Die Arbeiter sind entschlossen, standzuhalten. Aber man versuche um alles in der Welt nicht, sich und anderen einzu- reden, angesichts der Bedrängnis von außen fei d a s p a t r i- a r ch a l i s ch e Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wiederhergestellt und die Arbeiter seien bereit, sich gegen fremde für einheimische Herren zu schlagen. Man fordert damit nur peinliche Widerlegungen heraus. Nirgends x sind die sozialen Gegensätze schärfer als im Ruhr- rsoier. Nur die Arbeiter haben begriffen, daß die fremden Eindringlinge in plumpester und dümmster Weise auf diele Gegensätze spekulieren, und sie sind klarblickend genug, auf diesen dick aufgestrichenen Leim nicht zu kriechen. Sie wissen, daß alles zur rechten Zeit und am rechten Ort geschehen muß, und daß jetzt die große Aufgabe, dem französischen Imperialismus das Geschäft zu verderben, im Nordergrund steht und ihre Lösung verlangt. Ueber die Unverschämtheit des verübten Friedensbruches herrscht überall dumpfe Wut. Das Soldatenspiel auf offener Straße weckt Erinnerungen an alte Zeiten, deren Wiederkehr man nicht wünscht. Der Versuch, mit militärischen Kom- mandotönen, aufgepflanzten Bajonetten und spazieren gefahrenem Kriegsgerät den wundervoll ko m p l i z i e r t e n Wirtschaftsorganismns des Ruhrrevieres zu mei- stern, wird in allen feinen Stadien mit Gelächter verfolgt. In den Massen herrscht dieselbe prachtvolle Kampfstimmung wie etwa in der Berliner Arbeiterschaft während des Kapp- Putsches , wenn man sich auch dessen bewußt ist. daß dieser Kampf schwerer ist und länger dauern wird. Im Ruhrrevier kämpft die Arbeit gegen den Krieg, der Geist gegen, die plumpe Gewalt, und die Ar- beiter, Angestellten und Beamten stehen an der Front. Möge man im Hinterland begreifen, daß man mit Bierbankgcredc und nationalistischen Kraftphrasen dieser Front keine Hilfe bringen kann. Es gilt nicht, sich zu berauschen und in Illusionen zu wiegen. Es muß vermieden werden, durch A l a r m n a ch r i ch- ten, die am anderen Tag widerlegt werden,„Stimmung" zu erzeugen. Mit Kaltblütigkeit muß jeder Zug des Gegners mit einem überlegenen Zug beantwortet werden, bis er die Ohnmacht der Gewalt und den Bankerott seiner Hoffnungen vor äller Welt manifestieren muß. Dem französischen Jmpe- rialismus die Niederlage zu bereiten, die er für feine grenzen- lose Verachtung alles Rechts und aller Gesetze der Wirtschaft- lichen Berrninft verdient, das ist das Ziel, für dessen Er- rcichung die Arbeiter des Rubrrevsers alle Kräfte einzusetzen bereit und entschlossen sind. Unsere Aufgabe ist es, sie dabei verständnisvoll zu unterstützen in dem Bewußtsein, daß sie damit die Vorkämpfer geworden sind nicht nur der Sache Deutschlands , sondern auch der Sache des Friedens für die ganze Welt.
