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D« weitevnn Fortschreiten auf der eingeschlagenen Dahn dessen Wirkung sein muß, kann nach dem, was wir nunmehr vor uns sehen, keinem Zweifel mehr unterliegen. Jeder Tag, man könnte fast sagen jede Stunde, zeitigt neue Akte brutalen Eingreifens der französischen   Militärs in das deutsche Wirtschaftsleben, neue Eewaltmaßnahmen, welche die Bevölkerung der besetzten Ortschaften erbittern, die sittliche Entrüstung auf die Spitze treiben. Bei den Begriffen von Ehre und Ansprüchen des Prestiges, die in den Kreisen ob« walten, welche heute in Frankreich   an der Macht sind, ist es aber aussichtslos, von ihnen ein freiwilliges Einlenken zu er- warten. Ohne dieses Eingreifen von außen werden sie sich zu einem solchen nicht entschließen, auch wenn sie einzusehen beginnen, daß sie auf falschem Wege sind. Darum ist die Stunde für England gekommen, von seiner bisherigen Passivität abzulassen. Ich weiß, seine Lage ist eine schwierige, und es siegt mir fern, etwas von ihm zu verlangen, was es nicht ohne ernsthafte Gefahr leisten kann. Ich mute ihm nicht zu, sich dem Vorwurf auszusetzen, daß es Deutschland   zuliebe seinen bisherigen Partner Frank- reich schädigen solle. Ich fordere nur etwas von ihm. was es sich s e l b st schuldig i st. England ist als einer der H a u p t b ü r g e n für die ge­rechte Ausführung des Verfailler Bertrages sich selbst schuldig, daß dieser nicht zum Gespött der Welt werde. Dieser Vertrag sollte Europa   den Frieden sichem. Was aber Frankreich   heute an Deutschland   ausübt, das ist keine Friedenshandlung, das sind K r i e g s m a ß n a h m e n. Sie haben nur deshalb noch nicht zu Bluwergießen im großen Maßstabe geführt, weil Deutschland   von der Gegenwehr absieht, zu der es im Angesicht jener Maßnahmen nach Volkerbrauch be- rechtigt wäre. Wie leicht es jedoch zu solchen bei der Ge- spanntheit der Lage kommen kann, haben wir gesehen. Jede Stunde kann ein solches herbeiführen. Darum ist es die Pflicht Englands, nicht länger w der Rolle des Pontius Pilatus   zu verharren, die ihm nirgends Freundschaften oder Dankbarkeit einträgt, sondern auf allen Seiten nur Geringschätzung seiner moralischen Kraft zur Folge hat. Seine Stellung ist unter den augenblicklichen Verhältnissen tatsächlich eine stärkere, als seinen Staats- männern zum Bewußtsein zu kommen scheint, oder vielmehr, sie kann es sein. Sie brauchen sich nur dessen zu erinnern, daß es sich hier nicht um eine Frage von Gunst oder Ungunst, von Wohl- oder Ucbelwollen, sondern eben um die Frage Pflicht oder nicht handelt, und die Sachlage erhält sofort ein anderes Gesicht. Und daß eine Pflicht Europa   gegenüber vorliegt, wer könnte einen Augenblick darüber noch im Zweifel sein?
Der»große KlaööeraÜatsch". Eine Erinnerung. Die Amerikaner sind vom Rhein   zurückgezogen, umd in England erörtert man die Frage, ob man ihrem Beispiel nicht folgen solle. Die Truppen PoincarSs aber stehen an der Ruhr und setzen deutsche Beamte und Angestellte, die ihren friedlichen" Befehlen nicht folgen wollen, m Haft. In weiten Kreisen Deutschlands   aber schlummert die Hoffnung, daß von England und Amerika   doch noch eiinmal die Hilfe für unser Land kommt, sei es finanzieller oder diplomatischer Art. Es ist allerdings noch nicht lange her, als es in Deutsch  - land zum guten Ton der M deutschen gehörte, ihrGott strafe England" zu brüllen, und noch weniger lange, seit Herat  , der Führer der Deutschnationalen, über die Amerikaner spotten zu dürfen meinte:Sie werden nicht kommen, denn sie können weder schwimmen noch fliegen!" Run sie d o ch ge- kommen waren, trat die militärische Katastrophe ein, die nüchterne Leute als unvermeidbar längst erkannt hatten. Allerdings wurden diese wegen ihrer Erkenntnis als vaterlandslose Gesellen" beschimpft und heute desDolch- stoßes" geziehen.
