fr. 138+ 40.Jahrgang
Ausgabe A nr. 69
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Vorwärts
Berliner Dolksblatt
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Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße 3 Ferniprecher: Redaktion: Dönhoff 292–295 Verlag: Dönhoff 2506--2507
Freitag, den 23. März 1923
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Der völkische Volksverrat.
Aufgedeckte Mord- und Umsturzverschwörung- Verhaftungen in zahlreichen Städten Preußens.
Indes genügt das, was bisher befannt wurde und weiter unten veröffentlicht wird, um die Größe der Gefahr erfennen zu laffen, an der Reich und Staat vorübergeglitten find. Die Beteuerungen gewiffer Rechtsblätter, es handle fich um falsche Verdächtigungen, und ihr Eifer, die Deffentlichkeit -mie in folchen Fällen immer auf eine angebliche„ rote Gefahr" abzulenten, wird gegen dieses schwerwiegende Mate#rial nicht aufkommen. Während das Reich nach außen im allerschwersten Kampf um seine Behauptung steht, waren im Innern Kräfte am Werte, deren Gedante auf Bürger frieg und Mord gerichtet waren. Das ist ein Verbrechen am ganzen deutschen Bolte, dessen Größe sich gar nicht ermeffen läßt, und dieses Berbrechen ist geplant und vorbereitet worden von Menschen, die den Namen des Baterlandes fchänden, in dem sie sich seiner zu ihrer gewissenlosen Heze gegen
Im Breußischen Landtag wird heute der Minister des so wissen diese aus schmerzlichen Erfahrungen, daß alle gewalt= Innern, Genoffe Severing, in Beantwortung einer sozial- famen Aktionen durch den entschlossenen Widerstand der großen demokratischen Interpellation Auskünfte über die Aufdeckung Sozialdemokratischen Bartei zum Scheitern verurteilt sind, einer rechts putschistischen Verschwörung geben, nicht zu reden von den Bürgerlichen, die immer noch die Mehrdie den Behörden in den letzten Tagen gelungen ist. Einige heit im Lande bilden, und deren Abneigung gegen alle bolicheMitteilungen über das bisherige Ergebnis der Untersuchungen mistischen Experimente taum noch herporgehoben zu werden finden unsere Leser weiter unten. Ausführlicheres wird von verdient. Was die Kommunisten heute bewegt, ist vielmehr der Rede Severings zu erwarten sein. Allerdings muß es dem die Sorge vor dem weißen Terror des Fascismus Minister überlassen bleiben, wie weit er das bisher einwand als der Glaube an die Möglichkeit ihres eigenen Erfolgs. frei festgestellte Material zur Kenntnis der Deffentlichkeit brin- Wo Bestrebungen der Arbeiterschaft im Gange sind, den gen will. Er wird denen, die brennend daran interessiert sind halb militärisch aufgezogenen fascistischen Verschwörerbanden zu erfahren, was die Behörden schon wissen und was sie noch etwas physisch Gleichwertiges moralisch freilich weit lebernicht wissen, schwerlich den Gefallen tun, feine Karten ganz legenes entgegenzustellen, da find sie nicht aufzudecken. aggreffiven Absichten bestimmt, sondern vielmehr aus dem Bunjch hervorgewachsen, die Republik und die Rechte der arbeitenden Bevölkerung nicht unverteidigt zu lassen. In dem Maß, in dem die Gefahr verschwindet, wird auch die Bedeutung jener Bestrebungen geringer werden.
alle Andersdentenden bedienen.
Es mag sein, daß ein Teil dieser Leute von verworrenen Ideen geleitet ist, die sie selber noch für politisch" halten. Die geistige Berwirrung, die der Krieg mit seinen unfriedlichen Nachspielen in unzureichend ausgerüsteten Gehirnen anrichtete, ist ja grenzenlos. In der Hauptfache aber ging es diesen fonderbaren Verteidigern des Baterlandes um nichts anderes, als um die Verteidigung ihrer Futtertrippen, die sie durch das energische Borgehen der Behörden, unter der umsichtigen Leitung des Innenministers Severing, mit Recht bedroht fühlten. Die Geheimorganisationen, die allzu lange nach jedesmaliger Auflösung unter verändertem Namen weiter wucherten, sehen ihr Ende nahen, und deshalb wollten diejeni gen, die aus ihrem Bestand die Mittel zur Führung ihres Abenteuerbaseins ziehen, noch rechtzeitig zu einem leßten Schlag ausholen. Dieser Streich ist ihnen vorbeigeglüdt. Es ist nur selbstverständlich, daß fie und ihre Gönner sich jetzt auf die verfolgte Unschuld herausspielen.