GeVerkschasten beim Kanzler. Einmütigkeit in der Abwehr. Amtlich wird gemeldet: Am Dienstag nachmittag fand in der Reichskanzlei unter Vorsitz des R e i ch s k a n z l e,r s eine Besprechung mit den S p i tz e n o r g a n i s a t i o n en der Gewerkschaften statt, die bis in die späten Abendstunden dauerte. Vertreten waren: der Allgemeine Deutsche Gewerkschoftsbund, der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Gewerkschaftsring, der All- gemeine freie Angestelltenbund. Die Organisationen hatten Abgesandte aus dem Rnhrgebiet zugezogen. An der Ve- sprechllng nahmen weiter der Reichswirtschaftsminister, der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft und der Neichsschatzminister teist der erkrankte Reichsarbeitsminister war durch den Staatssekretär und durch Beamte seines Mini- steriums vertreten. In eingehender Erörterung wurde die ge- somte, durch die rechtswidrige Gewaltaktion Frankreichs her- vorgerufene Lage durchgesprochen und dabei volle Einig- keitüberdiezuergreife'ndenMaßnahmen fest-
Die Kanone auf Sem Rumpelhaufen. Don Friedrich Wendel. Dor unseren Augen vollzieht sich ein geschichtlicher Prozeß, der, so vorsichtig nüchtern man auch die ersten Phasen seines Verlaufes einschätzen muß, sehr bald in aller Form offizieller Eiikettierung zu jenen epochemachenden welthistorischen Vorgängen wird gezählt werden, die den Typ menschlichen Zusammenlebens auf Iahrhun- derte und Jahrtausende zu bestimmen vermögen. Was den Fron- znstn augenblicklich im Ruhrgebiet passiert, ist das erste analysier- bare, klare, methodischer Untersuchung zugängliche, unschätzbar wert- volle Symptom des Prozesses der Um- und Entwertung eines Fat- tars, der als absolut stabile Wertgröße allem historischen und poli- tischen Denken bisher zugrunde lag: der Anschauung nämlich, daß in letzter, entscheidender Stunde großer Konflikte die Kanone wenn nicht das zuverlässige, so doch das einzig gegebene Mittel der Kon» fliktslösung fei. Wie ist die Situation, auf die die gesamte Welt heut« mit noch größerer Spannung blickt, als es bei Zama, Pharsalos, den Cata- launischen Feldern, Naseby, Valmy, Leipzig und der Marne der Fall gewesen ist? Die knifflige Frage war, ob ein schwerbewaffnetes Volk einem unbewaffneten Volt seinen Willen ouszuzwingen vermöge. Herr Poincarä glaubte, etwas voreilig, die Frage ohne weiteres bejahen zu dürfen. Er sieht sich getäuscht. Er erlebt, daß Kanonen nicht den geringsten Wert haben, wenn auf der Gegenseite die Leute kein« Lust haben, sich totschießen zu lassen. Ermöglichte die dürftige akademische Bildung de« kleinen Advokaten aus Bar-le-Duc ihm modernes Denken, so könnte er zu der logischen Folgerung kommen, daß besagte Kanonen noch weniger Wert dadurch haben, daß die Leute auf der Gegenseite auch nach erfolgtem Abschuß zweifellos' nicht zur Kohlenförderung zum Zweck der Uebsrfüllung französischer Lagerplätze sich werden bereit finden lassen. Und da man, trotz aller verblüffenden Kraftäußerungen der Seelen Abge- schiedener noch nie gehört hat, daß dabei muskulös« und arbeits- freudige Seelen sich für Zwecke der Kohlenförderung interessiert hätten, so steht die politische und wirtschaftliche Kalkulation des Herrn Poincars augenblicklich so, daß man begreifen kann, w«nn die Engländer daraus gespannt sind, wie sich das offizielle Frank- reich aus der scheußlichsten Blamage, in die je eine N«gierung sich gestürzt hat, wird herauswjckcln können. / Aber Spaß beiseite, das zutage liegende welthistorische Nooum ist von so bedeutungsvoller Wichtigkeit, doß man berechtigt ist. unter . Außerachtlassung des journalistischen Notgesetzes über Papier - ersparnis die Formel wörtlich zu widerholen: Kanonen haben nicht den geringsten Wert, wenn auf der Gegenseite die Leute keine Lust haben, sich totschießen zu lassen. Die Kanons ist auf dem Rumpelhausen der Geschichte gelandet—„und ihr könnt sagen, ihr seid dabei geweien"! Was aber ist da» nun'für eine neue seltsame Kraft, die an Stelle der von dem seligen Franziskaner Berthold Schwarz entdeckten Explosiv-Energie getreten ist? Wie heißt diese .Kraft, die stärker ist als die Kraft der Doppel-Kartusche plus Salz- ladung? Messieurs: Die Arbeiiskraft! Ein Ding, längst bekannt. Oft untersucht, gründlichst analysiert, Bibliotheken hat
gestellt. Bon den Gewerkschaften wurden noch A n r e g u n- gen gegeben, die von den zuständigen Ressorts verfolgt werden. Die einmütigeAuffassungder Teilnehmer an der Be- sprechung ging dahin, daß in der erfolgreich begonnenen Ab- wehr des Recht und Frieden brech enden, mit mili- tärischer Gewalt unternommenen Einbruchs mit allen zweckdienlichen Mitteln fortgefahren werden muß.