Marc Chagall  . von John Schikowski  . . Zu Witebsk   im russischen Litauen  , im Srmsichsten Viertel der Stadt, in einem winzigen Häuschen hinter dem Gefängnis, wurde ein armer Judensunge geboren, ein blasser Knirps, der nicht leben wollte.... Es war gerade eine große Feuersbrunft in der Stadt und das Bett mit der Matratze, auf der der Knabe zu Füßen der Mutter lag, mußte in Eile an einen anderen Ort geschafft werden. Dann stach man den anscheinend Totgeborenen mit Nadeln und warf ihn in einen Eimer voll Wasser, bis endlich das erste Lebenszeichen. ein leises Winseln, sich hören ließ. Die früheste Erinnerung des Knaben war, wie er spater erzählte, ein Troa, eine gewöhnliche viereckige Mulde, in der man ihn untergebracht hatte. Er wuchs heran zwischen den Kirchen, Zäunen, Kaufläden, Synagogen von Witebsk   alles so einfach, einsilbig ewig wie dl« Bauten auf den Fresken von Giotto. Und um ihn herum allerhand Juden. Wie ein Traum zog diese Umwelt an ihm vorüber: Es schwirrte hin und her, drehte sich, bewegte sich einfach vorwärts Man ging nach Hause oder in den Laden. Und hoch am Himmel die stillen Stern«, die ihn in denChoder", die Kinderschule, begleiteten und auf der Straße seiner harrten, bis er wieder heimging. Der arme Juden» knabe aus Witebsk   zog hinaus in die große Welt und wurde ein Maler. Er hatte nichts weiter mit sich zu nehmen als seine Kind» heitsträume, und diese verliehen ihn nicht. Halb träumend schuf er Bilder von einer seltsamen, fremden Pliantastik, in der krasse Wirk- lichteit mit grausigem Märchenspuk sich verband alles in düster lodernde Farbengluten gsiaucht. In Paris   war es, wo man sein« Größe zuerst erkannte und seine Art verstand, die ganz anders war als die aller anderen Maler vor und neben ihm. Der seltsam«, mit nichts zu vergleichende Eindruck der Kunst Marc Ehagalls so heißt der Maler ist in Worten schwer nachzuformen. Chagalls Gemälde sind keine Gemälde, die Dinge selber scheinen uns entgegenzutreten. Aber nicht in ihren natürlichen Formen, sondern als nächtliche Gespenster, oerzerrt, zerrissen, bizarr verfärbt, Menschen und Tiere schlafwandelnd, die Natur unter den erstickenden Beklemmungen eines Albdrucks in Todesangst sich win- dend. Ueber dem schmutzigen und blutigen Chaos des Irdischen leuchtet aber Irgendwo in Himmelshöhen ein stiller Stern, aus dem Aechzen und Stöhnen der gequälten Kreatur klingt, wie in ver- schneiter Steppe fernes Schlittenglockengeläut, ein leiser zarter Ton der Sehnsucht, der Besänftigung und der Verheißung einer schöneren Welt. Der klare Wirklichkeitssinn des modernen Juden, die düster­grausige Phanlastit althebräischer Poesien und die schwermütige Lyrik der russsschen Volksseele bilden die Element«, aus denen Cha- galls Wesensart sich zusammensetzt. Das allumfassende Gefühl und die elementare Gestaltungswucht des großen Künstlers schafft sich eine neue eigene Welt und die Vision wird auf der Bildtafel zum organisch geordneten, rhythmisch bewegten Kunstwerk gesonnt. Der Ausbau jeder Fläch« ist, trotz der anscheinend stofflichen Ver­worrenheu streng, klar und durchsichtig. Die Farbe von über- irdischer Schönheit, von flimmerndem Märchenzauber und einer hin- reißenden Gewalt, die die tiefsten Seelentiefen packt und ausrührt.
