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Nr. 52 40. Jahrgang Ausgabe

Nr. 26

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Telegramm- Abreffe: Sozialdemokrat Berlin  

Morgenausgabe

Vorwärts

Berliner Volksblatt

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Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Redaktion: Dönhoff 292–295 Verlag: Dönhoff 2506-2507

Donnerstag, den 1. Februar 1923

Wer verletzt den Frieden?

Deutsche   Note nach Paris  .

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., SW 68, Lindenstr. 3

Postichedkonto: Berlin   375 36- Banffonto: Direktion der Diskonto- Gesellschaft, Depofitentasse Lindenstraße 3

Der Raub im Osten.

Es ist selbstverständlich, daß sich zu allererst bei Bekannt werden der Memeler Vergewaltigung die Frage aufdrängen mußte, ob die Gleichzeitigkeit des litauischen Die französische   Regierung hat in ihren Noten vom 20., 22., 26.,| Deutschlands   greife. Dem Scheine nach sei das richtig, und bis Einfalls und der französischen   Ruhrbesehung eine 27. und 28. Januar der deutschen   Regierung Verlegungen des zu einem gewissen Grade sei es wahr, aber was habe man getan, zufällige oder eine gewollte sei. Reichlich rätselhafte Erschei­Friedensvertrages vorgeworfen. Die deutsche Regierung hat mit um Erfüllung der Ansprüche auf dem Wege zu erlangen, den die nungen bei dem Memeler Abenteuer haben weitere Ursache einer Note vom 31. Januar geantwortet, in der erklärt wird, daß die Gewerkschaften gewiefen hätten? Wenn behauptet werde, daß die zu einer solchen Untersuchung gegeben. ongeblichen Bertragsverlegungen nichts als die unvermeidliche Folge punft vertrete, so dürfe man sagen, daß die franzöfifchen Gewert- tretung Memels feftfette, verzichtete im Unterschied zu den C.G.T. einen den deutschen   Interessen entsprechenden Stand- Der Paragraph des Versailler Vertrags, welcher die Ab­des von Frankreich   verübten Bertragsbruches seien. Reparationen gewollt hätten, weil sie diese als eine der Grund- dung. Sie wurde einfach verlangt, weil man ja die Macht schaften und die Amsterdamer Internationale mit aller Kraft die anderen Abtretungsforderungen sogar auf die leiseste Begrün­lagen für den Wiederaufbau Europas   durch eine Versöhnung aller hatte, zu verlangen, was man wollte. Erst später hat Cle­Völker betrachteten. Anstatt sie zu hören, habe man menceau diese Amputation damit erklärt, daß Litauen   eben Ausführungen dieser Aeußerung zu erinnern haben. einen Ostseehafen brauche. Man wird sich bei den weiteren

Es handelt sich zunächst um das Fernbleiben der deutschen   Mit gleder an den Sizungen des deutsch  - französischen ge­mischten Schiedshofs. Dieses Fernbleiben wird in der deut­fchen Antwortnote als eine notwendige Folge des Ruhreinmarsches

erklärt.

In einer weiteren französischen   Note wird gerügt, daß die Hotel- und Gasthausbesiher in Berlin  Bontott maßnahmen gegen die in Deutschland   weilenden franzöfifchen Staatsangehörigen getroffen haben. Zugleich wird be hauptet, daß die Polizei diese Maßnahmen unterstützt und die Hotel- und Gasthausbefizer zu ihrer Durchführung verpflichtet habe. Dazu bemerkt die deutsche Note:

Sfinnes und die Alldeutschen unterstützt.

So habe das soziale und demokratische Deutschland   der Arbeiter, das stets seinem Wunsche Ausdruck gegeben habe, Repara­tionen zu leisten, dieses Deutschland  , das den Kampf gegen die Magnaten der Finanz- und Industriefapitäne führe, das die Re­ publik   verteidige, habe dem Reichstag   ein Gesetz aufgenötigt auf

Hast Du an das Ruhrgebiet   gedacht, Daß ich viele Spiel und gloffen haben, franzöfifche Staat und zum deutschen   Volksopfer gegeben?

