im Jahre 1922 zur Kenntnis der Steuerbehörde, die bergrat Ahrens von Westerholt sowie der Direktor der staatlichen nochmals prüfen zu lassen, wurde mit 372 gegen 171 Stimmen ab- dann dem Steuerpflichtigen die Steuerforderung zustellt. Bergwerte von Buer und der Präsident der Bergwerkskommiffion gelehnt.- Petit Parifien" glaubt, daß der Abgeordnete Cachin Redlirghausen v. Raiffeisen. Die Verhafteten sind nach Düffel- heute verhaftet werden wird. Sehen wir nun zu, wie A, der ein pünktlicher Steuer. zahler ist, seine Steuern für 1921 bezahlt. Bir rechnen dorf übergeführt worden. dabei seine Steuerleistung entsprechend dem Durchschnittskurs in dem betreffenden Monat in Dollar um.

Die ersten Verhaftungen,

Abwehrmaßnahmen der Reichsbahn.

Schwankungen an der Börse.

Dollar 21000.

Zahlungstermin

Steuerbetrag in Dollar

Steuerbetrag Mart

Dollarkurs im Monats burchschnitt

3855

208.8

16.06

$ 955 $ 855 18 085

290.1

11.50

1 184.2 7183.0

295

251

28 100

33 08

Heute morgen ist, wie wir erfahren, an die Generalbetriebs­leitung Weft, deren Sig in Essen war, die aber seit dem Einmarsch nach Elberfeld verlegt worden ist, eine Anweisung des Reichsver- Um Devisenmarkt haben heftige Schwantungen eingesetzt. fehrsministers ergangen, wonach den Beamten und Arbeitern der Der Dollar wurde heute vormittag zeitweise mit 18 000 bis 19 000 Reichsbahn den Bestimmungen des Reichskohlen- Kommissars ent- genannt. An der Börse stellte sich der Kurs gegen mittag auf Febinar 1922 Mai fprechend verboten wird, kohlen nach Frankreich zu 21250. Man rechnet in hiesigen Finanzkreisen auf Grund neuerer Auguft befördern oder entsprechende Umleitungen vorzunehmen. Ent- Meldungen doch ernstlicher mit ter Möglichkeit einer englisch - ameri Movember, gegenstehende Anordnungen werden als ungültig bezeichnet. Zu tanischen Vermittlung. Im Zusammenhange mit der unsicheren diesem Zwede ist die 3ufuhr der Kohlenzüge zu den Rhein - Haltung der Devisen, der zunehmenden Geldknappheit und in Anbe­fippern zu unterbinden. Belgische und französische Leerwagen tracht der außerordentlich schwierigen Lage der Industrie nahm die Hierbei ist angenommen, daß A, nachdem er die August­find den Zechen nicht zuzuführen. Außerdem wird heute im Reichs- Spekulation heute am Devifenmarkte größere Abgaben vor, um rate gezahlt hatte, die Steuerverslagung für 1921 erhielt; verfehrsblatt ein Criaß des Reichsverkehrsministers erscheinen, daß ihre Gewinne in Sicherheit zu bringen. Man rechnet auch hier mit bei der Zahlung im November hat er auch den Rest gleich mit wegen des völkerrechtswidrigen Einbruchs in das Ruhrgebiet er- der Möglichkeit eines sehr scharfen Rückschlages. Sebenfalls entrichtet, ob nicht recht viele Steuerzahler die Entrichtung laffene Anordnungen und Befehle der Reichsbahnstellen nicht zu be- fonnten sich heute bei den Papieren der inländischen Industrie die der Restschuld noch weit länger hinausschieben, als hier an. folgen find. Dorgestern erreichten hohen Kurse größtenteils nicht mehr behaupten.' genommen ist.

Zusammen