Bor genau zwanzig Jahren am 22. Januar 1903 hielt unser A u g u st Bebel im Reichstag eine Etatsrede, die sich zu einer großen Anklage gegen die Innen- und Außen- Politik des wilhelminischen Systems auswuchs. Heute ist es doppelt wichtig, daß der große sozialdemokratische Führer schon damals die Gefahr aufzeigte, die für Deutschland   wie für die ganze europäische   Wirtschaft drohte, falls Amerika   einmal in den Weltkrieg eingreifen würde. Er wies auf die damaligen neuen Uebungen ameri- konischer Truppen mit Riesengeschützen hin. die Geschosse von 1100 KUogramm etwa 32 Kilometer well schleudern sollten, und fuhr dann fort: Wie auf dem industriellen Gebiete es die Amerikaner gewesen sind, die durch Erfindungen und Verbesserungen aller Art da» alt« Europa   in den Schatten gestellt haben, und wie es gerade diese kolossale technische Entwicklung ist, die Amerika  das riesige Uebergcwlcht auf dem Weltmarkt gibt und später in immer höherem Grade geben wird, so können wir versichert sein, daß bei der außerordentlichen Energie und Tatkraft der Amerikaner und bei den kolossalen, nahezu unerschöpflichen Finanzmiitsln, die ihnen zur Verfügung stehen, sie auch aus dem Mlilär- und Marine. gebiet Zlnglaubllches. bisher noch nicht Dagewesenes leisten werden, sobald sie einmal anfangen, sich damit zu beschäftigen." Bebel erinnerte an die ungeheuren Leistungen Amerikas  im Sezessionskriege und fügte hinzu:Ein nächstes Mal wird es noch ganz anders kommen!" Und prophetisch sagte er die Jetztzeit voraus: Wenn es wirklich zu einem großen Zusammenstoß kommt, bann muß auch der allgemeine Kladderadatsch eintreten, über den Sie so oft mir gegenüber gelächelt haben, wenn ich davon sprach. Jawohl, meine Herren, das ist das notwendige End« dieser Entwicklung!" Heute haben wir diesengroßen Kladderadatsch" mit all seinen furchtbaren Auswirkungen. Daß eine Anzahl Kronen dabei mifs Pflaster flogen, ist die am leichtesten trag- bare Folge. Aber der Ruin der ganzen euro- p äi scheu Wirtschaft, der Zusammenbruch der beut- scheu, Stockung in England und Amerika  , finanzieller Bankrott Frankreichs   oll das sah Bebel voraus. Aber die Militär- und kriogsbegeisterten Parteien von damals glaubten der So- zialdemokratie nicht. Sie dachten nur an Wettrüsten mit England und Frankreich  , an Kriegsschiffe und neue Kanonen. Aber schon damals wies Bebel den Weg zu einer gesunden deutschen   Politik. Er versicherte, daß er sich gar kein größeres Unglück denken könnte, als ein ernsthaftes Zerwürfnis zwischen England und Deutschland  , zwischen zwei Nationen, die Hanno- nische Interessen trotz mancherlei Gegensätze besitzen", daß wir ein dringendes Interesse gerade wir auf dem Kon-- tinente, eingekeilt von Frankreich   und Rußland   daran haben, in England eine Macht zu besitzen, die zum mindesten uns nicht feindlich gesinnt ist". Auf der anderen Seite ermmerte er daran, daß er seit Jahrzehnten allezeit» auch«in freundliches Verhalten zu Frankreich   befürwortet habe und daß er mit seiner ganzen Partei weiter dafür wirken wolle.Frieden und Freundschaft zwischen den ersten Kulturnationen des Konti- nents wiederherzustellen". Das war vor genau zwei Jahrzehnten! Wer damals stand das wilhelminische Rederegiment in voller Blüte, und die bürgerlichen Parteien, besonders Agrarier und Schwer- industrielle, jauchzten dem Schwätzer, zu, wenn er die Sozial- demokratie rednerisch vernichtete und wenn er abwechselnd nach England oder Frankreich   diegepanzerte Faust" reckte. Heute haben dievaterlandslosen Gesellen" von damals an der Ruhr die Rechte des deutschen   Volkes zu wahren, und diePatrioten" wären unglücklich, wenn sie versagten.
Eine Ehrung für Sautsky. Wie dieWjener Arbeiter, eitirnq' mitteilt, hat der unqarische Minister des Innern über Karl Kautskyi BuchDie proletarische Revolution und ihr Programm" die Post- sperre verhängt.