Hotel- Gasthausbesizer und auch

in anderen deutschen   Städten entschlossen

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angehörige einstweilen nicht mehr als Gäste aufzu­nehmen, ist richtig. Nicht richtig ist es dagegen, daß dieser Ent­schluß von behördlicher Seite angeregt oder gar angeordnet worden wäre. Ebensowenig wird die Durchführung des Entschlusses von behördlicher Seite unterstüßt. Bielmehr hat die Deutsche  Regierung den Organisationen der Hotel und Bildung von Kommissionen zur Sozialisierung der Groß­Gasthausbesiger ausdrücklich und bringend von industrie und der gemeinnütigen Unternehmungen. Gegen dieses allen solchen Schritten abgeraten. Soweit die Be- junge Deutschland   hätten Stinnes und feinesgleichen sich erhoben. fizer diesen Rat nicht befolgt haben, handeln sie aus eigener Ini Die französische   Regierung aber habe ihre Hände in Unschuld ge­tiative. Ihrem Borgehen könnte nur durch gesetzgeberische Afte waschen. Nicht fo aber die franzöfifche Breffe. entgegengetreten werden, welche die Vertragsfreiheit beseitigen. Ein fitzergreifung der Industrie und der Regierung angefämpft werden, Der Lemps" habe erklärt, es müsse gegen die sozialistische Be­folcher Eingriff in den privaten Berkehr wäre jedoch nicht angängig." die Sozialisten seien für die Lage in Rußland   und Desterreich ver. Daß sich eine Verpflichtung der deutschen   Regierung zum antwortlich, und wenn man sie ihre Pläne durchführen ließe, wäre Einschreiten gegen die Hotel, und Gasthausbesitzer aus dem Artikel es um Deutschland   geschehen. Man sei in der französischen   Presse 277 des Vertrages DON Bersailles ergebe, muß noch weiter gegangen und habe auszusprechen gemagt, daß es für bestritten werden. Dieser Artikel gewährt den alliierten   und Europa   nur eine Hilfe gäbe: die Wiederherstellung des alten assoziierten Staatsangehörigen den gesetzlichen und gerichtlichen Regimes. Die franzöfifchen Blätter hätten planmäßig den Schuß ihrer Person und ihres Eigentums in Glauben erweckt, daß eine deutsche Regierung, die die Groß­Deutschland. Das Berhalten deutscher Privatpersonen in ihrem industrie perirete, größere Garantien böte als jede andere. privaten Berkehr mit Ausländern wird durch die Bestimmung Auf der Tribüne der Kammer, fuhr Jouhaur fort, habe ein Abge. nicht getroffen. Sie hat denselben Sinn und Zweck wie die gleich oder ähnlich lautenden Bestimmungen der Handelsverträge, die in ständiger Praris dahin ausgelegt worden sind, daß sie Ver. pflichtungen der vertragsschließenden Staaten, nicht aber Verpflich

tungen ihrer Angehörigen begründen."

Ebenso wird eine französische Beschwerde dagegen, daß der Effener Postdirettor sich weigerte. eine von der franzöfifchen Kohlenkommission in Essen   verlangte Fernsprechverbindung mit Rotterdam   herzustellen, zurückgewiesen.

Eine weitere französische   Beschwerde geht dahin, daß die fran­ zösischen   Nachforschungen nach Bermißten( Erhumie rungsarbeiten) wegen feindseligen Berhaltens der deutschen   Bevöl­ferung eingestellt werden mußten. Die Antwort sagt, es liege nicht mehr vor, als daß die bayerische Regierung den betreffenden Ausschuß gebeten habe, seine Arbeiten zu verschieben, um zwischen fälle zu vermeiden.

Schließlich soll die deutsche Regierung allen deutschen   Gesell schaften verboten haben, sich mit der Wahrnehmung fran. zösischer und belgischer Interessen zu befassen. Die deutsche Regierung erflärt, daß ein solches Berbot nicht besteht. Menn, wie behauptet wird, dem Direktor der franzöfifchen Schlepp­schiffahrt in Rotterdam   eine diesbezügliche Mitteilung zugegangen fei, fönne es sich nur um ein Mißverständnis handeln.

ordneter erklärt, er würde die

Während Danzig   dem Bölferbund unterstellt und von diesem ein englischer Oberkommissar dorthin entsandt wurde, bleibt Memel   bis zur endgültigen Entscheidung seines Schicksals unter der Herrschaft der Botschafterkonferenz, welche ihrerseits Frankreich   mit der Wahrnehmung der Regie­rungsgeschäfte und mit dem Schuh des Memellandes betraute.