So wird der Deutschen Zeitung" von der Deutschvöltifchen Freiheitspartei geschrieben:
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Deutschvölkische Freiheitspartei , Presseabteilung.
An die Landesverbände und Ortsgruppen, die feinem Landesverband angeschlossen sind:
Sämtliche Ortsgruppen der Partei haben im Verlaufe der nächsten Tage eine Depesche an den Reichskanzler zu richten, die, ohre den Wortlaut von hier festzulegen, folgendes enthalten soll:
Berwahrung gegen die Verhaftung der völlischen Führer in Berlin , Schlesien und anderen Orten des Reichs. Mahnung an den Reichskanzler, nicht nachzugeben und im bisherigen Widerstand gegen die Ruhrbefehung zu verharren. Forderung auf Bc. feitigung des preußischen Miniffers Severing als denjenigen, der durch seine Berfolgung der völkischen Bewegung und ihrer Führer die nationale Einheitsfront zerschlägt. Treugelöbais an den Reichstanzler für den Fall, daß( 1) Severings Tätigkeit unmöglich gemacht wird. Im Auftrage der Parteileitung. Gez. Weberstedt .
Daß der Major a. D. Weberstedt mit den Vorbereitern des Mordkomplotts in Verbindung stand, soll damit keineswegs behauptet werden. Tatsache aber ist, daß alles vorhanden war, vor der Inszenierung einer planmäßigen Heße bis zur Vorbereitung des Attentats.
Es ist gewiß ein überaus gefährlicher Zustand, menn sich verschiedene Teile der Bevölkerung tampfbereit gegenüber stehen, doppelt gefährlich in einer Zeit, in der, auch von außen Gedeckt wurde das Verschwörertreiben durch die Deutschvölkische die schwersten Gefahren drohen und fremde Agenten an der Bartei und die Nationalsozialistische Partei, die bekanntlich, in engster Bertrümmerung des Reiches arbeiten. Jedem gleiches Recht Berbindung miteinander stehen. Wie weit die Führer dieser Barzuzumessen und alle in ihren Rechten vor gewaltsamen Anteien mit den Plänen, die unter ihrem Schuß gesponnen wurden, im griffen zu schüßen, ist die Aufgabe des Staates. Von einzelnen befannt und einverstanden waren, muß die Untersuchung diesem Standpunkt aus ist es zu begrüßen, daß der Freistaat ergeben. Selbstverständlich aber ist, daß die Behörden, nachdem Breußen endlich begonnen hat, mit der Bekämpfung von fie in den Besitz so gravierenden Materials gelangt waren, auch dem rechtsputschistischen Umsturzbestrebungen Ernst zu machen. Treiben der drei völkischen Reichstagsabgeordneten Niemand vermag zu sagen, in welche Zustände wir geraten v. Graefe, Wulle und Henning wären, wenn es den preußischen Behörden nicht gelungen wäre, das überaus weit gespannte Nez der Verschwörung ihre schärffte Aufmerksamkeit zuwandten. Diese völkischen Helden noch rechtzeitig zu zerreißen. Wahrscheinlich hätten uns dann gerieten infolgedessen in einen Zustand äußerster Bestürzung, in dem Dinge erwartet, gegen die der Kapp- Butsch und die Minister- fie den Reichstagspräsidenten 2öbe ersuchten, sie gegen die ihnen morde nur als ein geringfügiges Vorspiel erschienen wäre. angeblich drohende Gefahr der Verhaftung bei BerDie bayerische Nationalsozialistische Partei, die mit der laffen des Reichstagsgebäudes zu schüßen. Erst als den Herren Deutschvölkischen in engster Verbindung steht, gibt täglich un- begreiflich gemacht worden mar, daß sie unter dem Druck einer Angstgescheut in ihren Blättern und ihren Bersammlungen die Pa- hypnose standen, entschlossen fie sich zum Verlassen des Hauses.