fr. 116 40. Jahrgang
Beilage des Vorwärts
Mieterrecht und Mieterschutz
Selbsthilfe der Mieter.
Sonnabend, 10. März 1923
Zuschüsse für rund 2200 Wohnungen gegeben. Hiervon fönnen etwa 1000 erst im Laufe des Jahres 1923 fertiggestellt werden. Die Gesamtzuschüsse für diese 2200 Wohnungen be. laufen sich bisher auf 2,3 Milliarden Mart. Welche Zuschußsumme die noch nicht fertigen 1000 Wohnungen schließlich erfordern werden, läßt sich bei den derzeitigen Schwankungen auf dem Bauwird. Der Weg über das Mieteinigungsamt ist bei den großen In markt, die alles bisher Dagewesene übertreffen, nicht bestimmt vor standsetzungsarbeiten gesetzlich vorgeschrieben, und dieser Weg hat aussagen. Das Aufkommen aus der Wohnungsbauabgabe für das Sehr viele Unzuträglichkeiten für die Mieter und die Polizei für den Mieter große Borteile. Das Mieteinigungsamt fann näm- Rechnungsjahr 1922 für Berlin beträgt diesen Summen gegenüber find durch den Uebergang eines großen Teils des deutschen Haus- lich den Vermieter mit seinem Antrage abweisen, weil er das Haus nur annähernd sechshundert Millionen Mart. besizes an Ausländer entstanden, besonders wenn diese im erst nach dem 1. Januar 1920 erworben hat und die Arbeiten schon Deckung dieses Defizits müssen die Mittel aus der WohnungsbauZur Auslande wohnen und einen Bevollmächtigten im Inlande nicht damals notwendig waren. Dann geht der Mieter ganz frei aus. abgabe für das Jahr 1923 herangezogen werden, und es ist fraglich, bestellt haben. Häufig wird dann die Polizei von den Mietern Oder das Mieteinigungsamt stellt fest, daß der Vermieter die Aus- ob dann noch genügend Gelder zurückbleiben, um in diesem Jahre angerufen, die fich selbst wenig um die sie doch in erster Linie be- führung der Arbeiten schon viel früher hätte bewerkstelligen müssen; eine bescheidene Bautätigkeit zu finanzieren. Mit den bisher aus rührenden Hausangelegenheiten fümmern. Gerät einmal die Treppenbeleuchtung in Unordnung, versagt die Wasserleitung, so dann wird der Vermieter dementsprechend zur Kostendeckung mit der Wohnungsbauabgabe gewonnenen Mitteln fonnten also nur wiro, anstatt zur Selbsthilfe zu schreiten, fofort die Polizei bemüht. beitslose u. dgl unter den Mietern; diese können in geringerem herangezogen. Oder es sind arme Witwen, Kriegsbeschädigte, Ar et ma hundert Wohnungen errichtet werden. Unbeschadet der Berpflichtung der Polizei, solche die Allgemeinheit maße zur Kostendeckung herangezogen werden und der dadurch schädigenden Mißstände zu teseitigen, wird man verlangen fönnen, entstehende Fehlbetrag wird auf die bessergestellten Mieter verteilt.] daß zunächst die Mieter oder der Mieterausschuß sie Die Mieter haben also ein starkes Interesse daran, daß der Ver durch eigenes tatträftiges Handeln zu beheben versuchen. Es wird darauf hingewiefen, daß das Oberverwaltungsgericht fich mieter den vorgeschriebenen Weg über das Mieteinigungsamt geht. auf den Standpunkt gestellt hat, daß neben dem Hauseigentümer auch n feinem Falle ist der Vermieter berechtigt, Instandsegungs. fosten im Wege der Umlegung direkt von den Mietern jeder Einwohner unter Umständen verpflichtet ist, für die Beseitigung polizeimidriger Zustände, z. B. für das nötige Wasser einzuziehen. zu sorgen, und daß demnach die Polizeibehörde in solchen Fällen berechtigt ist, auch gegen den Haushaltungsvorstand einzuschreiten.
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Das teure Haupt.
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Früher war es das Vorrecht der feinen und vornehmen Damen und es wurde ihnen von Proletarierfrauen neidlos gegönnt daß die Pflege ihres Hauptes und Haares viel Geld tostete. Die Gedas Frisieren und Ondulieren, alles das erforderte ein ganz an ständiges Taschengeld.