schläge

Für die endgültige staatsrechtliche Gestaltung lagen drei Bor­äge vor: entweder follte ein neuer Freistaat etwa in der Art des Danziger errichtet werden oder die Eingliederung in Polen   oder die in Litauen   stattfinden. Am wahrscheinlichsten war es, daß die nahe bevorstehende Entscheidung sich für einen Freistaat aussprechen werde, unter Buerkennung beson­derer Rechte an Litauen   und Bolen, als am 11. Januar be fannt wurde, daß litauische Freischaren oder Truppen ins Memelgebiet eingerückt seien, die Stadt Memel   umzingelt und furz darauf die französische   Besatzung zur Rapitulation ge­zwungen hätten. Die litauische Regierung bestritt zwar jed­mede Teilnahme ihrer selbst oder ihrer Truppen und hatte den stand der memelländischen Litauer gegen die deutschen   Beamten schlechten Geschmack, das ganze Unternehmen als einen Auf­darzustellen. Inzwischen hat sie ihre Tonart wesentlich ge­ändert, und wenn sie auch immer noch an der Behauptung ihre Richtbeteiligtfeins festhält, verlangt sie jetzt doch aufs entschiedenste Einverleibung Memels   in das Kownoer Litauen  , etwa unter Gewährung einer Art von Selbstverwaltung.

Hat dieser kleine Raub einen Zusammenhang mit dem großen, der sich gegenwärtig im deutschen   Westen vollzieht? Sind hauptsächlich die Franzosen der Förderung oder zu­mindest der Duldung des litauischen Rechts= bruches schuldig? Ganz gewiß haben sie mit der Ausübung verwüsteten Gebiete lieber auch ferner in ihren blutigen Ruinen daliegen sehen, als daß er die Beschäftigung deutscher Arbeiter das Memelland   gegen Ueberfälle und Bergewaltigungen zu des Mandats über Memei zugleich die Pflicht übernommen, Boincaré erklärt: Sie haben Recht, die Lösung, die Sie fordern, inteln nach deutschen   Berfehlungen fucht, fei festgestellt, daß beim Wiederaufbau zugäbe. In Gegenwart immens habe beim Wiederaufbau zugäbe. In Gegenwart immens habe schützen. In einer Zeit, wo die französische   Regierung in aller statt dessen, erklärte Jouhaur, das Abkommen Luberfac- fie felbst in einem kleinen, ihrem Schutz anvertrauten muß ins Auge gefaßt und muß durchgeführt werden." Wenn Stinnes mit solcher Begeisterung angenommen worden sei, Land die schlimmste Verfehlung begangen hat, näm so deshalb, weil im Anschluß an diesen Vertrag ein Abkommen lich die, es an diesem Scuze pöllig fehlen zu lassen. Die Be­zwischen dem Comité des Forges und der deutschen   Schwerindustrie fazung war ganz ungenügend, ihre Versorgung mit Munition hätte zustande kommen können. Als dies schwieriger erschien, habe ließ alles zu wünschen übrig und die französischen   Schiffe, die man geglaubt, es bedürfe nur eines Anfangs der Besetzung des längere Zeit vor Memel   gelegen waren, hatten sich furz vor Ruhrgebiets, und man würde das gewünschte Ergebnis erzielen. dem lleberfall entfernt. Es ist kaum von der Hand zu weisen, man habe sich getäuscht, aber man beharre in dem unheilvollen daß all diese doch sonst vom französischen   Militarismus Irrtum. Gei nicht erst in den letzten Tagen die Rebe davon ge nirgends gezeigte Schwäche mit einer gewissen Absicht­wesen, Herrn Pinot zum Obertommiffar im Ruhrgebiet   zu er nennen? Diese Persönlichkeit sei aber der Generalsekretär des lich feit herbeigeführt war. Comité des Forges und feine Gruppe für die Besetzung des Ruhr­gebiets verantwortlich. Jouhaug erklärte weiter, die Arbeiter müssen die Würde ihrer Arbeit und ihrer Person verteidigen.

Der Drohung der Bajonette hätten sie sich nicht zu beugen, in welcher Lage sie sich auch befänden. Denn wenn mitten im Frieden die Schächte und Fabrileingänge Nordfrankreichs plötz lich von ausländischen Bajonetten bewacht würden, so hätten die franzöfifchen Arbeiter als Franzosen die Pflicht, Widerstand zu leisten, und zwar energischen Widerstand.

Souhaug wies zum Schlusse nach, daß die Besetzung des Ruhr. Jouhaug wies zum Schlusse nach, daß die Besetzung des Ruhr gebiets Frankreich   finanziell teuer zu stehen kommen werde. Als einziger Ausweg erscheine ihm zur Stunde ein Appell an den Böllerbund.