( Nach) role aus: Berräter müssen vernichtet werden!" einer anderen Bersion soll Henning sich schon nach München unter Verrätern find dabei alle diejenigen verstanden, die fich in Sicherheit gebracht haben.) Sollte sich das Anklagemateria! erlauben, über das, was dem Bolle frommt, anderer Meinung gegen sie so verdichten, daß eine gerichtliche Verfolgung zu erwarten zu sein als die Ludendorff, hitler, Bulle, Hen wäre, so würde beim Reichstag der Antrag auf ihre Auslieferung ning, Graefe. Diejenigen aber, die diese Parole ausga- gestellt werden. Sonst find gestern in- verschiedenen Städten des Reiches zahl ben und sich anschickten, fie auszuführen, sind selbst die schlimmften Verräter, denn gäbe es einen schlimmeren Verrat als reiche Berhaftungen erfolgt. Von den in Berlin vorgenommenen den, der durch die Vorbereitung von Bürgerkrieg und Mord wurden 12 aufrechterhalten, die Berhafteten sind zum großen Teil an unserem schwer fämpfenden und leidenden Bolt verübt Offiziere der alten Armee. Einer ist General a. D. Biele von den Gesuchten hatten allerdings gleich bei den ersten werden kann? Anzeichen einer beginnenden polizeilichen Kampagne ihre Wohnun gen verlassen, was auf fein besonders gutes Gewissen schließen läs: Eine Verhaftung in Breslau .
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Das Volf hat ein Recht, Schutz zu verlangen vor den Seit Wochen sind wir unterrichtet, daß die preußischen Re- jenigen, die selber Dolche schleifen, indes fie Dolchstoßlegenden gierungsstellen einen Schlag gegen die voltische Bewe- erfinden. Es empfindet in seiner ungeheuren Mehrheit& tel gung, insonderheit gegen die Deutschvöltische Freiheitspartei vor dem ſtumpfsinnigen, blutrünftigen Verschwörertum des planen. Dieser geplante Schlag ist in den frühen Morgenstunden Rechtsbolschewismus und es will, daß damit endlich Schluß Maß von Schlauheit verfügten, das nun einmal zu ihrem gefähr vollzogen worden. Eine große Anzahl der Ortsgruppen gemacht wird. führer unserer Bewegung ist heute früh verhaftet, die Haupt
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Im übrigen läßt sich nicht sagen, daß alle Berschwörer über, das lichen Handwer? notwendig ist. Bezeichnend für diese allgemeine Beobachtung ist u. a. folgender Borfall. Bor einigen Tagen fand in. geschäftsstelle unserer Partei ist durch ein großes Polizeiaufgebot Das befannte Abkommen zwischen dem Reichswehrminifterium Breslau eine Geheimfigung statt, von der die Polizei Wind bekam heute morgen belegt worden, man hat sämtliche Listen usw. be- und dem preußischen Ministerium des Innern hat für die Geheim und die auszuheben ihr gelang. Mittlerweile stand ein Beamter schlagnahmt und hofft, das nötige Material zu finden, um diesen organisationen den 31. März zu einem tritischen in 3ivil an der Haustür und beobachtete einen Herrn, der sich mit ungeheuerlichen Rechtsbruch gegen eine politisch parlamentarisch ner. Tag gemacht. Die Führer dieser Organisationen fühlten sich in fichtbarer Betlommertheit der Stätte näherte, unschlüssig, ob er eintretene Partei einigermaßen rechtfertigen zu können. Wie wir wissen, ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht und richteten ihren ganzen treten solle oder nicht. Der Beamte trat an den vorsichtigen Mann ist auch die Berhaftung der viltischen Abgeordneten ge Grimm gegen den preußischen Ministe: des Innern Genoffen heran und sagte ihm: Gehen Sie nicht hinauf, die Kriminal. plant. Severing, in dem sie sehr richtig einen der gefährlichsten polizei ist oben." Hoch aufatmend bedankte sich der Fremde, Der Stein ist ins Rollen gekommen