Zu folder Selbsthilfe ber mieter bietet das Reichsmieten. Versagen der Schlichtungskammern. fichtsmassage, das Kopfwaschen in den großen Damenfriseurgeschäften,
gefeß vielfach die Handhabe. Bei laufenden sowie bei großen In- Schon jetzt stellt sich heraus, daß die unlängst eingerichteten standfegungsarbeiten haben die Mieter die Möglichkeit, ohne Jn. Schlichtungsfammern für Mietstreitigkeiten über laufende Instandanspruchnahme der ordentlichen Gerichte auf Grund des§ 6 Abs. 2, fegungsarbeiten nicht den Zweck erfüllen, den der Gesetzgeber im ferner§ 7 Abs. 1 und 8 des Reichsaietengefeges in Berbindung mit Auge gehabt hat. Nach§ 6 des Reichsmietengefeges soll die Schlich ber preußischen Ausführungsverordnung zu diesem Gesetz und der tungsstelle die sachgemäße Ausführung der laufenden Inftandhierzu erlassenen weiteren Ausführungsbestimmungen der Gemeinde segungsarbeiten durch geeignete Anordnungen sichern. Sie tann hehörden, die ordnungsmäßige Ausführung der notwendigen In- insbesondere anordnen, daß die Mieter einen entsprechenden Tell standsegungsarbeiten durch Anrufung der vorgesehenen Stellen des Mietzinses nicht an den Vermieter, sondern an die Stelle felbft ( Schlichtungsstelle, Gemeindebehörde, Mieteinigungsamt) zu veran ober an eine andere Stelle zu entrichten haben. Es ist also falsch, lassen. In anderen Fällen erscheint es angängig, daß die Mieter wenn manche Vorsitzende erklären, daß die Schlichtungstammern nach fruchtloser Mahnung des Eigentümers den Mangel selbst be teine besonderen Zwangsbefugnisse gegen Vermieter haben. Die seitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen im Wege der Mieter dürfen zwar noch nicht eigenmächtig den Prozentzuschlag für Aufrechnung verlangen. Auch ist es den Mietern, wie der Leiter laufende Reparaturen zurückhalten, um nun selbst die notwendigsten bes Bolizeiamis Treptom Bolizeirat Baczkowski in der dem Arbeiten ausführen zu lassen, aber das Geld fann von der Schlich nächst erscheinenden Nr. 23 der Fachzeitschrift Die Bolizei" in tungstammer beschlagnahmt werden. Im übrigen scheitert Berlin W. 35 schreibt, möglich, eine einstweilige gericht. praktisch fast alles an den hohen Ausführungsfoften. Da hilft auch liche Berfügung zu erwirten, daß sie berechtigt find, an Stelle die Erhöhung des Prozentzuschlages so gut wie gar nichts, weil im der Zahlung der in Frage kommenden Mietzuschläge an den Eigen gleichen Maße sofort die Ansprüche der Lieferanten und Handwerker tüme: diese felbft zu den vorgesehenen Zwecken zu nerwenden, steigen. Nirgends reichen die Zuschläge aus, um das Notwendigste wenn der abwesende Eigentümer feinen Berpflichtungen nicht nach zu machen. In den am ärgften mitgenommenen Häufern fann nach und nach nur ein ganz fleiner Teil der Schäden beseitigt werden. Daß neben diefer Hiffsation der Mieter auch die Polizei Dazu braucht man aber schließlich nicht den komplizierten Apparat tätig wird, ist selbstverständlich. Ein wie langwieriges und schwieri. der Schlichtungsfammer mit Beisitzern, Sachverständigen und einer ges Verfahren dies aber bedingt, führt der Verfasser eingehend aus. Fülle von Schreibwerf. Nur wo das von den Mietern allmonatlich Immerhin zeigt er den Weg, der eine möglichst schnelle Erledigung gezahlte Geld überhaupt nicht verwendet, also unterschlagen wird, der doch meist eilbedürftigen Angelegenheit verspricht: Bustellung oder wo eine unzweckmäßige Verwendung nachgewiesen werden der fofort für vollstrecbar zu erklärenden 3wangsverfügungen der tann , ist die Schlichtungsstelle von Nußen, wenn fie fich pflichtgemäß Bevollmächtigten oder im Auslande durch Vermittlung des deut- und schnell zur Beschlagnahme der Mietergelder entschließt. schen Konsulats oder bei Nichtkenntnis des Aufenthalts des Eigen. tümers öffentliche Zustellung und unmittelbar folgende Pfändung der Mieten zum Zwecke der Abstellung des Mißstandes. Sobald der Mieter von einer solchen Anordnung durch Zustellung der Pfändungsbenachrichtigung Kenntnis erhält, darf er den gepfändeten Betrag bei Eintritt der Fälligkeit nur an die pfändende Behörde
tommt.
zahlen.