Chagalls größte koloristische Tat: ein leuchtendes, lebendiges Schwarz, das kein Maler vor ihm sah und sinnfällig werden ließ. Marc Chagnll ist den Berlinern kein Fremder. Seit länger als einem Jahrzehnt erscheinen sein« Werke auf den Ausstellungen des Sturm", und wer die größten Meisterwerke seiner früheren Epoche kennen lernen will, der findet sie fast vollzählig in der Waldenschen Privatgalerie vereinigt. Aber es war ein verhältnismäßig kleiner Kreis, der ihn bisher kannte und verehrt«. Die schöne, umfassend« Sonderausstellung, die die Galerie L u tz u. C o.. Unter den Linden 21, jetzt veranstaltet hat. bietet dem großen Publikum Gelegenheit, sich mit ihm bekannt und vertraut zu machen. Sie zeigt einige Arbeiten aus seiner früheren Zeit, darunter ein.Selbstporträt"(Nr. 1) von 1903, auf dem schon das charakteristische Schwarz erscheint, Schöp- fungcn aus der mittleren Entwicklungsphase, in welcher der Chagall entstand, den man bisher schätzte(die Gemälde Nr. 449, die Aqua- relle 6884), und Werte der letzten Jahre. Ein großesSelbst- portröt mit Weinglas"(51) bezeichnet den Uebergang zu dieser neuen Periode, die durch fortschreitende Weichheit, Flüssigkeit und Helligkeit der Farbe und eine der gegenstandslosen, sogenannten absoluten" Malerei(Nrn. 63, 64, 65, 67) zuneigende Auffassung charakterisiert ist. Wer den früheren, wilden, dämonischen Chagall  verehrte, der muß sich vor diesen Gemälden völlig neu einstellen, und es kann sein, daß er manches als allzu zart, fast süßlich emp- findet Ich möchte diese Empfindung nicht zu einem Urteil formen. mir scheint, daß Chagall  , der wie jeder groß« Künstler in dauernder Entwicklung sich befindet, gegenwärtig eine Periode durchmacht, in der er auf die stilleren, sanfteren Seiten seines Wesens, lauscht, und ich glaube, daß aus dem Jetzigen und dem Früheren eine dritte, höhere,'vollkommenere Synthese sich bilden wird. Di« Chagall  -Ausstellung bei Lutz umsaßt 164 Werte und füllt die ganze obere Etage der Galerie. Sie ist am heutigen Sonntag von 112 Uhr geöffnet, der Eintrittspreis beträgt 50 M. Wer Zeit hat und die Summe erschwingen kann, sollte den Besuch nicht ver- säumen. Er wird Eindrücke von unvergleichlicher Tiefe und dauern- dem Wert empfangen._
Das unanständige Medizinstudinm. Den Frauen, die Aerzte werden wollen, werden in England viele Schwierigkeiten ge« macht, die mit der betonnten Prüderie der Engländer zusammen- hängen. Wie in derDeutschen Medizinischen Wochenschrift" mit- getellt wird, hat jetzt die größte Medizinschule Londons  , das L o n- don Hospital, beschlossen, keine Frauen mehr zum Medizin» studium auszunehmen. In der Begründung dieser Maßnahme wird ausdrücklich betont, daß man die Eignung der Frauen zum Studium nicht bezweifle: aber der gemeinsame Unterricht mit Männern habe sich als unmöglich erwiesen; es fei nicht angängig, gewisse Kapitel der Medizin jungen Männern und Frauen gleichzeitig vorzutragen. Die Universitäten Dundee   und Manchester   haben ebenfalls die Frauen vom Medizinstudium ausgeschlossen, well ihre Ersahrungen mit denen des London   Hospital übereinstimmen, und auch an anderen Universitäten ist eine Bewegung gegen das Frauen. studium in Gang In Edinbourg, wo 400 Medizin-Studenlinnen sind, wird der geburtshilfliche Unterricht in getrennten Klassen er- teilt. Die Hemmungen, denen die Frauen beim Studium an den englischen Hochschulen ausgesetzt sind, haben in ihnen den Gedanken entstehen lassen, eigene Frauen. Umoersstäten ins Leben zu rufen.