Englanös Arbeiter gegen Sie Ruhrmvasion. Eine Unterredung mit Charles Roden Buxton . Genosse Charles Roden Buxton , der hervor- ragende Führer der englischen Arbeiterpartei, weilte in den letzten Tagen als offizieller Abgesandter der Unabhängigen Ar- beiterpartei mitten unter unseren kämpfenden Kameraden. nahm an ihren Besprechungen mehrfach teil und übermittelte ihnen die Grüße der englischen Arbeiterschaft. Auf der Rückfahrt von Essen nach Berlin hatte einer unserer Genossen Ge- legenheit, sich mit Genossen Buxton ausführlich über die Ein- drücke, die er im Ruhrrevicr ausgenommen hatte, zu unter- halten. Genosse Buxton äußerte sich solgendermaßen: Ich Hab« die Störungen, die der Einmarsch der Franzosen im alltäglichen Leben der Arbeiter verursacht hat, an der Quelle studieren können, denn ich habe bei einem Bergarbeiter gewohnt, mit dem mich vor zwei Iahren Otto Hue bekannt gemacht hatte, und habe mit vielen Arbeitern gesprochen. Der Einmarsch machte sich bei den Massen sofort durch ein Steigen der Lebens- mittelpreise ungefähr auf das Doppelte bemerkbar. Es ent- stand eine allgemeine Beunruhigung. Niemand wußte, was am kommenden Morgen werden sollte. Besondere Empörung erregte es dann, als die Arbeiter ihre Kinder nicht mehr zur Schule schicken konnten, weil die Schulen von den fremden Garni- sonen beschlagnahmt worden waren. Das Verhalten der französischen Behörden gegenüber den Arbeitern kann ich nur als unverschämt bezeichnen. Ich habe noch nie etwas ähnliches gesel)en. Die Arbeiter hassen die französischen Osfiziere und die französischen Behörden. Aber sie empfinden gegenüber Frankreich und den französischen Soldaten keinen Haß. Sie haben für die einfachen Soldaten noch die Entschuldigung, daß sie doch selber unter dem Zwang der herrschenden Kaste ständen. Die Kraft der Arbeiterklasse beruht auf ihrer passiven Resistenz, mit der die feindliche Invasion nicht fertig werden wird. Darin ist die ganze Arbeiterklasse einig, auch die Kommunisten wollen nicht unter den fremden Bajonetten arbeiten. Das Abkommen von Dortmund über die Freigabe der militärisch besetzten Bahnstrecken war«in erster großer Erfolg. Genosse Buxton kam dann auf die Haltung Englands zu dem Vorgehen der Franzosen zu sprechen und führte darüber aus: Die überwiegende Mehrheit des englischen Boikes sei entschieden gegen Frankreichs gegenwärtige Politik. In bürgerlichen Kreisen ist der Umschwung erst in letzter Zeit zögernd und allmählich erfolgt. In den Arbeiterkreisen, die schon seit vier Jahren Stellung gegen den Frieden von Versailles genommen haben, ist das Gefühl gegen das französische Unrecht viel stärker entwickelt. Die eng» lisch en Arbeiter sehen in dem Vorgehen Frankreichs den Gipfel des Imperialismus. Die Stimmung gegenüber den kämpfenden Kameraden im Ruhreoier ist die einer vollkommenen Solidarität, wie ja auch meine Entsendung nach dem Ruhrreoier deweist Würde es freilich zu Gcwalilätigkciten Im Ruhrrevier kommen, dann könnte diese Slimmnng leicht umschlagen. Wir würden eine Intervention, sei es des Völkerbundes, sei es Amerikas , begrüßen. Wie weit unsere Kraft reichen wird, die Regierung in positivem Sinne zu beeinflussen, läßt sich natürlich im voraus nicht sagen. Einen günstigen Umstand bedeutet es, daß auch die kauf- männischen Kreise klar gegen die französische Politik Stellung genommen hoben. Eine aktive militärische Unterstützung Frankreichs durch England würden wir auf alle Fälle verhindern können, aber die wird wohl für keine englische Regierung mehr in Frage kommen. Für uns von der Unabhängigen Arbeiterpartei handelt es sich hier nicht um Frankreich oder Deutschland , sondern um einen Kampf zwischen dem ZUililansmus und der Arbeiterklasse. Und da stehen
