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auch viele Wuchergerichte, versagen. Und doch gibt es Mittel, die geeignet sind, den Wucherer schnell und wirksam zu treffen. Das ist die Entziehung der Handelserlaubnis durch die Polizei aus Grund der Verordnung vom 23. Septem- ber 1915 und 24. Juni 1916 und den dazu gehörenden Er- günzungsverordmmgen. Bei dieser Maßnahme der Polizei bedarf es keines gerichtlichen Verfahrens. Die Polizeioer- waltung bzw. die Handelserlaubnisstelle kann, ja sie muß nach freiem Ermessen handeln, und von der strengen Maß- nähme der Handelsuntersagung.Gebrauch machen, wenn Tat- fachen vorliegen, die die Unzuverlässiakeit des Handeltreiben- den dartun. Man wende diese Bestimmungen rücksichtslos an. Einigen tausend unsauberen Ele- menten auf einen Schlag den Handel untersagen wirkt mehr wie die langwierigen Gerichtsversahren mit meist negativem Ausgang. Alle diese Maßnahmen schnell und entschlossen ange- wendet und konsequent durchgeführt, könnten Wunder wirken und tatsächlich den Beweis erbringen, daß von der jungen deutschen   Republik   wirklich etwas geschieht, um die Not des Volkes zu bannen. Wenn dann die Reichsregierung ihre Auf- merksamkeit auch der Preisbildung durch die Kartelle, Syndikate und Preisverein'igungen noch zu- wenden, und gegen deren Wucher rücksichtslos einschreiten, d. h. die Voraussetzungen schaffen wollte, daß nicht die Klein- Händler, die bei Strafe des Warenentzuges zur Forderung der wucherischen Preise gezwungen sind, sondern die Vor- standsmitglieder der Kartelle usw., von denen die Preise fest- gesetzt worden sind, schwerer Bestrafung zugeführt werden, dann könnte sie mit Recht sich als eine Regierung bezeichnen, die die Zeichen der Zeit verstanden hat. Ich fürchte, die jetzige Reichsregierung wird dazu kaum in der Lage sein.
Unmögliche Fuftäaüe. Einige fragen an die bayerische Regierung. Im Verlauf der Debatte im bayerischen Landtag über die Verhängung des Belagerungszustandes stellte Vize- Präsident Genosse A u er an die bayerische   Regierung folgende Fragen: 1. Ist der Minister des Innern gewillt, den Unfug abzustellen, daß Offiziere und Wachtmeister der Landcspolizei in staatlichen Räumen und mit staatlichen Waffen nationalsozia» listischen Sturmtruppleuten im Waffengebrauch Unterricht erteilen? 2. Weiß die Regierung, daß Teilnehmer des Nationalsozialist!. schen Parteitages als Quartier eine Jnfanterietaferne zur Verfügung gestellt erhielten? Z. Ist der Regierung bekannt, daß bei einzelnen Abtei» lungen der bewaffneten Macht Abstimmungen vor- genommen wurden, ob sie für den Fall eines Eingreifens ge- willt feien, gegen Hitler   vorzugehen? 4. Ist der Regierung bekannt, daß der Sturmtrupp- führer Luettke in den letzten Tagen in einer Reichswehr  - t a s e r n e mit 10 Mv  -Markscheinen um sich geworfen hat und daß dieser Mann ein Spitzel der Entente ist, der bereits Waffen- lager verraten hat? Der Minister des Innern Dr. S ch w e y e r erNärte, daß er über die Anfragen Erkundigungen einziehen werde. Die Frage eines Einschreitens gegen die Sturm- t r u p p s werde�gegenwärtig von der Staatsanwaltschaft einer Prüfung umerzogen. Die Erklärungen des bayerischen Innenministers können in keiner Weise befriedigen. Zu oft sind von dieser Seite der» artige Beruhigungspillen ausgegeben worden, zu oft hat man von dieser Seite die umstürzlerischen Pläne der Nationalsozia- listen abgeleugnet. Die Zustände, wie sie sich aus den An- fragen des Genossen Auer widerspiegeln, sind seit langer Zeit in ganz Deutschland   bekannt. Die bayerische Regierung aber sieht sich auch heute noch nicht bemüßigt, einzuschreiten. Sie zieht Erklindigungen ein. läßt prüfen, das heißt, sie verschleppt die skandalöse Angelegenheit wester, ebenso wie bisher.