Die Instandsetzungskosten. Die Hausbesitzer versuchen vielfach, ihre Ausgaben für In standlegungsarbeiten am Hause und in den Wohnungen auf die Mieter des Hauses in derselben Weise umzulegen, wie das mit den Betriebskosten( Steuern, Abgaben usw.) geschieht. Dieses Berfahren entbehrt jeder rechtlichen Grundlage und belastet die Mieter in unzulässiger Weise. Die laufenden ( fleinen) Instandsetzungsarbeiten werden nämlich durch den festen Instandsegungszuschlag bezahlt, den die Mieter bereits im voraus entrichtet haben, und zwar seit Januar in der Höhe von 500 Broz. der Grundmiete. Reicht dieser Zuschlag zur Dedung der Kosten der laufenden Instandsegungsarbeiten nicht aus, so muß der Vermieter den Fehlbetrag zunächst auslegen, bis er ihn durch eine behördliche Erhöhung des festen Buschlages hereinbekommt. Bei den großen Instandsegungsarbeiten haben die Mieter nicht das Kapital felbft, sondern nur einen Betrag für Berzinsung und Tilgung aufzubringen, der vom Mieteinigungsamt festgesetzt
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Drei Soldaten.
Bon John dos Pafios.
bem amerikanischen Manuskript überfekt non Julien Gumpers Habe nichts dagegen. Haben Sie einen Stuhl?" sagte Andrews lächelnd.
Ich denke, es war vielleicht nicht ganz recht, dich aufzuwecken. Aber sieh' mal, es war gerade so, du warst der Nächste, und ich fürchtete, ich würde dich vergessen, wenn ich dich jetzt übergehe."
" Ich verstehe," sagte Andrews mit dem plötzlichen Entschluß, dem Mann die Initiative der Unterhaltung weg zunehmen.
Wie lange find Sie schon in Frankreich ? Lieben Sie Den Krieg?" fragte er haftig.
Der Mann lächelte traurig.
Du scheinst ja ein waderer Kert zu sein," meinte er. Du hast es wohl sehr eilig, wieder an die Front zu tommen und noch ein paar Hunnen zu sehen." Er lächelte wieder nachfichtig. Andrews antwortete nicht.
Nein, mein Sohn, mir gefällt's hier nicht," fagte der Mann nach einer Pause. Ich wünschte, ich wäre zu Hause. Aber es ist doch angenehm, zu wissen, daß man seine Pflicht tut."
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" Kann fein," meinte Andrews. " Hast du denn schon von dem großen Luftangriff unserer Jungen gehört? Frankfurt ist bombardiert worden. Wenn fie nur Berlin vom Erdboden wegwischen könnten!"
„ Sag'' mal, haßt du sie denn wirklich so?" fragte Andrews leise. Denn falls du sie wirklich so sehr haßt, fann ich dir etwas sagen, was dich halbtot figeln muß vor Freude. Beug' dich' mal' rüber."
Der Mann beugte sich neugierig herüber.
Einige deutsche Gefangene tommen jeden Tag um fechs Uhr abends zu diesem Hospital. Wenn du sie wirklich haßt, so brauchst du dir ja nur einen Revolver von einem unferer Offiziere zu borgen und die ganze Bande über den Haufen zu Schießen.
Sag'' mal, wo hat man dich denn gemustert, Junge?" Der Mann setzte sich mit einem Ruck und dem Ausdruck des
Der Ruhrspenden- Hauswirt.
Mit einem neuen Trid arteftet der frühere Hauswirt, Milchhändler F. in Neukölln, um die Eintreibung unberechtigter Miete. forderungen zu versuchen. Er belästigt fortgesetzt Mieter mit Nach forderungen, die nach dem Gesetz völlig aussichtslos find, und hat jetzt geschrieben, daß er auf gerichtliche Klage verzichten werde, wenn die Mieter den Betrag seiner Forderung an die Ruhrspende abliefern und ihm darüber Quittung vorlegen. Der nicht zum ersten Male so unvorsichtige Ex- Hausbefizer scheint nicht zu wissen, daß diese Form, eine ganz unberechtigte Forderung einzutreiben, einen Erpressungsversuch darstellt. Rationaler hätte er gehandelt, sein für ein Butterbrot erworbenes Haus in Treptom nicht für Bapiermillionen an einen in Italien lebenden Spanier zu verkaufen. Die Wohnungsbauabgabe im Jahre 1922.