man darüber zusammengeschrieben, das Beste über sie hat ein ge. wisser Karl Marx zu sagen vermocht. Ihr Wert als wirsschasllicher Faktor ist männiglich bekannt, sogar auf deutschen Gymnasien kommen Stndienräte und Oberlehrer nicht mehr um die Bctrach, tung dieses Faktors herum. Reu ist, daß Theoretiker und Prok- tiker der Kricgstschnik sich mit dem Ding w-erdcn intensiv beschäftigen müssen. Wobei aber weder Karl Klausewitz noch Oswald Spengler ihnen zuverlässige Lampen werden sein können. Sie haben, Raymond Poineore, anscheinend das Produkt der Arbeitskraft mit der Arbeitskraft überhaupt verwechselt. Der Tag ist möglicherweise nicht mehr zu fern, da selbst Ihre Kammer(eine Körperschaft also, in der die These, das Denken sei«ine ünparla- mentarische Gepflogenheit, sich überbetont vertreten findet),, Sie fragen wird, was es denn groß bedente, ein paar Züge voll Kohlen zu klauen, wmn es nicht gelinge, die Arbeitskraft um Dortmund herum als cmenll'ches Werlobjekt zu eskamotieren. Es war, Sie Ludendorff aus Bar-le-Duc. ein symbolischer Akt von Weltbedeutung, als eine Handvoll Gewerkschaftssekretäre Ihren Generälen sagen ließen, sie hätten wichtigeres zu tun. als sich mit dem Stuß Ihrsr Militärbefehl? abzugeben! Seien Sie überzeugt, daß diese Worte etwas mehr bedeuteten, als eine Bezugnahme aus das auch Ihnen bekannte Zitat aus dem„Götz von Der- lichingen"! Bernhard Shaw, ein Mann, der, wie wir wissen, Ihnen «in langes Leben wünscht, hat einmal gesagt, daß Napoleon Bona- parte der erste Europäer gewesen sei, der mit allen Konsequenzen begriffen habe, daß eine Kanonenkugel, auf einen Mann abgefeuert, diesen unfehlbar tötet. Jene Genossenschaftssekretäre, völlig un- napoleonische Figuren, werden vielleicht einmal in der Geschichte als jene Europäer registriert werden, die mit allen Konsequenzen begriffen hatten, daß Napoleon Bonaparte schon seit 1821 tot ist. In allem Ernst: mit der Ausschaltung der Kanone, d. h. allo des Krieges, und der Einschaltung der Arbeitskraft als Faktor staats- und peltpolitifcher Dynamik, ward nicht nur ein neues Ka- pitel, ward sozusagen ein neues Band der Weltgeschichte ange- fangen. Staatsmänner werden umlernen müssen, eine neue Diplo- matte wird erstehen. Wie altmodisch sie heute bereits wirken, diese Militärstaatcn! Und noch eins: es galt bis heute immer als eine besondere politisch« Erleuchttmg— siehe die englische Schule—, in Kontinenten denken zu können. Auch das Ist veraltet. Man hat heutiaen. tags nicht einmal mehr in Kontinenten, man hat in Ar- beitskraft zu denken! Proletarier, ihr habt ollen Anlaß, heute s hr stolz zu lein. Es war das Proletariat, das das Denken in Arbeitskraft dssziplinierte es war das Proletariat, das das Denken in Arbeitskraft zur Basis modernen Denkens und Handelns machte. Reale Erfolge in der Politik sind nur mehr auf dieser Basis möglich. Und Sie, Raymond Poincare , sind, unmögttch ge- wordenl
Uraufführung einer Kvrnfeldschen Komödie. Paul Konifeld. der zwei expressionistische Tragödien im Nirgendsland schrieb— „Die Verführung" als Symbol der Verzweiflung,„Himmel und Hölle" als Vision der Erlöjung— ist mit einer handfesten Komödie auf die behagliche Erde zurückgekehrt. Zwar hat er uns nicht die politisch« ZeUsatire gebracht, auf die wir all« warten. Aber dem
wir mit unserm ganzm Herzen auf der.Seite der kämpfenden Kameraden im Ruhrreoier. « Nach einer Zeitungsmeldung des gestrigen Tages soll die eng- lisch« Regierung ein„Rcchtsgutachten der ober st en Justizbehörde" eingeholt haben, das den französischen Rechts- brnch feststellt. Ueber diese Nachricht befragt, warnte Genosse Burton vor ihrer Ueberscheitzung Es könne sich allenfalls um eine Meinungsäußerung des Attorney-General und des Solicitor- General handeln, jener beiden juristischen Regierungsmitglieder, deren Gutachten man einzuholen pflege, wenn die Entschließung über eine bestimmte Aktion bevorstehe. Die Nachricht selbst sei zu unklar und unbestimmt, als daß sich aus ihr besondere Schlüsse ziehen liehen.