Jechenbach-Urteil und Nationalgefühl. Die Liga für Menschenrechte kündigt für Montagabend eine Versammlung an, in der das Fechenbach-Urteil besprochen werden soll. Der BerlinerLokal-Anzeiger" verfällt darüber geradezu in Tobsucht und fordert ein Verbot dieser Ver- sammlung. Er schreibt: Wir selber haben es an der notwendigen Kri- tit des Münchener Fechenbach» Urteils nicht fehlen lassen. Um so mehr sind wir berechtigt, die hcuttge Ankündigung der Liga für Menschenrechte als eine unerhörte Herausforde- rung des nationalen Gefühl» zu bezeichnen. Fechenbach ist zu 11, Gargas zu 12, Lembke zu 10 Iahren Zuchthaus verurteilt worden. DerLokal-Anzeiger" hat es an der notwendigen Kritik" dieses Urteils nicht fehlen lassen, er gibt damit zu, daß das Urteil ungerecht ist. Nach seiner Auffassung ist es abereine Schmach sondergleichen", ja sogar ein Verbrechen", wenn man sich um diese drei unschuldig Verurteilten kümmert; dasnationale Gefühl" gebietet nicht etwa, daß das Unrecht gutgemacht wird, sondern im Gegenteil, daß man Unschuldige im Zuchthaus verfaulen läßt. Für diesesnationale" Gesühlsmenschentum haben wir aller- dings nicht das geringste Verständnis.
öaperische Sorgen. München  , 20. Januar.  (Cig. Drahtb.) Die halbamtliche Kor- respondenz Hossmann hatte vonmaßgebender Stelle des Reiches" eine Mitteilung gebracht, in der die Versuche, die Einwohner- wehr zu beleben, aus außerpolitischen Rücksichten abgelehnt wurden. DerRegensburger Anzeiger", das Organ des Abg. Held, wendet sich nunmehr heftig gegen Herrn v. H a n i e l, den Vertreter des Reiches in München  , den er für den Urheber der offiziösen Mitteilung hält. Das Blatt sagt u. a.:Der Reichs- Vertreter soll eine ausgesprochen diplomatische Funktion in München  ausüben. Nicht mehr und nicht weniger. In offiziöser Weise, wie es hier in der Presse geschieht, zu politischen Fragen Stellung zu nehmen, gehört nach diplomatischen Gepflogenheiten nicht zu den Aufgaben des Gesandtschastsdienstes. Geschieht das trotzdem, wie in diesem Falle, so kann die Vermutung entstehen, daß sich der be- treffende Diplomat weniger als Diplomat, sondern als eine dele» gierte A m t s n e b en st e l l e der R e i ch s r e g i er u n g in München   fühlt. Würde der neue Reichsoertreter solche Auffassungen über seine Stellung und seine Mission hegen, so würde das sehr bald zu unliebsamen Reibungen führen. Denn die Reichsvertretung ist für Bayern   nur dann erträglich(l), wenn sie sich von allem Schein fernhält, gewissermaßen als A u f s i ch t s o r g a n(!) des Reiches fungieren zu wollen. Eine Orientierung bei den maß- gebenden Stellen hätte die ganze Aktion der Reichsstelle wahrschein-, lich unnötig gemacht, denn es hätte sich dabei wohl herausgestellt� daß die Pläne, die man hegt, auch der neuen außenpolitischen Lage durchaus Rechnung tragen." Das Blatt erklärt dann noch zum Schluß:Wir müssen den Mut zur Wiederbelebung des Wehrgedankens in Deutschland   finden, weil wir erst wieder ein wehrhaftes Boll werdkn müssen, bevor der Tag der Rettung anbrechen kann. Die Not des Baterlande- zwingt dazu, dieses Be- kenntnis laut auszusprechen."_
Ende der hessischen Regierungskrise. Darmsiadt, 20. Januar.  (Mtb.) Amtlich wird mitgeteilt: Di« Krise in der hessischen Regierung hat. nachdem die zwischen den Parteien geführten Verhandlungen noch zu keinem Abschluß ge- kommen waren, unter dem Eindruck der neuesten feindlichen Maß- nahmen im besetzten Gebiet ein rasche» Ende dadurch gefunden, daß Finanzrnimster Henrich auf eine erneut an ihn ergangen« Anfrage sein Rücktrittsgesuch zurückgezogen hat.
vi« Nakionassoziallsttsche«rbcilerpartel hält vom 27. bi, 29. Januar ihren ersten Parteitag in München   ab. Bei dieser Ge» legenbeit sind verschiedene' Massenversammlungen vorgesehen, außer» dem ole Fahnenweihe der Sturmabteilung.