Heute sind aber auch die Männer übel bran, wollen sie nicht mit Mähnen wie die Löwen oder mit langwallendem Haar wie die Naturmenschen herumlaufen. Ein ganz einfacher Haarschnitt ohne alle Schifanen und Finessen toftet 1500 art! Zur Selbsthilfe fann man nicht greifen und sich der läftigen Haupthaare selbst entledigen, so wie man sich mit Hilfe von Rafierapparaten von Stoppeln und Barthaaren zu befreien vermag. Gewiß liegt hierin eine Notlage aller der Leute mit einer Brieftasche. Aber auch das Barbier- und Friseurgewerbe befindet sich in sehr übler Lage. Auf den einzelnen Läden laftet ungeheuer die hohe Miete, und vor allem der hohe Preis für das elektrische Licht. Dazu kommen die hohen Breise für allerlei Fette und kosmetische Mittel, die Barbiere und Friseure unumgänglich notwendig bei Ausübung ihres Gewerbes brauchen. Endlich darf nicht vergessen werden, daß heute alle Reparaturen an Scheren, Brenneisen und den anderen Apparaten, die in diesen einschlägigen Geschäften im Gebrauch sind, außerordentlich viel Geld verfchlingen. Nur in den feltensten Fällen wird ein Barbier oder Friseur diese Reparaturen selbst ausführen können und des Handwerkers nicht bedürfen. Es tann daher nicht munderdes Handwerkers nicht bedürfen. nehmen, daß Barbiere und Friseure sich in sehr bedrängter Lage befinden. Wie fürzlich mitgeteilt wurde, haben bis jetzt in GroßBerlin über 800 Läden geschlossen. Besonders schlimm daran find die Gehilfen. Der Besuch des Publikums hat bedeutend nachgelassen, das Rasieren besorgen die meisten selbst und mit dem Haarschneiden wartet man, bis der Hut vor lauter Haarfülle auf dem Kopf nicht mehr paßt. Die Folge ist eine Maffenfündigung der Gehilfen. Den Lurus von Gehilfen leisten sich nur noch ganz große Geschäfte der Friedrichstadt mit Valutapublikum, oder der Herr Hoffriseur, der noch immer großen Zulauf hat, weil es noch immer Herren genug gibt, die es Nigelt, von dem Manne ihr teures Haupt in Ordnung bringen zu laffen, der einst seine Hand an das„ heilige" Haupt von Wilhelm legen durfte! Ein Unterkommen an anderer Stelle und ein Engagiertwerden in einem anderen Geschäft ist für die gekündigten Gehilfen fast eine Unmöglichkeit. Manchem iſt es gelungen, umzulernen und in anderen Betrieben Beschäftigung zu finden, doch ist deren Zahl nur sehr klein. Vor allem leiden natürlich unter der schweren, wirtschaftlichen Not die verheirateten Ge hiffen. Und doch wird die Gorge um das teure Haupt immer größer und grausamer, die Preise für Haarschneiden werden immer härter und höher werden. Der Besuch der Barbier- und Friseurläden wird noch mehr zufammenschrumpfen und die Not der Gehilfen weiter wachsen.
Ueber die Verwendung und die Höhe der aus der Wohnungsbauabgabe fließenden Summen bestehen vielfach falsche Meinungen. Sogar Reparationen sollen aus der Wohnungs bauabgabe bezahlt worden sein. Auch wird behauptet, daß über die Ein trauriges Zeichen unserer Not. Mit der Reinlichkeit des Verwendung der aufgekommenen Mittel noch nie eine durchsichtige Körpers ist es seit langem bereits nur mäßig bestellt, weil für viele Rechnung aufgemacht worden sei. Wie niedrig das Aufkommen aus der Wohnungsbauabgabe im Jahre 1922 war und in wie geringem die Preise für Seife eben nicht mehr zu erschwingen sind, und die Umfange es zur Deckung des bescheidenen Wohnungsbauprogramms notwendigste Hygiene des Kopfes, wie sie das Haarschneiden dar. genügte, zeigen folgende Bahlen: Im verflossenen Baujahr wurden stellt, muß auch von vielen unterlassen werden. Schreckens auf. Weißt du denn nicht, daß Gefangene heilig| unbekannte, in den tragischen Jahrhunderten; manche von find?" ihnen hatten gemeint, und andere hatte gelacht, und ihre GeWeißt du denn nicht, was unser Oberst uns fagte, ehe danben waren aufgestiegen, glitzernd, Seifenblasen, um die wir in die Argonnenoffensive hineingingen: je mehr Gefan- Menschen zu verwirren, auf einen Augenblic, und um dann gene ihr macht, desto weniger werdet ihr zu essen friegen. zu zergehen. Er fühlte den wilden Wunsch, sich ihnen einzuUnd weißt du denn nicht, was den Gefangenen, die mir reihen, sein Leben zu leben, wie er es fah, trotz alledem, noch machten, geschah? Warum haßt du die Hunnen?" einmal die Falschheit all der Anschauungen zu verkünden, unter deren Dede Gier und Angst mit mehr und mehr Schmerz die schon fast unerträgliche Agonie menschlichen Lebens fühlte.
