Nr. S2 4> 4S. Jahrgang
1. Heilage öes Vorwärts
Sonntag, 18.§ebruar 1923
LETZTE TAGESREISE. Nachdem mir auf fünf Tagesreifen kreuz und quer durch die bunte und vielgestaltige Weltstadt Berlins Verkehrsmittel beobachtet haben, sollen zum Schluß noch einmal die Verkehrsmittel gezeigt werden, die wir im Straßcnrummel bisher übersehen hatten und die doch einen großen Teil ausmachen. Es sind die Berliner , die sich den Luxus des angenehmen Unterwegsfein leisten können und die, deren Unterwegssein Arbeit und Berufspslicht bedeutet.
Die Rodelnden. Morgens früh kommen sie schon angesaust: dann sind es die glücklichen Werktätigen- und A n g« st e l l t e n, die sich im Besitze eines Fahrrades befinden und auf ihm von ihrem Heim zur Arbeitsstätte fahren. Man liest von ihren Gesichtern förmlich die Freude und die Befriedigung ab, daß sie der Bahn ein Schnippchen schlagen und das teure Fahrgeld sparen können: wenn man mit ihnen einmal spricht, wissen sie von Hunderten Vorzügen ihrer Räder zu erzählen, wie prompt und sicher sie auf ihnen vorwärts kommen, wie sie weder Aufenthalt noch Streik zu befürchten haben. Und doch kommt es öfters vor, daß auch ihre Maschinen streiken. Der fluchende Radler packt die Tasche unter dem Hitz aus, holt fjand- werkszeug und Pumpe, versucht und versucht, sieht zur Uhr und— g bt es auf. Er schimpft wie ein Seemann: um ihn herum ein paar Neugierige, die sich lebhaft für sein Mißgeschick interessieren und ihm gute Ratschläge geben. Die machen den Radler zu Fuß noch wüten- der:.Bekümmern Sie sich mm Jhre'Sachen! Ick weeß schon selber, wat is oda nich is! Vostehn Se!" Und er packt sein Rad an der Lenkstange und geht fluchend und von den faulen Witzen der Zurück- gebliebenen begleitet zu Fuß weiter, seiner Arbeitsstelle zu, an der er heute etwas sehr verspätet ankommen wird. Drüben einer, der mit Elan den Schwung um eine Droschke nehmen will. Er Übersicht dabei den Autobus, der von links kommt. Krrrach— peng! Der Akrobat wider Willen, der eben noch so mutig war, sitzt nun, ein kümmerliches Häufchen von Unmut und Mutlosigkeit, im Dreck, vor ihm die Maschine mit einer verbogenen Lenkstange, einem Rad, das zwar ehemals rund, zetzt aber sechs- oder neuneckig ist und dem der abgerissene Schlauch zwischen den ausgesprungenen Speichen hängt. Das Publikum sammelt sich neugierig, wird gesprächig und ergreift Partei, für und wider:„Da haben Sie's! Diese Autobusse, die wie aus einer Rennbahn rasen! Das— ist doch— die— Höhe! Die Höhe sage ich! Daß da die Polizei— Natürlich! Polizei!?! Keine zu sehen!" Da sausen zwei Motorräder durch das Gedränge der Zyklonetten, der sparsamen Dreiradautomobels, der Puppchen, wie die kleinen Vierradwagen heißen. Noch sind sie in guter Fahrt! Da auf einmal stoppt das eine Motorrad! Der Fahrer tritt und tritt. Das Bcest will nicht! Der Fahrer nimmt einen Anlauf und macht'mit der schweren Maschine Laufmarsch, daß. der Schweiß ihm von der Stirn rinnt. Das Becst will nicht! Der Fahrer setzt sich wieder auf und tritt und tritt! Immer noch nichts! Die Bielzuvielen, die immer Zeit haben, sammeln sich um ihn. Und nun geht das Gefeixe los:„Fester. Maxe! Fester! Iieb ihm!"