Jouhaux gegen den Poincarismus. Paris  , 31. Januar.  ( WTB.) Auf dem französischen   Ge. mertschaftsfongreß wies Leon Jouhaug auf den von ber C.G.. gemeinsam mit der Amsterdamer Internationale ver- Der Bölferbund tönne ohne Anwendung von Waffengewalt Pfänder tretenen Standpunkt hin, daß die Reparationsfrage eine Frage von zur Sicherstellung einer internationalen Anleihe unter seine Obhut internationaler Bedeutung und ihre Lösung auf dem Wege einer nehmen, und er besitze die erforderliche Autorität, um diese Anleihen internationalen Anleihe zu suchen fei. Er erinnerte daran, daß die zu verteilen, ohne den besonderen Ansprüchen eines jeden Landes positiven Borschläge, Deutschland   die Begleichung feiner Reparations Eintrag zu tun. Schuld durch Sachlieferungen und die Gestellung von Arbeitsträften zu ermöglichen, von den Gewertschaften ausgegangen sei. Gegen diese Vorschläge hatten sich die Wirtschaftsgruppen Stedholm, 30. Januar.  ( BTB.) Die schwedische Breffe und ihre Vertreter im Barloment erhoben, deren Einfluß für das veröffentlicht Aufrufe aller deutschen   Bereine Stockholms  , in denen Borgehen der französischen   Regierung ausschlaggebend ge- sie ihre Landsleute und Freunde zu Geldopfern für die not­wesen sei. Ich flage das Comité des Forges( der Hütten. Red.) an", leidende Ruhrbevölkerung auffortern. Auch von schwedischer rief Jouhaur, der Hebel jener stumpffinnigen Politit gewefen zu Geite erfolgen ähnliche Aufrufe. fein, die von der französischen   Regierung betrieben wurde, der Hebel auch des Ruhrabenteuers". Es sei zwar

Schweden   hilft.

den französischen   Arbeitern zurzelf unmöglich, einzugreifen, Der deutsch  - russische Vertrag in Kraft. aber man solle darum nicht annehmen, daß die Arbeiterklasse jene Bolitit ohne weiteres hinnehme. Möge die Besehung der Ruhr fort­3m Berliner   Auswärtigen Amt   wurden gestern Mittwoch die bauern, die Stunde der Schwierigkeiten werbe fommen und mit ratifizierten Rapallo  - Urkunden ausgetauscht. Das Protokoll ist vom ihr die Stunde der Verantwortung. Man habe sich darauf Außenminister v. Rosenberg und vom Sowjetbotschafter Krestinski  berufen, daß man zur Bolitit der Gewalt wegen einer Berfehlung unterzeichnet.

Auch die lässige Art, mit der seither nicht etwa die Liqui­dierung, sondern mur der Schein der Liquidierung des Rechts­bruches betrieben wird, läßt darauf schließen, daß die allmäh lich überall zur Katastrophe treibende französische   Politik auch hier ein fleines Sonderkatastrophchen erzielen will, über dessen mögliches Ausmaß den Herren in Paris   einstens allerdings die Haare zu Berge fichen können.

Konnte Paris   eine memelländische Lösung begünstigen, die Polen   so sehr ins Fleisch schneidet, wie es die gegenwärtige Provisorische tut? Eine solche Begünstigung anzunehmen, ist nur möglich, wenn Frankreich   beabsichtigte, auch im Osten Deutschlands   den Frieden zu stören und eine Brandstelle zu Ichaffen, bei deren Löschung nicht nur die verschiedenen Par leicht ein Feuerfunte auf das deutsche, das ostpreußische Dach teien sich in die Haare geraten mußten, sondern auch gar zu überspringen konnte.

Ist dies der französische   Gedankengang gewesen, so muß man sagen, daß er nicht einmal so lang war, wie die Nase des betreffenden französischen   Staatsmannes. Denn nicht nur liegt Memel   dicht vor den Toren vor Königsberg  ; nicht nur kommt der Appetit leicht beim Essen und die Annerionsluft bei der, Reinigungsaktion; nicht nur fann ein Schritt ins Memelland   gar zu leicht der erste auf einem Marsch nach Kowno   sein; sondern hinter all den sichtbaren Vorgängen fönnen auch unsichtbare, aber um so wichtigere liegen, wie 8. B. eine Verständigung zwischen Litauen   und Moskau   oder zu mindestens ein Rückendedung Litauens   in letter Not bei Rußland  . Heute in dem aufs äußerste geladenen Often mit Streichhölzern zu hantieren, heißt wissentlich auf einen Krieg hinarbeiten. Alles hier, Grenzen, Völ­fer und Regierungen, befinden sich in so labilem Gleichgewicht, daß ein Hauch genügen fann, um das scheinbar gefestigte Ge­