Seführlicher Vecssmmlungsschutz. Bei der Schaffung der Schutzgesetze wurde von der Deutschen Volkspartei auch der Erlaß eines Gesetzes gegen Bersammlungssprengungen beantragt. Nach der Aus- schußfassung soll im Reichsstrasgesetzbuch ein neuer§ 107a eingefügt werden, der folgenden Wortlaut haben soll: „Wer nicht verbotene Versammlungen, Auszüge oder Kund- gedungen mit Gewalt oder durch Bedrohung mit einem Verbrechen verhindert oder sprengt, oder in unmittelbarem Zusammenhang mit solchen Versammlungen, Aufzügen oder Kundgebungen Gewalt- taten begeht, wird mit Gefängnis, neben dem auch Geldstrafen bis zu einer Million Mark erkannt werden kann, bestraft. Der Ä e r s u ch Ist st r a f b a r." Die sozialdemokratische Reichstagsfraktwn hat diesen Bor- schlag bekämpft und wird ihn weiter auf das entschiedenste be- kämpfen. Die Sozialdemokratische Partei sprengt nicht geg- nerische Versammlungen, sie hat höchstens selber ab und zu unter dem Radau rechts oder links übergeschnappter Elemente zu leiden. Aber aus jedem Radau, bei dem es vielleicht ein paar Püffe gibt, eine Staatsaktion zu machen, ist direkt un- sinnig. Ist es Aufgabe der Gesetzgebung, die Kriminalität durch Erfinden neuer Delikte künstlich zu steigern, und junge Leute, die im Ueberschwang der Begeisterung Unfug getrieben haben, in Sträflinge zu verwandeln. Die bürgerlichen Parteien sollten sich die Sache noch einmal gründlich überlegen. Man hüte sich, neue Gesetze zu schassen, die bei parteiischer Anwendung leicht zur Quelle stärkster Erbitterung werden können.
Regierungsbilöung in LettionZ. Sozialistisch-demokratische Koalition. Riga , 23. Januar. (Eigener Drahtbericht.) Nach dreimonatigen langwierigen Verhandlungen ist heute eine Koalition zustande gekommen, die im lettländischen Reichstage eine Dreioiertelmajorität besitzt. Diese Koalition wird gebildet von der Sozaldcmokratie(der stärksten Partei im Parlament), der rechtssozialistischen Gruppe, dem demokratischen Zentrum und dem Bauernbund. In der Opposition verbleiben die leitischen Reaktionärs und die nationalen Minoritäten. Die Sozialdemokratische Partei entsendet in das Koaltionskabiuett die Genossen Buschewltz(Finanzministerium), Lorenz(Arbeitsministe. rium), Zelms(Vizeminister des Auswärtigen) und Decken(Vize- minister für Volksbildung)._
Deuifche karlosseln in Finnland . Vor einigen Wochen berich- teten wir, daß in Hclsingfors am 22. November 1322 aus einem Schiffe deutsche Kartoffeln in ganzen Wagen- ladungen vertauft worden seien. Die von der deutschen Gesandtschaft in Helsingfors auf Veranlassung des Reichs- Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft angestellten Ermitt- lungen haben ergeben, daß im„Hufvudstadsbladet" vom 22. No- vember 1322 tattächlich eine Annonce enthalten war, wonach„extra prima deutsche Kartoffeln" ab Schiff angeboten wurden. Bon der Gesandtschaft wurde indes festgestellt, daß es sich um aus D a n z i g stammende Kartoffeln gehandelt hat. Die finnische Zeitung hat als- bald eine Berichtigung gebracht.(Man kann wohl kaum annehmen, daß die Kartoffeln waggonweise auf dem Danziger Pflaster oder im dortigen Herfen gewachsen sind. Red. d.„V.")