Angesichts der Vorfälle, die sich in den letzten Tagen zwischen der Regierung und der Nationalsozialistischen   Partei abgespielt haben, mußte es für jedes Parlament eine starke Belastungsprobe sein, wenn es vor die Frage gestellt wurde, ob es dieser Regierung auch weiter das Vertrauen schenke. Die bayerische   Lolkspartei stellte für die Regie- rung die Vertrauensfrage. Alle bürgerlichen Parteien stimmten für das Vertrauens- votum. Es sei festgestellt: 1. Die Nationalsozialistische Partei stellte der bayerischen Re- gierung Forderungen, die als hochverräterisch zurückgewiesen wurden. 2. Die bayerische Regierung verhängte darauf über München  den Belagerungszustand. 3. Der Belagerungszustand wurde auf dt« National­sozialisten infolge weiterer Drohungen und infolge der Inter- vention des zum Kommissar für öffentliche Sicherheit ernannten PolizsiprSsidenien von München   nicht angewandt. 4. Der Vizepräsident des bayerischen Landtags Abg. Auer gibt in öffenllicher Sitzung bekannt, daß die Nationalsozialistische Partei sich auch nach Bekanntwerden der Vorfälle der Protektion amtlicher Stellen erfreut und daß in Teilen der zum Schutzeder Staats- ordnung berufenen Stellen förmliche Umfragen ver- anstaltet wurden, wie man sich im Falle eines Umsturzaktes zu verhalten gedenkt. 5. Die Regierung weiß darauf nichts zu erwidern. 6. Die bürgerlichen Parteien sprechen dieser Regierung t r otz d e m ihr Vertrauen aus. Nach diesen Feststellungen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Verhältnisse in Bayern   Entwicklungen zutreiben, die in Italien   gewisse Parallelen finden. Es ist Pflicht, zu fragen, inwiefern durch ein derartiges Treibenlassen unhaltbarer Zustände auch die Interessen des Reiches geschädigt werden. Der Reichstag wird sich in seiner heutigen Sitzung mit dieser Frage zu beschästigen haben.
Die Steuerlasten öes Arbeiters. Beratungen mit dem Finanzminister. Vertreter der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion sind an den Reichssinanzminister Hermes mit der Forderung herangetreten, die steuerfreien Ermäßigungen beim Lohnabzug bereits im Februar zu erhöhen und die steuerlichen Lasten für die Kurzarbeiter zu ermäßigen. Die Kurzarbeit greife in ungeheuerlichem Maße um sich. Bei dem verminderten Einkommen und den höheren Steuerlasten könne der Kurzarbeiter nicht mehr auskommen. Reichsfinanz- minister Hermes erkannte die Notwendigkeit einer Er- höhung der steuerfreien Ermäßigungen an, wies jedoch auf die technischen Schwierigkeiten einer Erhöhung im Laufe des Monats Februar hin. Der von den Mitglie- dern der sozialdemokratischen Fraktion gewiesene Ausweg der Nichteinziehung des Lohnabzuges für eine Woche wurde von ihm als erwägenswert bezeichnet und zu- gesichert, daß auch die Steuerermäßigung für die Kurzarbeiter sofort vorgekommen werden soll. In einer Sitzung, die am Sonnabend mit den Spitzenverbänden der Gewerkschaften stattfindet, soll zu diesen Fragen und zu der Frage der auto  - matischen Anpassung der steuerfreien Ermäßigungen an die Geldentwertung Stellung genommen werden. Vertagung öes Reichstags! Während die sozialdemokratische Fraktion dcS Reichstags den dringenden Wunsch hat, daß der Reichs- tag in dieser kritischen Lage versammelt bleiben möge. drängen alle bürgerlichen Parteien auf Ver- t a g u n g. Unsere Fraktion war bereit, einer kurzen Ver- tagung bis zum Dienstag nächster Woche zuzustimmen. Wahr- scheinlich werden aber in der NeichstagLsitzung vom Freitag die bürgerlichen Parteien gegen die Stimmen der Sozial- demokraten und Kommunisten beschließen, den Reichstag   bis zum 12. Februar zu vertagen.