„Mensch, De machst woll Träning für'n Sportpalast!"„Bertrct da nur de Bsene nich! Sonst kannste nachher nich lochen!" Wütend und mit kaputten Knochen zieht der Fahrer nachher mit der schweren Maschine los. Inzwischen hat sich die Straße mit den holprigen Geschäftsdreirödern belebt. Halbwüchsige sind'es meist, die sie durch das Gedränge steuern.„Paß man usf. Duuu! Oda soll ick Dir de Elbkähne'ne Nummer kürzer machen!"„Borrrsssicht! Sssst! Phssit!" Und die Passanten flüchten und die flinken, immer luftigen Kcrlchen flitzen. Wenn es bergab geht, legen sie die Füße aus dos Radschutzblech, pfeifen keß den neuesten Schlager und lassen rollen. Bis auch ihnen einmal etwas passiert und sie ihre Bescherung aus der Straße zu- sammensuchen. Manchmal sind es kaputte Likör- oder Weinflaschen — das edle Naß in der Golse wird dann von grienenden Passanten begutachtet und kHtisiert— oder auch nur Tintenslaschen, deren sicher für ander« Zwecke bestimmter Inhalt nun den Asphalt schön gleich- mäßig schwarz färbt: manchmal sind es Baumkuchen, manchmal Geschäftsbücher, manchmal Porzellane und manchmal runde, nette Lebensmittel! In jedem Falle kann man feststellen, daß, wer den Schaden hat, für den Spott hier in Berlin absolut nicht zu sorgen braucht. Flink sucht man den Kram wieder zusammen, und slink haut man wieder ab. Di« flinksten von allen sind aber die kesien Zweirodler, die mittags und abends die Zeitungen an die verschiede- nen Ecken zu den dort wartenden Zeitungsfrauen bringen, die braven Zeitungsradler. Man muß sie bewundern, wenn man sie sieht, wie gewandt und aalglatt und mit welcher Höchstgeschwindigkeit sie sich durch das dickste Getümmel schlängeln, auf dem Rücken den schweren
grünen Sack mit den Packen: sie sind die reinsten Gleichgewichts- akrobaten und die Anwärter aus die Olympia-Rennbahn. Wenige nur sind unter den ersten Radrennmeistern, die unter diesen duften Jungs mit den kesien Sportmützen und den verwegenen hageren Ge- sichtern nicht ihre LeHrzeft abgemacht hatten. Um sie machen selbst die
Droschken und Taxen. einen Bogen. Damit sind wir bei den Taren angelangt, die das Verkehrsmittel der kapitalskräftigeren Kreise bilden. Man muß schon tief in die Tasche greifen, will man sie benutzen. Unter etlichen Tausenden geht es nicht. Ihre Geschäfte sind nicht so, wie sie es wünschten. Und doch! Man sieht sie massenhaft im Straßenbilde. Für die Droschken macht sich das beste Geschäft an den Bahn- Höfen, für die Autotaxen im Geschäftsviertel und im Westen, in der Nähe der Schlemmerlokale und Bars. Brav zockelt drüben die magere Liefe, das arme Tier, die Straße entlang. Zu Nieren sitzen sie in der Droschke: Urahne, Großmutter, Mutter und Kind! Oben auf dem Bock thront er. der Gewaltige, der Kusicher, in Mantel und Decken und Ohrenschqner«ingemummelt, als ob Berlin in Sibirien läge. Neben ihm ein großer Koffer, zwei kleine Koffer, mehrere Pakete, Schirm« und Decken. Und alles schleppt die Liese, die Arme, müde und traurig dahin. In der Droschke rechnen