einstigen Pessimisten ist jetzt mit der lachenden Maske wenigstens ein Borspiel gelungen, das dem Erbübel unserer Zeit, den de- battierenden, tatenlosen Intellektuellen die Wahrheit vorhält. Was sich aus diesen Referaten im Klub der geistig Radikalen in 14 Dildern entwickelt, ist ein flatterlmfter Versuch, die sexuelle Frage der sozialen voranzustellen. Kornseid läßt unter einer Zukunsts- regierung, die die Polygamie gesetzlich verordnet hat, eine Rebellion der Liebe entstehen, die das Recht auf Einehe fordert:„Der ewige Traum" heißt der Titel des Stückes. Nun ist aber dieses angenommene Verbot der dauernden Vereinigung zweier Menschen eine Uebertreibung, die, für die Komödie brauchbar, für die Moral- kritik ungeeignet ist. Es zeigt sich weiter, daß die wahre Satire ooraussetzimgslos sein muß. Bei Kornfeld spukt die Idee vom neuen Eros— und das läuft ja allemal doch bloß auf bürgerliche Familienmoral hinaus. Zudem ist diese Komödie mit einem poli- tischen Nebensinn behaftet, der für den Individualismus streitet, so daß uns zum Schlug aus den Resten des Erpressionismus der Liberalismus«ntgegenspringt: mir wollen ihn schleunigst wieder begraben... Die Uraufführung im Schauspielhaus zu Frankfurt a. M. verhalf dem Werk zu großer Bübnenwirkfam- keit. Die sehr glückliche Regie Walter Brügmanns meisterte sowohl die satirischen Massenszenen wie die Einzelcharakteristik. H. v. Z. Die Neuordnung de» Berliner Ienghausev. Nach langjähriger Arbeit ist dl« Neuaufstellung der Abteilung alter Waffen im Berliner Zeughaus vollendet worden, und damit wird diese groß- artige Wafseusammlimg durch übersichtliche Gruppierung dem Studium recht zugangfich. Paul Post , der die Einzelheiten dieser Neuordnung in der„Kunstchronit" beleuchtet, hebt hervor, daß man durch ein« gründliche Durchsicht nach Fälschungen und modernen Er- pänzungen Lust geschaffen hat und dabei auch verschiedene unerwartete Entdeckungen machte. Die bis tief ins Mittelalter zurückreichende Sammlung, die alle Waffentypen in hervorragenden Stücken voll- ständig anfweist, ist jetzt in einer klaren geschichtlichen Zeitfolge aus- gestelll. Die bisher durchweg sreistehenüen Gegenstände wurden nach gründlicher Reinigung unter Glas gebracht, und zwar nicht nur stimi- liche Schwerter, Gewehre und Helme, sondern auch der wertvollste Besitz des Zeughauses, die Harnische. Di« die meisten Gegenstände umfassende Schwerter- und Dcgensammlung ist von der frühmittel. alterlichen„Spatho" bis zum Beamtendegen des 18. Jahrhunderts in Pfeiler- und Fenlterichränken aufgereiht. In den die Abteilungen trennenden Langichrönken ver'ammeln sich die säclme in nahezu lückenlosen Entrmcklunsreihen vom longo bardischen Spangenhelm bis zur Hirnsckale des Drrßmjöhr'.ren Krieges. Den Mittelpunkt der einzelnen Abteilungen bildet der stoizl-ste Besitz des Zeughauses, eine große Anzahl erlesener Harnische, zum Teil großartige Meisterwerke deutscher Treibarbeit, die wie Frei- lkulpturen inmitten der Jache aufgestellt sind. Es erforderte viele Jahre, um diese Harnische zu reinigen, zu prüfen und neu zu ordnen. Aber die Zlrbeit hat sich gelohnt, denn es sind prächtige neue Stücke, die bisher vernachlässigt waren, entdeckt worden. Einige Ritter, die bisher zu Pferde dem Auge entrückt waren, hieß man absitzen, und macht« die Besichtigung ihrer kostbaren Hülle bequemer. Auf diese Weise wurde z. B. ein prachtvolles Stechzeug von der Hand des Nürnberger Plattr.ers Tallentin Siebenbürgcr gewonnen, ebenso ein herrlicher Harnisch der Hochrenaissance von seltener Poll-