wissen loser Elemente vor, die die furchtbare Not des deutschen   Volkes ausbeuten. Sie reisen in den hauptsäch- lichsten Erzeugergebieten der nicht besetzten Teile des Landes umher, und kaufen Lebensmittel zu jedem Preise in der siche- ren Erwartung auf, sie in den Großstädten und im neu- besetzten Gebiet mit Uebergewinnen wieder verkaufen zu können. Mit Hartnäckigkeit erhält sich sogar die Nachricht, daß diese Personen die Besatzungstruppen mitversorgen helfen. Dieses Aufkäuferunwesen muß rücksichtslos bekämpft und dem verbrecherischen Treiben am deutschen  Volke muß mit größter Energie begegnet werden. Bon der Reichsregierung ist zu oerlangen, daß sie ihre gesetzgebe- rischen Befugnisse sofort restlos ausschöpft und, wenn der Reichstag beisammen ist, entsprechende Gesetzesvorlagen ein- bringt, damit die Exekutivbehörden der Länder die Mittel zur wirksamen Führung dieses Kampfes in die Hand bekommen. Eine nicht unwesentliche Ursache der Preissteigerungen ist in der großen Zahl der den Handel ausüben- den Personen zu suchen. Weit über das Volkswirtschaft- liche Bedürfnis hinaus befassen sich heute in großer Zahl para- siiäre Existenzen mit dem Aufkauf und Handel von Waren. Eine Verminderung ihrer Zahl ist ein allgemeines Bedürfnis. Durch eine entsprechende Verordnung muß die Reichs- regienng alsbald den G r o ß h a n d e l mit allen Lebens- und Suitermitteln und deren Aufkauf von der Neuerteilung einer r l a u b n i s abhängig machen, die von den oberen Ver- waltungsbehörden der Länder auch aus Volkswirt- schaftlichen Gründen endgültig versagt werden kann. Die zurzeit in Frage kommenden Bestimmungen auch solche der Reichsgewerbeordnung über Wandergewerbe  - scheine kommen in Betracht, die den Handel bzw. Auf- kauf von Vieh, Kartoffeln, Butter und Käse betreffen, er- mangeln des einheitlichen Aufbaues und der Klarheit, so daß die Exekutivbeamten vielfach nicht mehr wissen, was rechtens ist. Eine Zusammenfassung und Durch- arbeitung ist daher ohnehin erforderlich. Aber auch im Ruhrgebiet   selbst ist die Schaffung besserer Voraussetzungen für wirksame Bekämpfung der Preistreiberei nötig und möglich. Nichts bringt die Behörden so sehr in Mißkredit wie ein Neben- und Gcgeneinanderarbeiten. Diese Gefahr ist im Ruhrgebiet   besonders groß. Sie liegt darin, daß das wirtschaftlich einheitliche Industriegebiet verwaltungs- mäßig zu zwei Provinzen und drei Regierungsbezirken ge» hört. Soziale, wirtschaftliche und politische Maßnahmen und Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung sind in der Vergangenheit in ihrer Wirkung- oftmals durch diese Zerrissenheit beeinträchtigt worden. Das trifft auch auf die Wucherbekämpfung zu. Und gerade sie kann wirksam nur erfolgen, wenn sie van einer zentralen Stelle des Gebietes und ohne Rücksicht auf die Verwaltungs- grenzen einheillich geleitet und kontrolliert wird. Von ver- schiedenen Seiten ist in letzter Zeit ohnehin die Einsetzung eines Reichskommissars für erforderlich gehalten worden. Man mache alsbald in den wichtigen Fragen der Lebensmittelver- sorgung und der Wucherbekämpfung den Anfang. Dabei sorgung und der Wucherbekämpsung den Anfanq. Eine wirksame Bekämpfung der Preistreiberei wird leider durch das Rundschreiben erheblich erschwert, welches der Reichs- wirtfchafts- und der Reichsjustizminister unter dem 16. De- zember 1922 an die Ländsrregierungen erlassen hat und das Grundsätze für die