sie sich dabei aus, daß, wo sich der Spaß doch unter Viere teile und das Gepäck auch noch dabei sei, es eigentlich gar nicht zu teuer sei. Und man- freut sich, daß man wieder einmal„gut fährt"! Anders drüben in der Autotare. Blasiert liegt der Schieber auf dem Polster zurückgelehnt. Am Tage ist die Taxenfracht noch im allgemeinen solide: nachts ist es anders. Dann machen sich oft auf den so pro- saischen Polstern Szenen und Szenchen, wenn„er" mit zihr"� die sich vor einigen Stunden erst kennengelernt haben,„heimwärts" fahren oder wenn aus ihnen das Gejohle und Gesinge betrunkener Talmidandys und Halbweltdämchen kreischt. Immer weiter sausen die Taxen, an Lastautos vorbei, deren b«staubte Chauffeure Arbeit mit ihren Karren haben, an Geschäftsautos, die" oft in den groteskesten Formen gebaut sind— ein Mödlerouto in Form eines Mädlerkoffers, das Auto einer Zigarettenfabrik in Form einer Ziqarettenfchachtel, eines einer Zigarrenfabrik eine riesige Zigarren- kifte, ein anderes einer Likörfirma, das drei großen nebeneinander- stehenden Likörflaschen ähnelt. Kunterbunt flitzen sie durcheinander. Dann geht es manchmal krrack auf einen Laternenpfahl zu, in eine Droschke hinein, auf ein Auto los und— leider— manchmal allzu oft über arme Menschenleiter, die sich nicht mehr rechtzeitig flüchten konnten. Manche Chauffeure sind eben— ihr Beruf, der di« Sport- leidenschaft weckt, bringt es mit sich— häufig zu verwegene und manchmal zu leichsNmige Burschen, die erst dann vernünftig werden, wenn e» zu spät ist und das Opfer unter ihren Rädern liegt. Hier müßte die Polizei entschieden besser aufpassen und schärfer vorgehen: der manchmal rücksichtslos rasende Verkehr an einigen Plätzen, wie z. B. am Kemperplatz, am Potsdamer Platz , an der Potsdamer Brücke, auf dem Kurfürstendamm ist nicht nur ein« starke Bedrohung des Publikums, sondern auch eine brüske Herausforderung, auf die auch brüsk geantwortet werden müßte. .' - Aber der Berliner kennt schon den Dreh, sagen die Chauffeure. Und was sie da sagen, stimmt schon, wenn es auch nicht entschuldigt. -Und ich sehe bewundernd, während ich heimwärts gehe, auf dem Potsdamer Bahnhof die Passanten hopsend und schlängelnd sich durchs Gewirr« entwirren, seh« staunend, während es die Potsdamer Straße heraufgeht, die Bengels auf ihren Rollern um Autobus und Straßenbahn die schönsten Kurven nehmen und sehe— aber die Droschke sah ich nicht, die auf mich zutorkelt und deren Kutscher wild wie eine Kobraschlange zischell und mir zuruft:.Dussel , mach die Vogen uff!"_ Die vereinigten städtischen Orchester aus dem Ruhrgebiet f Essen , Dortmund . Bochum ) veranstalten, einer Einladung folgend, am 4 März d. I. im Großen Schauspielhaus in Berlin eine Musik- s e i e r zum Besten der Ruhrspend«. An der Spitze der Veranstaltung steht ein Ehrenousschuß, in dem der Reichspräsident den Vorsitz über- nommen hat. Am Vorabend werden die Gäste aus dem Ruhrgebiet im Reichstogsgebäude empfangen. Die Leitung des Arbeitsaus. schusses liegt in den Händen des Reichskunstwarts(Bureau im Reichs- Ministerium des Innern).