Weil sie Barbaren find, Feinde der Zivilisation. Du müßtest eigentlich genug Bildung haben, um das zu wiffen," fagte der Mann und erhob seine Stimme in zorniger Empörung. Welcher Kirche gehörst du eigentlich an?"
Reiner."
" Aber du mußt doch mit irgendeiner Kirche in Beziehung stehen. Du kannst doch in Amerita nicht wie ein Heide aufgewachsen sein. Jeder Christ gehört oder gehörte irgendeiner Kirche an durch die Taufe."
" Ich habe mit dem Christentum nichts zu schaffen." Andrews schloß die Augen und wandte den Kopf meg. Er fühlte den Mann über sich schweben, noch unentschlossen. Nach einer Weile öffnete er die Augen. Der Mann beugte sich über das nächste Bett.
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Durch das Fenster auf der anderen Seite fonnte er ein flein wenig blauen Himmels sehen. Wie diese Leute sich am Haß erfreuen fonnten! Dann war es wirklich beffer, an der Front zu sein. Die Menschen waren wirklich humaner, wenn fie einander töteten, als wenn sie nur darüber sprachen. So war die Zivilisation nichts anderes, als ein ungeheures Gebäude des Truges, und der Krieg statt ein Produkt des 3erfalles ihr völligster und endgültigster Ausdruck. D, es mußte doch noch etwas anderes geben, als Gier und Haß und Grausamkeit. Waren das auch alles Trugbilder, diese gigantischen Phrafen, die wie fröhliche Drachen hoch über der Menschheit flatterten? Drachen! Ja, das war es. Und Ge bilde aus Seidenpapier, die man an einer Schnur über sich herzieht, Ornamente, die man nicht ernst nehmen soll. Er dachte an die lange Prozession von Männern, die von der unaussprechbaren Flüchtigkeit des Menschenlebens erschüttert, versucht hatten, die Dinge anders zu gestalten, die Unweltfiches gedacht hatten. Rätfelhafte Gestalten waren fie- Demokrit , Sokrates , Epitur, Christus, so viele und so vage in dem filbrigen Rebel der Geschichte, daß er faum wußte, ob fie nicht nur in seiner Einbildung lebten; Lufrez, der heilige Franz, Voltaire , Rousseau , und so viele andere, bekannte und
Sobald ich aus dem Hospital heraustomme, werde ich defertieren: diefer Entschluß formte fich plößlich in ihm und ließ das aufgeregte Blut triumphierend durch seinen Körper fchießen. Es gab sonst nichts; man mußte desertieren. Er fab fich schon selbst im Dunkeln auf seinem lahmen Bein weghumpeln, die Uniform abstreifen, fich in irgendeiner Ecke Frankreichs verlieren oder durch die Wachen hindurch nach Spanien in die Freiheit entweichen. Er war bereit, alles zu ertragen, jeder Art Tod ins Antlig zu schauen, um einiger Monate Freiheit willen, in welchen er die Degradation dieses legten Jahres vergessen fönnte. Das sollte sein letzter Gang unter dieser Last sein.
Eine ungeheure Aufregung ergriff ihn. Es schien das erstemal in seinem Leben, daß er beschlossen hatte, zu handeln. Alles andere war ziellofes Umhergetriebensein. Das Blut fang ihm in den Ohren.
Die Lichter gingen aus, und der Krantenwärter fam und goß Schokolade mit einem angenehm beruhigenden Geräusch in die Zinntaffen. Mit dem Fettgeschmack der Schokolade im Munde und ihrer Wärme im Magen schlief er ein.
Als er aufwachte, war Lärm im Saal. Rötliches Sonnenlicht strömte durch das gegenüberliegende Fenster herein, und von draußen fam ein mirres Geräusch: läutende Glocken und Sirenenpfeifen.
Andrews schaute auf das gegenüberliegende Bett hinüber. Storty saß aufrecht im Bett mit großen, weitaufs geriffenen Augen.
" Leute, der Krieg ist aus!" " Schmeißt doch den Kerl raust" ,, Halt' s Maul!"
"
Bindet den Ohsen draußen fest!" schrie es aus allen ( Fortsetzung folgt.) Enden des Saales.