Feststellung desangemessenen Preises" gemäß ss 1 Nr. 1 der Preistreibereiverordnung vom 8. Mai 1918 aufstellt. Mit diesenGrundsätzen", auf die im einzelnen hier nicht näher eingegangen werden kann, und die eine nor- male Marktlage voraussetzen, ist für die Wucherbekämpfung heute schon um deswillen nichts anzufangen, weil eine nor- male Marktlage nirgends und vor allem im Ruhrgebiet  nicht b e st e h t. Die Reichsregierung hat durch eine, vom WTB. am 29. Januar verbreitete Aufforderung an die Behörden und Gerichte den Wucherern und Schiebern erneut härteste Strastn angedroht. Nach den gemachten Erfahrungen sind solche An- drohungen ohne sichtbare Wirkung, weil die Gerichte,
probiematisthe Musik. Konzertumschau von Kurt Singer  . Solange es Musikgeschichte gibt, erst recht, solange es ein ösfent- liches Konzertieren gibt, hat man von Kämpfen, von Richtungen ge- hört. Immer ist eine Bewegung von den Freunden als das letzte in der Entwicklungslinie einer Kunstart umworben, von den Feinden, den Rebellen, als reaktionär in Acht und Bann getan worden. Ein halbes Jahrhundert ist nötig, um solche Kämpfe im Sinne einer gerechten Geschichte zu entscheiden, um sagen zu können: dieses war ein Anfang, jene? ein End«, dieses eine Fortseyung, jenes ein Bruch mit der Tradition. Und sogar über das Schöpferische, das Wesentliche der Tat können Zeitgenossen irren. Wenn einst der Streit um die Pgpstlichkeit hieß: Gluck oder Pircini. Wagner oder Brahms  , Bruckner oder Mahler, große Oper oder Musitdrama, so standen hüben und drüben Immer rührig« und ehrl'che Fechter. Und ein halbe« Jahrhundert später lächelte man über die Hitze des Krieges. I» der Entwicklung von Richtungen der Kunst gibt es keine unorgansschen Sprünge, und das Spekulieren mit dem Aparten, das Aieböugsln Mit der Theene rächt sich bald, wenn die Bestäti« Otrnrch das große, groß gewollte Werk ausbleibt. Der heutige pf«m die UtonslitSt ist gut; aber er bleibt Spielerei, wenn das packend», zwingend«, begründende Werk fehlt. S« fehlt, bei Schön- berg, dem GsO, bei Slrewinfki, dem Propheten, bei allen bösen Geistern Ihrer Anbeter. Kaum ist zu erkennen, wer da begabt, wer da simpler Techniker ist. Ist eine sinfonische Musik ob. 11 von K r e n e t An' Kunstwert»der bloß Handwerk? Der sunge Mann hat schon seltsam« Befähigungsnachweise erbrocht. So muh man Ihm durch dick und dünn mit Respekt folgen. Aber was hier unter Schcrchess klug führender Hand erklina, ist schrecklich langweilig. Was da bewußt an KlangMbrunst, Klangschönheit versäumt wird, ist leider nicht durch Ausdruck, nicht durch Geist oder Kraft wett- gemacht. Eine Papiermustk, fleißig und willkürlich hingeschrieben, mit einer VeAelbstandiguna der Kammermusikorgane, die das Ohr beleidigt, das Herz nicht erfreut, kaum das technische Interesse fesselt. Handwerk, Theorie, nicht Kunst so ernst es auch gemeint, so sauber es auch gespiell war. H i n d e m i t h ist ein viel stärkerer, sinnlicherer Musikant. Ihm hilft schon in seinem LiederzyklusDie junge Magd" der Text Trakls zu einer Konzentration. Leider hat er dem schwachen Wort gegenüber zu wenig freischwebende Phantasie. Die klein« Wirkung ist ihm Neb  «nsache, er gibt einen musikalischen Hinter- grund, der farbig, zart, transparent und eigenartig ist, auf dem sich vor allem eine ausdrucksvoll« Stimme(Tiny D« b ü s e r) ruhig und frei entfalten kann. Das Kolorit dieses Soloorchesterchens ist