Dünne Strümpfe» Man schreibt uns: Mich friert jedesmal, wenn ich sie sehe. Nämlich die Damen mit den dünnen Strümpfen. Ich kann mir nicht helfen, ich muß etwas über die Unvernunft der Damen schreiben. Bei Regen, Schnee und Matsch, bei scharfem Wind und Kälte in Halbschuhen und Gordinenstrümpsen warten sie an der Straßen- bahnhaltestelle. Die Hände in den weiten Mantelärmeln vergraben� treten sie von einem Bein aus das andere, um sich warm zu halten. In der Bahn schlagen sie die Hacken zusammen, sie frieren. Sie frieren, weil sie die verrückte Mode mitmachen müssen, die dünn« Strümpfe vorschreibt, ohne zu bedenken, sich dadurch allerlei Kränk» heiten zuzuziehen. Im Kriege hatten wir derbe große Stiefel, fast jeder mußte zwei Paar wollene Strümpfe und noch Fußlappen dar- über tragen, dazu ein« wollene Unterjacke. Ihr unvernünftigen Mädels aber geht bei dem Wetter halbnackend, damit wir Männer eure Beine bewundern sollen und bedeckt sie mit Flor- oder Schleierstrümpsen. Oben aber tragt ihr Wolle und Pelz um den Hals geschlungen. Während ihr oben schwitzt, ist die untere Hälfte ein Eiskeller. A— wie gesund das ist! O— ihr törichten Jungfrauen. Bei der Arbeit sitzt ihr dann, klagt über kalte Füße und zittert wie Espenlaub Mit 20 Iahren husten viele von euch schon wie alt« Frauen und ihr sollt doch unser zukünftiges Geschlecht groß- zichen. Ein Heuchler der Mann, der da behauptet, noch nie auf eure Beine in dünnen Strümpfen und ausgeschnittenen Halbschuh einen Blick geworfen zu haben. Aber alles zu seiner Zeit, Ueber» laßt"das den„Dam«n", die das zu ihrem Beruf brauchen, um biedere Provinzonkels einzufangen. Ihr aber macht euch nicht zum Ge- fpött der Männer, jetzt noch im Winter so zu gehen. Wartet damit bis zum Frühjahr. Wir wollen gern solange entbehren.
W
Großfeuer in der knorrbremse. Am Sonnabend abend nach Arbeitsschluß wurde die Lichtem berger'Feuerwehr nach den Gebäuden der Knorr-Bremse A.-G. Weserstraße, Ecke Kronprinzenstrahe gerufen. Als die Wehr an der Brandstelle eintraf, stand ein Teil des Werkes in solcher Ausdehnung in Flammen, daß sofort mit mehreren Schlauchleitungen von Hydrantenspritzen angegriffen werden mußte. Äe Flammen waren weithin sichtbar. Durch unausgesetztes Wasser- geben, verbunden mit einem umfassenden Attgrisf, gelang es n a ch mehrstündiger angestrengter Löscharbeit große Teil» de» Kabelwerks zu schützen. Daß ein kleiner Teil ein Raub der Flammen wurde, konnte leider nicht mehr verhindert werden. Wertvolle Einrichtungen und Maschinen sind stark beschädigt, auch der Schaden am Fabrikgebäude selbst ist nicht unerheblich. Die Entstehungsursachs war gestern abend nicht mehr einwandfrei festzustellen. Um 7 Uhr war die Gefahr schon beseitigt. Der Betrieb des Kabelwerks wird aufrechterhalten.
verdorbenes 5lei)<h als volksnahrung. Auffällige Zuaahme von Durst- und Aleischverfälschungen. Während es in den I«tzt«n Jahren außerordentlich selten vor- kam, daß sich vor den Moabiter Gerichten Schlächtermeister wegen Verwendung sog. Konservensalze zur Frischerhaltung des Fleisches zu yerantworten hatten, nehmen seit einiger Zeit wieder derartige Fälle in geradezu ausfälliger Weise zu. Wenn man sich aber die Urteile ansieht— geringfügige Geldstrafen, die die Beteiligten ans- 7 de».Westentasche bezahlen—, so kommt MMi zu der Ueberzeugung, daß. es so nicht mehr wcitergeh? Der„Vorwärts" hat in der letzten Zeit wiederholt darauf hingewiesen, wie sanft der- artige Volksoerderber von den Gerichten behandelt werden. Richter und Schöffen.in Sarau hingegen verurteilen bei Milchpanfchereien zu Jahren Gefängnis und Millionen Geldstraf«. Wie aus den Aeußerunaen der verschiedenen Schläch- t e r m e i st e r hervorgeht, sch: int die Ursache in dem erheblich geringeren Absatz von Fleisch infolge der bald ins Un- ermeßliche gestiegenen Viehprüfe und dantit der Fleischpreise zu suchen sein. Wähend es noch im vergangenen Jahre selten vorkam, daß größer« Mengen Fleisch nicht verkauft wurden und dadurch dem Verderben ausgesetzt waren, so daß die Schlächter zu gewissen, aller- ding» verbotenen Konservwrungsmitteln griffen, geschieht dies jetzt, wie die von dem Nahrunasmitteluntersuchungsamt der Landwirt- schaftskommer der Provinz Brandenburg gegeben« Auskunft beweist, in immer häufiger werdenden Fällen. Die Anwendung dieser Konservierungssalze ist deshalb verboten, weil diese, zumeist
lNachdrwl verboten. Der Malik-Berlaz, Derlln.)