Autos au» Baumwolle. Die Baumwolle ist für uns so teuer geworden, daß wir sroh sein müssen, wenn wir genug davon be- tommen, um sie zur Kleidung zu verarbeiten. In baumwollreichen Ländern aber, besonders in den Vereinigten Staaten  , wo ein Ueber- fluß an diesem Stoff herrscht, verwendet man die Baumwolle zu Zwecken, die uns zunächst sehr überraschend erscheinen. Wie in Ueber Land und Meer" erzählt wird, ist das Neueste in dieser Hin- Mit die Herstellung von Kraftwagen au» Baumwolle. Man verwendet dazu hochgradig gepreßte Baumwolle, die der Er- fiicder dieses neuartigen MaterialsEottonid" genannt hat. Man glaubt, daß die Eisenkonstruttionen der Autos in Zukunft immer mehr durch Baumwolle ersetzt werden können, und m den Fabriken desAutokönigs" Ford ist man bereits im großen dazu übergegangen, gepreßt« Baumwolle bei dem Bau der Wagen zu verwenden. Das Eottonid besitzt eine Dauerhaftigkeit, Zähigkeit und Leich­tigkeit, die von keinem anderen Stoff uberboten werden können. Es eignet sich auch dazu, beim Hausbau an die Stelle der Backsteine zu treten, und würde bei Eisenbahnwagen eine gewaltige Gewichtsersparnis bedeuten. Man hat ja bereits früher Baumwolle zur Fundamentierung von Bauten verwendet, die auf sandigem Boden errichtet wurden. Das un- gewöhnliche Baumaterial bewährte sich zum erstenmal beim Bau des Leuchtturmes von Leasowe, der zwischen den Flüssen Merse und De« liegt. Durch Zufall kam man auf diese Benutzung der Baumwolle. Die Schaffung der Basis für den Leuchtturm stieß auf die größten Schwierigkeiten. Da wurde das Wrack eines Baum- wollschiffes ans Land gespült, und die Baumwolle vermischte sich mit dem Sand. Die äußerordentliche Festigkeit des dadurch her- vorgerufenen Bodens brachte den Bauherrn auf den Gedanlen, die Baumwolle zur Fundamentierung zu verwenden, und es war möglich, auf diesem Grund von Baumwolle und Sand einen Stein- türm aufzuführen, der auch den heftigsten Stürmen standhielt. Die Mtte der Welt. Dächer als Wasserscheiden zweier Meere find nicht selten. Eine solche Rolle spielt z. B. das Schloß- dach des Fürsten   Hohenlohe-Schillingsfürst   bei Rothenburg ob der Tauber  . Die südlich« Dachrinne läuft nach Frankenheim   in die Warnitz   und durch die Donau   nach dem Schwarzen Meer, die nörd- liche nach der Tauber und durch den Main und Rhein   zur Nordsee  . In der Schweiz   sind ähnliche Fälle noch häufiqer. Hier handelt es sich um die Wasserscheide von Nordsee   und Mittelländischem Meer. Bei Bevcy.am Genfer See findet sich oberhalb der Stadt ein das Rhein  - und Rhonebeckcn in unparteiischer Gerechtigkeit speisendes Dach. Ein anderes bei Eossonay zwischen Lausanne   und Neuchatel  gab dem Gehöft seit Jahrhunderten seinen Namen. Es führt den prunkhaften Titel:Die Mitte der Welt".
Ter Berliner   Bolkschor(Diriacnt Dr. Zander) veranstaltet deute einen Schubert  -Abend in der Hochlchule>ür Musik. Pros. Albert Fiicher wird den Licderzhklus.Tie schöne Müllerin' fingen. Ansang 8 Uhr. Zugunsten des Tchuyverbandes deutscher Tchriftsteller veran­stalte! das Neue Koniervatoiium sür Musik unter Leitung von Tr. Lieber- son am 28. im großen Saal der Philharmonie«m Elite- K o uz ert in Berlin   lebender rus fis ch er Künstler.