ein anderes, als wir es gewohnt waren; es lebt und webt etwas, keine Starre bedrängt das Ohr. Ein Fertiges ist es nicht. Bei solchem Talent für elegische Stimmungen wird sich Hindemith   eines Tages als ein ganz anderer entpuppen. Atonal oder nicht eine große Begabung rmgi sich durch. Es uns fühlbar gemacht zu haben, ist Verdienst der Internationalen Mustkgelellschaft und einiger ebenso wagcnmtiger wie tüchtiger Frankfurter   Musikanten. Ein anderes Bild zieht auf: Furtwängler  , der sich mit den Schönberg-Improvifationen einen Erfolg bei der Ultra-Partei holte, macht aus der Vielseitigkeit seines musikalischen Wesens kein Hehl und oersöhnt sich durch die Aufführung einer Sinfonie 11-Moll von
Max Trapp   mit dem Urstamm der Philharmonischen Konzerte. Die meistcrliche Interpretation warb mit Erfolg für den Berliner  Komponisten. Auch der macht aus seinem Herzen kein« Mörder- grübe. Er liebt die Melodie, er glaubt an die Inspiration, er sucht die innerste Verbindung von Form und Inhalt so bekennt er im Programmbuch. Er könnte etwa noch hinzufügen: ich bin ein echter und wahrhaftiger Schüler von Richard Strauß  , dessen sinfonische Dichtungen mir in Fleisch und Blut übergegangen sind, dessen orchestrale Farben ich mimikryartig annehme; ich verehre Bruckner  , vor dessen Adogiocinfall ich das Knie beuge. Ich bin«in moderner Elektriker, der seinen Halt noch nicht in sich selber fand. Wirklich: diese Sinfonie spreizt sich«in bißchen sehr, um ihre Kleingeistigkeit zu verdecken. Sehr gute Arbeit, eingängiger Klang sind ihr eigen; die Themen des ersten Satzes würden einer Diollnsonate zur Ehre gereichen, die innere große Spannung, der Trieb zur Entwicklung fehlt ihnen; ein Scherzo huscht keck vorbei,. im Adagio singt und klingt«s wohlig, ohne Vertiefung von Sehnsucht und Leid; und der seht« Sah, orchestral der interessanteste, hat jenen dithyrambischen Aufschwung, den Strauß' Don Juan uns ins Blut peitscht. Ja, Strauß: sein Till Eulenspiegel   schlägt in alter Schelmenweis« all diesen jungen und jüngsten Musikern die Peitsche um die Nase und zeigt, was Einfall, was Handwerk, was Berschwifterung von Form und Inhalt ist. Di« solistische Auslese unter den wenig Bekannten war nicht gerade hervorragend. Durchschnittsmulikanten trifft man ja in Berlin  selten; aber das Groß« streifen auch nur die wenigsten. Hedwig Faßbaender ist seit dem vorigen Jahr« sicherer, gewandter ge- worden. Ihr« Geige hat Ton bekommen. Die Ehaconne dürfte sie mit den vielen Tempooerrenkungen bei einem guten Lehrer gut aus- feilen. Karl T h r m a n n schieß im Tonhergeben weit über das Ziel beim Mozartlchen O-Dur-Konzert. So herb, fo kraftgeladen spielt man Bach, nicht Mozart  . Es ist, wie wenn jemand Sekt aus dem Maßkrug tränte. Bon Georg Schumann   sicher begleitet, gab«r handwerklich recht Gutes. Rudolf P o l k besticht durch Schönqesang auf der Geige, Ernst der Auffassung und Eleganz des Strichs(Spohr: v-Moll-Konzert). Emcmuel Feuermann läßt in Beethovens A.-Dur>Sonade die Seele des Eellos ausklingen: mit Dalooh am Flügel machen klassische und virtuose Stücke künstlerische Miene. Ludwig F r a n ch e t t i ist ein guter, ein nachdenklicher Pianist, der Bachsche Präludien und Fugen mit farbigem Ton und ohne pedan- tische Hineinziehung zu spielen weiß. Er macht Musik, ohne lehr- meisterlich zu sein; in sehr gut getöntem Spiel weiß er einen ganzen Abend mit Bach zu interessieren.