Drei Soldaken.
von John dos Paffos. Ans dem amerikanischen Manuskript übersetzt von Znlia» Sumpertz. „Dh ja, massenhaft," antwortete ein eifrige Stimme. „Um Gottes willen, sagen Sie ihm doch, daß er das Fenster schließt, Leutnant," murmeUe eine andere Sttmme. »Wie kann ich es ihm sagen? Sagen Sie es ihm!" „Wir werden alle getötet werden, das ist alles!" „'s gibt keine Unterstände oder Gräben hier!" „Das ist die Schuld des Hauptquartiers!" sagte der Major aus seinem Fenster. „Dort ist ein Kellerl" schrie die eifrige Stimme. Drei laute Explosionen in schneller Folge ertränkten alles in einem roten Schein. Die Straße war Plötzsich voll von Dorfleuten, die liefen, um Schutz zu suchen. „Wir machen besser, daß wir nach Hause kommen," sagte Andrews. Sie kletterten vorsichtig aus ihrer Grube heraus. Chrxs- field war überrascht, daß er zitterte. Seine Hände waren kalt. Es fiel ihm schwer, nicht mit den Zähnen zu klappern. „Wir werden jetzt mindestens eine Woche nach diesem Mist stinkem Machen wir, daß wir aus diesem dreckigen Dorfe fortkommen," murmelte Andrews. Sie liefen fort, durch einige Obstgärten, brachen durch eine Hecke und kletterten über ojsene Felder den Hügel hinaus. Unten an der Hauptstraße hatte ein Luftabwct'rqeschütz zu bellen begonnen, und der Himmel glitzerte von explodierenden Schrapnells. Das Put-Put-Put eines Maschinengewehrs setzte irgendwo ein. Chrisfield lief den Hügel hinauf, gleichen Schrittes mit seinem Freund. Hinter»ihnen krachte Bombe 6uf Bombe, und über ihnen schien die Lust voll zu sein von explodierenden Schrapnells und»von surrenden Flugzeugen. Der Kägnak lau ihnen noch immer etwas im Blut. Auf der Anhöhe hieltn sie an und schauten zurück. Chrisfield fühlte eine zitternde Bewegung, die ihm schneller durch die Adern sprang als der Kognak. Er legte die Arme um die Schultern des Freundes. Sie schienen das einzige Lebendige in einer
wirbelnden Welt zu sein. Unten im Tal brannte ein Haus hell. Aus allen Richtungen kam das Bellen der Luftabwehrgeschütze, und oben setzte sich unbekümmert der Singsang der Motore fort. Plötzlich brach Christsields in Lachen aus. „Bei Gott ,'s gibt immer einen Spaß, wenn ich mit dir ausgehe, Andy," sagte er. Sie wandten sich wieder um und eilten auf der anderen Seite den Hügel hinunter nach den Bauernhäusern zu, wo sie einquartiert waren. � 2. Soweit er sehen konnte, standen die grauen Stämme der Buchen, hellgrün von dem Moos, das sie auf der einen Seite überwachsen hatte. Der Boden war tief mit den im letzten Herbst gefallenen Blättern bedeckt, die wütend unter jedem Schritte raschelten. Ueber sich im unruhigen, flackernden Licht der Baumkronen und durch die dunkelgrünen Blätter hindurch konnte er dann und wann einen Flecken grauen Himmels sehen, grauer als die silbrigen Stämme, die sich beim Vorwärts- marschieren um ihn herum bewegten. Er strengte seine Augen an. bis sie von der ewigen Wiederholung der grauen und grünen Flecken geblendet waren. In der Ferne konnte er Batterien hören:„Pong, pong. pong," und dann klangen die Wälder, als ob Hagel niederginge, wenn eine schwere Granate über die Baumkronen hinmeosauste, um in einem dumpfen Krachen meilenweit entfernt zu verenden. Chrisfield war von Schweiß durchnäßt. Das Gefühl dafür, daß er Arme und Beine hatte, war ihm fast vorlorengegangen. Alle Sinne waren auf Augen und Ohren konzentriert und in der Aufmerksamkeit auf sein Gewehr angespannt. Er stellte sich vor, er sehe etwas Graues, das sich bewegt und schießt. Sein Zeigefinger juckte, gekitzelt von dem Wunsche, den Hahn abzuziehen.