durch die Entlarvung eines Gegner ihrer Bläne erfanten. Den Behörden entging es indessen fügte aber gleich hinzu, da müsse er schnell zum Bostamt laufen und Bolizeispiels namens Richter, der sich in die Turner nicht, daß es in jenen Kreifen wie in einem aufgescheuchten Bienen- den anderen telegraphieren, die zu morgen eingeladen seien. Die schaften der Freiheitspartei eingeschlichen hatte. Richter hat sich in schwarm zuging. Durch sorgfältige Beobachtungen, denen Berhaf- beiden begaben sich nun gemeinsam zum Postamt; der geheimnisunserer Spandauer Organisation eifrigst betätigt, er hat verschiedent tungen und Durchsuchungen in Oberschlesien , Breslau , Botsbam, volle Frembling bat noch den Beamten, seine Mappe zu hal lich zu politischen Morden aufgefordert, vor allem sollte Klara Berlin und gestern in zahlreichen anderen Städten folgten, gelang es, ten, während er selber an den Schalter trat. Der Beamte nahm 3ettin beseitigt werden, ein Anfinnen, das der Leiter unserer eine weitverzweigte Verschwörung in ihren Inhalt Einsicht, und das Ergebnis war, daß er sie und Spandauer Organisation, Major Snethlage, mit aller Entschieden aufzudecken. Die Ziele der festgenommenen Rechtsputschisten waren ihren Eigentümer, nachdem er sich diesem legitimiert hatte, mitgehen heit zurüdwies. Zur Belohnung ist Herr Major Snethlage heute zum Teil ziemlich verworren, zum Teil aber auch, von ihrem Stand. hieß. Auf diese Weise war übrigens wichtiges Material, das zu weifrüh verhaftet worden. Bor den Augen der Reichs- und Landesregierungen vollzieht teinen geringeren Plan, als den, punft aus, fehr folgerichtig Ein Teil von ihnen verfolgte nämlich teren Festnahmien Anlaß gab, in die Hände der Behörden gelangt. fich der Aufmarsch der Roten Armee. Wir haben die Reichsregierung über den Stand der Dinge dauernd auf dem laufenden gehalten. Leider ohne Erfolg. Jetzt sind die Rüstungen so gut um damit vor allem auch Severing aus dem Amt zu entfernen wie beendet, der Schlag fann erfolgen. Was aber geschieht und das bewußte Abkommen damit zum Scheitern zu bringen. zur Abwehr? Man beraubt die Böllischen ihrer Führer. Gelang dies nicht, so war eine besonders zielbewußte Gruppe entDas ist von der ersten bis zur legten Zeile Unfinn. Un- fchloffen, ein Attentat auf Severing mahr ist die Geschichte von dem Polizeispiel Richter, und lächerlich erlogen ist die Geschichte von dem Aufmarsch der zu unternehmen und ihn dahin zu senden, wohin Rathenau , Erz Roten Armee ". Jeder politisch Unterrichtete weiß, daß die berger, Gareis und viele andere vorausgegangen find. Sozialdemokratische Partei den Bürgerfieg verabscheut und Zunächst wurde eine planmäßige Heze gegen Severing ins die demokratische Republik schützt. Was aber die Kommu- Wert gefeßt. Wie dabei vorgegangen werden sollte, zeigt folgendes nisten mit ihrem verhältnismäßig geringen Anhang betrifft, Dokument:
die preußische Regierung gewaltsam zu stürzen,
Der Wortlaut der Anfrage.
Die Große Anfrage über die rechtsbolschewistischen Selbstschug" Organisationen, die von der sozial. Demokratischen Frattion des Preußischen Landtags eingebracht ist und heute zur Verhandlung fommen soll, hat folgenden Wortlaut:
In den letzten Wochen haben in der Oeffentlichkeit lebhafte Erörterungen über die Tätigteit von Selbstschuhorgani. fationen verschiedener Art stattgefunden.
3ft die Staatsregleraug bereit, mitteilungen über die von ihr getroffenen Abwehrmaßnahmen zum Schuhe der öffentlichen Ordnung zu machen?"