Niedriger hängeni Wir erhalten folgende Zuschrift unsere« Musikrefeventen! DieDeutsche Zeitung' fühlte sich in ihrer Ausgabe vom 28. Januar gemüßigt, ihr« Leser vor dem Besuch eines Konzerts zu warnen, das ich in meiner Eigenschaft als Dirigent desBerliner Aerzte-Cyors" Dieneiag, den 31. t. M., leitete. Praktisch genommen war die Warnung überflüssig, denn das Konzert war völlig aueverkauft. Auch ist es kein behagliches Gefühl, vor einigen von den 7S Lesern dieVr Zeitung zu musizieren. Was aber das moralische Niveau dieser Ankündigung kennzeichnet, ist: 1. sie ist bei der sprichwörtlichen deutschen Ehrlich- keit und Mannhaftigkeit dieser Art Journalisten nicht
namenllich gezeichnet; 2. sie verschweigt, daß ti« Aus­führung zum Besten von Arztwitwen und eines Blindenheims stattfand; 3. sie fühlt sichabgestoßen" durch die Gesichter, die einem deutschen Christen' dort aus Chor und Orchester entgegenglänzcn'. Das ist der eigentliche Pferdefuß, mit dem hier getreten wird: Juden- fresse«!. Völkische Einstellung nicht nur einem Kunstwerk, nein, auch den Ausführenden gegenüber. Ueber die materiell« Grundlage dieser Kunstbanauserei will ich mich gar nicht äußern; denn wenn ich diesen Herrschaften selbst nachwiese, daß unter den 4S Herren des gemischten Chors nur 7 semitische Sänger waren, so würden dies« Rechenhelden erklären, die anderen 38 seien getauft. Aber die Worte desDeutschen Requiems   von Brahms   find jaüberwiegend dem Neuen Testament  entnommen". Ileberwiegend, nicht ganz. Die Verse aus Iesaias z. B. müssen also dann von Juden, und nur von Juden, die aus der Bergpredigt von reinrassigen Christen gesungen werden, um in religiösen Menschen Anklang zu finden! Man sieht, wohin die Bor- niertheit dieser hetzenden Dummköpfe führt. Aber sie ruhen nicht; sie zertrampeln eben jeden Porzellanladen, in dem«s nach Juden klingen könnt«. Sie schreien nach nationaler Musik. Führt man dann nach zwanzigjähriger Pause die C-Moll-Messe Beethoven» auf, so wettern sie, das könne nur ein Rassenreiner. Wollen, Können, Würdigkeit, Inbrunst ist ihnen gleichgültig,-»» wenn nur die Partei nicht zu kurz kommt. Da» alle» in der Zeit des Burgfriedens, in einer außerpolstischen Angelegenheit, die Armen und Bedrängten zugute kam. Die musikalisch« Berichterstattung diele» Winkel- blättchens hat neben einem Universalreporter, den die deutsche Sprache haßt, ein gewisser Herr P. Der machte jüngst Bayreuth  mobil, um die Festspiele rassenrein zu erbalben. Er bekam daraufhin von Siegfried Wagner  , der gewiß«In Üudenfreund ist, einen Brief voller moralischer Ohrfeigen. Und die Gegenpropaganda unterblieb. Ein guter deutscher Christ kann keinen Juden leiden, doch seine Gelder nimmt er gern. Das journalisti'che Anstandsgefühl, die Frei- heit der Kunst, die rein menschliche Anständigkeit und schließlich der in derDeutschen Zeitung' am wenigsten heimische Verstand hätte die Kritzelei des Anomymus unterdrücken müssen. Denn von aller bornierten Prinzipien«iterei abgesehen: der Text des Brahmschen Requiem? ist so allmenschlich, so groß, gütig und tröstend, daß er in Kirchen, Synagogen, Moscheen erklingen könnte und überall die Herzen höher schlagen ließe. Ein Kunstwerk wird beschmutzt, wenn es von solchen Hütern der Ideale wie den Herren derDeutschen Zeitung' angefaßt wird. Und eine Rose selbst sängt an, nach Schmlerigteit zu duftcnl Kurt Dinger. Die Brücke mit der größten Spannung. Nach den jetzt oorli»- genden Plänen für«ine zwischenstaatliche Hängebrücke zwischen Detroit   in den Bereinigten Staaten(zwischen Huron- und Eric- See) und W i n d s o r in Kanada   über den St.-Clair-Fluß wird diese Brücke mit 1302 Fuß(S4g,2S Meter) die größte einzelne Brtickcnspannung der Welt haben und dpmit noch um 24 Zoll (60 Zentimeter) die bis dahin meitestgespannte große Auslegerbrücke von Quebec   übertreffen. Der Berkehr über die Brücke wird sich in zwei Stockwerken bewegen, im obenn der Automobil-, Wogen- und Fußgängerverkehr, im unteren der Zugverkehr. Man rechnet mit einer Bauzeit von zwei Jahren bis zur Eröffnung des oberen Stockwerkes und mit zwei weiteren Baujahren bis zur gänzlichen Fertigstellung.