— Ich werde sehr sorgfältig zielen— dachte er bei sich. Er stellte sich einen Fetzen Grau vor. der hinter einem grauen Baumstamm her- vorkomme: er hörte den scharfen Knall seines Gewehrs und sah den Fetzen Grau sich in den gefallenen Blättern wälzen. Ein Zweig schlug ihm den Helm vom Kopfe, rollte ihn vor me Füße und schlug mit einem metallischen Laut gegen die Wurzel eines Baumes. Ein plötzlicher Schrecken machte ihn fast blind. Es schien, als ob sein Herz von einer Seite der Brust aus die andere rolle. Er stand steif, als ob ihn der Schlag gerührt habe, bevor er sich niederbeugen konnte und
den Helm aufheben.. Ein seltsamer Blutgeschmack war in seinem Munde. „Ich werde ihn schon fassen," murmelte er zwischen zu- sammengepreßten Zähnen. Seine Finger zitterten noch, als er sich niederbeugte, um den Helm aufzuheben, den er sehr sorgfältig wieder auffetzte und mit dem Riemen unter dem Kinn befestigte. Wütender Aerger hatte ihn erfaßt. Er ging wieder weiter. Uebcrall standen die silbrigen Stämme der� Buchen, alle mit einem hellgrünen Streifen auf der einen' Seite. Und bei jedem Schritt rauschten �>ie gefallenen Blätter wütend und laut. Fast außer Sichtweite, zwischen den Baum- stämmen, lag ein Holzklotz. Doch beim Näherkommen sah er, daß es keiner war, es war ein Bündel graugrünen Tuches. Ohne zu denken, schlenderte Chrisfield näher. Die silbrigen Stämme der Buchen begannen sich um ihn zu drehen. Es war ein Deutscher, der ausgestreckt zwischen den Blättern lag. Chrisfield war wütend glücklich: sein Blut pumpte durch seine Adern. Er konnte die Knöpfe auf dem Rücken des langen deutschen Mantels sehen. Er trat den Deutschen . Er konnte die Rippen an seinen Zehen durch das Leder seines Stiefels fühlen. Er trat noch einmal und noch einmal mit seiner. ganzen Kraft. Der Deutsche rollte schwer herum. Er-Hatte kein Gesicht. Chrisfield fühlte, wie der Haß plötzlich aus ihm heraus ebbte. Wo das Gesicht gewestn wo- war jetzt eine schwammige Masse von Purpur und Gelb und Rot, die Hand war an den verwesenden Blättern kleben geblieben, als der Körper herumrollte. Große Fliegen mit bellen, glänzend grünen Körpern schwirrten umher. In der braunen, schmutz!- gen Hand lag ein Revolver. Chrisfield fühlte.Kälte fein Rück- grat hinau.fsteigen. Der Deutsche hatte sich selbst erschösse, it Er wandte sich plötzlich weg, atemlos, um sich dem Rest der rekognoszierenden Truppe anzuschließen. Die schweigenden Zweige wirbelten um ihn herum und wellt-n sich in großen Bogen Eber seinem Kopfe. Der Deutsche hatte sich selbst er- .schössen! Darum hatte er kein Gcsichrl Chrisfield schloß sich den anderen an. Der Korporal wartete auf ihn. „5iast du was gesehen?" fragte er. P „Rein, nichts," murmelte Chrisfield. fast unhörbar. Der Korporal setzte sich wieder an die Spitze des Zuges. Chrisfield war wieder allein. Die Blätter rauschten wütend und laut unter seinen Schritten.(Fortsetzung folgt.)